Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)
Nr. 126 Winnenden, ev. Schloßkirche St. Jakobus 1520, 1549
Beschreibung
Hochaltar-Retabel, den Chor in ganzer Höhe ausfüllend. Triptychon von ca. 10 cm Höhe; dreiteiliger Schrein mit überhöhtem Mittelteil und Schreinstaffel, Flügel mit geschnitzten Innen- und schmucklosen Außenseiten, Auszug mit reichem Figurenschmuck. Gehäuse Tannenholz, figürliche Teile Lindenholz ohne Fassung, an den Figuren Augen und Lippen getönt. Programm: das Christusthema – beim Hochaltar selbstverständlich – ist verbunden mit dem Thema des hl. Jakobus d.Ä. als des Patrons der Kirche und des Deutschritterordens und zugleich mit dem Schutz der Pilger nach Santiago de Compostela. In der Schreinstaffel Halbfigur Christi als Salvator, darüber thronend der hl. Jakobus, flankiert von den hll. Jodokus und Paulus sowie Petrus und Wendelin (Stadtpatron von Winnenden); in der Predella die vier lateinischen Kirchenväter, im Auszug Anbetung der Könige und Christus als Schmerzensmann, flankiert von zwei Heiligen (rechts Christphorus) und Engeln. Die Flügel enthalten je acht Szenen aus der Jakobus-Legende1. Einige der Schreinfiguren tragen Gewandsauminschriften (A, B, C); ferner im rechten Flügel, rechts unten, Gewandsauminschrift (D) und Monogramm (E, verloren). Nachträglich eingefügt am Sockel der Jakobus-Figur die Schrifttafel (F).
Maße: Bu. 2,0–3,5 cm (A–E); H. 26, B. 87, Bu. 5 cm (F).
Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis, erhaben (A–E), Fraktur (F).
- A.
Am Mantelsaum des Jodokus mehrere Buchstabenfolgen:
HAN / MABCDEOX /ANOVNVSNIRSNIA /O D(V) HA(I)LIGER SANT IO(DOCV)S RAN MVN
- B
SANT PETERVS
- C
SANT WENDEL
- D
DER VIERT IST AI(N) DIEB
- E
IS2)
- F
Anno · d(omi)ni · M · D · xx · hat man / dise tafel von Neuem vfgericht / Anno MDxxxx · wider abge=/brochen A(nno)a) xlix wider vfgericht
Textkritischer Apparat
- A klein in die obere Zeilenhälfte gestellt; wohl nicht nachträglich, sondern aus Platzmangel.
Anmerkungen
- Genaue Beschreibung bei Deutsch, Esslinger Bildhauer 37–42 und Kdm Rems-Murr 1536–1540.
- Von Schuette 215 und Deutsch, Esslinger Bildhauer 40 für spätere Zutat gehalten, da aufgemalt in schwarzer Farbe. – Später zugefügt sind auch die Wappenschilde an den Predella-Zwickeln (Deutscher Orden, Württemberg) und an den Flügelaufsätzen (Renovierungsdatum: Renov(iert) // 1900); Restaurierungsbericht in Kdm Rems-Murr 1541–1544.
- Hierzu vgl. allg. Werner Arnold, Gemälde-Inschriften, in: Pantheon 34 (1976) 116–120.
- Versuche einer Deutung bei Deutsch, Esslinger Bildhauer 39 Anm. 17.
- Vgl. Lieske 12.
Nachweise
- Kdm Neckarkreis 508.
- Schuette 213f.
- Deutsch, Esslinger Bildhauer 37–61.
- Kdm Rems-Murr 1535–1544 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 126 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0012600.
Kommentar
Die Gewandsauminschriften (A)–(C) haben hier die Funktion von Beischriften zur Benennung der Heiligen: (D) ist der Spruch des Richters in der Wunderszene. Bis jetzt nicht deutbare Buchstaben-Ketten – wie sie bei Gewandsauminschriften üblich sind3 – hier nur bei (A)4. Inschrift (F) berichtet über die Geschichte des Retabels: es wurde 1520 errichtet und 1540 im Gefolge der Reformation abgebrochen, dann 1549 während des Interims wieder aufgebaut und im katholischen Kultus genutzt5 bis zum Verkauf der Deutschordens-Kommende 1665 an Württemberg. Nach 1698 war der Altar durch den Einbau der Fürstenempore für das Haus Württemberg in den Chor den Blicken entzogen; nach deren Abbruch 1843 und der nachfolgenden Restaurierung der Kirche durch C. Fr. Leins war das Retabel als Kunstdenkmal bereits hochgeschätzt. Inschrift (F) ist demnach als Bau- und Renovierungsinschrift des Retabels anzusehen und im Auftrag des Deutschen Ordens 1549 ausgeführt worden. Die Frakturschrift verzichtet auf ausgeprägte Ober- und Unterlängen und erinnert daher in vielen Zügen noch an eine gotische Minuskel. Die Inschriften (A)–(D) von 1520 sind trotz breiter Buchstaben-Proportionen in den Formen der frühhumanistischen Kapitalis gestaltet (A mit breitem Deckbalken, zweibogiges E, kleine Ausbuchtungen an den Hasten von I und N sowie am Balken des H).
Die Werkstatt von 1520 wird nach Stuttgart lokalisiert, und in ihrem Leiter wird der auch in Esslingen und Baden-Baden tätige Jörg Töber, gebürtig aus Hagenau im Elsaß, vermutet.