Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)

Nr. 54 Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum 1488

Beschreibung

Hochaltarretabel aus der ev. Pfarrkirche St. Maria und St. Veit in Stetten i.R., zu unbekanntem Zeitpunkt unter die Orgel versetzt, dann 1793 auf die Kirchenbühne verbracht, 1899/1901 nach Stuttgart verkauft (Inv.-Nr. 11721). Lindenholz, mehrmals restauriert. Im ergänzten Schrein (Rückwand neu) vier geschnitzte und gefaßte Heiligen-Standbilder: (v. l.) St. Georg, Muttergottes, St. Veit, St. Bartholomäus; über den beiden mittleren Figuren zwei schwebende Engel mit (verlorenen) Kronen. Der abgetreppte Sockel unter den Figuren noch original, die aufgemalten Tituli und die Datierung (A, gold auf Schwarzgrün) nicht mehr ursprünglich1. Auf den Flügeln Tafelgemälde (Tempera): Auf den Außenseiten Verkündigung Mariae, zwischen Gabriel und Maria ein geschwungenes, von unten nach oben beschriftetes Spruchband (B, schwarz auf Weiß, Anfangsbuchstabe rot), Gabriel mit Gewandsauminschriften (C, goldgelb auf Rot), vor Maria eine Blumenvase mit Aufschrift (D, rotbraun auf Grau). Auf den Flügel-Innenseiten je zwei Heilige vor Goldgrund, links Jakob d.Ä. und Martin, jeweils mit Nimbenumschriften (E), Martin ferner mit Nameninschrift auf dem breiten Tasselband (F, goldgelb auf Rot); rechts Ulrich und Jodokus, ebenfalls mit Nimbeninschriften (G), Ulrich außerdem wie Martin auf der breiten Brustborte bezeichnet (H, goldgelbd auf Hellrot). 1896 restauriert. Predella nicht zugehörig; die 1896 erwähnten Figuren im Aufsatz (Hll. Georg und Wendelin sowie ein Einsiedler und ein Mönch) waren bis 1988 im Museum des Klosters Bebenhausen, seither ebenfalls im Württ. Landesmuseum2.

Maße: H. 178, B. (Schrein) 186,5 (linker Flügel) 88, (rechter Flügel) 97, Bu. 4,5 (A), 2,6 –3,2 (B), 1,7 (C), 1,6 (D), 2,2–2,4 (E), 1,2 (F), 2,4–2,6 (G), 1,3 cm. (H).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Landesmuseum Württemberg, Stuttgart [1/8]

  1. A

    SANCTA · MARIA · SANCTVS · VITVS ·· SANCTVS · IORIVS · 1 · 4 · 8 · 8a) · SANCTVS · BARTALOME(VS)

  2. B

    AVE // GRACIA / PLE//NA / DOMIN//VS TECVM BENE/DICTb3)

  3. C

    . .]AVMNOS · IVTOM / IRVIKO / IWOIEMRN · ANOVRT / VON / VVDAR MSOG · IBTAOVN · RV4)

  4. D

    AVc) · MARIA

  5. E

    SANCTVS IACOBVS MEORSANCTVS MARTINVSd)

  6. F

    MARTI(N)VS

  7. G

    SANCTVS VOLRICVSd)SANCTVS IODACVS

  8. H

    V//OLRICVe)

Kommentar

Die Schrift ist eine sehr sorgfältig ausgeführte frühhumanistische Kapitalis, die sowohl in den Nimben- als auch in den Gewandsauminschriften wenig von der Restaurierung beeinträchtigt scheint. Spruchband und Sockelinschriften dürften dagegen weitgehend übermalt worden sein. Bemerkenswert sind das Minuskel-b mit weit hochgezogenem Bogen, „byzantinisches“ M mit verkürzter, nicht bis zur Grundlinie reichender Mittelhaste sowie unziales, nicht völlig geschlossenes D.

Ungewöhnlich ist die Vierzahl der Schreinfiguren und die „gleichberechtigte“ Darstellung des Kirchenpatrons St. Veit mit der Muttergottes. Der Meister, der die Flügel bemalt hat, wird i.a. mit dem Meister des Schnaiter Altars von 1497 (vgl. nr. 68) gleichgesetzt, wozu die Übereinstimmung der Buchstabenformen paßt. Wo sich seine Werkstatt befand, ist unklar5. Stifter des Altars dürften die Ortsherren aus dem um 1507 erloschenen Geschlecht der württembergischen Erbtruchsessen von Stetten gewesen sein.

Textkritischer Apparat

  1. Vor der Restaurierung 1896 soll die Jahreszahl 1498 gelautet haben, vgl. Hess 83.
  2. Ein Schrägstrich bezeichnet einen Knick des Schriftbandes, zwei Schrägstriche verweisen auf den Wechsel der Inschrift vom einen auf den anderen Altarflügel.
  3. Sic!
  4. Zwischen beiden Wörtern Rankenornament.
  5. Wort unterbrochen durch den Kopf des Fischs, den der hl. Ulrich in der Rechten hält.

Anmerkungen

  1. Zwischen den beiden letzten Ziffern der Jahreszahl sind unter dem schwarzgrünen Malgrund ein Tartschenschild und die Jahreszahl 1549 sichtbar. Das Wappen ist quadriert, die Felder 1 und 4 sind offenbar geviert, Feld 2 schräglinksgeteilt oder mit einem Schräglinksbalken. Der derzeitige Befund läßt keine Zuweisung zu; vgl. Herbst 105.
  2. Vgl. ebd. 53; Hess 28.
  3. Lc I, 28.
  4. Sinnlose Buchstabenfolge, als Worttrenner kleine Kreise.
  5. Am ehesten ist doch wohl an Stuttgart zu denken. Abwegig erscheint die angeblich über Ellwangen vermittelte Verbindung zu Nördlingen (so Hess 64–67).

Nachweise

  1. OAB Cannstatt 640.
  2. Kdm Neckarkreis 162.
  3. Keppler 64.
  4. Schuette 204, Taf. 61.
  5. Baum, Deutsche Bildwerke 212–214 nr. 218, Taf. 14.
  6. Kaufmann, Geschichte von Stetten 375–379, Abb. nach 272.
  7. Adolf Kaufmann, Der Stettener Altar, in: Remstal Jg. 7 H. 19 (1967) 29–31.
  8. Stange, Deutsche Malerei der Gotik VIII 105, Abb. 216, 220.
  9. Ders., Krit. Verzeichnis II 235.
  10. Kdm Rems-Murr 446.
  11. Herbst, Der Stettener Altar 19, 34, 87; 11–13, 21, 45 (Abb.).
  12. Hess 31–39, 73, 83.

Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 54 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0005409.