Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)

Nr. 68 Schnait (Stadt Weinstadt), ev. Pfarrkirche St. Wendelin 1497

Beschreibung

Altarretabel. An der Ostwand über der Kanzel, die abgetrennten Außenseiten der Flügel an der Nordwand über der Empore nebeneinander aufgehängt. Im Schrein auf einem Stufenpodest fünf geschnitzte Heiligenfiguren unter Laubwerkbaldachinen, am Podest gemalte Tituli, Künstlersignatur und Datierung (A). Auf den Flügeln Tafelgemälde: Feiertagsseite links Geburt Christi, Josef und Maria mit Nimbenumschriften (B); rechts Anbetung der Könige, Maria und Christkind mit Nimbenumschriften, Maria und kniender König mit Gewandsauminschriften (C). Werktagsseite mit Verkündigung, links Gabriel mit um einen Stab geschlugenem Schriftband (D), rechts Maria. Auf der Schreinrückseite schwer beschädigtes Jüngstes Gericht, wohl ohne Inschriften. Retabel wiederholt restauriert, zuletzt 1933 und 1983/841. Die Nimbeninschriften teilweise nur mehr schwer lesbar, Teile der Tituli modern ergänzt. Die Predella mit Schmerzensmann, Maria und Johannes Ev. zwischen zwei Vollwappen2 gehört nicht zu diesem Altar.

Maße: H. (Schrein) 250, B. 240, H. (Flügel, Tafeln ohne Rahmen) 224, B. 106, Bu. 4,5 (A), 3,5 (B), 3,5 bzw. 2,0 bzw. 2,0 bzw. 1,5 (C), 3,3 cm (D).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

  1. A

    SANCTA MARIA SANCTA CATERINA  I Fa)  SANCTA · BARBARASANCTVS · IOHANESb)  1 4  97c)  SANCTVS WENDELINVSb)

  2. B

    SANCTVS · IOSEPH · H · IESVS · ZVOd) · GERNESANTA · MARIA · AIN · GEBERERIN · CRIS(TI)e)

  3. C

    SANTA · MARIA · AIN · GEB(ERERIN CHRISTI)e)SANTVS · IHESVS · CRISTVS AIOENVRHTLNEV3)OMVETRAN3)

  4. D

    AVEf) · MARIA · / GRACIA4)

Kommentar

Die Tituli, die Nimbenumschriften und der englische Gruß sind in einer sorgfältig stilisierten schlanken Kapitalis mit ausgeprägten Sporen ausgeführt. A hat einen langen Deckbalken und – außer in (D) – geknickten Mittelbalken. Der obere Bogen von B und R ist sehr klein, das Mittelstück des M entsprechend kurz; E ist epsilonförmig, G hat eine weit nach oben gezogene, kaum eingerollte Cauda. Die Ziffern 4 und 7 zeigen noch die „gotische“ gekippte Form. Als Worttrenner sind - so weit noch erkennbar - Ringe gesetzt.

Eine Zuschreibung des Retabels an eine bestimmte Werkstatt ist nicht möglich. Das Monogramm IF wird man in Verbindung mit der Datierung wohl als Meistersignatur aufzufassen haben5. Für die Tafelbilder der Flügelinnenseiten dienten Kupferstiche Schongauers als Vorlagen6.

Der Altar wurde – wohl zusammen mit weiteren Ausstattungsstücken (vgl. nr. 81) – für den spätgotischen Kirchenneubau (Ende 15. Jahrhundert) geschaffen7. Die Schnaiter Kapelle war Filial von Beutelsbach.

Textkritischer Apparat

  1. Zwischen IF ein gemalter Spaten.
  2. SANCTVS WENDELINVS 1898 ergänzt, ursprüngliche Schrift damals nicht mehr zu lesen. Die letzten beiden Buchstaben von IOHANES vermutlich ebenso spätere Ergänzung.
  3. Zwischen 1 und 4 ein senkrecht gestelltes Winzermesser, zwischen 9 und 7 Karst und Schippe schräggekreuzt.
  4. O über V übergeschrieben.
  5. Buchstaben in runden Klammern durch den Kopf verdeckt.
  6. A rot ausgezeichnet.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu ausführlich Kdm Rems-Murr 1366, 1374; ferner: Kiedaisch (wie unt.) 335.
  2. Gaisberg / Truchseß von Wetzhausen für Ulrich II. Gaisberg, † 1524, und seine Gemahlin Katharina geb. Truchsessin, vgl. v. Gaisberg-Schöckingen, Stammbaum Gaisberg 2.
  3. Sinnlose Buchstabenfolge wie meist bei Gewandsauminschriften, vgl. Werner Arnold, Gemälde-Inschriften, in: Pantheon 34 (1976) 116-120. Flüchtige Ausführung.
  4. Lc 1, 28.
  5. So auch Frank, Verwendung graphischer Vorlagen 23 Anm. II; der sonst (Rott, Quellen und Forschungen 8, LXVII, Kdm Rems-Murr 1374 u.a.) vertretenen Ansicht, es handele sich um die Initialen eines „bürgerlichen Mitstifters“, kann ich nicht beipflichten.
  6. Zur kunstgeschichtlichen Einordnung vgl. zusammenfassend Kdm Rems-Murr 1374f.
  7. Ebd. 1361.

Nachweise

  1. Pfr. Fulda, Der Hochaltar in der Kirche zu Schnait, ca. 1901 (handschr., Pfarr-Registratur Schnait, Bund 8 „Einrichtung der Kirche“).
  2. Schuette 198f.
  3. Kdm Neckarkreis, Atlas III, Taf. 99.
  4. Böhling, Spätgotische Plastik 46–48.
  5. Rott, Quellen und Forschungen 8, LXVII, Taf. 40.
  6. Frank, Verwendung graphischer Vorlagen 8-10.
  7. Reichert nr. 20.
  8. Stange, Deutsche Malerei der Gotik VIII Abb. 221f.
  9. Ders., Krit. Verzeichnis II 235.
  10. Theodor Stein, Der Schnaiter Hochaltar ein Kleinod der jungen Weinstadt, in: An Rems und Murr 5 ( 1976) 68–73 (Abb.).
  11. Der Rems-Murr-Kreis Abb. 75.
  12. Lässing, Werke der Kunst und Kultur 120f. (Abb.).
  13. Kdm Rems-Murr 1367–1373.
  14. Hermann Kiedaisch, Der spätgotische Altar von Schnait, in: 1238–1988. 750 Jahre Schnait im Remstal 334–337 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 68 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0006803.