Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 10 Kastellaun, Evangelische Pfarrkirche kurz nach 1337

Beschreibung

Deckplatte des Hochgrabes für Graf Simon II. von Sponheim und seine Frau Lisa von Valkenburg, seit unbekannter Zeit innen an der Südwand des Chors senkrecht aufgestellt. Große, verhältnismäßig schmale Platte aus weiß-gelbem Sandstein, in den oberen Ecken je ein reliefiertes Wappen. Unter zwei Kielbogenarkaden mit einer gemeinsamen mittleren und zwei seitlichen Fialen ist das adelige Ehepaar in Hochrelief nebeneinander mit vor der Brust gefalteten Händen dargestellt, die Köpfe ruhen auf mit Quasten versehenen Kissen. Links der Mann mit offenem Haar im kurzen, vorne geknöpften und gegürteten Waffenrock, daneben seine Frau im enganliegenden Kleid mit über den Kopf gezogenem Mantel. Rechts neben dem Haupt des Ritters befindet sich sein Helm, teilweise die mittlere Fiale überschneidend. Auf den Fialen sind die Inschriften angebracht, die sich im freien Feld neben dem Helm zeilenweise fortsetzen. Die Platte ist insgesamt leicht verwittert, die Schriftleisten sind bestoßen und zum Teil beschädigt, zudem ist die untere Leiste durch den 1966 neu verlegten Fußboden verdeckt.

Maße: H. 231, B. 135, Bu. 2–4 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/6]

  1. [- - -]a) / OBIIT ◦ NOBIL(IS) ◦ [.....b) SY]MO(N)c) ◦ COME(S) ◦ DE ◦ SPAYNHEIMd) // ET D(OMI)NA ◦ LYSA ◦ DE ◦ VALKYNBVR[Ge) ◦ C]OMITISSAd) // QVOR(VM) / ANIME / REQVI/ESCANT / IN ◦ PACE // ◦ AMEN

Übersetzung:

(...) starb der edle (Herr) Simon, Graf von Sponheim, und seine Frau Lisa von Valkenburg. Deren Seelen mögen in Frieden ruhen, Amen.

Wappen:
SponheimValkenburg1).

Kommentar

Die in uneinheitlicher Buchstabengröße fast dünnstrichig mit auffallend spitz ausgezogenen Bogenschwellungen ausgeführte Majuskel zeigt sowohl eingerollte als auch dreiecksförmig verbreiterte Buchstabenenden und als einzige Zierform I mit Nodus. Auffällig ist die Gestaltung des asymmetrischen Y mit fast geraden oberen Schrägschäften und linear ausgeführtem unterem Schrägschaft. Als Worttrenner dienen kleine Kreise2).

Der um 1270 wohl als ältester Sohn des Grafen Johann I. von Sponheim-Kreuznach3) und der Grafentochter Adelheid von Leiningen-Landeck geborene Simon (II.) ist 1290 als Student in Bologna nachweisbar und übte nach dem im gleichen Jahr erfolgten Tod des Vaters4) zunächst gemeinsam mit seinem Bruder Johann II. die Herrschaft über die Vordere Grafschaft Sponheim aus. Nach der 1301 vereinbarten Teilung der Grafschaft residierte Simon II. vorwiegend in Kastellaun, erwirkte 1305 die Stadtrechte, baute die 1248 erstmals als „castrum Kestelun“ bezeugte Burg aus und veranlasste zudem den Bau einer Kirche unterhalb der Burg. Aus seiner vor Juni 1300 geschlossenen Ehe mit Lisa von Valkenburg5) (aus einer Nebenlinie der Grafen von Kleve) entstammten zahlreiche Kinder, darunter Walram6), der die geteilte Vordere Grafschaft Sponheim wieder vereinen konnte.

Da die Grabinschrift der beiden Eheleute nur unvollständig vorliegt und deren genaue Todesdaten auch anderweitig nicht bekannt sind, ergeben sich hinsichtlich der Datierung des Grabdenkmals einige Probleme. Bei Verwendung des zeitüblichen Formulars wäre davon auszugehen, dass auf der oberen Leiste Todesjahr und Todestag des zuletzt am 13. März 13367) urkundlich nachweisbaren Grafen Simon II. gestanden haben bzw. dass auf der unteren Leiste Todesjahr und Todestag der zuletzt am 1. September 13358) urkundlich bezeugten Gräfin zu lesen waren. Dem steht allerdings entgegen, dass die Inschrift der Ehefrau mit einem eindeutigen ET an die ihres Mannes anschließt, was zu der Annahme berechtigt, dass die untere Leiste von vornherein unbeschriftet war. Da wohl kaum von einem identischen Todestag der Eheleute auszugehen ist, dürfte auf der oberen Leiste nur eine Jahreszahl gestanden haben, bei der es sich um die Angabe des gemeinsamen Todesjahres gehandelt haben muss: 1336 oder 1337. Graf Simon II. von Sponheim muss jedenfalls vor dem 25. März 1337 verstorben sein, da sein Sohn und Nachfolger Walram in einer an diesem Tag ausgestellten Kaiserurkunde9) als Graf bezeichnet wird, ein Titel, den er zu Lebzeiten des Vaters nachweislich nicht geführt hatte.

Auch wenn die Möglichkeit nicht ganz auszuschließen ist, dass sich das gräfliche Ehepaar sein gemeinsames Grabdenkmal schon zu Lebzeiten anfertigen ließ und die Inschriften aus unbekannten Gründen nicht oder nur unvollständig ausgeführt worden waren, so ist aufgrund der biographischen Daten, des anzunehmenden Formulars und auch der verwendeten Schriftformen davon auszugehen, dass das Grabdenkmal für beide Eheleute zunächst von dem überlebenden Partner bzw. nach dessen Tod von dem Sohn und Nachfolger Walram in Auftrag gegeben wurde10). Dafür spricht auch, dass die Inschrift einheitliche Schriftformen aufweist und in einem Zuge hergestellt wurde. Vermutlich ließ Walram bei dieser Gelegenheit auch das Grabdenkmal für seinen zwischen 1321 und 1329 verstorbenen Bruder Simon11), den ältesten Sohn des Ehepaars, anfertigen.

Obwohl sich die Familiengrablege der Grafen von Sponheim(-Kreuznach) damals im Augustiner-Chorherrenstift Pfaffen-Schwabenheim befand, dokumentierte die zu Kastellaun sitzende Linie durch alle diese Maßnahmen, dass sie gewillt war, in der von ihr errichteten Kirche unterhalb der von ihr ausgebauten Burg eine neue Grablege zu begründen12). Dies misslang allerdings, da Graf Walram nach nur wenigen Jahren Kastellaun als Residenz wieder aufgab, um als Nachfolger seines in Kreuznach residierenden, 1340 verstorbenen Onkels Johann II.13) die wiedervereinigte Vordere Grafschaft Sponheim von dort aus zu regieren.

Textkritischer Apparat

  1. Die von außen zu lesende Inschrift begann vermutlich in der Mitte der zerstörten oberen Leiste des Hochgrabes über dem Haupt Simons. Der erhaltene Teil beginnt auf der äußeren Seite der übereck stehenden linken Fiale, setzt sich – nun von innen zu lesen – oben auf der inneren Seite der rechten Fiale fort und endet auf der freigebliebenen Zwickelfläche oberhalb des rechten Kielbogens mit der zeilenweise angeordneten Fürbitte. – Dass die Platte schon früh beschädigt war und die obere Leiste bereits im Jahr 1664 nicht mehr lesbar war, zeigt die entsprechende Überlieferung von Zillesius. Lehfeldt konnte nur noch (fehlerhaft) Teile der Fürbitte überliefern, da zu seiner Zeit „das ganze Grabmal mit weisser Farbe überstrichen, und von den Schultern der Figuren an durch einen davor aufgestellten Kirchenstuhl verdeckt“ war.
  2. Fehlstelle von etwa 20 cm.
  3. Der Name fehlt bei Zillesius und den ihm Folgenden.
  4. Folgen Zierschlängel.
  5. Veldentz Zillesius.

Anmerkungen

  1. Ein doppelschwänziger Löwe.
  2. Auch wenn die dreiecksförmige Gestaltung der Bögen der gotischen Majuskel bei vergleichbaren Inschriften in der Region verstärkt im 3. Viertel des 14. Jh. nachzuweisen ist, findet sich ein frühes Beispiel für das benachbarte Nahegebiet bereits im Jahr 1339; vgl. dazu DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 25 sowie die Belege in DI 60 (Rhein-Hunsrück-Kreis 1) Einleitung LIX. Ebenso sind in der Region seit 1329 kleine Kreise als Worttrenner nachweisbar, die in der 2. Hälfte des 14. Jh. nach und nach von Quadrangeln abgelöst werden; vgl. dazu ebd. LXV.
  3. Vgl. dazu und zum Folgenden die biographischen Angaben bei Lehmann 154ff. sowie Mötsch 148ff. mit Stammtafel S. 166.
  4. Vgl. den Kommentar zu seinem verlorenen Grabdenkmal in Pfaffen-Schwabenheim DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 15.
  5. Vgl. Europ. Stammtafeln NF VI Taf. 22.
  6. Verstorben 1380, begraben in Pfaffen-Schwabenheim; vgl. zu seinem erhaltenen Grabdenkmal DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 63.
  7. Regesten Sponheim Nr. 641.
  8. Ebd. Nr. 624.
  9. Ebd. Nr. 662.
  10. Die von Kdm. vorgenommene Datierung, wonach das Grabmal „aus stilistischen Gründen erst gegen Ende des 14. Jh entstanden sein (kann)“ und wegen großer Ähnlichkeit eine Zuschreibung an den (unbekannten) Meister des Grabmals des 1393 verstorbenen Konrad Kolb von Boppard (vgl. DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis 1, Nr. 55) „rechtfertigt“, ist sowohl aus den erwähnten epigraphischen als auch aus kostümgeschichtlichen Gründen nicht nachvollziehbar; vgl. dazu Horst, Rittergrabmäler 16ff., Böhme, Grabstein 62 und die folgende Nr. Anm. 4.
  11. Vgl. die folgende Nr.
  12. Vgl. dazu ausführlich Fey 106ff.
  13. Begraben in Pfaffen-Schwabenheim; vgl. DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 27.

Nachweise

  1. Zillesius, Genealogia 189.
  2. Lehmann, Graffschaft 174 (nach Zillesius).
  3. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 653 (teilw.).
  4. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 442 (teilw.) mit Abb. 384.
  5. Mötsch, Genealogie 154 Anm. 868 (teilw. nach Zillesius).
  6. Heinzelmann, Spanheimer-Späne Abb. 3 – Leifeld, Kastellaun Abb. 15.
  7. Mötsch, Burg Kastellaun Abb. 7.
  8. Fey, Begräbnisse Abb. 21.
  9. Schellack, Grafen von Sponheim Abb. S. 29 und 40.
  10. Kern, Kastellaun 18.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 10 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0001001.