Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)

Nr. 268 Backnang, Turmschulhaus (ehem. ev. Pfarrkirche St. Michael) 1613

Beschreibung

Grabplatte der Anna Maria Kurbin geborene Zweifel. Innen im südlichen Klassenzimmer des Erdgeschosses an der Ostwand, d. h. im zugemauerten früheren Chorbogen der Kirche; ursprünglich wohl im Fußboden der Kirche, nach dem Versetzen in die Wand zu einem unbekannten Zeitpunkt nach 18091 zugeputzt und 1992 bei Restaurierungsarbeiten freigelegt. Ganz oben vierzeiliger Bibelspruch (A), darunter die Grabschrift in Langzeilen (B); in der Mitte zwei eingeritzte Volutenornamente; im unteren Drittel zwei Wappen in eingetieftem Feld und darunter auf eingetiefter Schrifttafel Versinschrift (C). Graugrüner Sandstein; alle erhabenen Reliefteile einschließlich der Wappenbilder abgespitzt; in der rechten Hälfte ein handbreiter senkrechter, nachträglich wieder verputzter Schlitz (zur Aufnahme elektrischer Leitungen); Ränder und Oberfläche stellenweise stark bestoßen.

Maße: H. 180, B. 80, Bu. 2,5 (A, C), 3 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A

    HERR DEINE TODT[EN WER]DEN / LEBEN VND MIT D[EM LEI]CH=/NAMBa) AVFFER[STEHE]N · / IESAIA AM 2[6 CAP(ITEL)2) ·]

  2. B

    ANNO DOMINI · 161[3 ·] DEN · 3 · TAG / DECEMBRIS, STARB VN[D LI]GT ALHIE / BEGRABEN, DIE EHR[. . VN]D TVGEND=/SAM FRAW ANNA MA[RIA] ZWEIFLIN, / HERRN LORENTZ KV[RBIN]S ALLTEN / STATTSCHREIBERSb) GEL[. . . .] EHELICHE / HAVSFRAW SELIG, GO[TT V]ERLEIHE / IHR EIN FRELICHE VFF[ERST]EHVNG, /AMEN

  3. C

    MEINEM LIEBEN HAVSWIIRTH / VND KHIND, AVCH ALLEN DIE CRISTGLEIBIG SEINDWINSH ICH / VON GOTT EIN SEELIGS END,

Versmaß: Deutsche Reimverse (C).

Wappen:
Kurbin, [zerstört]3.

Kommentar

Die Verstorbene ist die Tochter Konrad Zweifels (†1586), der lange Jahre Substitut des Schorndorfer Stadtschreibers und seit 1563 Backnanger Stadtschreiber war4. Lorenz Kurbin, Sohn des Matthias Kurbin aus Schorndorf, wurde Nachfolger seines Schwiegervaters, dessen Substitut er seit etwa 1580 gewesen war. Kurbin war zuvor bereits Substitut bei dem ehemaligen Murrhardter Vogt Keller sowie bei den Stadtschreibern von Schorndorf und Bottwar5 gewesen. Mehrfach bekleidete er das Backnanger Bürgermeisteramt6. Als Stadtschreiber ist er 1611 zurückgetreten7, daher wird er in der Grabschrift als „Alter Stadtschreiber“ bezeichnet. Seine Grabplatte ist ebenfalls erhalten (vgl. nr. 270).

Von der alten Michaelskirche ist außer dem Turm mit Turmchor nichts erhalten: Das Schiff wurde 1693 von den Franzosen zerstört, an seiner Stelle wurde Anfang des 19. Jahrhunderts das Turmschulhaus errichtet, das bis 1992 als Schule diente und künftig als Stadtarchiv genutzt wird. Bemerkenswert ist, daß – wie die beiden Grabplatten es nahelegen – die Kirche noch im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts in Gebrauch war und für Bestattungen genutzt wurde, obwohl der Gemeinde seit der Reformation die nahegelegene Stiftskirche St. Pankratius zur Vefügung stand.

Textkritischer Apparat

  1. B aus N korrigiert.
  2. C sehr klein in den oberen Bogen des S inseriert.

Anmerkungen

  1. In der Mitte des Steins sind die Initialen A I und zweimal die Jahreszahl 1809 eingeritzt. Zu diesem Zeitpunkt muß der Stein demnach noch zugänglich gewesen sein.
  2. Jes 26, 19.
  3. Vom Wappen Kurbin noch die Konturen der Schildfigur (Kürbis mit Stiel und zwei Blättern) zu erkennen; das zweite Wappen sicherlich das Zweifelsche.
  4. Pfeilsticker § 2159. Ergänzung des Todesjahres 1613 nach freundl. Mitteilung von Herrn Dr. Karlmann Maier und Frau Sabine Reustle.
  5. Ebd. 2158.
  6. Freundl. Mitteilung von Frau Sabine Reustle, die an einer Sozialgeschichte Backnangs im 16. und frühen 17. Jahrhundert arbeitet.
  7. Pfeilsticker § 2158. Die Bauinschrift eines Sohnes (?) Heinrich Curbin von 1617 in Vaihingen/Enz, vgl. DI 25 (Ludwigsburg) nr. 583.

Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 268 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0026803.