Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)

Nr. 248 Winnenden, ev. Schloßkirche St. Jakobus 1606

Beschreibung

Doppelepitaph des Winnender Ratsherrn Johann Ulrich Herbst († 1605) und eines unbekannten Vogts († 1606). Außen an der Südostwand des Chors. Ädikulaähnlicher Aufbau aus fünf Werkstücken. Als Aufsatz zwei Rollwerkgiebel mit je einem Vollwappen in ovalem Medaillon; unter breitem Gesims durchgehender Architrav: Bibelsprüche in der linken Hälfte auf Sims und Architrav (A), in der rechten Hälfte nur auf dem Architrav (D); Hauptgeschoß durch drei mit Masken belegte Pilaster in zwei Felder gegliedert, in beiden ein eingetieftes Mittelfeld, bekrönt von einem Engelskopf; links im Mittelfeld 20-zeilige Grabschrift (B); rechts auf dem Rahmen umlaufende Grabschrift, die in einer zweiten Zeile der Kopfleiste endet (E), im Mittelfeld Versinschrift (F); unter breitem Sims der Sockel mit Spruch (C) in der linken Hälfte. Gelber Sandstein, Reliefteile und Inschriften im unteren Bereich des Grabmals stark verwittert, im rechten Teil die Oberfläche schichtweise abgeplatzt mit erheblichem Schriftverlust.

Maße: H. 270, B. 235, Bu. 3,5 (A, B), 7 (C), 2,5 (D), 3,2 (E), 2,3 cm (F).

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A

    ESAIAE XXXVIII. CAP: //MEINE ZEIT IST DAHIN SPRICHT HISKIAS VND / VON MIR VFGERAIMET WIE EINES HYRTEN HYTE / VND MEIN LEBEN REIST AB WIE AIN WEBER1)

  2. B

    ZINSTAGS DEN 26 TAG / FEBRVA(RII)a) ANNO 1605. / ZWISCHEN AIN VNND / ZWAY VHR NACHMITAG / STARB IN GOTT SELIG=/LICH DER EHRNHAFT / VND FIRNEM IOHANN / VLRICH HERBST BVR/ GER VND DES RAHTS / ALHIE ZVE WINIDENN / WELCHEM DER BARM=/HERTZIG GOTT AHM / HOHEM TAG DES IYNGS=/TEN GERICHTES VNNS / VNND ALLEN VSSER=/WEHLTEN AIN FRÖW=/LICHE AWFFERSTEH=/VNG VERLEYHENN / VND GEBEN WÖLE / AMENb)

  3. C

    HODIE MICHI CRAS TIBI2)

  4. D

    IN . PACE . CVBABO . ET . DORMIAM . NAM . TV . / SPES . MEA . D(OMI)NE . ET . REQVIES . PSAL . 43) /CH(RISTV)S . MEA . VITA . MORS . LVCRVM . MEVM . PHIL: 14)

  5. E

    AN(N)O 1606 // NACH CHR(IST)I / GEPVRTT DEN 17 APRILIS DES H(EILIGEN)a) GRYENEN DO[N](N)ER[S / TAG . . . . . . . . . . . . . . . . . /. . . . . . . . . . .] GISHER VOGT SELIGLICH IN CHR/ISTO ENT//SCHLAFEN

  6. F

    ALLS MAN ZALT 16[0]6 HVNDERT IAR. /NACH CHR(IST)I GEPVRT VND SEHSEN ZWAR /DEN 17 · APRILIS NAC[H] MITER NACHT. /ZWISCH[E]N EIN VND · 2 · ICH BETRACHT. /WIE CHR(ISTV)S ANS BITTE[R] LEIDEN GANGEN /WAS SAMSON VOM TODT GEFANGEN. /WELCHEN ER [M]IT GEDVLT IBERWVNDEN /WEY[. . . .]N CḤ(RISTV)S ḶIDṬ SELBEM STVNDEN5) /DER TO[DT] IM A[V]S DEM ELENT HOLLT. /DAN GOTT ES ALLSO HA[B]EN WOLLT. /SEIN TODT ZVM [SC]HLAF VND GVOTERc) NACHT /[S]EIN GRAB ZVM [RH]VBET IST GEMACHT. /SEIN LEIB NVH HIE [B]EGRABEN LEIT. /DIE SEL LEB[T] IN E[WIG]ER FREVWDT. /BEY [. . . . . . . . . . . .] HIMMELS SAAL. /BỴ [. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .]SCHAL. /D[. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .] GEHN. /A[. . . . . . . . . . . . . . . . . . AVFER]STEHN. /O[. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .] LAG. /D[. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .] MAG.

Übersetzung:

Heute mir, morgen dir. – In Frieden werde ich liegen und schlafen, denn du bist meine Zuversicht, Herr, und meine Ruhe. – Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn.

Versmaß: Deutsche Reimverse (F).

Wappen:
Herbst, unbekannt6.

Kommentar

Die Schrift ist eine sehr sorgfältig gearbeitete ausgewogene Kapitalis mit weitgehend konsequent durchgeführter Worttrennung. Das vielleicht schon 1605 fertiggestellte Epitaph für Johann Ulrich Herbst ist offenbar erst nachträglich durch Anstückung des rechten Teils zum Doppelepitaph erweitert worden. Der unbekannte Vogt, dem das rechte Grabmal gewidmet ist, dürfte ein Verwandter Herbsts gewesen sein. Weder aus Winnenden noch aus den umliegenden Amtsstädten ist ein 1606 verstorbener Untervogt bekannt. Vielleicht spielt der in der Versinschrift erwähnte Samson auf den Namen des Verstorbenen an.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch Doppelpunkt.
  2. Letztes Wort in deutlich kleinerem Schriftgrad.
  3. O klein unter die rechte Schräghaste des V gerückt.

Anmerkungen

  1. Jes 38, 12. Richtig müßte es heißen: Ich reiße mein Leben ab wie ein Weber.
  2. Sir 38, 23.
  3. Ps 4, 9.
  4. Nach Phil 1, 21.
  5. Bedeutung der Zeile unklar.
  6. Gespalten, vorn ein linksgewendeter steigender Fuchs (?), hinten ein aufbäumendes Pferd; Helmzier: wachsender bärtiger Mann mit hohem Federhut und Halskrause, beide Arme in die Hüfte gestützt.

Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 248 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0024801.