Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 12† Kappel, Evangelische Pfarrkirche E.13.Jh./1.H.14.Jh., 1779

Beschreibung

Glocke eines Johannes (?). Die mittelalterliche Glocke wurde 1779 von Mauritius und Johann Baptist Mabillon eingeschmolzen und mit zum Guss von drei neuen Glocken für die 1747 neu erbaute, damals simultan genutzte Kirche verwendet. Auf der größten dieser Glocken (Glockenturm, mittlere Glocke) wurde die Inschrift der alten Glocke „in auffallend romanisierendem Charakter“1) angebracht. Glocke mit zweizeiliger Schulterumschrift (B), auf der Flanke ein 15zeiliger Schriftblock mit der textlich übernommenen Inschrift (A1 bzw. A2) und auf der gegenüberliegenden Seite ein sechszeiliger Schriftblock mit Inschrift (C). Gewicht 326 kg, Schlagton c’’.

Nach der Glocke von 1779.

Maße: H. 70, Dm. 81, Bu. 3 (A1/A2) cm.

Schriftart(en): Majuskel, modern (A).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Escherich) [1/13]

  1. A1†

    +a) ◦ NA ◦ RIA ◦ VO/COR ◦ XPSb)c) ◦ LV ◦ C/VSb) ◦ MARCVSb) ◦ / MATEVSb)d) ◦ INOS/SIb)e)f) NEg) ◦ FECITg)

  2. A22)

    MARIA ◦ VOCOR ◦ IOHANNES ◦ LVCAS ◦ MARCVS ◦ MATEVS ◦ IOH(ANN)ES ◦ ME ◦ FECIT

  3. B

    MAURITIUS MABILO UND DESSEN SOHN JOHAN BAPTIST MABILO CHURTRIERISCHE STUCK / UND GLOCKENGIESSER VON COBLENTZ HABEN UNS GEGOSSEN ANNO 1779

  4. C

    INSCRIPTIO REFORMATORUM ET CHATOLICORUM EST DICTUM PETRI ACTORUM IV Vs 123)

Übersetzung:

(A) Maria heisse ich (…) Johannes machte mich. – (C) Die Inschrift der Reformierten und der Katholiken ist, was Petrus gesagt hat, (in der) Apostelgeschichte 4 Vers 12.

Kommentar

Trotz offensichtlicher Schwierigkeiten konnten die Glockengießer des 18. Jahrhunderts die meisten Buchstaben der gotischen Majuskel lesen und gaben sie (bis auf die fehlenden Schwellungen und die nur angedeutete Gestaltung der Serifen) einigermaßen erkennbar wieder. Fehler unterliefen ihnen vermutlich bei A mit beiderseits überstehendem Deckbalken und gebrochenem Mittelbalken, das sie in der anachronistisch spitzen statt der zeitgemäßen trapezförmigen Form wiedergaben, mit Sicherheit bei geschlossenem unzialem E, das zu O mit eingestelltem waagerechtem Balken bzw. senkrechtem Schaft mutierte, und auch bei geschlossenem unzialem M mit rudimentärem Abschlussstrich und zwei kurzen inneren Beistrichen. Als Worttrenner werden mit Doppelpunkten bzw. vier rautenförmig angeordneten Punkten die gleichen Symbole wie in den Inschriften von 1779 verwendet. Da nichts darauf hindeutet, dass die Buchstaben der ursprünglichen Glocke noch in früher Wachsfadentechnik ausgeführt waren, dürfte die verwendete gotische Majuskel in Kombination mit Namensansage, Evangelistennamen und Nennung des Gießers in den Zeitraum Ende 13./1. Hälfte 14. Jahrhundert zu datieren sein und zur Erstausstattung dieser frühen Kirche gehört haben. Aufgrund einiger Gemeinsamkeiten erscheint es nicht ausgeschlossen, dass es sich bei dem Gießer der Kappeler Glocke um den gleichen Glockengießer Johannes handelt, der 1313 die kleine Marien-Glocke im benachbarten Bell4) hergestellt hat.

Die bereits 1091 als „Capelle“ urkundlich erwähnte Siedlung5) entwickelte sich im Bereich eines sponheimischen Hofes und besaß eine Kirche, die spätestens seit 1317 das Tauf- und Begräbnisrecht6) innehatte.

Textkritischer Apparat

  1. Tatzenkreuz.
  2. S spiegelverkehrt.
  3. Da bei Evangelistenglocken des 13./14. Jahrhunderts (vgl. dazu Einleitung Kap. 4.3) in der Regel alle vier Evangelisten (in ungekürzter Form) genannt werden, handelt es sich bei der Buchstabenfolge XPS (für CHRISTVS) offensichtlich um einen Irrtum; hier müsste mit IOHANNES der vierte Evangelistenname gestanden haben.
  4. Im Original vermutlich geschlossenes E hier als O mit senkrecht eingestelltem Schaft wiedergegeben.
  5. IROSSI Kdm.
  6. Da das folgende ME FECIT den vorangestellten Namen des Glockengießers erfordert, dürfte hier IOS oder IOHES mit übergeschriebenem Kürzungszeichen gestanden haben; vgl. dazu den Kommentar.
  7. Im Original vermutlich geschlossenes E hier als O mit waagerecht eingestelltem Balken wiedergegeben.

Anmerkungen

  1. Kdm. 416.
  2. Da die von den Glockengießern des 18. Jahrhunderts hergestellte Fassung der Inschrift offensichtlich von einigen falsch identifizierten Majuskel-Buchstaben durchsetzt ist, wird sie im Folgenden in der vermutlich ursprünglichen Fassung wiedergegeben. Die kanonische Reihenfolge wäre Matthäus, Markus, Lukas, Johannes.
  3. Apg 4,12 („Und ist in keinem anderen Heil, ist auch kein ander Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden“).
  4. Vgl. Nr. 8. – Herrn Jörg Poettgen, Brief vom 6. Januar 2001, danke ich herzlich für weiterführende Hinweise zu dieser Glocke.
  5. Vgl. dazu Brucker, Kappel 28f.
  6. Vgl. dazu Seibrich, Entwicklung 277.

Nachweise

  1. BAT Abt. 122 Nr. 12 fol. 11r (Inventar 1847).
  2. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 415f. mit Abb. 354f.
  3. Schellack, Verzeichnis 540.
  4. Brucker, Kappel 113 mit Abb. S. 115.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 12† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0001209.