Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 7 Mannebach, Katholische Kirche St. Martin 4. Viertel 13. Jh.

Beschreibung

Glocke. Glockenstuhl, nördliche Glocke. Kleine, gut erhaltene Glocke mit einzeiliger, nicht die Linie haltender Schulterumschrift, die spiegelverkehrt1) angebracht ist. Der Schlagrand ist leicht beschädigt.

Maße: H. ca. 50, Dm. 59, Bu. 1,5-3 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. +a) AVE ◦ MARIA ◦ GRACIA PLENA DOMINVS ◦ TECVM2)

Übersetzung:

Gegrüßt seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir.

Kommentar

Neben pseudounzialem A mit beidseitig überstehendem Deckbalken findet sich auch eine sonst unübliche Variante mit nach innen durchgebogenem und nach unten ausgezogenem linkem Schaft; zudem geschlossenes C, einmal mit nicht exakt schließendem Abschlussstrich; kapitales D; durchgehend geschlossenes unziales E, einmal mit nach außen gebogenem Schaft; eingerolltes G; I mit Nodus; kapitales L mit keilförmig verdicktem Balken; durchgehend links geschlossenes unziales M; spitzovales O; R mit ansatzloser, stark geschwungener Cauda; rundes T mit dreiecksförmigem Deckbalken und leicht eingerolltem Bogen. Als Worttrenner dienen zu Beginn zweimal halbkugelige Doppelpunkte, gefolgt von nur noch einem Punkt. Sowohl die unterschiedliche Ausführung gleicher Buchstabenformen, ihre auffallend unterschiedliche Größe als auch die spiegelverkehrt laufende Inschrift dürften sich wohl aus der hier verwendeten Technik erklären, die Buchstaben freihand aus Wachsfäden3) zu formen und auf den mit Wachs überzogenen Lehmmantel der zu gießenden Glocke anzubringen. Aufgrund der noch mit verhaltenen Schwellungen ausgeführten Buchstabenformen und der ausgesprochen variantenreichen Struktur dürfte die Glocke in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden sein; die bereits geschlossenen Formen bei C und E legen eine Datierung in das letzte Viertel des Jahrhunderts nahe.

Die bislang als „romanisch“ bezeichnete Glocke befindet sich – wie ihre vermutlich in zeitlicher Nähe gegossene Schwesterglocke, die das gleich konstruierte Tatzenkreuz aufweist4) – im Glockenstuhl des im Kern erhaltenen romanischen Chorturms der spätestens um 1200 nachweisbaren, um 1770 umgebauten Pfarrkirche5). Der als Inschrift verwendete Mariengruß verweist nicht unbedingt auf den Namen der Glocke oder ein früheres Patrozinium der Kirche, sondern hängt vermutlich damit zusammen, dass nach dem römischen Pontifikale des 13. Jahrhunderts die Namensgebung einer Glocke grundsätzlich „...in honorem sancte Marie...“6) erfolgen sollte.

Textkritischer Apparat

  1. Ein dünnes gleicharmiges Tatzenkreuz mit je zwei Streben an den Kreuzenden.

Anmerkungen

  1. Von Kdm. 642 „vielleicht aufgrund eines Umgusses“ als unleserlich bezeichnet.
  2. Nach Lk 1,28.
  3. Vgl. dazu Kloos, Epigraphik 81f. und Einleitung Kap. 4.3.
  4. Vgl. Nr. 6.
  5. Vgl. Kdm. 632.
  6. Vgl. dazu Heinz, Bedeutung 59, Anm. 83.

Nachweise

  1. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, Abb. 582f. (Nachzeichnung).

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 7 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0000706.