Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)

Nr. 108 Backnang, ev. Stiftskirche St. Pankratius 1513

Beschreibung

Translationstafel im Grab des Markgrafen Hermann II. von Baden († 1130)1, anläßlich der Umbettung der Gebeine 1513 angefertigt. In der Krypta, in einer Steinkiste vor der Nordwand, unzugänglich; Sarg bis 1929 im Chor. Blei, sechszeilige eingravierte Inschrift, 1826 „da, wo es am Schädel angedrückt war, durch Feuchtigkeit angefressen und daher undeutlich in einigen Buchstaben geworden“.

Wortlaut nach Herr2, fol. 24.

Maße: H. 6,5, B. 17 cm.

  1. Anno Domini M. D. XIII. XII. K(a)l(end)as Octobris / translata sunt hec ossa D(omi)ni Hermanni / Marchionis de Baden primi Fundatoris / hujus collegii e medio corporis ecclesie / ad dextrum cornu summi altaris. / cujus anima requiescat in pace.

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1513 am 12. vor den Kalenden des Oktober (20. September) sind diese Gebeine des Herrn Hermann, Markgrafen von Baden, des ersten Gründers dieses Stifts, überführt worden aus der Mitte des Kirchenschiffs an die rechte Seite des Hochaltars. Seine Seele ruhe in Frieden.

Kommentar

Die Backnanger Stiftskirche ist die älteste Grablege der Markgrafen von Baden. Wahrscheinlich gab der Neubau des Chors den Anlaß, 1513 die Gebeine der Markgrafen und ihrer Verwandten, die an verschiedenen Stellen innerhalb der Kirche bestattet waren, nunmehr gemeinsam im Chor beizusetzen3. Für die Neubestattung wurden drei Steinkisten angefertigt, ein alter Sarkophag wurde wiederverwendet. Zur Identifizierung der Toten wurden in die vier Gräber Grabtäfelchen gelgt (vgl. nrr. 109111). Der Steinsarg Hermanns II. wurde zudem auf der Deckplatte mit dem – für ihn freilich anachronistischen – quadrierten badisch-sponheimischen Wappen gekennzeichnet. Erst 1515 erhielten die im Fußboden darüberliegenden Deckplatten dann zusätzlich Metallauflagen mit Inschriften und Wappen (vgl. nrr. 115118). Die Translationsprozedur 1513 erstreckte sich über fünf Tage.

Der im Mittelalter vielfach zu beobachtende Brauch, Gräbern Bleitafeln mit Inschriften beizugeben, hat sich wahrscheinlich unter anderem aus der Anfertigung bleierner Reliquienauthentiken entwickelt und hatte wohl den Zweck, der Nachwelt bei etwaigen Graböffnungen eine eindeutige Identifizierung der Toten zu ermöglichen4. Die Backnanger Grabtafeln stellen neben der dem Grab Kaiser Maximilians I. von 1519 in Wiener Neustadt5 beigegebenen sehr späte Beispiele dar. Freilich erfüllen sie gleichzeitig die Funktion von Translationstafeln, deren Gebrauch bis ins 19. Jahrhundert ungebrochen war6.

Hermann II. ist der Sohn des Markgrafen Hermann von Verona († 1074) und der Hessonin Judith „von Backnang“7, durch die Backnang an die Markgrafen gekommen ist. Die schon bestehende Pankratiuskirche wurde von Hermann II. und seiner Frau Judith von Dillingen8 in ein – 1116 von Papst Paschalis II. bestätigtes – Augustiner-Chorherrenstift umgewandelt, worauf die Inschrift Bezug nimmt.

Anmerkungen

  1. Nach der herkömmlichen Zählung, vgl. etwa Europ. Stammtafeln NF 1, Taf. 129. Gerd Wunder, zur Geschichte der älteren Markgrafen, hat mit dem Einschub einer zusätzlichen Markgrafen-Generation die Reihe der Hermanne vermehrt, eine neue Zählung vorgeschlagen und damit einige Verwirrung gestiftet; ihm folgte mit weiterreichenden Schlußfolgerungen Fritz, Backnanger Nekrolog; zuletzt zusammenfassend Wunder, Die ältesten Markgrafen, passim. Karl Schmid, Werdegang, hat daraufhin jüngst die ältere Markgrafengenealogie einer gründlichen Revision unterzogen und sie wieder in Ordnung gebracht. Überzeugend weist er den Ansatz von Wunder und Fritz mit allen daraus abgeleiteten Konsequenzen zurück. – Zum Todesjahr Hermanns II. vgl. ebd. 55f. Es wird nur in der Grabschrift von 1515 (nr. 115) überliefert, eine frühere Ansetzung ist denkbar. Hermann ist aber jedenalls nach 1122, vermutlich sogar erst nach 1126 gestorben (RMB nr. 49); vgl. auch Schwarzmaier, Zähringer und Baden 26 u. 38.
  2. Am 20. September 1826 fand im Chor der Stiftskirche eine von Protonot. apost. Franz Josef Herr angeregte Grabung und Untersuchnung der Markgrafen-Grablege statt. Originalprotokoll (unterzeichnet von Herr, dem Lehrer Bachofer und dem Stiftsmesner Gottfr. Escher), mehrere Konzepte und eine Reinschrift Herrs (1827 III 10) im GLA Karlsruhe, HfK Hs. 510, IX und 65/1086; zwei der Gräber waren bereits kurz zuvor im Frühjar 1826 geöffnet worden, weshalb man auf eine erneute Freilegung verzichtete; der frühere Grabungsbefund war von dem Backnanger Kantor und Schullehrer Bachofer festgehalten worden, diese Dokumentation ist indes wohl nicht erhalten. Von Bachofers Hand stammt jedoch vermutlich ein lose in die Akten eingelegter Zettel, der die Inschriften der bei dieser ersten Graböffnung entdeckten Bleitäfelchen (nrr. 109, 111) wiedergibt (HfK Hs. 510, IX, fol. 2) und der jedenfalls noch vor der zweiten Untersuchung der Gräber angelegt wurde. Der Backnanger Kantor fertigte ferner bei der neuerlichen Grabung die flüchtigen Zeichnungen der Grabplatten, Särge, Gebeine und Schrifttafeln an. Vgl. auch Kdm Rems-Murr 226–232.
  3. Ein Schlußstein des Chorgewölbes ist mit dem badischen Wappen (Baden-Sponheim) geschmückt, was auf eine finanzielle Beteiligung der Markgrafen am Neubau hindeuten könnte. Zwei weitere Schlußsteine zeigen die Wappen des Stifts und von Württemberg.
  4. Vgl. grundlegend hierzu Hartmut Ehrentraut, Bleierne Inschrifttafeln aus mittelalterlichen Gräbern, Diss. Bonn 1951 (masch.) 6–30.
  5. Ebd. 101.
  6. Vgl. ebd. 29.
  7. So zuletzt wieder Schmid, Werdegang 64f. und bereits Europ. Stammtafeln NF 1, Taf. 129.
  8. Gestorben am 23. Juli 1122, vgl. Schmid, Werdegang 64.

Nachweise

  1. Herr (GLA Karlsruhe, HfK Hs. 510, Ix) 24r (Protokoll 1826), 9v (Reinschrift 1827).
  2. Kdm Rems-Murr 229.
  3. Wunder, Die ältesten Markgrafen 105.

Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 108 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0010802.