Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 23 Ravengiersburg, Kath. Pfarrkirche St. Christophorus 1431

Beschreibung

Glocke aus der sogenannten Trierer Hexameterwerkstatt. Nördliche Glocke in der Glockenstube des südlichen Westturms1). Große Glocke mit einzeiliger Schulterumschrift zwischen doppelten Kordelstegen, die sich darunter in zwei Worten fortsetzt. Gut erhalten, Gewicht 1220 kg, Schlagton f“2).

Maße: Dm. 118, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. + anno ◦ d(omi)ni ◦ m ◦ cccc ◦ xxxi ◦lavdo ◦ devm ◦ vervm ◦ sathanam ◦ fvgo ◦ convoco ◦ clervm ◦gracia ◦ divina ◦ depellat ◦ cvn(c)ta ◦ nocivaa) //◦ s(anctvs) ◦ (christ)oforvsb)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1431. – Ich lobe den wahren Gott, ich vertreibe den Satan, ich rufe die Geistlichkeit zusammen; die göttliche Gnade möge alles Schädliche vertreiben. – Heiliger Christophorus.

Versmaß: Zwei leoninische Hexameter, einmal zweisilbig, einmal zweisilbig assonierend gereimt.

Kommentar

Die sauber gegossene, auffällig flach ausgeführte Minuskel zeigt als Besonderheit f und langes s mit ungebrochenen unteren Schaftenden. Als Worttrenner dienen quergelegte Rauten.

Die Inschriften der auf das Patrozinium des damaligen Augustiner-Chorherrenstifts Bezug nehmenden Glocke thematisieren einige ihrer Funktionen, wie sie seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in zahlreichen Variationen in Glockeninschriften genannt werden3). Aufgrund der charakteristischen Kombination zweier Kennzeichen, nämlich (Teile) des Formulars und des Verzichts auf die Nennung des Gießers, konnte Jörg Poettgen mehr als zwanzig Glocken der von ihm so genannten Trierer Hexameterwerkstatt zuschreiben, die in den Jahren 1410 bis 1460 in der weiteren Umgebung von Trier tätig war4). Die Ravengiersburger Glocke nimmt dabei durch ihre Größe insofern eine gewisse Sonderstellung ein, als in der Regel wegen des Textumfanges nur einer der beiden Verse auf den Glocken wiedergegeben werden konnte.

Textkritischer Apparat

  1. novica Schellack/Wagner; Kdm.
  2. Befund xp mit Kürzungsstrich.; s. xp. o. pr. ns. Lehfeldt; s. v P O PR US Busley; s. p. o. pr. n. Schellack/Wagner; Kdm.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu die Bauzeichnung in Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 749, Abb. 677. – Die Glocke wurde 1942 zu Kriegszwecken abgeliefert (Inv.-Nr. 15/25/350 C) und kehrte wieder nach Ravengiersburg zurück.
  2. Angaben nach Wagner, Ravengiersburg/Nunkirche 17.
  3. Vgl. dazu Walter, Glockenkunde 185ff. sowie den ausführlichen Kommentar von Rüdiger Fuchs zur großen Trierer Gangolfglocke von 1475 (DI 70, Stadt Trier 1, Nr. 284), die ebenfalls die beiden hier verwendeten Hexameter aufweist.
  4. Vgl. dazu Poettgen, Trierer Glockengießer 80ff. mit der Karte des Verbreitungsgebietes nach S. 66. Inzwischen umfasst die (noch unpublizierte) Liste der von Poettgen der Hexameterwerkstatt zugewiesenen Glocken weit über 50 Stück, wobei der Zeitraum bereits 1370 beginnt; freundlicher Hinweis von Jörg Poettgen, Schreiben vom 3. März 2009. – Ders., Trierer Glockengießer 119 verzeichnet die vorliegende Glocke irrtümlich auch unter dem Jahr 1491; allerdings liegt hier eine Verwechslung mit der vielleicht aus Ravengiersburg stammenden, 1491 von Clais von Enen gegossenen Glocke in Laubenheim vor (vgl. DI 34, Lkrs. Bad Kreuznach Nr. 175), freundlicher Hinweis von dems.

Nachweise

  1. (Falk), Wanderung 184 (teilw.).
  2. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 671.
  3. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 232.
  4. DGA Nürnberg, Kartei.
  5. Schellack/Wagner, Kirchen und Kapellen 33.
  6. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 780.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 23 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0002306.