Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)

Nr. 99 Murrhardt, ev. Stadtkirche St. Januarius vor 1508, 1508

Beschreibung

Grabplatte des Abtes Lorenz Gaul. Seit 1973/75 innen an der Westwand des nördlichen Querschiffflügels, mittlerer Stein; ursprünglich im Chor1. Umschrift zwischen Linien, im Mittelfeld Abtsstab mit Velum, durch eine Mitra gesteckt, unten überdeckt von einem Wappenschild, alles in flach eingetieftem Relief. Graugrüner Sandstein, am rechten Rand und in der linken unteren Ecke stark beschädigt mit Schriftverlust, ausgebrochene Flächen ergänzt; Schrift rot nachgezogen, Motive des Mittelfeldes farbig gefaßt nach alten Farbspuren. Im Feld zahlreiche eingeritzte Initialen des 18. und 19. Jahrhunderts.

Maße: H. 209, B. 99, Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien aus einem Mischalphabet.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. Anno · d(omi)ni · Mccccc〈viii / . 〉 Obijtt · Reuerendvs · [p(ate)r · et ] · d(omi)n(u)s · d(omi)n(u)s · laurencivs ·a) / Gavl · Abbas · hvivs [· / C]enobij · mvrhart · c(uius) · a(n)i(m)a · req(ui)escat · in · pace · amen

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1508 starb der ehrwürdige Vater und Herr Herr Lorenz Gaul, Abt dieses Klosters Murrhardt. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.

Wappen:
Gaul2.

Kommentar

Die Grabplatte wurde noch zu Lebzeiten des Abtes angefertigt. Darauf deutet hin, daß der für das Todesjahr ausgesparte Platz später nicht ganz ausgefüllt wurde und daß das Zahlzeichen v deutlich anders gestaltet ist als die übrigen v der Umschrift. Die Schrift ist von derselben Hand wie die auf den Grabmälern für Anastasia von Rietheim in Göppingen (1500) und für Burkhard Sturmfeder in Oppenweiler (A. 16. Jh., vgl. nr. 86).

Lorenz Gaul entstammt möglicherweise einem Gmünder Patriziergeschlecht3. Er wurde 1501 Abt. Unter seiner Regierung geriet das Kloster in einen Zustand völliger innerer und äußerer Zerrüttung, wohl mitbedingt durch die hohe Schuldenlast, die er von seinem baufreudigen Vorgänger, Abt Schradin, übernommen hatte4, und durch seine angegriffene Gesundheit. Gaul war zuletzt blind, er starb am 21. September5.

Textkritischer Apparat

  1. In der Ecke als Worttrenner eine Rosette.

Anmerkungen

  1. Chronicon Murrhardtense 336v, vgl. Fritz, Murrhardt im Spätmittelalter 344.
  2. Schnepfe. Keinesfalls ein Hahn (redendes Wappen für Gallus), wie Fritz, Murrhardt im Spätmittelalter 344 erwägt.
  3. So Fritz, Murrhardt im Spätmittelalter 344.
  4. Ebd. 64–69.
  5. Todestag überliefert im Lorcher Kalendarium, vgl. ebd. 344.

Nachweise

  1. Crusius, Ann. Seuv. I 309.
  2. OAB Backnang 219.
  3. Kdm Rems-Murr 590.
  4. Schweizer, Bildsteine 38f.
  5. Fritz, Murrhardt im Spätmittelalter 344, Abb. 10.

Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 99 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0009902.