Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 16 Wellmich (Rhein-Lahn-Kreis), Kath. Pfarrk. St. Martin (aus Karbach) 1396

Beschreibung

Glocke aus der Werkstatt des Johann von Frankfurt. Glockenstuhl, südwestliche Glocke. Sie wurde vor 1877 nach Wellmich abgegeben und soll „mit einem Fuder Erdbeerwein“1) bezahlt worden sein. Große Glocke mit Schulterumschrift zwischen zwei Rundstegen, darunter in regelmäßigen Abständen sechs übereinstimmende Reliefs, die abwechselnd die Kreuzigung (H. 8,5 cm) und die Muttergottes (H. 6,5 cm) zeigen. Gewicht2) ca. 850 kg, Schlagton f’.

Maße: H. 92, Dm. 120, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. +a) anno ◦ d(omi)ni ◦ m ◦ ccc ◦ xcvi ◦ mensis ◦ yulii ◦ erat ◦ facta ◦ et ◦ vocor ◦ maria

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1396 im Monat Juli war (die Glocke) gemacht worden und Maria heiße ich.

Kommentar

Die verhältnismäßig hohen, sorgfältig gearbeiteten Buchstaben sind in flachen Bandminuskeln ausgeführt. Auffällig ist die Gestaltung des y mit als Zierstrich ausgezogener, nach rechts weisender Unterlänge. Als Worttrenner dienen Sternchen. Erstmals im Bearbeitungsgebiet ist hier die Verwendung der gotischen Minuskel auf Glocken nachzuweisen3). Aufgrund der Eigentümlichkeit des Formulars mit der Kombination aus Monatsdatierung und Namensnennung sowie der Verwendung sechsstrahliger Sternchen als Trennzeichen schreibt Poettgen die Glocke der Werkstatt des 1374 bis 1383 als Glockengießer nachweisbaren Johann von Frankfurt zu4).

Die Glocke gehörte zusammen mit einer zweiten erhaltenen Glocke5) zur sonst verlorenen spätmittelalterlichen Ausstattung der zu Beginn des 12. Jahrhunderts erstmals in Verbindung mit der Benediktinerpropstei Hirzenach6) urkundlich genannten Quintinskirche, die als damalige Pfarr- und Wallfahrtskirche weit außerhalb des zugehörigen Dorfes Karbach lag. Die Kirche wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört, dann wieder aufgebaut und Mitte des 18. Jahrhunderts – bis auf den Turm – wegen Baufälligkeit abgerissen. Die heutige Kirche stammt aus dem Jahr 1752, wobei der Kirchturm erst 1853 niedergelegt und als Ersatz lediglich ein kleiner Dachreiter errichtet wurde. Da 1877 nur noch die heute in St. Anna in Karbach verwahrte Glocke in St. Quintin vorhanden war7), muss die Marienglocke in den vorangegangenen Jahren nach Wellmich abgegeben worden sein.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangskreuz aus 5 Sternchen gebildet.

Anmerkungen

  1. So Chronik Karbach 303. – In der Wellmicher Überlieferung dagegen ist von einem Erwerb der Glocke aus Karbach nichts bekannt, vgl. dazu Lauer/Schwarz und Foersch.
  2. Angaben nach Foersch 795.
  3. Vgl. dazu Einleitung Kap. 5.3.
  4. Da der in den Steuerlisten der Reichsstadt Frankfurt seit 1354 als „Hennekin Kannengießer“ nachweisbare Glockengießer (vgl. dazu Bund, Glockengießer 162f.) offenbar nur seine frühen Glocken signierte (wie etwa zwei Bopparder Glocken von 1379; vgl. DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis 1, Nrn. 49 und 50), seine Frau Guda ab 1384 und sein Sohn Gerlach von 1387 bis 1420 als Glockengießer belegt sind, dürfte die einstige Karbacher Glocke von letzteren gegossen worden sein; vgl. dazu Poettgen, Epigraphik und Glockenkunde 392–395, der die insgesamt 13 Minuskelglocken von Vater, Mutter und Sohn als Produkte der „Frankfurter Werkstatt“ zusammenfasst.
  5. Vgl. Nr. 26.
  6. Vgl. dazu Kdm. Rhein-Hunsrück-Kreis 2.1, 831ff.
  7. Vgl. Chronik Karbach 126.

Nachweise

  1. Luthmer, Bau- und Kunstdenkmäler Wiesbaden. Nachlese 97 (mit teilw. Nachzeichnung der Inschrift).
  2. Lauer/Schwarz, Wellmich 67.
  3. Foersch, Glockenbuch 796.
  4. Chronik Karbach 303 (die beigegebene Abb. zeigt irrtümlich die ebenfalls in Wellmich hängende Glocke des Johann von Mainz aus der 1. H. des 14. Jh.).

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 16 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0001605.