Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)

Nr. 25 Murrhardt, ev. Stadtkirche St. Januarius um 1440 (?)

Beschreibung

Deckplatte einer Tumba (Kenotaph?) für Kaiser Ludwig den Frommen († 840). Unter dem nördlichen Gurtbogen der Vierung; im späten 18. Jahrhundert im Westchor, dann von 1870 bis 1975 in der Walterichskapelle. Kastenförmiger Unterbau aus vier Platten, die durch vorgeblendete Strebepfeiler und maßwerkverzierte Kielbögen gegliedert sind; Deckplatte mit abgeschrägtem Rand, darauf umlaufende, auf der Fußleiste beginnende Sterbeinschrift zwischen Linien, im Feld Ritzzeichnung des Kaisers mit Krone, Szepter und Schwert, rechts unten ein Wappen. Grünlichgelber Sandstein, Schrift nach alten Farbresten 1979 mit roter Farbe nachgezogen. Kopie im Carl-Schweizer-Museum, Murrhardt.

Maße: H. (Deckplatte) 180, B. 93, T. 17, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. + an(n)oa) · d(omi)ni · octingentesimo · decimo · / sexto · obijt · illvstrissimvs · ro(m)anorv(m) · imperator · se(m)per · avgvstvs · lvdwicvs · / filivs · karoli · magni · cognome(n)to · / pius · fv(n)dator · hvivs · monasterij · cuivs · anima · reqviescat · in pace · amen

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 816 starb der erlauchteste Kaiser der Römer und allzeit Augustus, Ludwig, der Sohn Karls des Großen, genannt der Fromme, der Gründer dieses Klosters. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.

Wappen:
Hohenstaufen/Schwaben1.

Kommentar

Die Schrift ist sehr gleichmäßig gearbeitet, i hat regelmäßig den Punkt. Als Worttrenner sind paragraphenförmige Punkte gesetzt.

Das angegebene Todesjahr Ludwigs des Frommen ist falsch. Offensichtlich haben die Murrhardter Mönche des 15. Jahrhunderts hier das Gründungsdatum ihres Klosters (816/817) mit dem Todesjahr des Kaisers verwechselt2. Die Tumba ist leer. Ob es sich von Beginn an um ein Kenotaph handelte3, ist umstritten. Neuerdings erwägt man auch eine Teilbestattung des Kaisers (Herzgrab?)4, denn engste verwandtschaftliche Beziehungen des Kaisers zum ersten Murrhardter Abt Walterich scheinen gesichert5. Für die Tatsache, daß die Tumba nicht leer war, könnte auch eine Öffnung in der Schmalseite des Unterbaus am Fußende sprechen. Das Stauferwappen für Ludwig den Frommen ist eine anachronistische Rückprojektion des 15. Jahrhunderts, in dem man sich den Karolinger Ludwig nur als einen Angehörigen des mächtigen Staufergeschlechts vorstellen konnte. Merkwürdig ist immerhin, daß nicht das Adlerwappen als das Wappen des Reichs gewählt wurde.

Gegenüber der von Schahl vorgeschlagenen Datierung auf 1460/706 erscheinen die Jahre unmittelbar nach der Erbauung der gotischen Klosterkirche um 1440 plausibler: 1444 gab es eine auffällige Bestätigung der von Ludwig dem Frommen ausgestelleten Kloserstiftungsurkunde durch Kaiser Friedrich III.7. Die Bestätigung könnte mit der Weihe der Tumba in Verbindung stehen. 1460/70 war das Kloster dagegen nicht in einem Zustand, der die Ausführung des aufwendigen Monuments wahrscheinlich macht8.

Textkritischer Apparat

  1. Invokationskreuz auf der Ecke der Platte.

Anmerkungen

  1. 3 Leoparden. Zum sog. Stauferwappen vgl. grundlegend Eberhard Gönner, Das Wappen des Herzogtums Schwaben und des Schwäbischen Kreises, in: ZWLG 26 (1967) 18–45.
  2. Vgl. Fritz, Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter 37–40.
  3. So noch Kdm Rems-Murr 589. Ludwig d. Fr. liegt in St. Arnulf zu Metz begraben.
  4. Decker-Hauff, Konrad III. 7; Fritz, Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter 31f.
  5. Ebd. 32–40.
  6. Kdm Rems-Murr 589.
  7. Vgl. Fritz, Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter 37 Anm. 140.
  8. Fritz, Murrhardt im Spätmittelalter 49–55.

Nachweise

  1. Sattler, Hist. Beschreibung 204.
  2. Schönhuth, Burgen II 250f.
  3. Kdm Rems-Murr 589, 591 (Abb.).
  4. Schweizer, Bildsteine 16f.
  5. Fritz, Murrhardt im Spätmittelalter 364 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 25 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0002508.