Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

  • ««
  • »»
  • Zu Datensatz springen
  • Gesamtübersicht

DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)

Nr. 1 Murrhardt, ev. Walterichskirche 1170–80

Beschreibung

Tympanon aus dem romanischen Vorgängerbau. Innen an der Nordwand; bis 1964 an der gleichen Stelle außen, ursprünglich über einem früher hier befindlichen romanischen Portal. Halbkreisförmig, als Rahmen zwischen schmalen Randleisten ein breiter Ornamentfries mit Laubranken, Palmetten und Drachenfiguren, rechts unten ein bärtiger Männerkopf im Profil; im Bogenfeld drei Rundmedaillons: in dem großen mittleren das Lamm Gottes mit Kreuz, auf dem Rahmen Umschrift (A), im kleineren linken das Brustbild Mariae, die die Rechte zum Gebet erhebt und in der Linken ein Weihwasserfaß schwenkt, auf dem Rahmen Inschrift (B), im rechten inschriftlosen Medaillon eine aus acht Lanzettblättern gebildete Sonne; auf der unteren Randleiste des Ornamentrahmens Inschrift (C). Graugrüner Sandstein, Ränder bestoßen, untere beschriftete Randleiste zum Teil weggebrochen. Mehrfach restauriert, Schrift wohl überarbeitet.

Maße: H. 90, B. 180, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A

    AΓNOC · ΔHY · FIDES · SPES · CARITAS · DEVM · TIME · ET MANDATA · EI(VS) · OBSERVA ·.·

  2. B

    + ΘHѠ · ΘѠKѠCa)

  3. C

    INI · TEMP[LVM MEMORARE NOVISSIMA] · TVA · ET IN ET(ER)NVM · NON PECCABIS1)

Übersetzung:

Lamm Gottes, Glaube, Hoffnung, Liebe. Fürchte Gott und beachte seine Gebote! – Gottesgebärerin. – Tritt ein in das Gotteshaus, gedenke deines Endes, und du wirst nicht mehr sündigen in Ewigkeit.

Kommentar

Die gleichmäßig dünnstrichig eingehauene Majuskel verwendet ein fast reines Kapitalisalphabet mit sehr breiten Proportionen, Sporenansätze sind nur schwach ausgeprägt. A ist bisweilen trapezförmig , C kommt einmal in der eckigen Form vor, der Mittelteil des M reicht meist nur bis zur Zeilenmitte hinab. Relativ häufige Ligaturen finden sich bevorzugt bei den Buchstaben A und M. Die griechischen Buchstaben sind noch etwas breiter, Sigma und Omega werden in der unzialen Form gebraucht, das Delta ist oben trapezförmig geschlossen. Die Buchstabenabstände auf dem linken Medaillon (B) sind extrem gedehnt, dennoch füllt die Umschrift den Rahmen nicht ganz aus. Während hier ein griechisches Wort in griechischer Schrift – mit ausgiebiger falscher Verwendung der vom lateinischen Alphabet abweichenden H, ω und Θ anstatt E, O und T – ausgeführt ist, ist in Inschrift (A) lediglich das lateinische AGNVS DEI in griechische Buchstaben umgesetzt. Die Schrifteigentümlichkeiten passen gut zu dem zeitlichen Ansatz des Tympanons zwischen 1170 und 1180, der durch die Identifizierung des Meisters mit dem Meister Berthold des Westportaltympanons von St. Michael in Schwäbisch Hall gewonnen wurde2.

Als Formel für die eigentliche Portalinschrift (C) ist eine Kombination aus Eintrittsaufforderungen und biblischem Mahnspruch gewählt, letzterer verstärkt durch die Mahnung in Inschrift (A), Gottes Gebote zu beachten. Das Symbol und die inschriftliche Nennung Christi sowie die Darstellung und Bezeichnung Mariae zeugen von der häufig inschriftlich bekundeten Vorstellung von Christus selbst als Pforte nach Joh 10, 7 oder von Maria als der offenen Tür, durch die Christus die Welt betritt. Dazu paßt das Sonnensymbol als Zeichen der „Himmelstür“3.

Textkritischer Apparat

  1. So statt ΘEOTOKOC.

Anmerkungen

  1. Nach Sir 7, 40.
  2. Vgl. Kdm Rems-Murr 625.
  3. Ausführlich zu diesem Thema zuletzt Robert Favreau, Le thème épigraphique de la porte, in: Cahiers de civilisation médiévale 34 (1991) 267–279. Vgl. vor allem das Tympanon in Huy/Belgien: in der Mitte der thronende Christus mit der Beischrift EGO SUM OSTIUM, zu seiner Rechten Maria mit der Beischrift PORTA COELI, ebd. 277.

Nachweise

  1. Jan Fastenau, Die romanische Steinplastik in Schwaben. Esslingen 1907, 49, 63.
  2. Emil Kost, Walterichsüberlieferungen in Murrhardt, in: WürttFranken NF 26/27 (1951/52) 170–197, hier: 185.
  3. Cichy 37, 39 (Abb.).
  4. Eisenhut 6f.
  5. Kdm Rems-Murr 625f., 628 (Abb.).
  6. Schweizer, Bildsteine 20f.

Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 1 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0000108.