Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)
Nr. 288 Fellbach, ev. Lutherkirche St. Gallus 1625
Beschreibung
Glocke der lothringischen Gießer François Racle und François Chevillot. Im Glockenstuhl. Dreizeilige Schulterinschrift (A) zwischen zwei Friesbändern aus Beschlagwerkkartuschen mit figürlichem Schmuck, als Worttrenner Engelsköpfe und Tatzenkreuze; auf der Flanke eine ovale Porträtmedaille Herzog Johann Friedrichs von Württemberg1 mit Umschrift (B) und unleserlicher Signatur des Graveurs im Abschnitt links unten; direkt unter der Medaille ein rundes Medaillon in Hochrelief mit Vollwappen und Jahreszahl (C) zwischen den drei Helmen; über dem Schlagring auf der einen Seite eine Folge von Initialen mit Herstellungsjahr (D), dahinter zwei Gießerinschriften, die erste in einem Oval mit Lorbeerzweigrahmen (E), die zweite beiderseits eines rechteckigen Kreuzigungsreliefs (F); auf der gegenüberliegenden Seite Medaillon mit allegorischer Szene (zwei Krieger und zwei Frauen) unter Initialen (G), daneben Wiederholung der Gießerinschrift (E) zwischen zwei Initialen (H).
Maße: H. 100, Dm. 126, Bu. (A) 2,5 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
+ ZVR · PREDIG · VND · GEBETT · ICH · SAG · ZVR HOCHZEIT · SING · ZVR · LEVCH · ICH · KLAG · WECK · AVF · ZVR · ARBEIT · FEIRABEND · MA/·CH ·VERKVND · DIE · STVND · SCHAID · TAG · VND · NACHT ·M(AGISTER) · GEORG + CVNRADVS + MAICCLERVS + ECCLESIAE + FELBACH · PASTOR · P(OETA) · L(AVREATVS)2) · / SIMON · THVSNIT · SCHVLTHEIS · HANS ALDINGER HANS PFISTER BVRGERMEISTER MARTIN BROTBECK MICHEL SEIBOLD HEILGENPFLEGER · I · SIIV ·a)
- B
IOHANN(ES) : FRID(ERICVS) : D(EI) : G(RATIA) : DVX : WIRTEMB(ERGENSIS) : et T(ECCENSIS)
- C
1//6//2//3
- D
GS · HS GM · MHSb) 1625
- E
F(RANCISCVS)c) RACLE / LOTHA(RINGVS) · / · MEd) · / FECIT
- F
F(RANCISCVS) // CHIVLOT LOTHA(RINGVS)
- G
HWb)
- H
F(RANCISCVS) // R(ACLE)
Versmaß: Deutsche Reimverse (A).
Württemberg. |
Textkritischer Apparat
- Anstelle der letzten drei Punkte stehen im Original drei identische Marken, die nach Dt. Glockenatlas WürttHohenzollern nr. 1853 das Zunftzeichen der Büttner zeigen. Eine sinnvolle Auflösung der Buchstabenfolge ist nicht möglich.
- Bedeutung der Initialen unklar.
- Über der Zeile ein Glöckchen.
- ME zwischen zwei Sternchen.
Anmerkungen
- Dem Stil nach ein Werk des aus Lothringen stammenden Medailleurs François Guichart der von 1610 bis 1634 zunächst am Mömpelgarder, dann am Stuttgarter Hof tätig war und der gewöhnlich mit ·FG· signierte. Eine sehr ähnliche ovale Porträtmedaille, die den Herzog in derselben Kleidung und Haartracht, jedoch im Profil zeigt, von 1613 vgl. Renaissance im deutschen Südwesten II 591 nr. K42. Die auf der Glocke verwendete Medaille dürfte ebenfalls aus dieser Zeit stammen.
- Zur Inflation der in der Blütezeit des Humanismus in Deutschland wiederbelebten Dichterkrönungen durch den Kaiser oder durch kaiserliche Hofpfalzgrafen sowie zum Schacher, der im 17. Jh. mit der Verleihung des Lorbeers getrieben wurde, vgl. Josef Eberle, Poeta laureatus – Dichterkrönungen, in: Attempto 12 (1963) 11–16.
- Vgl. Dt. Glockenatlas WürttHohenzollern 86f.; ferner: Fleischhauer, Renaissance 438.
Nachweise
- Glockenbeschlagnahme 1917 OA. Cannstatt (LKA, A 26, 1478, 6).
- Dt. Glockenatlas WürttHohenzollern nr. 1853; 169 Abb. 280.
- Kdm Rems-Murr 335.
Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 288 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0028805.
Kommentar
Daß noch 1625 in Fellbach eine Glocke gegossen wurde, kann als Indiz dafür gelten, daß der Ort bis dahin vom Dreißigjährigen Krieg noch wenig berührt war. Der Lothringische Wandergießer François Racle ist in Schwaben von 1624 bis 1631 tätig gewesen, oft wurde er dabei von seinem Landsmann François Chevillot, dem zweiten auf der Glocke genannten Gießer, begleitet3. Zur auf Glocken häufigen Nennung des Kirchenvorstands tritt hier ein in Verse gekleideter Glockenspruch mit Aufzählung der Funktionen der Glocke. Für den genannten Pfarrer Georg Konrad Maickhler ist das Epitaph von 1647 in der Fellbacher Kirche erhalten (vgl. nr. 309).