Der Band enthält die bis zum Jahr 1650 entstandenen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Inschriften des Rems-Murr-Kreises. Mit dem Chorherrenstift Backnang und mit dem Stift Beutelsbach liegen die frühesten bekannten Grablegen der beiden Dynastien im Kreisgebiet, die dem Land Baden-Württemberg seinen Namen gegeben haben. Diese Tatsache dokumentiert sich in einer Reihe interessanter, aber nicht unproblematischer Inschriften. Als bedeutendes geistliches Zentrum prägte das Benediktinerkloster Murrhardt bis zur Reformation den Norden der Region und bildet einen Schwerpunkt der inschriftlichen Überlieferung. Unter den seit dem Spätmittelalter aufblühenden städtischen Zentren ist Schorndorf das bedeutendste, gefolgt von Waiblingen, Backnang und Winnenden. In der Kirche von Oppenweiler hat sich in seltener Vollständigkeit die Grablege eines Niederadelsgeschlechts, der Sturmfeder von Oppenweiler, mit zahlreichen Grabplatten, Epitaphien und Totenschilden erhalten.

Den Schwerpunkt der epigraphischen Texte, die im ausgehenden 12. Jahrhundert einsetzen, bilden die Inschriften des Totengedenkens. Neben den Grabschriften sind die Bau- und Stiftungsinschriften an sakralen und profanen Bauten, an Ausstattungsstücken und Geräten besonders aufschlußreich. Das Spektrum reicht weiter von einfachen Namenbeischriften an Wandmalereien über Glockeninschriften bis zu umfangreichen Weihe- und Urkundeninschriften.

Der chronologisch angeordnete Katalogteil umfaßt insgesamt 320 lateinische und deutschsprachige Inschriften. Etwa 100 Texte werden hier erstmals veröffentlicht. Jedes Inschriftendenkmal wird beschrieben, die Texte werden kritisch ediert und gegebenenfalls übersetzt. Ein knapper Kommentar geht jeweils auf paläographische und sprachliche Fragen ein und rückt die Inschrift in den historischen Kontext. Der Katalog wird durch zahlreiche Abbildungen ergänzt und durch zehn ausführliche Register erschlossen.

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Vorwort

Die vorliegende Bearbeitung der Inschriften des Rems-Murr-Kreises hat Gerhard Fritz 1983 begonnen, weil ihm bei den zahlreichen Arbeiten zur Geschichte seiner Heimatstadt Murrhardt immer wieder inschriftliche Quellen begegneten, die aussagekräftig, aber nicht oder nur unzureichend veröffentlicht waren. Seine Arbeit konzentrierte sich zunächst auf den nördlichen und westlichen Teil des Kreisgebietes mit den Schwerpunkten Murrhardt, Backnang, Winnenden und Waiblingen. Für den südöstlichen Teil (ehemaliger Oberamtsbezirk Schorndorf) hatte Dieter Reichert (Iggingen) im Rahmen einer Zulassungsarbeit für das höhere Lehramt bei Professor Dr. Hansmartin Decker-Hauff in Tübingen das Material gesammelt; seine Hoffnung, als zweiter Autor den Band mit Gerhard Fritz gemeinsam veröffentlichen zu können, ließ sich nicht realisieren, weil berufliche Überlastung und gesundheitliche Beeinträchtigungen eine kontinuierliche zeitaufwendige Nebentätigkeit nicht erlaubten. Wir danken Herrn Reichert für die Überlassung seiner Materialien und für hilfreiche Auskünfte und Hinweise.

An seiner Stelle übernahm seit 1991 Harald Drös die Bearbeitung der Inschriften des ehemaligen Oberamtsbezirks Schorndorf und der im Norden und Westen unmittelbar angrenzenden Ortschaften sowie – als Mitarbeiter der Heidelberger Arbeitsstelle – die redaktionelle Überarbeitung des gesamten Manuskripts und seine Angleichung an die Editionsrichtlinien des Akademieunternehmens „Deutsche Inschriften“, in deren Heidelberger Reihe der Band erscheint. Der historische Teil der Einleitung wurde im wesentlichen von Gerhard Fritz verfaßt, Inschriftenträger- und Schriftkapitel von Harald Drös, der Abschnitt über die nicht-originale Überlieferung von beiden Autoren gemeinsam. Im Katalogteil bezeichnen die Siglen F und D den Bearbeiter der jeweiligen Nummer. Regelmäßige Rücksprachen der Autoren untereinander, ein hohes Maß an Kollegialität und gegenseitiger Förderung haben den Band trotz der komplizierten Ursprünge zu einem – wie wir hoffen – einheitlichen Werk werden lassen, das zur Landesgeschichte des mittleren Neckarraumes einen gewichtigen Baustein liefert.

Es ist den beiden Bearbeitern ein Bedürfnis und eine Freude, den Personen und Institutionen Dank auszusprechen, die die Arbeit an dem vorliegenden Inschriftenband in vielfältiger Weise gefördert haben. Den kirchlichen, staatlichen und kommunalen Behörden und Amtsträgern, in deren Obhut sich die meisten Inschriftenträger befinden, sei für Auskünfte und für Hilfe bei der Arbeit vor Ort gedankt: den Pfarrern und Mesnern der evangelischen und der katholischen Kirchen, dem Württembergischen Landesmuseum Stuttgart (Dr. Heribert Meurer), dem Heimatmuseum Beutelsbach, dem Museum Helferhaus in Backnang, dem Carl-Schweizer-Museum in Murrhardt, dem Heimatmuseum Reutlingen, dem Stadtmuseum Waiblingen und dem Museum des Historischen Vereins Welzheimer Wald in Welzheim. Auch Inschriftenträger in Privatbesitz wurden uns dankenswerterweise bereitwillig zugänglich gemacht, namentlich von Michaela Gräfin von Bentzel (Heroldsbach, Schloss Thurn), Klaus Bossaller (Schorndorf), Dr. Rolf Schweizer (Murrhardt) und Bürgermeister i. R. Julius Zehender (Oppenweiler). Handschriften und Akten als Quellen der nicht-originalen Überlieferung wurden im Generallandesarchiv Karlsruhe, im Staatsarchiv Ludwigsburg, im Hauptstaatsarchiv, in der Württembergischen Landesbibliothek und im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, im Stadtarchiv Schorndorf und in den Universitätsbibliotheken Tübingen und Würzburg benutzt. Mitarbeiter der Heidelberger Universitätsbibliothek halfen in gewohnt kollegialer Weise bei der Beschaffung und Bereitstellung der Literatur.

Landrat Horst Lässing (Waiblingen) hat unserer Arbeit vielfache Förderung angedeihen lassen. Ein namhafter Druckkostenzuschuß wurde von der Stiftung der Kreissparkasse Waiblingen für Kultur, Natur und Heimatpflege gewährt. Er kam der großzügigeren Ausstattung des Abbildungsteils zugute. Durch mancherlei Hilfe hat sich Hans-Dieter Bienert (Murrhardt) Dank verdient, ebenso Eberhard Schauer (Winnenden), der zur Klärung mancher Fragen der Personenidentifizierung beitrug.

Für vielfachen Ansporn, fachliche Ratschläge und freundschaftliche Unterstützung sei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der befreundeten Arbeitsstellen der Akademien der Wissenschaften in Deutschland und Österreich gedankt, vornehmlich Dr. Sabine Wehking und Dr. Christine Wulf (Göttingen) sowie Dr. Rüdiger Fuchs, Dr. Eberhard J. Nikitsch und Dr. Sebastian Scholz (Mainz).

[Druckseite VIII]

Die beiden Letztgenannten haben noch in der Phase der Drucklegung wichtige Korrekturen beisteuern können. Den Kollegen der Heidelberger Arbeitsstelle gebührt besonderer Dank für ihre Hilfestellung, vorweg der Dienststellenleiterin Dr. Anneliese Seeliger-Zeiss, die stets zu förderlicher Diskussion bereit war und wertvolle Hilfe vor allem in kunsthistorischen Fragen leistete. Der Fotograf Axel Schmider hat in bewährter Weise einen Großteil der Fotoaufnahmen angefertigt und die gründliche Laborarbeit besorgt; Dorothee Kaufmann M.A. konnte manchen Kampf mit dem Computer zu guter Letzt zu unseren Gunsten entscheiden.

Professor Dr. Renate Neumüllers-Klauser schließlich hat – zunächst als Leiterin der Heidelberger Arbeitsstelle, dann als stellvertretende Kommissionsvorsitzende – die Entstehung des Bandes von Beginn an und in allen Phasen betreut, koordiniert und durch Kritik und sachkundigen Rat gefördert. Dafür sagen ihr beide Autoren herzlichen Dank.

Heidelberg und Murrhardt, im Februar 1994

Gerhard Fritz und Harald Drös

1. Vorbemerkungen und Benutzungshinweise

Der vorliegende Band enthält die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Inschriften des Rems-Murr-Kreises bis zum Jahre 1650. Mit berücksichtigt sind Objekte aus öffentlichen und privaten Sammlungen, auch in Orten außerhalb des Kreisgebietes, deren Provenienz aus dem Bearbeitungsgebiet nachgewiesen werden kann. Neben den erhaltenen Inschriften sind auch die nur mehr in ungedruckten oder gedruckten Quellen, in Fotos oder Abgüssen überlieferten Texte aufgenommen. Vollständigkeit der Erfassung wurde angestrebt, ist gleichwohl bei der unübersichtlichen Streuung der nichtoriginalen Überlieferung kaum zu erreichen. Ausgeklammert blieben konsequent alle isoliert stehenden Jahreszahlen, Initialen, Monogramme sowie Haus- und Meisterzeichen1). Damit folgt der Band den Bearbeitungsrichtlinien, die für das Inschriften-Unternehmen der Deutschen Akademien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften festgelegt wurden.

Die Inschriften sind im Katalogteil chronologisch und nach einem einheitlichen Schema angeordnet:

Die Kopfzeile enthält links die laufende Nummer der Inschrift2), ein lateinisches Kreuz hinter der Nummer deutet auf den Verlust des Originals hin.

In der Mitte der Kopfzeile steht die Angabe des derzeitigen oder des letzten erschließbaren Standorts. Die Ansetzung erfolgt unter den alten, vor der 1974 abgeschlossenen Gebietsreform gültigen historischen Ortsnamen, die neue Gemeindezugehörigkeit ist in Klammern beigefügt3). Kirchen sind unter ihrer heutigen Bezeichnung angesetzt, doch ist den evangelischen Kirchen das jeweilige ehemalige Patrozinium hinzugefügt, unter dem sie in den Quellen erscheinen4).

Die Datierung am rechten Rand der Kopfzeile ist in der Regel der Inschrift entnommen5). Die Entstehungszeit undatierter Inschriften ist so eng wie möglich eingegrenzt anhand historischer Belege, paläographischer Befunde oder stilistischer Merkmale der Inschriftenträger. Diese Inschriften sind jeweils am Ende des so erschlossenen Zeitraums nach den sicher datierten und datierbaren eingereiht. Unsichere Zeitansätze sind mit Fragezeichen versehen, aus anderen Quellen – d. h. nicht aus der Inschrift selbst – erhobene genaue Datierungen stehen in runden Klammern.

Im ersten Absatz des Artikels finden sich die Benennung des Inschriftenträgers6), die (wichtigsten) in der Inschrift genannten Personen, eine präzisierte Standortangabe, gegebenenfalls auch Hinweise zu früheren Standorten sowie eine Kurzbeschreibung des Inschriftenträgers mit Bemerkungen zu Material, Anbringung der Inschrift(en) und Erhaltungszustand. Die Beschreibung erfolgt vom Betrachter aus, nur für Wappenbeschreibungen ist nach den Regeln der Heraldik umgekehrt verfahren. Mehrere Inschriften auf einem Träger werden mit A, B, C usw. bezeichnet.

Bei kopial überlieferten Inschriften ist die für die Textedition maßgebliche Vorlage angegeben.

[Druckseite X]

Es folgen Maßangaben (in cm) von Inschriftenträger, Buchstaben und gegebenenfalls Ziffern sowie die Bestimmung der Schriftart. Die Schrifthöhe orientiert sich am Normalwert des Buchstabens N/n, erhebliche Schwankungen werden durch Angabe der Extremwerte vermerkt.

Eine Abbildungsnummer am Rand außerhalb des Satzspiegels weist auf die Abbildung der betreffenden Inschrift im Tafelteil hin.

Zur Wiedergabe des Inschriftentextes:

Die Texte sind eingerückt; sie werden fortlaufend wiedergegeben, nur metrische Inschriften sind versweise abgesetzt.

Ein Schrägstrich kennzeichnet das Zeilenende auf dem Träger.

Ein doppelter Schrägstrich gibt den Übergang auf eine andere Beschriftungsfläche an; innerhalb einer Zeile markiert er die Unterbrechung der Schrift durch eine Darstellung.

Worttrennstriche an Zeilenenden und -anfängen originaler Inschriften sind durch Doppelstrich (=) wiedergegeben.

Bögen unter der Zeile bezeichnen Buchstabenligaturen. Die Verschmelzung zweier i bzw. I (mit Lautwert ii) zur Y-Form wird nicht als Y, sondern – je nach Erscheinungsbild – als ij-, II- oder IJ-Ligatur dargestellt.

Änderung in der Onlineversion

Nicht Bögen, sondern Striche unter der Zeile (Unterstreichungen) bezeichnen Buchstabenligaturen.

Abkürzungen werden unter Wegfall der Kürzungszeichen zwischen runden Klammern aufgelöst.

Eckige Klammern schließen Ergänzungen ein. Textverlust, der nicht ergänzt werden kann, ist durch leere eckige Klammern angedeutet. Die Größe der Lücke wird durch eine den fehlenden Buchstaben schätzungsweise entsprechende Zahl von Punkten angegeben. Ist die Länge einer Fehlstelle am Beginn oder am Ende der Inschrift ungewiß, so werden drei Punkte gesetzt und die Klammer bleibt offen.

Erhaltene Buchstaben, deren Lesung unsicher ist, sind durch daruntergesetzte Punkte markiert.

Ursprünglich freigelassene Stellen – wie z. B. ausgesparte Sterbedaten – wie auch deren nachträgliche Ausfüllung werden zwischen spitze Klammern eingeschlossen.

Lateinische Inschriften werden übersetzt. Bei metrischen Inschriften ist das Versmaß vermerkt. Datierungen nach den römischen Stichtagen und nach dem Festkalender werden aufgelöst. Alle auf dem Inschriftenträger vorkommenden Wappen werden nachgewiesen. Etwaige Wappenbeischriften sind hier, nicht im Textteil wiedergegeben. Unbekannte Wappen werden blasoniert, ebenso solche Wappen, die bislang nicht oder nur an abgelegener Stelle publiziert sind. Bei Ahnenproben gibt das Druckbild die Anordnung der Wappen wieder.

Der anschließende Kommentar enthält Bemerkungen zum paläographischen Befund, zu Sprache und Formular, zum historischen Umfeld der Inschrift, zu Problemen der Datierung sowie gegebenenfalls Überlegungen zur kunsthistorischen Einordnung des Inschriftenträgers.

Der Apparat gliedert sich in Buchstaben- und Ziffernanmerkungen. Die Buchstabenanmerkungen sind textkritischen Fragen gewidmet (Textvarianten, problematische Lesungen, orthographische und paläographische Besonderheiten oder Fehler im Text), die Ziffernanmerkungen weisen Zitate und Literatur nach und geben zusätzliche Erläuterungen zu Beschreibung und Kommentar.

Das abschließende Literaturverzeichnis listet in chronologischer Folge die wichtigsten kopialen – ungedruckten und gedruckten – Überlieferungen und Abbildungen der Inschrift auf. Dabei ist auch Literatur nachgewiesen, die den Inschriftentext nur teilweise wiedergibt.

Die Siglen F(ritz) und D(rös) am Ende einer jeden Katalognummer bezeichnen den jeweiligen Bearbeiter.

Das Register schlüsselt das Inschriftenmaterial nach den verschiedensten Gesichtspunkten auf. Die Inschriften sind nach ihrer laufenden Nummer zitiert. Zur Anlage der einzelnen Register sind die dort gegebenen kurzen Vorbemerkungen zu vergleichen.

Den Abbildungen liegt kein einheitlicher Maßstab zugrunde. Die fotografischen Vorlagen wurden zum größten Teil in den Jahren 1991–93 am Standort neu angefertigt. Die Reihenfolge der Abbildungen weicht gelegentlich von der der Inschriften im Katalog ab, wenn sachliche Gründe (Zuordnung gleichartiger Inschriftenträger) das zweckmäßig erscheinen ließen. Die auf den behandelten Inschriftenträgern registrierten Steinmetzzeichen sind auf einer Tafel zusammengestellt.

2. Historischer Überblick

Der heutige Rems-Murr-Kreis ist erst im Zuge der Kreisreform 1973 im wesentlichen aus Teilen der ehemaligen Landkreise Backnang und Waiblingen, ferner aus kleineren Teilen der Kreise Ludwigsburg und Schwäbisch Gmünd entstanden7). Historisch gesehen, ist er ein uneinheitliches Gebiet, innerhalb dessen sich in den letzten beiden Jahrhunderten die Verwaltungsgrenzen immer wieder verändert haben. Von den seit 1806 geschaffenen württembergischen Oberämtern, die im wesentlichen bis 1938 Bestand hatten, partizipierten acht am heutigen Kreisgebiet: als Bestandteile des Neckarkreises waren dies die Oberämter Backnang, Marbach, Waiblingen und Cannstatt, mit einem winzigen Zipfel auch noch das Oberamt Weinsberg, als Bestandteile des Jagstkreises die Oberämter Gaildorf, Welzheim und Schorndorf. Das Kreisgebiet hatte eine zwar seit dem Spätmittelalter von Württemberg dominierte, indessen nie völlig einheitliche Geschichte.

Der Kreis wird von den beiden namengebenden Flüssen von Ost nach West durchströmt8): von der Murr im Norden, von der Rems im Süden. Beide Flüsse kommen aus dem bewaldeten, wenig fruchtbaren Gebiet der Keuperberge, die den Großteil des Kreisgebiets ausmachen (Löwensteiner Berge, Murrhardter und Welzheimer Wald, Berglen und Schurwald), und münden westlich außerhalb des Kreisgebiets in den Neckar. Lediglich im Westen wird das Land flacher: Hier erstrecken sich die fruchtbaren lößbedeckten Ebenen des mittleren Neckarlandes. Die Flüsse schneiden hier tief in das Muschelkalkgestein ein, während im Keupergebiet die Täler breiter und flacher sind.

Die geologischen und topographischen Gegebenheiten bedingten die Besiedlung des Kreisgebietes9). Während die fruchtbaren Niederungen schon seit der Jungsteinzeit besiedelt waren, waren die Keuperberge noch weitgehend menschenleer. Noch heute herrschen hier große Waldflächen vor.

Als die Römer um das Jahr 150 n. Chr. den Limes vom Neckar um etwa 30 km ostwärts vorschoben, wurde das heutige Kreisgebiet fast vollständig Teil des Römischen Reichs. Der neue obergermanische Limes durchschnitt die Keuperberge in Nord-Süd-Richtung, um im Süden des Kreisgebiets beim Haghof nach Osten, bei Pfahlbronn wieder nach Süden zum rätischen Limes hin abzuknicken. Die militärische Notwendigkeit ließ nun auch in den Bergen erste Siedlungszentren entstehen: In Murrhardt und Welzheim wurden Kohortenkastelle angelegt, in deren Nachbarschaft sich Lagerdörfer von stattlicher Größe bildeten10).

Die Verhältnisse nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft um 260 n. Chr. liegen weitgehend im Dunkeln. Aus alemannischer Zeit gibt es nur vereinzelte Funde. Zweifellos war aber der Westen weiterhin besiedelt, während sich für das Bergland keine Siedlungsspuren finden. Die Orte mit den frühesten Namen (Oeffingen, Heiningen, Schwaikheim) liegen im fruchtbaren Lößgebiet11). Mit der alemannischen Niederlage gegen die Franken (um 500) fiel der gesamte Norden des Bearbeitungsgebiets an die Franken. Fortan verlief die schwäbisch-fränkische Stammesgrenze im wesentlichen auf dem Höhenzug zwischen Rems und Murr12). An dieser Trennlinie orientierten sich für das gesamte Mittelalter auch die kirchlichen Grenzen: Der fränkische Norden gehörte zu den Diözesen Speyer und – zum kleineren Teil – Würzburg, im Süden trafen sich die schwäbischen Bistümer Konstanz und Augsburg13).

In merowingischer Zeit dürfte Waiblingen bereits als Zentrum der schwäbischen Herzöge eine erhebliche Bedeutung gehabt haben14). Gleichzeitig wird man die Entstehung von Urpfarreien in Orten wie Winterbach, Backnang und Murrhardt annehmen dürfen. Erst in der Karolingerzeit konkretisiert sich unser Wissen über die Geschichte einzelner Orte. Für Murrhardt liegen die ersten [Druckseite XII] Nachrichten vor15): Der Ort war in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts im Besitz der karolingerfreundlichen, reichsweit in Aktion tretenden Sippe der Waltriche. Nachdem ein erster Klostergründungsversuch in Murrhardt um 770/780 in den Anfängen steckengeblieben zu sein scheint, war ein zweiter Anlauf um 817 erfolgreich. Das Kloster prägte die Geschichte der Umgebung bis zu seiner Aufhebung 1552 im Zuge der Reformation16).

Die zweite große geistliche Niederlassung im Kreisgebiet war das um 1116 von den Markgrafen von Baden gegründete Augustiner-Chorherrenstift Backnang. 1477 wurde es in ein weltliches Kollegiatstift umgewandelt (nr. 114) und 1534 schrittweise aufgehoben. Eine Stiftung der Herren von Beutelsbach war das weltliche Chorherrenstift gleichen Namens, das 1247 erstmals bezeugt ist, aber wohl mit seinen Anfängen ins 11. Jahrhundert zurückreicht. Vermutlich von Graf Ulrich I. von Württemberg erweitert und zur Grablege seines Geschlechts bestimmt, wurde das Stift im Reichskrieg gegen Graf Eberhard 1311 zerstört und 10 Jahre später nach Stuttgart verlegt (nrr. 4, 5). Das 1466 von Graf Ulrich V. von Württemberg gegründete Augustinereremitenkloster auf dem Engelberg bei Winterbach bestand nur kurze Zeit (nr. 67). Ferner ist noch der Deutschordenskommende Winnenden (nrr. 170, 256) zu gedenken, die 1288 von Berthold von Neuffen gestiftet worden ist, aber ohne große Bedeutung blieb und 1665 an Württemberg verkauft wurde. Knapp außerhalb des Bearbeitungsgebiets gelegen, aber mit zum Teil umfangreichem Besitz im Kreis waren die Klöster und Stifte Lorch, Adelberg, Weiler bei Esslingen, Steinheim an der Murr, Oberstenfeld (nr. 207) und Lichtenstern.

Die weltlichen Machtverhältnisse im Kreisgebiet bleiben bis ins Hochmittelalter undeutlich. Eine überragende Machtposition hatte bis ins 11. Jahrhundert der König und – im Waiblinger Raum anfangs schwer davon zu trennen – der Herzog von Schwaben inne17). In den beiden bedeutendsten Gauen, dem Murrgau und dem Remstalgau, scheinen im 11. Jahrhundert die Adalberte (die späteren Grafen von Calw) und die Popponen (die späteren Grafen von Lauffen) auf18), mit dem Verfall der Gauverfassung ging aber ihre beherrschende Stellung im 12. Jahrhundert weitgehend verloren. Durch königliche Vergabung zu Beginn des 11. Jahrhunderts gelangten ferner die hochadligen Hessonen zu Besitz in und um Backnang19). Die Herren und Grafen von Württemberg sind möglicherweise Nachkommen des Saliers Konrad von Kärnten und der schwäbischen Herzogstochter Mathilde, aus deren mutmaßlichem Erbe Beutelsbach stammte20). Waiblingen blieb mit mehreren Orten der Umgebung als Hausbesitz namengebendes Zentrum der Salier21) („Heinriche von Waiblingen“). Nach dem Erlöschen der Königsdynastie 1125 gingen die Waiblinger Güter, die gegen Ende des 11. Jahrhunderts vorübergehend an das Hochstift Speyer gelangt waren, in den Besitz der Staufer über. Währenddessen brach die hessonische Machtposition auseinander: In den Jahrzehnten um 1100 fiel Backnang über eine hessonische Erbtochter an die Markgrafen von Baden22), die sich bis etwa 1300 hier behaupteten. Der übrige hessonische Besitz zersplitterte mit der Aufspaltung der Familie in mehrere Zweige. Winnenden ging an die Herren von Winnenden, im frühen 13. Jahrhundert durch Heirat an die Herren von Neuffen. Die Murrhardter Klostervogtei blieb bei den hessonischen Grafen von Wolfsölden, bis eine Erbtochter um 1230 deren gesamten Besitz an die Grafen von Löwenstein, eine Seitenlinie der Grafen von Calw, brachte23).

Nur kleine Teile des Kreisgebiets an der unteren Murr waren als Zubehör Marbachs in der Hand der zähringischen Herzöge von Teck. Den zahlreichen staufischen Ministerialenfamilien blieb in unserem Raum der Gewinn der Reichsunmittelbarkeit versagt, nur die Herren von Rechberg konnten sich gegen Ende der Stauferzeit in Alfdorf, die Schenken von Limpurg in Welzheim (bis 1713, seit dem 14. Jahrhundert als württembergisches Lehen) dauerhaft festsetzen24). Ursprünglich vielleicht Dienstmannen des Hochstifts Speyer waren die Sturmfeder von Oppenweiler, die erst im 13. Jahrhundert in den Quellen erscheinen, denen es aber gelang, die Herrschaft Oppenweiler bis 1806 zu behaupten25). Daneben sind höchstens noch die Herren von Urbach, die von Welzheim und die zur badischen Ministerialität zählenden Herren von Ebersberg26) zu nennen.

[Druckseite XIII]

Im 13. Jahrhundert begann der Aufstieg der Grafen von Württemberg. Waiblingen dürfte von ihnen in staufischem Auftrag bereits um 1200 mitverwaltet worden sein, so daß auch der Ausbau Waiblingens zur Stadt (wohl um 1220) als staufisch-württembergisches Gemeinschaftsunternehmen gelten darf27). Endgültig gelangte die Stadt wohl 1246 nach dem Bruch der Württemberger mit den Staufern an das Grafenhaus. Der Machtausbau verlief von da an rasch: Bereits um 1250 war Schorndorf württembergisch, 1293 kam die Vogtei über Kloster Lorch und dessen Besitz hinzu. Um 1300 gewann Graf Eberhard der Erlauchte Backnang nach Erbauseinandersetzungen28). 1302 folgte der Erwerb der Teckschen Besitzungen, 1325 der von Winnenden mit Ausnahme der Deutschordenskommende Winnental29), 1328 der Kauf der Herrschaft Ebersberg. Zur Lorcher Klostervogtei trat 1362 auch die über Kloster Adelberg, 1388 die bislang von den Grafen von Löwenstein ausgeübte über Kloster Murrhardt30).

Die Städtebildung im Gebiet des Rems-Murr-Kreises war am Ende des 13. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen: Um 1220/30 dürften die Städte Waiblingen (Staufer/Württemberg), Winnenden (Neuffen) und Backnang (Baden) entstanden sein, spätestens um 1250 Schorndorf (Württemberg), um 1290 Murrhardt (Löwenstein). Welzheim erscheint zwar zeitweilig in den Quellen als Stadt, sank aber wieder zum Dorf herab.

Ab dem 15. Jahrhundert gab es nur noch geringfügige territoriale Veränderungen. Die im Landshuter Erbfolgekrieg 1504 von Württemberg annektierte Grafschaft Löwenstein mußte 1510 – jetzt freilich als württembergisches Lehen – an die wittelsbachischen Grafen von Löwenstein zurückgegeben werden31). Punktuelle Veränderungen ergaben sich durch den Wechsel von Ortsherrschaften: 1507/08 kauften die Thumb von Neuburg Stetten im Remstal von den württembergischen Erbtruchsessen von Stetten und konnten eine Herrschaft mit eigener Blutgerichtsbarkeit aufbauen (1664/66 durch Kauf an Württemberg). Der rechbergische Ritterschaftsort Alfdorf wurde 1614/19 von Württemberg erworben und 1628/40 an die Herren vom Holtz verlehnt. Oeffingen bei Fellbach ging 1618 von den Herren von Neuhausen an das Augsburger Domkapitel über, das den Besitz bis zum Ende des Alten Reichs behaupten konnte.

Um 1500 war das Kreisgebiet also, von wenigen Einsprengseln und von einigen löwensteinischen Gebietsstreifen im Nordosten abgesehen, unter württembergischer Herrschaft. Die württembergische Verwaltung war in eine Anzahl unterschiedlich großer weltlicher Ämter (Backnang, Schorndorf; Waiblingen, Winnenden) und in das Klosteramt Murrhardt gegliedert32). Randgebiete des heutigen Kreises gehörten zu den Ämtern Weinsberg, Beilstein, Bottwar, Marbach und Cannstatt sowie zu den Klosterämtern Adelberg und Lorch. Zur Verwaltung der ausgedehnten Waldgebiete bestand ferner das Forstamt Schorndorf, aus dem um 1500 Reichenberg als eigenständiges Forstamt herausgelöst wurde.

Unter den Städten besaßen jetzt Schorndorf und Waiblingen durch Größe und Reichtum eine herausragende Stellung, auch in ganz Württemberg. Schorndorf wurde 1538–44 zur Landesfestung ausgebaut und erhöhte durch diese strategische Bedeutung noch seinen Rang.

Die 1534 durch Herzog Ulrich und ab 1552 endgültig durch Herzog Christoph eingeführte Reformation verschaffte Württemberg die volle Verfügungsgewalt über den reichen Besitz der bevogteten Klöster und Stifte. Die Verwaltungseinheit der Klosterämter wurde unverändert beibehalten. Kloster Murrhardt erfuhr die Umwandlung in eine evangelische Prälatur, Kloster Engelberg wurde aufgehoben. Das neuhausensche und später augsburgische Oeffingen blieb als einziger Ort im Kreis katholisch. Die Sturmfeder von Oppenweiler verblieben beim alten Glauben, gleichwohl wurde auf württembergischen Druck um 1560 die Reformation in Oppenweiler durchgeführt.

Der Dreißigjährige Krieg traf die Gegend mit besonderer Wucht. Nach den Pestepidemien von 1626 und 1635 und der Vernichtung mehrerer Städte – namentlich Schorndorf und Waiblingen wurden katastrophal getroffen – war die gesamte Region in ihrer Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen33). Inschriftliche Zeugnisse des Wiederaufbaus aus den letzten Kriegs- und den ersten Nachkriegsjahren sind im vorliegenden Band noch berücksichtigt (nrr. 299, 315). Die im Zuge des Krieges vorgenommene Rekatholisierung der Klöster und Stifte (Murrhardt 1630 und 1634–48, vgl. nr. 303) mußte nach dem Westfälischen Frieden wieder rückgängig gemacht werden. Bereits außerhalb unseres [Druckseite XIV] Untersuchungszeitraums liegt die teilweise Rekatholisierung Ebersbergs und Oppenweilers durch die Ortsherrschaft (von Winterstetten bzw. Sturmfeder).

2.1. Beschreibung und Geschichte der wichtigsten Standorte

Für die Zeit bis 1650 sind im vorliegenden Band insgesamt 320 Inschriften nachgewiesen. Inschriftenträger, die nur als solche bezeugt sind, deren Wortlaut aber nicht überliefert ist, wurden dabei grundsätzlich nicht berücksichtigt. 231 Inschriften sind noch im Original erhalten, 89 sind nur mehr abschriftlich auf uns gekommen. Der Band bietet 87 Erstveröffentlichungen, etwa 20 weitere Texte waren bislang nur verkürzt publiziert. Auch von den übrigen Inschriften existieren zum Teil nur unzureichende und ungenaue Textwiedergaben.

Die geographische Verteilung der Inschriften innerhalb des Kreisgebiets zeigt mehrere Schwerpunkte: Schorndorf, bis zu seiner Zerstörung 1634 eine der größten und reichsten Städte Altwürttembergs, liegt mit 56 Inschriften an der Spitze, freilich ist ein Großteil des Schorndorfer Inschriftenbestands nur mehr abschriftlich erhalten. Murrhardt hat insgesamt 41 Inschriften aufzuweisen, die ganz vorwiegend aus dem Klosterbereich stammen, Backnang mit dem Augustiner-Chorherrenstift verzeichnet 29 Inschriften. Die nach Schorndorf größten Städte des Kreisgebiets, Waiblingen und Winnenden, fallen mit 15 bzw. 11 Inschriften kaum ins Gewicht, Welzheim hat außer einem Museumsstück unbekannter Herkunft gar keine epigraphische Überlieferung aufzuweisen. Als Standorte mit größeren Inschriftenbeständen sind noch Fellbach, Beutelsbach und Winterbach (10, 8 bzw. 7 Inschriften) zu nennen, vor allem aber Oppenweiler, der Sitz der Sturmfeder, mit der fast komplett erhaltenen Grablege des Rittergeschlechts (26 Inschriften).

Im folgenden werden die wichtigsten Inschriftenstandorte kurz vorgestellt. Damit soll eine erste Orientierung geboten werden, sollen die Inschriften im Zusammenhang in ihren lokalen Kontext eingeordnet werden34). Die wichtigsten historischen Zusammenhänge der hier nicht berücksichtigten Inschriftenstandorte sind in der Regel im Kommentar des Inschriftenkatalogs erläutert.

2.1.1. Murrhardt

Über die Gründung des Klosters Murrhardt ist keine letzte Klarheit zu gewinnen. Die frühesten Erwähnungen (788, 817) entstammen kopial überlieferten gefälschten Königsurkunden: Mit diesen und weiteren Urkundenfälschungen versuchten einerseits die Bischöfe von Würzburg, die Unterstellung des Klosters unter ihre Diözesanhoheit darauf zu gründen, daß Pippin das Kloster an Würzburg geschenkt und Karl der Große 788 diese Schenkung bestätigt habe, während andererseits das Kloster Murrhardt seinen Anspruch auf Immunität und freie Abtswahl darauf stützte, daß die Gründung des Klosters angeblich auf eine Schenkung Kaiser Ludwigs des Frommen von 817 an den Einsiedler Walterich zurückgehe. Die Murrhardter Version der Gründungslegende wurde um 1500 (nr. 69), um 1528 (nrr. 136, 137, 138) und wohl erneut um die Mitte des 16. Jahrhunderts (nrr. 159, 160) in Wand- und Glasmalereien im Kloster ins Bild gesetzt und mit entsprechenden Inschriften versehen, eine davon wendet sich ausdrücklich gegen die Würzburger Ansprüche (nr. 136). Tatsächlich scheint ein Würzburger Klostergründungsversuch auf Königsland in den Anfängen steckengeblieben zu sein, während die eine Generation später von Kaiser Ludwig dem Frommen genehmigte Mönchsansiedlung unter Walterich, einem Verwandten des Kaisers35), erfolgreich war. Die Gemeinschaft nahm die Benediktinerregel an, Walterich wurde ihr erster Abt.

Die Klosterkirche war ursprünglich der hl. Jungfrau Maria, der Hl. Dreifaltigkeit und dem hl. Januarius geweiht. Ein karolingischer einschiffiger Bau wurde um die Jahrtausendwende und in der Folgezeit mehrfach umgebaut und erweitert zu einer Basilika mit rechteckigem Chor und Querhaus im Westen und mit Apsis und Chorseitentürmen im Osten. Aus dieser frühen Zeit sind keine inschriftlichen Zeugnisse bekannt. Die fragmentarisch erhaltene Grabplatte eines Unbekannten, vermutlich eines Abtes, aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts (nr. 2) könnte in ihrer Inschrift auf die Bautätigkeit um 1230 hinweisen, in deren Zug die Walterichskapelle an den nördlichen Chorseitenturm [Druckseite XV] angebaut und ein Westturm errichtet wurde. Vermutlich noch aus dem 13. Jahrhundert datiert eine verlorene Glocke (nr. 9). Die Bauzahl 1434 am südöstlichen Vierungspfeiler, verbunden mit den Wappen von Württemberg und von Abt Paul von Leuzenbronn, markiert den Abschluß des Neubaus von Westchor, Sakristei und Querhaus. Das dreischiffige Langhaus entstand bald darauf um 1440. Aus dieser Bauphase könnte eine Aufschrift an einer Rippenkonsole in der Nordwestecke des Westchors stammen (nr. 23), ferner eine Januariusstatue mit Inschrift auf der Konsole (nr. 24). Im Zuge der gotischen Umgestaltung der Kirche dürfte auch die Stiftertumba für Kaiser Ludwig den Frommen angefertigt worden sein (nr. 25), die mitten im Westchor ihren Platz fand. Ein Zusammenhang mit der Bestätigung des Ludwigsprivilegs für Murrhardt durch Kaiser Friedrich III. im Jahr 1444 und der Weihe der Tumba ist denkbar. Die Errichtung des aufwendigen Stiftergrabmals fügt sich gut in die Zeit, in der auch andernorts allenthalben die Stiftermemoria in ähnlicher Weise „aufgefrischt“ wurde36). Auf einen etwaigen karolingischen oder romanischen Vorgänger des Kenotaphs gibt es keine Hinweise. Von der spätgotischen Ausstattung ist noch ein Altarretabel von 1496 (nr. 66) vorhanden. Aus nachreformatorischer Zeit haben sich keine den Kirchenbau betreffenden Inschriften erhalten außer einem datierten Dachziegel von 1577 (nr. 186), der aber eher Ausbesserungs- als Umbaumaßnahmen dokumentieren dürfte.

In der Klosterkirche wurden außer den Äbten auch die Klostervögte bestattet. Als einzige Grabplatte der Vögte ist die für Graf Nikolaus von Löwenstein (1340, nr. 12) auf uns gekommen. Ein Grabmal für seinen Vater ist zwar bezeugt, seine Inschrift ist indes nicht überliefert. Zwei erhaltene Abtsgrabplatten des 13. Jahrhunderts tragen keine Inschriften sondern sind lediglich mit Krummstab bzw. mit Krummstab und Kreuz bezeichnet, eine wurde im 16. Jahrhundert als Epitaph wiederverwendet (nr. 173). Noch vorhanden sind eine Abts- und drei Mönchsgrabplatten (nrr. 41, 47, 49, 52) – letztere wohl aus dem Kreuzgang – aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts sowie eine weitere Abtsgrabplatte aus dem frühen 16. Jahrhundert (nr. 99). Die hohe Verlustrate ist schon daran zu ermessen, daß Adam Adami im Chronicon Murrhardtense allein fünf heute verlorene, mit Inschriften bezeichnete Abtsgrabmäler für Heinrich von Enslingen († 1406), Johannes d. Ä. und Johannes d. J. von Leuzenbronn († 1444 bzw. um 1452), Wilhelm Egen († 1486) und Johannes Schradin († 1501) erwähnt, ohne deren Wortlaut mitzuteilen.

Das Januariuskloster wurde 1552 reformiert, die Klosterkirche wurde seither als Pfarrkirche genutzt. Aus der Zeit danach sind die Inschriften von vier Grabmälern evangelischer Äbte, die weiterhin in der Kirche bestattet wurden, kopial überliefert (nrr. 157, 162, 232, 251). Die Gegenreformation im Dreißigjährigen Krieg und die zeitweilige Rekatholisierung des Klosters 1629 und 1634–48 fand ihren epigraphischen Niederschlag in einer Gedächtnisinschrift für einen von protestantischen Truppen verschleppten katholischen Abt (nr. 303). Von der Ausstattung der Kirche und von den Grabmälern ging vermutlich schon ein erheblicher Teil bei der umfassenden Renovierung im späten 18. Jahrhundert zugrunde, weiteres verschwand nach der Erneuerung von 1872/73.

Von der Klausur stehen heute nur mehr geringe Reste. Ein überlieferter mit Inschriften bezeichneter Glasgemäldezyklus, der die Klostergründungslegende zum Thema hatte, dokumentiert Baumaßnahmen unter Abt Schradin 1498 (nr. 69), Fenster- und Wandinschriften in der Alten und in der Neuen Abtei um 1528 könnten im Zusammenhang stehen mit dem Wiederaufbau des Klosters nach dem Bauernkrieg (nrr. 136138). Die Bautätigkeit des Abtes Carlin, der in seiner Grabschrift als aedificiorum restaurator bezeichnet wird, um die Mitte des 16. Jahrhunderts nach den Zerstörungen des Schmalkaldischen Kriegs wird belegt durch eine Bauinschrift am sogenannten „Langen Bau“, einem Wirtschaftsgebäude des Klosters (nr. 161). Aus seinem Abbatiat stammen vermutlich weitere Wandinschriften in der Neuen Abtei, die erneut die Gründungslegende behandeln (nrr. 159, 160). Am Klosterfruchtkasten ließ Abt Hofseß 1568 Bauinschrift und Wappen anbringen (nr. 178).

Murrhardter Pfarrkirche war die ursprünglich der hl. Jungfrau Maria geweihte Walterichskirche. Kaiser Ludwig der Fromme soll sie 817 dem Kloster geschenkt haben. Sie steht auf einem Hügel südwestlich der Klosteranlage, wo sich in römischer Zeit ein Friedhof befand. Über Resten eines Römertempels wurde zunächst eine Holzkirche errichtet (Klause des Klostergründers Walterich?), dann in der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts ein erster Steinbau. Hier wurde Walterich bestattet. Für sein Grab wurden römische Sakralsteine in Zweitverwendung benutzt. Wohl erst im 14./15. Jahrhundert brachte man auf der Grabplatte eine Inschrift an (nr. 74). Von der späteren aufwendigen Grabanlage [Druckseite XVI] mit einem angeblich wundertätigen „schwebenden Stein“ sind nur ungenaue Beschreibungen vorhanden37), ein Fragment dieses Wackelsteins wurde in nachreformatorischer Zeit zum noch erhaltenen Opferstock umgearbeitet. Aus dem romanischen Bau des 11./12. Jahrhunderts stammt das Tympanon mit der ältesten Inschrift im Kreisgebiet (nr. 1). Bei einer Kirchenerweiterung im frühen 14. Jahrhundert entstand an Stelle einer Rundapsis der quadratische Turmchor, in dessen Quader 1372 die Grabschrift für einen Pfarrer eingehauen wurde (nr. 15). Die drei Glocken von 1445 und 1451 (nrr. 26, 28, 29) könnten ein Hinweis darauf sein, daß der Fachwerk-Glockenstuhl um diese Zeit auf den gemauerten Chor aufgesetzt wurde. Eine Ritzinschrift von 1453 (nr. 31) dürfte sich auf die Chorausmalung beziehen. Der spätgotische Umbau der Kirche scheint demnach um die Jahrhundertmitte schon in Gang gewesen zu sein, er wurde aber nach Ausweis der Bauzahlen an den drei Portalen wohl erst 1489 zum Abschluß gebracht. Eine Nameninschrift von 1494 (nr. 58) könnte in Zusammenhang mit der Fertigstellung der Fensterverglasung stehen. Noch aus der Jahrhundertmitte datiert eine umfangreiche Jahrzeitstiftungsinschrift, gewissermaßen das letzte „katholische“ Zeugnis in der Kirche. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Kirche als „Walterichskirche“ bezeichnet, sie diente, seit die Klosterkirche die Funktion der Pfarrkirche übernommen hatte, im wesentlichen nur mehr als Friedhofskirche. An Grabmälern aus nachreformatorischer Zeit finden sich lediglich drei, alle für Mitglieder derselben Familie (nrr. 150, 173, 254).

Die Stadt Murrhardt (als solche erstmals 1318 genannt), Gründung der Grafen von Löwenstein und seit 1388 in württembergischer Hand, hat an Profanbauten keinerlei Inschriften bewahrt. Vieles war – bei der geringen Bedeutung der Stadt – sicher ohnehin nicht vorhanden, die Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges und des Stadtbrands von 1765 haben jedenfalls alle etwaigen epigraphischen Zeugnisse beseitigt.

2.1.2. Backnang

Die Markgrafen von Baden gründeten vor 1116 in Backnang ein Augustiner-Chorherrenstift, das ihnen bis ins 13. Jahrhundert als Grablege diente und dessen Schutzvogtei sie bis zum Übergang Backnangs an Württemberg um 1300 ausübten. Die Stiftskirche St. Pankratius war zuvor Pfarrkirche gewesen. Die neue Pfarrkirche St. Michael (s. unten) wurde 1160 dem Stift inkorporiert. Aus der badischen Zeit sind keine epigraphischen Zeugnisse bekannt, lediglich der inschriftlose Sarkophag der seligen Markgrafentochter Judith ist erhalten (vgl. nr. 110). Die Gräber der Markgrafenfamilie, die auf verschiedene Plätze innerhalb der Kirche, in Kapellen und im Kreuzgang verteilt waren, haben wohl keine Inschriften getragen. Denn als die romanische Basilika zu Beginn des 16. Jahrhunderts umgebaut wurde (Schlußstein mit Jesus-Monogramm, nr. 92) und bei dieser Gelegenheit 1513 alle Markgrafenbestattungen in einer mehrtägigen feierlichen Aktion erhoben und gemeinsam in vier Steinsärgen im neuen gotischen Chor beigesetzt wurden, wußte man über die Identität der erhobenen Leichname offenbar nicht mehr in allen Fällen Bescheid. Wer der Initiator dieser Translation war, ist nicht bekannt, auch nicht, ob und inwiefern die Markgrafen von Baden daran beteiligt waren. In die vier Särge wurden Bleitäfelchen mit Inschriften gelegt, die der Identifizierung der Verstorbenen dienen sollten (nrr. 108111). Zwei Jahre später wurden für die Grabplatten im Boden über den Särgen Inschriften und Wappentafeln angefertigt (nrr. 115118).

1477 war das Chorherrenstift in ein weltliches Kollegiatstift umgewandelt worden. Aus der Zeit vorher sind keine Grabschriften für Kanoniker überliefert. Eine nur mehr fragmentarisch erhaltene Grabplatte aus dem Ende des 15. Jahrhunderts für einen Priester (?) und die Grabplatte für den ersten Propst des umgewandelten Stifts von 1515 sind neben einer Stiftungsinschrift am verlorenen Chorgestühl von 1508 (nr. 98) die einzigen inschriftlichen Überreste, die an die Stiftsherren erinnern (nrr. 70, 114). Von 1501 stammen zwei Sakristeischränke, von denen einer mit einem einfachen Fertigungsvermerk versehen ist (nr. 88).

1557 wurde das Stift endgültig im Zuge der Reformation aufgehoben. Auf Baumaßnahmen bezügliche Inschriften finden sich nicht. 1693 brannte das Langhaus völlig ab und wurde in den folgenden Jahren neu aufgebaut als flachgedeckter Predigtsaal. In nachreformatorischer Zeit fanden Adelige und wohlhabende Bürger ihr Begräbnis in der Kirche. Nur fünf Grabplatten und Epitaphien haben die Zerstörung und spätere Umbaumaßnahmen in der Kirche überstanden (nrr. 168, 189, 204, 257, 274). Gabelkover berichtet noch von einer beträchtlichen Zahl heute verlorener Grabmäler für [Druckseite XVII] Adelige aus der Zeit vor der Reformation, ohne deren Inschriften wiederzugeben38). Einziges epigraphisches Zeugnis der protestantischen Kirchenausstattung ist ein Kreuztitulus, der um 1600 an das gotische Altarkreuz angefügt wurde (nr. 237). Zu Umgruppierungen der Grabmäler kam es 1929, als bei der durchgreifenden Innenrenovierung des Chors die Markgrafengräber beseitigt wurden und die Steinsärge und Inschriften sowie weitere Grabmäler in der freigelegten Krypta ihren neuen Platz fanden.

Die 1122 nach Umwandlung von St. Pankratius in eine Stiftskirche als neue Pfarrkirche errichtete Michaelskirche wurde bereits 1160 dem Stift eingegliedert. Nach Aufhebung des Stifts Backnang zog die Gemeinde wieder in die ehemalige Stiftskirche um, St. Michael wurde seither vorwiegend für profane Zwecke (Bindhaus, Kornspeicher) genutzt. Der über dem frühgotischen Chor (Mitte 13. Jahrhundert) aufragende Chorturm wurde anläßlich einer Kirchenrestaurierung 1614 teilweise abgetragen und durch den Baumeister Heinrich Schickhardt neu aufgeführt und mit einem Fachwerkaufsatz versehen (Eckquader mit Devise und Bauzahl, nr. 273). Um diese Zeit scheint das Gebäude auch wieder kirchlich genutzt worden zu sein. Es diente vielleicht sogar zeitweise als Bestattungsort, will man nicht annehmen, daß die beiden in die vermauerte Chorbogenwand eingefügten Grabplatten eines Stadtschreibers und seiner Frau von 1613 (nrr. 268, 270) erst später vom ehemals umliegenden Friedhof hierher verbracht wurden39). Ein Grabstein von diesem Oberen Friedhof ist mit seiner Inschrift kopial überliefert (nr. 278). Der Stadtbrand von 1693 zerstörte die Michaelskirche fast völlig. Erhalten blieben nur der Chor und ein Teil des Chorturms, der wiedererrichtet wurde als städtischer Glockenturm und als Hochwacht. Die Glocken zerschmolzen damals ebenso wie in der Pankratiuskirche. Vom Schiff blieben nur Reste der Ostwand stehen, an seiner Stelle wurde 1824 das sogenannte Turmschulhaus errichtet, das bis vor kurzem als Schule diente und künftig als Stadtarchiv genutzt wird.

Die ehemalige Kirche Unserer Lieben Frau im Eckertsbach, das sogenannte Totenkirchle, stand früher inmitten des Unteren Friedhofs, der 1841 aufgelassen wurde. Erhalten ist nur der Chor (Schiff nach Nutzung als Wohnhaus 1967 abgerissen) mit Grundsteinlegungsinschrift von 1452 (nr. 30) und mit einer Armenstiftungs-Inschrift von 1621 (nr. 280)40).

Inschriften an Backnanger Profanbauten sind insgesamt nur drei bekannt: eine Brunneninschrift (nr. 202), eine Wappentafel am Rathaus (nr. 241) und eine Bauinschrift (nr. 247).

2.1.3. Beutelsbach

Das um 1080 urkundlich erstmals belegte Beutelsbach gehört zum frühesten nachweisbaren Besitz der Grafen von Württemberg. Von der Burg auf dem Kapellberg über dem Dorf sind nur noch einige Mauerzüge erhalten. Bei Notgrabungen anläßlich der Rebflurbereinigung 1968/69, der Teile des Burgareals zum Opfer fielen, wurde eine Bauinschrift von angeblich 1252 aufgefunden (nr. 3), die in ihrer vorliegenden Form aber aus dem 16. Jahrhundert (?) stammen, freilich auf einer echten Vorlage des 13. Jahrhunderts beruhen dürfte. Die Burg ist seit ihrer weitgehenden Zerstörung 1312 Ruine.

Die Kirche St. Leodegar (Patrozinium erst 1537 bezeugt, ursprünglich vielleicht zum Hl. Kreuz) wird 1247 erstmals genannt. Das weltliche Chorherrenstift geht vermutlich ins 11. Jahrhundert zurück. Die Kirche diente den Grafen von Württemberg als Grablege. In der Kirche (in der jetzigen Gestalt im wesentlichen ein Bau aus dem frühen 16. Jahrhundert) zeugt heute davon lediglich noch ein vermutlich in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts angebrachter Gedenkstein mit dem württembergischen Wappen. Graf Ulrich I. „mit dem Daumen“ gilt als der Neubegründer oder jedenfalls als wesentlicher Förderer des Stifts. Ihm und seiner Frau Agnes von Schlesien wurde in der Kirche gegen Ende des 13. Jahrhunderts ein imposantes Hochgrab errichtet (nr. 4). 1285 wurde eine Glocke gegossen (nr. 5). Als nach wiederholten Plünderungen und Zerstörungen von Burg und Dorf Beutelsbach [Druckseite XVIII] im Krieg Graf Eberhards gegen die Reichsstädte (1311) das Stift mit päpstlicher Genehmigung 1321 nach Stuttgart verlegt wurde, wurden Doppelgrabmal und Glocke nach Stuttgart überführt. Nach der Stiftsverlegung sank Beutelsbach zur Bedeutungslosigkeit herab. Ältestes noch am Ort befindliches epigraphisches Zeugnis ist eine weitere Glocke in der Stiftskirche aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts (nr. 17). Von alten Grabplatten hat sich nur ein Fragment aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts für einen Priester erhalten. Die Unterstellung Beutelsbachs unter das Stuttgarter Heiligkreuzstift dokumentiert sich in einem Wappenstein an der ehemaligen Zehntscheuer von 1568 (nr. 177).

2.1.4. Schorndorf

Schorndorf ist 1235 erstmals urkundlich bezeugt. Nach der Stadtgründung um die Mitte des 13. Jahrhunderts entwickelte sich der Ort rasch und zählte im Spätmittelalter zu den bedeutendsten Städten der Grafschaft Württemberg; Schorndorf war Sitz eines Obervogts. Ab 1538 wurde die Stadt unter Herzog Ulrich zur Landesfestung – neben den Höhenfestungen Hohentübingen, Hohenurach, Hohenneuffen und Hohentwiel – ausgebaut. Durch die Wallanlagen, in die das herzogliche Schloß einbezogen wurde, veränderte sich das Stadtbild einschneidend. Epigraphisch hat sich der Festungscharakter der Stadt aber kaum niedergeschlagen. Weder am Schloß noch an den zwischen 1830 und 1860 niedergelegten Festungsanlagen haben sich Inschriften erhalten. Lediglich ein kritischer Spruch zweifelhafter Authentizität, der sich gegen die Verschandelung der Landschaft durch die Anlage der Bastionen wendet und der an einem der Stadttore eingemeißelt gewesen sein soll, ist kopial überliefert (nr. 149). Ein Verlust inschriftlicher Texte ist sicherlich im Bereich der ehedem zahlreichen Festungsgeschütze zu verzeichnen, die im allgemeinen häufig mit Inschriften versehen waren41). Als Landesfestung zog die Stadt im Krieg die Aktionen der feindlichen Truppen auf sich. Die wechselvollen Kriegsereignisse finden ihren Ausdruck in einer Gedenkinschrift auf den Abzug der spanischen Besatzung während des Schmalkaldischen Kriegs (nr. 188) sowie in einigen Grabschriften für württembergische und gegnerische Soldaten, die während ihrer Besatzungszeit in Schorndorf verstorben sind (nrr. 152, 153, 154, 155). Nach der Schlacht bei Nördlingen 1634 wurde die Stadt von den Kaiserlichen fast vollständig zerstört. Nur dank der Aufzeichnungen von Martin Crusius und David Wolleber wissen wir von dem ehemals großen Bestand an Inschriftendenkmälern (40 verlorene gegenüber 17 erhaltenen). Vom Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg kündet eine Gedenkinschrift an der ehemaligen Lateinschule von 1650 (nr. 315).

Wichtigster Inschriftenstandort war und ist die Stadtkirche. Ihr Patrozinium (St. Basilides, Cyrinus, Nabor, Nazarius und Celsus) weist auf westfränkischen42) oder Lorscher Einfluß bei der Gründung der Kirche hin, die zunächst Filial der Winterbacher Pfarrkirche war, dann 1275 als selbständige Pfarrkirche erscheint und schließlich ab dem 14. Jahrhundert sogar Winterbach übergeordnet war. Das Marienpatrozinium, das ab dem 15. Jahrhundert neben den bisherigen erscheint, wird im 16. Jahrhundert zum maßgeblichen. Über den Vorgängerbau der spätgotischen Kirche ist nichts Genaues bekannt. Aus ihm wurden mindestens drei Grabmäler (nrr. 18, 19, 48), darunter die Grabplatte für Graf Rudolf von Tübingen43), und eine Glocke (nr. 39) in den Neubau überführt. Aus dem Jahr des vermutlichen Baubeginns 147744) stammt eine Grabschrift an der Westfassade (nr. 51), die vielleicht auf eine finanzielle Beteiligung der dort Bestatteten hinweist. Verschiedene nur mehr abschriftlich bezeugte Bauzahlen deuten darauf hin, daß sich der Kirchenbau (nach Plänen von Aberlin Jörg) über längere Zeit erstreckte, der Chor könnte 1511 vollendet worden sein. Im nördlich des Chors angebauten Marienchor von etwa 1500 sind die figürlichen Gewölbekreuzungssteine erhalten, die einen Stammbaum Jesse bilden (nr. 82). Noch aus vorreformatorischer Zeit stammte eine Tafel mit Mahnversen an nachlässige Priester und Meßdiener (nr. 83). Kurios ist die Gedenkinschrift von 1529 auf den „Judasstrick“, der als Trophäe aus dem Sacco di Roma nach Schorndorf gelangte und in der Kirche zur Schau gestellt wurde (nr. 139). Das Chorgestühl von 1533 (nr. 143) und alle vier Glocken (nrr. 19, 76, 97, 169) gingen 1634 zugrunde. Inschriftlich bezeugte Baumaßnahmen nach der Einführung der Reformation fanden 1574 an der Galerie des Chors (Jerg Busch, nr. 183) und 1610 am [Druckseite XIX] Turm (Melchior Gockheler, nr. 259) statt. Der Wiederaufbau der Kirche nach der teilweisen Zerstörung von 1634 setzte 1642 ein. Erhalten waren nur der Hauptchor und der Marienchor und somit auch die darin aufgestellten großen Figurengrabmäler (nrr. 261, 267). Die zahlreichen Grabplatten, Epitaphien und Totenschilde aus dem Schiff wurden fast alle vernichtet. Überliefert sind in erster Linie Totengedächtnismale für das „ehrbare“ Bürgertum, für adelige und bürgerliche Offiziere und Beamte, darunter drei Obervögte (nrr. 122, 144, 267), sowie für Pfarrer.

Die ältesten inschriftlich bezeichneten Geräte stammen erst aus dem 17. Jahrhundert (Hostienbüchse nr. 293, Kelch nr. 316). Zeugnis der im Dreißigjährigen Krieg ausgetragenen Konfessionsgegensätze ist ein Gemälde mit der Darstellung der Verlesung der Augsburger Bekenntnisschrift vor Kaiser Karl V. und mit der Wiedergabe der gottesdienstlichen Handlungen der lutherischen Kirche (nr. 313).

2.1.5. Waiblingen

Waiblingens Bedeutung in salischer und staufischer Zeit hat keinen nachweisbaren inschriftlichen Niederschlag gefunden. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts erfolgte die Stadterhebung und der Übergang an Württemberg, Waiblingen wurde Amtsstadt. Im Spätmittelalter war die Stadt eine der größten innerhalb Württembergs.

Der wichtigste Inschriftenstandort ist die Michaelskirche, wegen ihrer Lage außerhalb der Stadt (wohl an der Stelle des alten Dorfs) auch „Äußere Kirche“ genannt. Sie war Mutterkirche eines großen Sprengels im unteren Remstal, 1225 ist erstmals ein Leutpriester bezeugt. Verschiedene Grabungen lassen auf zwei romanische Vorgängerbauten und einen früh- bis hochgotischen Umbau schließen45). Der älteste Teil der bestehenden Kirche ist der spätgotische Chor aus der Zeit um 1440. Westturm und Langhaus wurden in einer etwas späteren Bauphase aufgeführt46), aus der die undatierte Baumeisterinschrift des Hans von Landau an der Westseite der Chorbogenwand stammt (nr. 40). Die Gewölbe sind mit den Jahreszahlen 1487, 1488 und 1490 bezeichnet. In der nicht eindeutig lokalisierbaren Marienkapelle wurde 1471 Anna geborene Gräfin von Württemberg bestattet (nr. 45), in der sogenannten Hapenkapelle (am Westende des nördlichen Seitenschiffs) fanden Angehörige der Familie Hap von Hapenberg zu Beginn des 16. Jahrhunderts ihr Begräbnis, eine der Grabschriften ist überliefert (nr. 95). In einer weiteren Familienkapelle, der im 17. Jahrhundert beseitigten Sattlerkapelle, fanden sich dem Chronisten Zacher zufolge die Satlerische Ahna mit ihren Wappen und namen aufgemalt. Möglicherweise stellt das nur noch auf Fotografien überlieferte sogenannte „Sattler-Epitaph“ aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts (?, nr. 318) eine auf Leinwand übertragene Kopie dieser Ahnenreihe dar. Aus dem 16. und beginnenden 17. Jahrhundert finden sich ausschließlich Grabmäler der sozialen Führungsschichten der Bürgerschaft, durchweg württembergische Beamte oder Offiziere und deren Angehörige (nrr. 133, 218, 235). Daneben soll ein Totenschild für einen oettingischen Hofbediensteten – heute im Württ. Landesmuseum – aus der Michaelskirche stammen (nr. 167a). Für die Kinder eines Präzeptors, die auf dem um die Kirche gelegenen Kirchhof bestattet waren, wurde die Grabschrift direkt in die Quader eines Strebepfeilers eingehauen (nr. 199). 1634 wurde beim Stadtbrand das Kirchendach und ein Teil des Turms zerstört. Die Glocken fielen dem Brand zum Opfer, ohne daß etwaige Inschriften abschriftlich festgehalten wären. Noch aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs datiert ein weiteres Grabmal (nr. 306) sowie ein auf den Altar gestiftetes Hostienkästchen (nr. 309a).

Innerhalb der Waiblinger Stadtmauern haben nur verschwindend wenige Inschriften den Stadtbrand überlebt. Über die Wiederaufbaumaßnahmen berichtet eine Gedenkinschrift von 1640 an der Unteren Apotheke (nr. 299).

2.1.6. Winnenden

Winnenden wurde im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1693 von französischen Truppen fast völlig zerstört. Dabei gingen auch sämtliche Inschriftendenkmäler zugrunde, ohne daß ältere kopiale Aufzeichnungen [Druckseite XX] existierten. Einzig in der Kirche des ehemaligen Schlosses der Deutschordenskommende Winnenden, das im Südwesten außerhalb der Stadtmauern lag, haben sich epigraphische Zeugnisse erhalten. Diese Schloßkirche St. Jakobus war ursprünglich Pfarrkirche von Winnenden, wurde aber 1288 von Berthold von Neuffen und seiner Frau dem Deutschen Orden geschenkt. Der Sitz der Komturei wurde 1423 oder schon früher von dem Ordenshaus in der Stadt in das neue, später zum Schloß ausgebaute Gebäude bei der Jakobskirche verlegt. Die Kommende wurde 1665 an Herzog Eberhard III. von Württemberg verkauft, diente seither als Sitz der württembergischen Linie zu „Winnental“, später als Kaserne und beherbergt jetzt das Psychiatrische Landeskrankenhaus.

Das Jakobspatrozinium geht sicherlich erst auf den Deutschen Orden zurück, der Jakobus d. Ä. als den Beschützer der Pilger besonders verehrte. Der heutige Bau, unter dem ältere, vielleicht bis ins 10. Jahrhundert zurückweisende Bauschichten ergraben wurden, stammt aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts und wurde später vielfach verändert. Prunkstück der spätgotischen Ausstattung und gleichzeitig der älteste Inschriftenträger ist das geschnitzte Hochaltar-Retabel (nr. 126). Eine nachträglich eingefügte Schrifttafel informiert darüber, daß der Altar 1520 errichtet, 1540 (im Zuge der Reformation) abgebrochen und 1549 während des Interims wieder aufgebaut wurde. Er diente dem katholischen Gottesdienst bis 1665. Lediglich für einen einzigen Deutschordenskomtur ist das Grabdenkmal (von 1608) erhalten (nr. 256). Nur wenig älter sind sechs Grabplatten und Epitaphien für Angehörige der bei Winnenden ansässigen geadelten Familie Breuning zu Buchenbach (nrr. 206, 209212, 227). Zwei weitere bürgerliche Grabmäler von 1605/06 und 1623 (nrr. 248, 284) komplettieren die Reihe der erhaltenen Inschriftenträger.

Ein inschriftliches Zeugnis der ehemaligen Deutschordens-Herrschaft findet sich noch auf einem Wappenstein an der Kelter zu Hanweiler (nr. 170), das nach Winnenden eingemeindet ist.

2.1.7. Oppenweiler

Die Ortsherrschaft über Oppenweiler übten ohne Unterbrechung bis zum Ende des Reichs die 1262/88 aufscheinenden Herren von Oppenweiler genannt Sturmfeder aus. Zunächst badische Vasallen, waren die Sturmfeder ab dem 14. Jahrhundert Lehensleute der Grafen von Württemberg. Trotz Zugehörigkeit der Sturmfeder zur Reichsritterschaft konnte Württemberg die Oberhoheit über den Ort behaupten. Sitz des Adelsgeschlechts war die Wasserburg im Ort, an deren Stelle ab 1782 das neue achteckige Schloß erbaut wurde. Aus der alten Wasserburg stammt ein nur durch eine Beschreibung überliefertes mit Inschriften bezeichnetes Turniergemälde (nr. 233) und die aus elf Gemälden mit ausführlichen Inschriften bestehende Sturmfeder-Ahnengalerie (nr. 190), die im „unteren Sommersaal“ aufgestellt war und dann ins neue Schloß übernommen wurde. Das Schloß dient seit 1939 als Rathaus der Gemeinde.

Die Sturmfeder waren Patronatsherren der Pfarrkirche St. Jakobus. Die Kirche – Rechteckschiff mit eingezogenem Chor und südlich angebautem Turm – wurde unter Friedrich Sturmfeder († 1471) und seiner Frau Lucia von Hornstein errichtet, wie deren Wappensteine im Chorgewölbe anzeigen. 1468 ist erstmals ein Pfarrer bezeugt. Das genannte Ehepaar hat für die neue Kirche den erhaltenen Hochaltar gestiftet (nr. 44). Eine Glocke ist 1510 gegossen worden (nr. 104). Aus einem Vorgängerbau müssen eine figürliche Hochgrab-Deckplatte von 1365 und zwei Grabplatten des 15. Jahrhunderts in den neuen Bau übernommen worden sein (nrr. 14, 21, 32). In der Nordostecke des Kirchenschiffs war die Grablege der Familie eingerichtet, daneben finden sich einige Bestattungen im Chor (nrr. 93, 146, 230). An den Wänden unmittelbar bei den Gräbern wurden zahlreiche großformatige Figurenepitaphien errichtet, zusätzlich haben sich fünf Totenschilde erhalten. Die jüngste Bestattung in der Kirche datiert von 1704, danach fanden die Beisetzungen der Sturmfeder auf dem Friedhof statt. 1878 wurden alle Grabdenkmäler und Totenschilde in den Chor versetzt. Die Grabplatten im Kirchenschiff lagen dagegen wohl seit dem 18. Jahrhundert verdeckt unter dem Holzfußboden und wurden erst 1963 wiederentdeckt und geborgen, 1973 kamen südlich davon zwei weitere zum Vorschein47); danach wurden alle Grabplatten an den Wänden des Kirchenschiffs und der Turmhalle aufgestellt.

3. Die nicht-originale Überlieferung der Inschriften

Im Rems-Murr-Kreis ist der Anteil der nur abschriftlich oder im Foto überlieferten Inschriften im Verhältnis zu den im Original auf uns gekommenen relativ gering (89:231), ein Befund, der sich durchaus vergleichen läßt mit dem anderer im Rahmen des deutschen Inschriftenunternehmens bereits bearbeiteter Landkreise: Wo größere fürstliche Residenzen, städtische Zentren oder traditionsreiche kirchliche Institutionen wie Klöster oder Stifte fehlten, mangelte es auch in der Zeit des erwachenden historischen Interesses im 16. Jahrhundert an Geschichtsschreibern, die sich einer systematischen Sammlung von Inschriften angenommen hätten. Dementsprechend ist eine große Zahl von Inschriften, die in den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges und in den Franzosenkriegen sowie in Stadtbränden des 17. und I8. Jahrhunderts, zum Teil aber auch schon vorher, vor allem durch die Purifizierung der Kirchen im Zuge der Reformation, zugrundegingen, nie dokumentiert worden. Im 18. und 19. Jahrhundert gehen die Verluste an Inschriftenträgern dann vorwiegend auf Abriß-, Umbau- und Restaurierungsmaßnahmen zurück. Auch in dieser Zeit bleibt die kopiale Überlieferung dürftig. Einzelnes wurde hie und da eher zufällig notiert, systematische Sammlungen fehlen nach wie vor.

Einzig für Schorndorf liegt eine reichere Kopialüberlieferung vor. Diese ist dem „Würtembergischen Historicus“ und Winkeladvokaten David Wolleber (1552–1597) aus Weiler bei Schorndorf (geboren in Grunbach) zu verdanken, der ab etwa 1574 zahlreiche historiographische und genealogische Arbeiten über Württemberg, Schwaben und Franken verfaßte. Wolleber war Autodidakt und arbeitete im wesentlichen als unkritischer Kompilator. Seine Werke verarbeitete er in immer neuen Fassungen und Kombinationen zu einer großen Zahl von Prachthandschriften, die er unter vielfach wechselnden, aber ähnlich lautenden Titeln verschiedenen südwestdeutschen Fürsten und Magistraten von bedeutenden Städten widmete und dafür auch meist gebührend belohnt wurde. Viele dieser von Wolleber selbst geschriebenen Handschriften sind erhalten, sie werden in mindestens 13 Bibliotheken und Archiven aufbewahrt48). Zusätzlich zu den fertigen Werken sind auch die noch zu Lebzeiten Wollebers und nach seiner Ermordung 1597 vom Staat beschlagnahmten Arbeitsmaterialien und Konzepte im Hauptstaatsarchiv und in der Landesbibliothek Stuttgart erhalten49). Die Abhängigkeit dieser Schriften untereinander und die einzelnen Stufen der Bearbeitung sind noch nicht genügend untersucht50). Für die Inschriftenüberlieferung des Rems-Murr-Kreises ist von all diesen Werken Wollebers einzig der zweite Teil seines Hauptwerks (neben Württembergischer Chronik und Staufergeschichte), die „Chorographia“ (Landesbeschreibung), ergiebig, in der Schorndorf besonders ausführlich behandelt wird. Wolleber teilt insgesamt rund 40 Inschriften mit, zum ganz überwiegenden Teil Grabschriften aus der Stadtkirche. Schorndorf ist so ausführlich berücksichtigt, weil Wolleber hier nach Autopsie arbeiten konnte, was der Überlieferung der Texte ihren besonderen Wert verleiht gegenüber den sonst meist kompilierten Abschnitten. Nicht auszuschließen ist freilich, daß der Autor auch hier nicht aus eigener Anschauung berichtet, sondern die Texte aus der heute verlorenen reichhaltigen Schorndorfer Chronik des Präzeptors Christoph Ried geschöpft hat. In Ermangelung näherer textkritischer Untersuchungen wurde bei der Wiedergabe der Inschriftentexte grundsätzlich der autographen Tübinger Handschrift Mh6 gefolgt, zum Vergleich wurde die Handschrift J1 Nr. 24 (Teilautograph, Konzept) des HStA Stuttgart herangezogen. Auf die Kollationierung weiterer Handschriften wurde verzichtet, da lediglich unerhebliche orthographische Abweichungen zu erwarten sind. Der Vergleich der von Wolleber überlieferten Texte mit noch erhaltenen Inschriften zeigt, daß er zwar den Wortlaut weitgehend richtig wiedergibt, in der Orthographie aber gelegentlich erheblich abweicht. In einigen Fällen liefert Wolleber über den Wortlaut hinaus auch eine grobe Beschreibung des Inschriftenträgers und der Disposition der einzelnen Inschriften. Über den engen Bereich der Stadt Schorndorf hinaus bietet Wolleber nur noch ganz vereinzelt epigraphische Texte, so die prominenten Grabschriften der Markgrafen von Baden in Backnang und die der Gräfin Anna von Katzenelnbogen in Waiblingen (nr. 45).

Zeitgenosse Wollebers war der Tübinger Professor und Historiograph Martin Crusius (1526–1607), der im Rahmen seiner umfassenden dreibändigen „Annales Suevici“51) auch zahlreiche Inschriften [Druckseite XXII] aus dem ganzen Land im Wortlaut mitteilt. Der Bedeutung Schorndorfs als einer der größten württembergischen Städte und als Landesfestung entsprechend, bilden die Schorndorfer Inschriften den größten Teil des von Crusius aus dem heutigen Kreisgebiet überlieferten Materials. Vielfach gibt er die gleichen Texte wieder wie Wolleber, doch häufig – vor allem bei Grabschriften – nur in verkürzter Form. Auch aus dem Kloster Murrhardt teilt Crusius eine größere Zahl von Inschriften mit. Die Zuverlässigkeit der von ihm gebotenen Texte ist sehr unterschiedlich. Vielfach hat er sich auf Nachrichten von Gewährsleuten gestützt, direkte Hinweise auf Autopsie finden sich in den das Bearbeitungsgebiet betreffenden Abschnitten selten.

Der umfangreiche Nachlaß des württembergischen Hofhistoriographen und Hofmedicus Oswald Gabelkover (1539–1616) und seines Sohnes Johann Jakob, zu einem großen Teil bestehend aus Notizzetteln mit genealogischen Angaben und Exzerpten aus erzählenden und dokumentarischen Quellen, enthält auch Inschriftenkopien, die aber, wo Nachprüfungen möglich sind, in der Regel den Wortlaut nur ungenau und meist in Kurzform wiedergeben. Das auf Württembergische Landesbibliothek und HStA Stuttgart verteilte Material wurde angesichts des trotz großen Aufwands zu erwartenden geringen Ertrags nicht systematisch durchgesehen, sondern nur punktuell benutzt, wo bereits gezielte Hinweise auf Inschriftenüberlieferung vorlagen.

In den alten geistlichen Zentren des Kreisgebiets, in Kloster Murrhardt und im Stift Backnang, bestand in nachreformatorischer Zeit wenig Anlaß, die eigenen Inschriften zu sammeln. Die in Murrhardt eingerichtete evangelische Klosterschule wurde bereits 1594 wieder aufgehoben bzw. auf den Status einer niederen Lateinschule herabgedrückt52). Historisches Interesse bewies der evangelische Abt Johann Hummel († 16o6), indem er sein im Jahr 1600 angelegtes Lagerbuch, das sogenannte „Rote Buch“53), mit einer historischen Einleitung versah und in diese etliche damals noch vorhandene Ausstattungsinschriften des Klosters aufnahm (nrr. 136138, 159, 160, 232). Diese Inschriften nehmen durchweg Bezug auf die Klostergründungslegende, was ihre Aufnahme erklärt. Grabinschriften aus vorreformatorischer Zeit hat Hummel nicht aufgezeichnet.

Daß noch eine größere Zahl von Abts- und Mönchsgrabplatten vorhanden war, bezeugt der katholische Prior Adam Adami in seinem in der Zeit der Rekatholisierung des Klosters während des Dreißigjährigen Krieges 1642 verfaßten „Chronicon Murrhardtense“54). Er verzeichnet leider nur in wenigen Fällen den Wortlaut und beschränkt sich meist auf eine sinngemäße regestenartige Wiedergabe der Grabschriften55). Für zwei Inschriften bietet das Chronicon immerhin die einzige Quelle (nrr. 69, 251).

Sowohl Hummel als auch Adami stützen sich auf die 1550 entstandene Hällische Chronik Georg Widmans (1486–1560), die aber außer der Grabschrift des Klostergründers Walterich (nr. 74) keine Inschriften überliefert56). Eine wesentlich ausführlichere Murrhardter Chronik aus der Feder Widmans ist im Bauernkrieg verloren gegangen57).

Unergiebig hinsichtlich der aufgenommenen Inschriftentexte ist die Waiblinger Chronik Jakob Frischlins (1556–1621) von 158958). Sie überliefert nur die auch anderweitig aufgezeichnete Grabschrift der Gräfin Anna von Katzenelnbogen.

Der fleißige Genealoge und Sammler historischer Notizen zur Geschichte der württembergischen Ortschaften Johann Georg Waltz, Pfarrer zu Rudersberg (1608–58), gibt in seinem „Waiblinger Stadt unnd Ambts Chronicon“ von 165359) nur eine einzige Grabschrift im Wortlaut wieder (nr. 95), die übrigen zahlreichen datierten Sterbenotizen in diesem Werk sind offenbar nicht von Grabmälern genommen. In Waltz' Dorfchronik (Cod. hist. F 190) enthält ein eingehefteter Brief des Pfarrers Michael Spindler von 1652 den Hinweis auf vier Inschriften in der Kirche zu Oppelsbohm, die aber sämtlich nicht im Wortlaut geboten werden: Wiewol auf der grossen glockh die man neulich umgossen, die Jahrzahl gestanden 1440 ... Vor dem Altar vor dem Chor liegen 3 grabstein, der Mitele ist h. Boulanders primj Vicarij. Die 2 nebenzu sind auch der Ministrorum wie es der Aufgehawene Kelch andeutet, haben aber eine Dunckhele unleserliche schrifft. – Ähnliche für die Inschriftenedition nicht verwertbare Angaben finden sich in weiteren Handschriften des 17. und 18. Jahrhunderts.

Enttäuschend ist die epigraphische Ausbeute von Carl Friedrich Wilhelm Schmids, „der Weltweisheit Candidaten im herzoglichen Stift“ Schrift „Etwas Historisches und Statistisches über Schorndorf“ [Druckseite XXIII] von 178160): Neben der erhaltenen Stiftungsinschrift von 1650 an der ehemaligen Lateinschule (nr. 315) gibt er in einem Abschnitt „Von denen Grabschrifften“ lediglich die Inschriften der ohnehin erhaltenen Grabmäler in der Stadtkirche – freilich vollständig und relativ genau – wieder. Dagegen versäumte er, die seinerzeit noch zahlreich vorhandenen Grabsteine auf dem Friedhof zu transkribieren61).

Wenig steuert das Schorndorfer Ehehafften- oder Gerechtigkeiths-Buch von 1735 bei62), so etwa den angeblich an einem der Schorndorfer Stadttore eingemeißelten Klagespruch eines Festungsbaumeisters (nr. 149).

Handschriften vorwiegend genealogischen Inhalts haben einige wenige Grabschriften festgehalten: Emanuel Leopold Hellers Aufzeichnungen über die Familie Breitschwert von 179463) sind für eine Grabschrift vom Backnanger Friedhof (nr. 278), das Hauffsche Epitaphienbüchlein für insgesamt sieben Grabmäler aus der Stadtkirche und vom Friedhof in Schorndorf (nrr. 39, 128, 171, 182, 201, 304, 311) die einzige Quelle. Das Hauffsche Epitaphienbüchlein ist eine zwischen 1702 und 1721 von mehreren Händen angefertigte Sammlung von auf die Familie bezogenen Grabschriften. Angelegt wurde das Werk von Karl Albrecht Hauff, Stadtpfarrer in Waldenbuch und Kornwestheim, oder von seinem Sohn Hans Albrecht, Pfarrer in Backnang. Die Handschrift befand sich im Decker-Hauffschen Familienarchiv in Stuttgart und wurde dort 1944 zerstört. Erhalten haben sich ebenda mehrere im wesentlichen gleichlautende Abschriften64).

Für Oppenweiler liegt eine vielfältige Kopialüberlieferung des 18. und 19. Jahrhunderts sowohl für die Grabschriften aus der Pfarrkirche als auch für die gemalte Sturmfeder-Ahnengalerie im Archiv der Freiherren Sturmfeder von Oppenweiler vor (heute im StA Ludwigsburg, Abt. B 139a). Der Wortlaut von drei noch heute unter dem Bodenbelag verdeckten Grabplatten der Sturmfeder wird nur in diesen Archivalien mitgeteilt, ebenso die frühere Aufstellung der Grabdenkmäler sowie einzelne aufgemalte, mittlerweile verblaßte Inschriften auf einem der Epitaphien. Auch von einem Gemälde mit Darstellung einer Turnierszene – wohl aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts – wissen wir nur durch eine Beschreibung in den Sturmfeder-Akten (nr. 233).

Von besonderer Bedeutung für die Erforschung der früheren Geschichte der Markgrafen von Baden ist die Untersuchung der Markgrafengrablege in der Backnanger Pankratiuskirche, die der Kuppenheimer Pfarrektor Franz Josef Herr 1826 durchführte. Herr (1778–1837), päpstlicher Protonotar, Wirklicher Erzbischöflicher Geistlicher Rat, Ehrendomherr, Großherzoglicher Geheimrat und Abgeordneter der Badischen Landtage 1831, 1833 und 1835, befaßte sich zeitlebens mit der Erforschung der Geschichte des badischen Fürstenhauses65). Im Auftrag des Kurfürsten (des späteren Großherzogs) Karl Friedrich untersuchte er zunächst 1800–05 die Grablegen der Badener in der Stiftskirche Baden-Baden und in Kloster Lichtenthal; unter den nachfolgenden Großherzögen, die für seine historischen Forschungen kein Interesse zeigten, führte er dann aus eigenem Antrieb ähnliche Aktionen in den übrigen Grablegen durch, darunter auch in Backnang. Bei der Öffnung der Markgrafengräber wurden vier Translationstäfelchen entdeckt, deren Inschriften nur durch Herrs ausführliches Grabungsprotokoll bekannt sind, die Originale wurden wieder in den Steinsärgen eingeschlossen66). Die vier auf den Grabplatten angebrachten Grabinschriften, von denen nur mehr zwei erhalten sind, fanden dagegen schon früh das Interesse der Historiographen und sind entsprechend häufig kopial bezeugt, sowohl in Werken zur badischen (Schoepflin, Sachs, Herbster) als auch zur württembergischen Geschichte (Wolleber, Crusius, Gabelkover, Besold).

[Druckseite XXIV]

Inschriften aus ganz Württemberg sind in größerer Zahl durch den Pfarrer und Altertumsforscher Alfred Friedrich Klemm (1840–1897) gesammelt worden. In seinen Ortsnotizen67) findet sich auch einiges aus dem Bearbeitungsgebiet, jedoch nichts, was nicht auch anderweitig überliefert wäre. Klemm wirkte zuletzt als Dekan in Backnang. Ausgerechnet das umfangreiche Bündel der Notizen über Backnang ist allerdings seit der Auslagerung der Württ. Landesbibliothek im 2. Weltkrieg verschollen68).

An Druckwerken, die vereinzelt heute verlorene Inschriften im Wortlaut festhalten, sind die württembergischen Oberamtsbeschreibungen zu nennen, hier an erster Stelle die des Oberamts Backnang (nrr. 6, 9, 22, 202).

Für die in den beiden Weltkriegen eingeschmolzenen Glocken liefern die Glockenbeschlagnahmeakten im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart von 191769) in vielen Fällen (nrr. 22, 36, 91, 120, 135, 225, 290, 310) willkommene Ergänzungen zum 1959 erschienenen Glockenatlas Württemberg-Hohenzollern, in dem nur die erhaltenen Glocken verzeichnet sind. Einiges steuern schließlich noch die Pfarrbeschreibungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts bei, die freilich von sehr unterschiedlicher Qualität und Ausführlichkeit sind70) (nrr. 62, 73, 236, 302).

Erst in jüngerer Zeit verschwundene Inschriftenträger sind in einigen Fällen durch Fotografien dokumentiert (nrr. 172, 181, 226, 318), von einer Wappentafel existiert nur noch ein Abguß (nr. 161).

Erste Orientierung für die Aufnahme und Kommentierung der Inschriften im Süden des Landkreises bot die 1963 auf Anregung von Hansmartin Decker-Hauff entstandene Arbeit von Dieter Reichert über die Inschriften des ehemaligen Oberamtsbezirks Schorndorf (Zulassungsarbeit für das höhere Lehramt, Tübingen 1963, masch.), in der alle Inschriften bis zum Jahr 1800 systematisch gesammelt und erläutert sowie durch ausführliche Register erschlossen sind71). 1967 folgte Reicherts Zulassungsarbeit an der PH Schwäbisch Gmünd über „Die Inschriften der Stadtkirche Schorndorf und ihre pädagogische Auswertung“ (masch.), von der wiederum ein Auszug, der nur die Inschriftentexte bietet, unter dem Titel „Die Inschriften der Stadtkirche in Schorndorf“ (masch.) im Stadtarchiv Schorndorf und im Dekanatarchiv Schorndorf hinterlegt ist72). Für zwei mittlerweile verschollene bzw. zerstörte Inschriften auf den Friedhöfen in Schorndorf und Grunbach (nrr. 181, 312) ist Reichert die einzige Quelle. Eine vom vormaligen Schorndorfer Stadtarchivar Uwe Jens Wandel 1982 angelegte und bis 1993 fortgeführte Sammlung der Schorndorfer Inschriften basiert ganz auf dem Reichertschen Material und bringt darüber hinaus lediglich biographisch-genealogische Notizen, vor allem zu den Grabinschriften.

Adolf Schahls 1983 erschienenes ausführliches Kunstdenkmälerinventar für den Rems-Murr-Kreis schließlich bietet zahlreiche Inschriften im Wortlaut, gelegentlich verkürzt. Seither sind bereits wieder zwei von Schahl noch überlieferte Nameninschriften an Gebäuden (nrr. 58, 305) verschwunden.

4. Die Inschriftenträger

4.1. Inschriften des Totengedenkens

Die folgenden Ausführungen sollen über das Aussehen, die Funktion und das Formular der unterschiedlichen Formen von Totengedächtnismälern unterrichten, die im Rems-Murr-Kreis vorkommen und die den weitaus größten Bestandteil der Inschriftendenkmäler bilden. Wegen der – vor allem für das Mittelalter – geringen Dichte erhaltener Grabmäler verbietet es sich, aus dem Bestand Rückschlüsse auf die Entwicklung der Grabmaltypen und der Sepulkralkultur im allgemeinen zu ziehen. Immerhin ermöglichen die bisweilen recht genauen Beschreibungen mittlerweile verlorener Grabmäler durch die Chronisten des 16. und 17. Jahrhunderts, gelegentlich auch solche nicht erhaltenen Objekte zur Ergänzung des zwangsläufig lückenhaften Bildes heranzuziehen.

4.1.1 Die äußere Gestaltung der Grabmäler

Die ältesten mittelalterlichen Grabmäler aus dem Rems-Murr-Kreis, die auf uns gekommen sind, sind zwei inschriftlose Grabplatten für Äbte des Klosters Murrhardt, wohl aus der 2. Hälfte des 12. oder aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Unter Grabplatte versteht man die fast immer waagrecht über der Grabstätte liegende zu deren Abdeckung dienende aus einem Werkstück gearbeitete Steinplatte von meist rechteckigem Umriß. Die meisten Platten waren ursprünglich in den Fußboden von Kirchen oder Kreuzgängen eingelassen73). Beide Murrhardter Abtsgrabplatten hatten ursprünglich ähnliche, für die frühe Zeit typische schlanke Abmessungen (bei nur etwa 75 cm Breite eine Höhe von über 220 cm). Die eine Platte, mit breitem Wulstrand versehen, zeigt ein Stabkreuz in versenktem Relief und einen links danebengestellten Abtsstab in gleicher Technik74). Die zweite Platte ist noch schlichter, der Rand ist glatt, im Mittelfeld ist nur das Pedum eingetieft. Ganz ähnlich ist die ebenfalls inschriftlose Deckplatte des Sarkophags für die 1162 verstorbene badische Markgrafentochter Judith in der Backnanger Stiftskirche gearbeitet: auch hier der Wulstrand und ein Kreuz in versenktem Relief, zusätzlich das Lamm Gottes, das den Kreuzstab hält75). Die Markgrafengräber des 12. und 13. Jahrhunderts, aus denen 1513 die Gebeine erhoben und zusammen im neuen Chor der Stiftskirche beigesetzt wurden76), waren wohl allesamt nicht inschriftlich bezeichnet.

Die erste zumindest fragmentarisch erhaltene Grabplatte, die eine Inschrift trägt, ist wiederum eine des Klosters Murrhardt (nr. 2). Die metrische Inschrift läuft auf dem Rand zwischen Ritzlinien um, das Mittelfeld ist eingetieft und zeigt – jedenfalls in der erhaltenen Hälfte – keine bildliche Darstellung. Das gegenüber den inschriftlosen Abtsgrabplatten breitere Format und die Schrift deuten auf eine Entstehung im 1. Drittel des 13. Jahrhunderts. Auch wenn auf die Darstellung des Krummstabs verzichtet ist, dürfte es sich am ehesten wiederum um die Grabplatte für einen Abt handeln. In der Gestaltung der Abtsgräber scheint man im 13. Jahrhundert ohnehin von der älteren Form gelegentlich abgewichen zu sein. Darauf deutet zumindest die Nachricht hin, das (mittlerweile verlorene) Grabplattenfragment des Abts Dietrich von Hohenstein aus den 1280er Jahren (nr. 6†) sei mit einem Wappen geziert gewesen. Es dürfte sich auch hier um eine Platte mit Umschrift gehandelt haben, das Wappen im Feld war vielleicht mit dem Pedum kombiniert.

Die erhaltenen Murrhardter Mönchsgrabplatten des 15. Jahrhunderts knüpfen in der äußeren Form deutlich an die inschriftlosen Steine des Hochmittelalters an: Drei Platten von 1466, 1474 und 1484 nehmen das Bild des eingetieften Kreuzstabs auf, wobei jeweils ein Kelch mit Hostie als Zeichen des Priesteramts in Ritzzeichnung beigefügt ist, einmal zudem das Familienwappen des Mönchs (nrr. 41, 49, 52). Eine Abtsgrabplatte von 1473 ist mit dem Pedum und zusätzlich mit der Mitra bezeichnet (nr. 47), eine weitere aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts mit Pedum, Mitra und Wappen (nr. 99). All diese Platten sind jetzt freilich mit Umschriften versehen. Es handelt sich nicht, wie vermutet wurde77), um Zweitverwendung älterer, ursprünglich inschriftloser Steine. Das einheitlich deutlich niedrigere und breitere Format paßt nicht ins 12. oder 13. Jahrhundert, außerdem ist der Kreuzstab bzw. das Pedum von vorneherein so eingefügt, daß eine Umschrift Platz fand, während die Kreuzarme der alten Platte fast am Rand anstoßen und somit für eine Inschrift schon von der Konzeption her keinen Platz lassen78). Ähnlich den Murrhardter Mönchsgrabplatten ist eine Platte für einen Priester in Backnang aus dem Ende des 15. Jahrhunderts (nr. 70) mit Kreuz und Kelch in Ritzzeichnung versehen. Die Inschrift ist allerdings nur an den Längsseiten angebracht und ist gleichlaufend zum rechten Rand hin ausgerichtet. Vielleicht lag die Platte an einer Wand, und die gleich ausgerichtete Schrift sollte das bessere Lesen ermöglichen79).

[Druckseite XXVI]

Wesentlich aufwendiger als die schlichten Mönchsgrabplatten sind die ersten Figurengrabmäler des Bearbeitungsgebiets gestaltet. Die aus der Beutelsbacher Stiftskirche stammende Grabplatte mit den vollplastischen Liegefiguren des Grafen Ulrich von Württemberg und seiner Frau Agnes von Schlesien aus dem Ende des 13. Jahrhunderts (nr. 4) diente als Abdeckung eines wie auch immer gearteten Hochgrabs. Darauf deutet die nach außen gerichtete und auf abgeschrägtem Rand angebrachte Umschrift hin, die vom Betrachter so beim Gang um das Hochgrab gut gelesen werden konnte. Die Figuren sind eindeutig als Liegende dargestellt, ihre Köpfe ruhen auf Kissen, die an die Kissen gelehnten Wappenschilde sind nur bei horizontaler Lage der Platte sichtbar. Ebenso handelt es sich bei der Figurengrabplatte des Ritters Burkhard Sturmfeder von 1365 um eine Hochgrab-Deckplatte (nr. 14). Der Ritter ist in seiner Rüstung und betend dargestellt, der mit der Beckenhaube bedeckte Kopf ruht auf dem quergelegten Kübelhelm, der Schild ist seitlich an die Hüfte gelehnt. Auch hier deckt sich die Konzeption als Liegefigur mit der Ausrichtung der Inschrift zum Plattenrand hin, der Rand ist allerdings in diesem Fall nicht abgeschrägt.

Von den Grabmälern der Murrhardter Klostervögte, der Grafen von Löwenstein, hat sich nur eine Grabplatte für den Grafen Nikolaus († 1340) erhalten (nr. 12). Sie zeigt heute nur noch eine Umschrift, deren mehrfache Unterbrechungen aber auf eine frühere Darstellung im Mittelfeld hindeuten, die teilweise in den Umschriftrand ragte und später abgearbeitet wurde. Die Position dieser Unterbrechungen wie auch die nach innen gerichtete Inschrift sprechen eher gegen eine figürliche Hochgrab-Deckplatte, vermutlich handelte es sich um eine Wappengrabplatte mit dem Relief eines Vollwappens. Die Grabplatte mit Umschrift und Wappendarstellung im Mittelfeld war die vom Adel im Spätmittelalter bevorzugte Form. Die Grabplatte des Grafen Rudolf von Tübingen (nr. 18†) war als solche ausgeführt, die früheste erhaltene ist die des Heinrich Sturmfeder (1437, nr. 21). Sie ist bereits mit zwei Wappen, denen des Vaters und der Mutter, geschmückt. Auf der Grabplatte des 1471 verstorbenen Friedrich Sturmfeder sind die Wappen erstmals mit einer gotischen Architekturrahmung des Bildfelds kombiniert.

In dem kurzen Zeitraum von 1471 bis 1515 lassen sich insgesamt acht Grabplatten nachweisen, die mit aufgedübelten Messing- oder Bronzeauflagen versehen waren, die als Schrift- und Bildträger fungierten. Teilweise erhalten haben sich nur die Wappen- und Schriftplatten von den 1513 transferierten Markgrafengräbern in Backnang (1515, nrr. 115, 116, 117†, 118†). Auf den Schrifttafeln sind die Inschriften zeilenweise angeordnet. Das früheste Beispiel einer Grabplatte mit Metallauflage ist die verlorene Grabplatte der Gräfin Anna von Katzenelnbogen aus Waiblingen (1471, nr. 45†). Das zentrale Wappen und vielleicht auch die (umlaufenden?) Schriftleisten waren gegossen. Weitere drei Platten mit Metallauflagen, allesamt aus der Schorndorfer Stadtkirche, sind nur mehr kopial überliefert: aus Metall waren jeweils die Schrifttafeln, bei den Priestergrabplatten ferner das Kelchsymbol (nrr. 94†, 103†, 113†)80).

An aufwendigen Grabkonstruktionen der mittelalterlichen Zeit ist das Walterichsgrabmal zu erwähnen, das zusätzlich zur Grabplatte, die im 14. oder 15. Jahrhundert eine Inschrift erhielt, mit einem beweglichen „schwebenden Stein“ versehen war. Über das Aussehen der Gesamtanlage wissen wir aber nichts (nr. 74†). Das in der Murrhardter Klosterkirche um 1440 errichtete Stiftergrabmal für Kaiser Ludwig den Frommen (nr. 25) ist als Tumba gestaltet. Die Deckplatte mit umlaufender Inschrift auf abgeschrägtem Rand zeigt im Bildfeld die stehende Gestalt des Kaisers und sein Wappen in Ritzzeichnung. Grabplatten mit figürlicher Ritzzeichnung kommen andernorts wesentlich häufiger vor, im Rems-Murr-Kreis ist als einzige Parallele das Fragment einer Grabplatte für einen Mönch (?) vom ehemaligen Kloster Engelberg (1496, nr. 67) zu nennen, das nur mehr den Kopf des Verstorbenen zeigt.

Grabplatten, auf denen die Gestalt des Verstorbenen in flachem oder hohem Relief ausgeführt ist, haben sich dagegen aus dem 1. Viertel des 16. Jahrhunderts gleich viermal erhalten, durchweg sind es Grabmäler für Priester (nrr. 114, 123, 129, 130). Im eingetieften Mittelfeld ist die stehende Figur des Geistlichen in standestypischer Kleidung (Priestergewand, Birett, Manipel) und mit dem Gestus der Kelchsegnung81) dargestellt, als Rahmung des Bilds sind Rundbögen oder Astwerkbaldachine gewählt. Trotz der eindeutig stehenden, nicht liegenden Haltung der Figuren bezeugen Fundumstände bzw. deutliche Abtretungsspuren der Steine ihre ursprüngliche Funktion als Grabplatten. Ob [Druckseite XXVII] es sich bei der Platte mit Figurenrelief des Waiblinger Untervogts Kühorn von 1526 (nr. 133) ebenfalls um eine Grabplatte handelt, ist dagegen nicht mehr eindeutig zu entscheiden: Die Inschrift läuft um, im Mittelfeld ist das Kniestück des als Ritter im Harnisch Abgebildeten über einer mit zwei Wappen belegten „Brüstung“ skulptiert82).

Eine neue Entwicklung bei den Grabdenkmälern zeichnet sich in Deutschland, und hier zunächst im unterfränkischen Raum, in der Mitte des 14. Jahrhunderts ab: Figürliche Grabmäler, die anfangs in der Konzeption von den liegenden Grabplatten oft nicht zu unterscheiden sind, d. h. bei denen die Figur durchaus noch als liegend und sogar mit Kopfkissen dargestellt sein kann, werden nun als Epitaph oder Grabdenkmal an der Wand oder an einem Pfeiler aufgerichtet, entweder direkt an der Grabstätte oder doch in deren Nähe. Bei der Anbringung der Inschriften zeigen sich anfängliche Unsicherheiten. Die Schriftanordnung der Hochgrab-Deckplatten mit Ausrichtung nach außen, gelegentlich auch auf einem abgeschrägten Rand, wurde teilweise übernommen. In solchen Fällen läßt sich auch von der Inschrift her eine Unterscheidung zur figürlichen Grabplatte heute nicht vornehmen, wenn sich das Grabmal nicht mehr in situ befindet. Man fand dann verschiedene Lösungen, die das Lesen der Inschriften erleichterten, sei es, daß man auf die (kopfständige) Beschriftung der Fußleiste verzichtete oder daß man die Inschriften überhaupt nur an den Längsseiten anbrachte. Die Figur wurde nach verschiedenen Zwischenstadien schließlich eindeutig als stehend dargestellt, ein oft hinzugefügter vorspringender Standsockel erleichtert die Abgrenzung von den figürlichen Grabplatten. Auch die Stellung der meist unter den Füßen der Figuren kauernden Löwen oder Hunde wurde der senkrechten Aufstellung des Grabmals entsprechend angepaßt. Gotische Architekturrahmungen kommen dagegen auch schon bei den liegenden Platten vor und können daher nicht als Kriterium für eine ursprüngliche senkrechte Anbringung herangezogen werden83). Das Epitaph ersetzte die Grabplatte nicht. Diese diente vielmehr nach wie vor zur Abdeckung der Grabstätte, während das Epitaph ein zusätzliches auffälliges und repräsentatives Gedächtnismal für den Toten war. Die Grabplatte konnte nun freilich schlichter gestaltet sein, da die Hauptinformationen über den Verstorbenen dem in der Nähe aufgerichteten Epitaph zu entnehmen waren. Figurengrabplatten neben Epitaphien kommen daher in der Regel nicht vor84).

Das früheste, noch recht schlichte Figurenepitaph, das sich im Rems-Murr-Kreis erhalten hat, ist erst das des Burkhard Sturmfeder, das noch zu dessen Lebzeiten zu Beginn des 16. Jahrhunderts angefertigt wurde (nr. 86). Der Ritter ist fast vollplastisch in seiner Rüstung und betend dargestellt, die Umschrift läuft nur oben und an den Längsseiten um, neben den Wappen des Ritters und seiner Frau sind in den Ecken des Grabmals vier Ahnenwappen beigegeben. Das Epitaph stand schon lange Zeit vor Burkhards Tod in der Kirche, nach seinem Tod erhielt er eine zusätzliche Grabplatte mit Sterbeinschrift (nr. 146†), während man die Todesdaten auf dem Epitaph nachzutragen versäumte. Schon ganz von den gotischen Formen gelöst präsentiert sich das typische Renaissance-Grabdenkmal mit Standfigur des Eberhard Sturmfeder (1525, nr. 131), bei dem die Inschrift jetzt zeilenweise in einer Schrifttafel im rundbogigen Aufsatz untergebracht ist. Auf den rahmenden Halbsäulen ist zusätzlich zum Wappen der Ehefrau die Ahnenprobe des Ritters zu bereits acht Wappen angeordnet.

Die Grabdenkmäler des 16. Jahrhunderts zeigen – bei durchaus unterschiedlicher Gestaltung im einzelnen – dann fast durchweg dieselbe Konzeption: Standfigur mit Wappen und darüber, einmal auch zusätzlich im Sockel darunter, die Schrifttafel mit zeilenweise angeordneter Sterbeinschrift (nrr. 165, 167, 204, 214217). Die Adeligen sind noch ausnahmslos in Ritterrüstung als der standesgemäßen Kleidung wiedergegeben, obwohl diese jedenfalls in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht mehr dem Stand der Kriegstechnik entsprach. Umso bemerkenswerter sind die vier Epitaphien für zwei Ehepaare der Rietenauer Forstmeisterfamilie Miner aus dem Ende des 16. Jahrhunderts (nrr. 114117), auf denen die Kleidung der Männer und Frauen in ihrer realistischen originellen Darstellung offenbar eine genauere Vorstellung von der tatsächlich getragenen Tracht vermittelt85). Die zwar [Druckseite XXVIII] bei Frauen, nicht aber bei den vollgerüsteten Rittern im 16. Jahrhundert weiterhin übliche betende Haltung findet sich in auffallender Weise im Doppelgrabmal für Friedrich und Margarethe Sturmfeder von 1558 (nr. 167) auch bei dem Mann, die Frau hält einen Rosenkranz in den gefalteten Händen. Es ist dies möglicherweise als bewußte Reaktion der beim alten Glauben verbliebenen Sturmfeder auf die Einführung der Reformation durch Württemberg zu deuten.

Die Entwicklung der Standfigur-Epitaphien gipfelt um 1600 in den monumentalen Grabdenkmälern von ädikulaähnlichem Aufbau, die außer den vollplastischen Standfiguren und den Schrifttafeln Bildreliefs mit biblischen Szenen, allegorische Figuren, Wappen und weiteres Ornament zeigen. Die eindrucksvollsten Arbeiten im Rems-Murr-Kreis sind die von dem Heilbronner Bildhauer Jakob Müller geschaffenen Einzel- und Doppelgrabmäler für die Sturmfeder in Oppenweiler (nrr. 228, 229) und für den Deutschordenskomtur Johann von Gleichen in Winnenden (nr. 256) sowie das Doppelgrabmal für den Offizier und Obervogt Burkhard Stickel und seine Frau von der Hand Jeremias Schwartz’ in Schorndorf (1613, nr. 267).

Die Grabplatten des 16. Jahrhunderts, die sich erhalten haben, sind zum ganz überwiegenden Teil Wappengrabplatten. Das erweiterte Formular der Sterbeinschriften (vgl. unten) hatte zur Folge, daß die Inschriften oft nicht mehr, wie bislang üblich, allein auf dem Randstreifen untergebracht werden konnten. Das führte zu vielfachen Variationen der alten und zur Entwicklung neuer Formen der Wappengrabplatte. Der häufigste Typ blieb der, bei dem im Zentrum ein einzelnes oder zwei in Allianz verbundene Wappen abgebildet sind, ergänzend können in den Ecken Ahnenwappen hinzukommen. Die Schrift ist wie bisher umlaufend oder aber zeilenweise in Schriftblöcken angeordnet. Kombinationen, bei denen die Sterbeinschrift die Umschrift und Bibelzitate die Aufschrift bilden oder umgekehrt, kommen ebenso vor wie quer geteilte Platten, bei denen sich im einen Feld die in Langzeilen angeordnete Inschrift, im anderen die Wappendarstellung befindet. Ab den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts wird das zentrale Wappenrelief fast durchweg in ein rundes oder ovales Medaillon eingefügt, dessen Rahmen wiederum beschriftet sein kann. Die Bürgerlichen folgen in der Gestaltung ihrer Grabplatten im allgemeinen dem Vorbild des Adels; freilich fehlen meist die Wappenhelme und die heraldische Ahnenprobe. Letztere war gerade für den Adeligen eine Möglichkeit, seine Ritterbürtigkeit und somit die Unvordenklichkeit seiner adeligen Abstammung zu dokumentieren und sich gegen die Aufsteiger aus dem Bürgertum auf diese Weise abzugrenzen. Die heraldische Ahnenprobe ist auf den Grabmälern des Rems-Murr-Kreises erst ab 1525 belegt (nr. 131) und tritt damit später als in anderen Gebieten auf86). Auf Grabplatten sind im Kreisgebiet lediglich bis zu vier Ahnenwappen angebracht, umfangreichere Proben finden sich nur auf Grabdenkmälern. Die [Druckseite XXIX] zweimal acht Ahnenwappen auf dem Grabdenkmal Johanns von Gleichen für ihn und seine Frau (1608, nr. 256) stellen die ausführlichste Ahnenprobe dar.

Reine Schriftgrabplatten sind im bearbeiteten Bestand nur dreimal nachzuweisen (1594 und 1644: nrr. 209, 212, 306), beim jüngsten Beispiel steht die Grabschrift im Mittelfeld, der Rahmen ist mit einem Bibelzitat beschriftet.

Eine weitere Möglichkeit des Totengedächtnisses neben Grabplatte und Epitaph bot die Anbringung eines Totenschilds in der Kirche. Der Totenschild ist räumlich nicht an die Grabstätte gebunden, er kann sogar Personen gedenken, die andernorts beigesetzt sind. Für vier Angehörige der Familie Sturmfeder sind sowohl Grabplatte als auch figürliches Grabdenkmal und Totenschild erhalten oder zumindest bezeugt. Die älteste Form des Totenschilds, über dessen Anfänge und ursprüngliche Funktionen, etwa bei der Begräbniszeremonie, immer noch keine Klarheit herrscht, dürfte das – ähnlich den Aufschwörschilden der Deutschordensritter87) – in den Umrissen des Wappenschilds ausgesägte Holzbrett mit aufgemaltem Wappen und auf dem Rand umlaufender Inschrift gewesen sein. Die Schildfigur konnte auch geschnitzt und aufgeleimt sein. Frühe Beispiele haben sich in Nürnberg aus der Zeit um 1370 erhalten88). Die weitere Entwicklung scheint über die hochrechteckige Form mit aufgemaltem oder geschnitztem Vollwappen und mit umlaufender oder zeilenweise angeordneter Sterbeinschrift89) zu den kreisrunden oder acht- und mehreckigen, gelegentlich auch drei- oder vierpaßförmigen Brettern mit Umschrift und mit Wappendarstellung im Mittelfeld zu führen. Beispiele für die Rechteckform könnten die von Wolleber bezeugte, aber nicht näher beschriebene schier zerfalne Tafel für Hans Egen von Egenhofen (1473, nr. 48†) und die Holztafel für Hans von Seckach (1495, nr. 60 †) aus der Schorndorfer Stadtkirche gewesen sein90). Die ab 1525 (nr. 132) erhaltenen Totenschilde sind allesamt rund und zeigen im Mittelfeld ein meist geschnitztes, einmal auch nur aufgemaltes (nr. 265) Vollwappen, das gelegentlich von einem kleinen Beiwappen als dem Wappen der Ehefrau oder von vier Ahnenwappen begleitet ist. Die Umschrift ist durchweg aufgemalt und beginnt oben links, daneben vereinzelt auch oben in der Mitte.

Der Typ des Standbild-Epitaphs blieb nicht der einzige. Dadurch, daß das Epitaph von seiner Funktion her nicht wie die Grabplatte an einen festen Ort und an ein vorgegebenes Format gebunden war, konnte es beliebige Größe, Umrisse und Bildinhalte annehmen und aus unterschiedlichsten Materialien – vom aufgemalten Wandbild über Glasmalerei bis zur Ausführung in Metall, Holz, Stein oder Stuck – hergestellt werden91). Beim Typ des Andachts- oder Fürbittbildes ist der oder die Verstorbene kniend im Gebet dargestellt. Dabei kann die skulptierte Figur Lebensgröße erreichen, das Grabmal kann dann ähnlich monumentale Formen annehmen wie das Standbild-Epitaph. Der Gegenstand der Anbetung, in den meisten Fällen der Heiland am Kreuz, wurde häufig mit ins Bild gesetzt. Epitaphien mit einzelnen knienden Betern sind im Rems-Murr-Kreis nicht bezeugt. Vielmehr zeigen sich hier ausnahmslos Ehepaare, links und rechts unter dem Kreuz kniend und stets mit der gesamten noch lebenden und bereits verstorbenen Nachkommenschaft, den Söhnen links beim Vater und den Töchtern rechts bei der Mutter, dargestellt, gewissermaßen als Gemeinschaft der Lebenden und der Toten. Das einzige Grabmal aus Stein mit fast lebensgroßen Figuren ist das Grimmeisen-Familiengrabmal von 1600 in Waiblingen (nr. 235), bei dem die großen Figuren der Eltern flankierend auf eigenen Sockeln an den ädikulaähnlichen Mittelteil herangerückt sind, auf dem der Kruzifixus und die Kinder in wesentlich kleinerem Maßstab in Relief ausgeführt sind. Die weiteren in Stein gearbeiteten Grabmäler des Typs sind als Hängeepitaphien (nrr. 255, 260) oder als monumentale Wandgrabmäler (nr. 261) in Ädikulaform gestaltet, die ganze Familie ist jeweils im Hauptfeld unter dem Kreuz klein abgebildet, Reliefs mit Bibelszenen, zahlreiche Inschriften und Ornamente sowie Wappen können hinzugefügt sein.

Wie die Hängeepitaphien aus Stein sind auch die aus Holz gezimmerten und bemalten ädikulaähnlich aufgebaut. Nur kopial überliefert ist ein schon früh nur mehr fragmentarisch erhaltenes Epitaph, das früheste dieser Art im Bearbeitungsgebiet überhaupt, das noch aus vorreformatorischer Zeit stammte: das Epitaph für Georg Adelmann von Adelmannsfelden von 1516 (nr. 122†), auf dem [Druckseite XXX] der Verstorbene mit Frau, 14 Söhnen und drei Töchtern unter dem Kruzifixus aufgemalt war. Die ersten erhaltenen Holzepitaphien datieren erst von 1581 und 1582 (nrr. 191, 196). Nur letzteres zeigt die betende Familie im Hauptfeld. Bei ersterem wie auch bei allen späteren Epitaphien bildet eine biblische Szene das Hauptbild, während die betende Familie stets in einem eigenen kleinen Bild in der Sockelzone Platz findet. Objekt der Anbetung ist neben Christus am Kreuz auch Christus in der Ruh oder als Triumphator über den Höllendrachen. Die Sterbeinschriften sind in den meisten Fällen im Untersatz unter der Sockelzone aufgemalt. Den Typ des Porträtepitaphs, der vor allem bei Pfarrern und Gelehrten ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert beliebt war92), vertritt das Grabmal für den Pfarrer und poeta laureatus Georg Konrad Maickhler (nr. 309): Sein Brustbild zeigt ihn im Giebelfeld überlebensgroß, obwohl er bereits im Sockel als Beter abgebildet ist. Zu der protzigen Gestaltung des Epitaphs paßt das lateinische Lobgedicht auf den Toten.

Unter den weiteren vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten der Epitaphien, die auch durchaus ohne jede bildliche Darstellung als reines Schriftdenkmal konzipiert sein können, seien abschließend nur die von Christoph Jelin geschaffenen kleinformatigen Kinderepitaphien der Familie Breuning in Winnenden mit origineller Darstellung eines laufenden Kleinkindes im Hemdchen bzw. eines schlafende nackten Säuglings in fast quadratischem Bildfeld und mit darunter zeilenweise angeordneter Sterbeinschrift hervorgehoben (1592/94, nrr. 206, 210).

Gußeiserne Epitaphplatten wurden in den Heidenheimer Brenztalwerken produziert. Zwei dieser Stücke aus dem späten 16. Jahrhundert (nrr. 188, 222) haben sich in Schorndorf erhalten. Die rechteckigen Platten konnten sowohl in der Kirche als auch im Freien an der Friedhofsmauer und auf Grabsteinen angebracht werden. Die Sterbeinschriften befinden sich bei beiden erhaltenen Stücken im unteren Teil der Platte, oben ist das Bild des Verstorbenen mit Wappen bzw. eine biblische Szene in Flachrelief ausgeführt. Der Beschreibung nach läßt sich den zwei Exemplaren eine dritte nur mehr abschriftlich überlieferte Tafel von 1565 für eine aus Heidenheim (!) stammende Bürgerin anreihen.

Der letzte hier zu betrachtende Grabmaltyp ist der neuzeitliche Grabstein, der auf dem Friedhof direkt am Grabhügel freistehend oder an der Friedhofsmauer aufgerichtet die Grabstätte bezeichnet. Größe, Umriß, bildliche Darstellung sowie Umfang und Anordnung der Inschriften können sehr unterschiedlich sein. Die ursprünglich an der Friedhofsmauer aufgerichteten größeren Grabsteine lassen sich, wenn sie nicht mehr in situ stehen, oft nicht von einfachen Epitaphien unterscheiden. Die sicher als Grabsteine bezeugten Stücke datieren von 1571, 1583, 1606 und 1622 (nrr. 181†, 198, 250, 282).

4.1.2. Form und Inhalt der Sterbeinschriften

Beim Formular der Sterbeinschriften sind bei den verschiedenen Arten von Grabmälern, ob Grabplatte, Epitaph, Totenschild oder Grabstein, im allgemeinen keine Unterschiede festzustellen, so daß in die folgende Formularuntersuchung alle Totengedächtnismäler einbezogen werden können93). Die wichtigsten Bestandteile der Sterbeinschriften sind grundsätzlich der Name des Verstorbenen und das Todesdatum. Letzteres fehlt noch häufig in den – meist in Hexametern oder elegischen Distichen abgefaßten – Sterbeinschriften des Früh- und Hochmittelalters.

Die älteste überlieferte Sterbeinschrift des Rems-Murr-Kreises stammt erst aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts (nr. 2) und gehört noch dieser Tradition an. Sie ist, soweit die erhaltenen Fragmente das erkennen lassen, in Form eines Distichons abgefaßt. Der Name des Verstorbenen – vermutlich eines Murrhardter Abts – stand möglicherweise getrennt von den umlaufenden Versen im Mittelfeld der Grabplatte. Alle späteren Sterbeinschriften folgen dann bereits dem stereotypen Formular Anno domini . . . obiit N. N., das an der Schwelle zum 13. Jahrhundert aufkam und allmählich die metrischen Inschriften fast völlig verdrängte. Die frühesten Beispiele finden sich auf einer nicht erhaltenen und nur fragmentarisch überlieferten Grabplatte des Murrhardter Abts Dietrich von Hohenstein (1280-89, nr. 6 †) und auf dem Doppelgrabmal des Grafen Ulrich von Württemberg und seiner Frau Agnes von Schlesien (Ende 13. Jh., nr. 4). Das obiit-Formular blieb über Jahrhunderte vorherrschend, war allerdings Veränderungen hinsichtlich der Art der Datumsangabe unterworfen [Druckseite XXXI] und wurde durch Ausbau der vorhandenen und durch Aufnahme neuer Elemente immer ausführlicher.

Die Jahresangabe erfolgt durchweg nach der christlichen Zeitrechnung, fast ausschließlich, auch in deutschen Inschriften, eingeleitet mit der Formel anno domini94). Die Angabe des Todestages findet sich zwar in den frühesten überlieferten Sterbeinschriften, sie wird aber erst ab der Mitte des 15. Jahrhunderts ständiger Bestandteil, bei vier Grabmälern des 14. und 15. Jahrhunderts fehlt sie noch (nrr. 15, 18†, 20†, 25). Der Todestag steht zunächst im 13. und 14. Jahrhundert am Satzende: nrr. 4 (Ende 13. Jh.), 12 (1340), 14 (1365). Er wird auf dem Beutelsbacher Doppelgrabmal (nr. 4) noch nach dem römischen Kalender angegeben, auf der Hochgrab-Deckplatte des Ritters Burkhard Sturmfeder 1365 (nr. 14) bereits nach dem christlichen Festkalender. Eine Zwischenstufe stellt die Grabplatte des Grafen Nikolaus von Löwenstein von 1340 dar (nr. 12), die schon nach dem Festkalender datiert ist, aber zusätzlich das römische Datum trägt. Die römische Tagesdatierung des zerstörten Walterichsgrabs (nr. 25) könnte demnach auf eine Entstehung noch im 14. Jahrhundert hinweisen.

Die Tagesangabe rückt im 15. Jahrhundert nach vorn vor das Prädikat obiit (erstmals 1437, nr. 21). Dies könnte mit dem gleichzeitigen Aufkommen der Fürbittformel (vgl. unten) zusammenhängen, die dem Formular am Ende angefügt wurde95). Der Fest- und Heiligenkalender blieb im Bearbeitungsgebiet bis zum Ende des Mittelalters vorherrschend. Eine Datierung nach unserem heutigen Brauch nach Monatstagen ist erstmals 147196) und damit im Vergleich mit anderen Regionen relativ spät nachzuweisen, der nächste Beleg kommt erst 1510 (nr. 103†, in der Form am letsten Tag deß Mertzen). Vorherrschend wird diese Art der Tagesdatierung dann ab der Mitte des 16. Jahrhunderts. Die Einführung der Reformation fast im gesamten heutigen Kreisgebiet war mit ein Grund für die fast völlige Verdrängung des Festkalenders. Eine Datierung nach Festkalender und Monatstagen findet sich 1570 (nr. 180†), 1599 (nr. 232†) und 1606 (nr. 248). Eine Wiederaufnahme des römischen Kalenders ist in einigen humanistisch beeinflußten Sterbeinschriften des frühen 16. Jahrhunderts festzustellen (nrr. 108-111, 123). Bei der Datierung nach Monatstagen ist ab dem Ende des 16. Jahrhunderts gelegentlich das Nachstellen der Jahreszahl hinter Tag und Monat, wie es heute üblich ist, zu beobachten97) ; gegen Mitte des 17. Jahrhunderts wird diese Konstruktion immer beliebter. Die Angabe des Wochentags, die nur bei der Festdatierung notwendig, bei der Monattagsdatierung aber eigentlich überflüssig ist, tritt vereinzelt zusätzlich hinzu (Erstbeleg 1587, nr. 200). Der Sonderform des Chronogramms zur zusätzlichen Datierung bedient sich nur das lateinische Grabgedicht eines Pfarrers von 1568 (nr. 174†).

Die Sprache der Sterbeinschriften – wie auch des überwiegenden Teils der übrigen Inschriften – ist bis zum Ende des Mittelalters fast ausschließlich das Lateinische. Die ältesten deutschsprachigen Inschriften im Rems-Murr-Kreis überhaupt98) sind auf den Winterbacher Wandmalereien des frühen 14. Jahrhunderts (nr. 11: Spruch) und auf einer Beutelsbacher Glocke aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts (nr. 17: englischer Gruß) nachzuweisen. Dann folgt mit langem Abstand erst 1454 eine Bauinschrift (nr. 33) und ebenfalls in den 1450er Jahren eine nach Urkundenformular abgefaßte Jahrzeitstiftung in der Murrhardter Walterichskirche, die gleichzeitig als Sterbeinschrift für den bürgerlichen Stifter diente, in der aber das Sterbeformular später nicht vervollständigt wurde (nr. 38). Die vorhandenen Bestandteile lassen im Aufbau eine völlige Nachahmung des lateinischen Anno domini . . . obiit-Formulars erkennen. Die leer gebliebenen Stellen zeigen, daß als Position für die Tagesdatierung das Ende der Sterbeinschrift vorgesehen war, wie dies auch bei den frühen lateinischen Inschriften zu beobachten war (vgl. oben).

[Druckseite XXXII]

Die im Inschriftenkatalog als erste deutschsprachige Sterbeinschrift eingereihte nur mehr abschriftlich überlieferte des 1408 verstorbenen Grafen Rudolf von Tübingen aus Schorndorf (nr. 18†) dürfte ihrem Formular zufolge erst der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts angehören. Abgesehen vom Gebrauch des Deutschen erregen die für 1408 außergewöhnlich frühen Verwendungen der Fürbittformel dem Gott gnädig sei99) und vor allem des Epithetons wolgeborn in Verbindung mit Herr Graf Verdacht gegen eine zeitgenössische Entstehung100). Nur zwei weitere – kopial überlieferte – mittelalterliche Sterbeinschriften auf Totenschilden oder Holzepitaphien, jedenfalls in recht schlichter Ausführung, waren deutsch abgefaßt: nrr. 48† (1473) und 60† (1495). Die in anderen Regionen Süddeutschlands für das 15. Jahrhundert oder jedenfalls für dessen zweite Hälfte konstatierte Gleichberechtigung von lateinischer und deutscher Sprache101) gilt demnach für den Rems-Murr-Kreis nicht. Für das weitgehende Fehlen deutscher Sterbeinschriften können nicht nur Überlieferungszufälle verantwortlich sein.

Eine allmähliche Zunahme der deutschsprachigen Sepulkralinschriften ist erst im 1. Viertel des 16. Jahrhunderts festzustellen. Eine Bevorzugung der Volkssprache durch bestimmte soziale Gruppen ist dabei nicht zu erkennen. Sowohl der Niederadel (Sturmfeder, Adelmann von Adelmannsfelden: nrr. 86, 93†, 122†) als auch das Bürgertum (nr. 103†) und die in den Niederadel aufgestiegenen Bürgerlichen (Hap von Hapenberg, nr. 95†) bedienen sich, freilich noch zögernd, des Deutschen. Ab 1525 kehrt sich die Situation schlagartig um: Das Deutsche wird zur fast ausschließlich verwendeten Sprache der Sterbeinschriften, lateinische Texte finden sich bis auf wenige Ausnahmen nur mehr auf Grabmälern für Kleriker (nrr. 134†, 140†, 157†, 162†) und – nach der Einführung der Reformation – für den ev. Pfarrerstand. Gelegentlich werden deutsche Sterbeinschriften mit lateinischen Sprüchen kombiniert (nr. 174†: 1568, nr. 205: 1592 usw.). Die „Reservierung“ des Lateinischen für Grabschriften der gelehrten Geistlichkeit wird besonders deutlich auf dem Epitaph von 1607 für den ev. Abt von Murrhardt Hofsess und seine Frau (nr. 254): Grabschrift und Fürbitten für den Mann sowie die zugehörigen Bibelzitate sind in lateinischer Sprache und in Kapitalisschrift ausgeführt, datiert ist nach Monatstagen; dagegen sind Sterbeinschrift und Fürbitte für die Frau samt Bibelzitaten in deutscher Sprache abgefaßt, datiert wird nach dem Festkalender, die verwendete Schriftart ist die Fraktur. Selbstverständlich erscheint es, daß die Gedächtnisinschrift auf den 1643 während der zeitweiligen Rekatholisierung des Klosters Murrhardt verschleppten und in Gefangenschaft verstorbenen katholischen Abt Funckler lateinisch ist (nr. 303).

Das Formular der Sterbeinschriften bedient sich lange Zeit des stereotypen obiit bzw. starb. Eine Erweiterung der Sterbeinschrift zur Grabinschrift durch Aufnahme einer Grabbezeugungsformel findet sich zunächst nur ganz vereinzelt102), in der Regel in der Form des schlichten Zusatzes hic sepultus: 1466 (nr. 41), 1515 (nr. 113†). Beim Grab des Klostergründers Walterich in Murrhardt (nr. 74†) ist natürlich die Grabbezeugung der eigentliche Grund der erst nachträglichen Anfertigung der Inschrift gewesen, nicht die Sterbenachricht. Gleiches gilt für die metrischen Grabschriften für die 1515 verlegten Markgrafengräber in der Backnanger Stiftskirche (nrr. 115-118), die unter dem Einfluß des Humanismus die Tradition der lateinischen Grabgedichte wieder aufnahmen (cubat, iacet hac sub urna, iacent ossa reposta). Lateinische Grabgedichte nach dem Muster hoc tumulo cubo, conditur hoc tumulo u. ä. finden sich dann auf den Grabmälern der letzten katholischen Äbte und zweier evangelischer Äbte von Murrhardt in der Zeit zwischen 1552 und 1601. Erst ab 1547 (nr. 156†) sind deutsche Entsprechungen zum lateinischen hic sepultus belegt, meist in der Formulierung hie liegt/leit (begraben) o. ä. Umständliche Umschreibungen des Begrabenseins liefern zwei deutsche Versinschriften von [Druckseite XXXIII] 1581 und 1582 (nrr. 191, 196), in denen der Vorstellung des Grabs als „Ruhebett“ Ausdruck verliehen wird. Die Grabbezeugungen sind aber weiterhin nicht häufig, eine Zunahme ist erst im 17. Jahrhundert zu registrieren. Eine Gruppe von drei Backnanger Grabplatten aus der Zeit zwischen 1613 und 1617 weist die Formel starb und liegt allhie begraben auf (nrr. 268, 274, 278†). Es scheint sich hier um eine zeitweilige lokale Gewohnheit zu handeln.

Die Formel für „Sterben“ selbst war im Laufe der Zeit Wandlungen unterworfen. Bis 1517 begegnet aber noch ausschließlich obiit bzw. starb ohne jeden Zusatz. Die seltenen humanistisch beeinflußten lateinischen Sterbeinschriften des 16. Jahrhunderts, vorwiegend natürlich die metrisch abgefaßten, verwendeten dann abweichende klassische Wendungen: obiit ex hac luce (1517), in communem abiit locum (1548), tendit ad coelica regna (1567) usw. In deutschen Sterbeinschriften ist ein Abweichen vom üblichen Formular zuerst bei besonderen Todesursachen festzustellen: hat schaden zum dott entpfangen (1525), starb an einem Kind (1542), gab durch eine Mißgeburt ihr Leben (1582), ermordt (1644). Neben starb wird ab 1525 (nr. 132) gelegentlich verschied oder ist verschieden verwendet. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts bleibt zwar einfaches starb nach wie vor die am häufigsten gebrauchte Form, die bis zum Ende des Bearbeitungszeitraums vorkommt, doch treten daneben jetzt zunehmend komplexere Formeln auf. Der Zusatz ist seliglich verschieden ist 1570 erstmals nachweisbar (nr. 180†). Im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts erscheint daneben die Konstruktion mit Gott /in Gott /in Christo verschieden (1589, nr. 204). Für verschieden wird ab 1587 immer häufiger auch entschlafen eingesetzt. Häufungen wie starb in Christo seliglich oder ist im Herrn sanft entschlafen sind ebenfalls noch im ausgehenden 16. Jahrhundert zu beobachten. Entsprechende lateinische Formulierungen sind in Christo obdormivit (1599, nr. 232†) und pie in Christo defunctus (1607, nr. 254). Die Form selig verdrängt ab etwa 1610 (nr. 261) das ältere seliglich, freilich nicht vollständig. Eine weitere Steigerung erfährt der Umfang der Sterbeformel gegen Mitte des 17. Jahrhunderts: ist in Christo ihrem Erlöser selig und sanft entschlafen (nr. 307, ähnlich nr. 309). Die Vorstellung von der Welt als Jammertal, aus der der Verstorbene in die ewige Freude abberufen wird, kommt bereits in einer Versinschrift 1581 (nr. 191) und erneut in einer Prosainschrift 1601 (nr. 239) zum Ausdruck. Hier ist das gängige Formular ganz verlassen worden.

Als neues Element tritt in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts – und damit im Vergleich mit anderen Regionen recht spät – zur Sterbeinschrift eine Fürbittformel hinzu, die an das Ende des Textes angehängt wird. Das früheste sicher datierte Beispiel findet sich auf der Grabplatte Heinrich Sturmfeders 1437 in Oppenweiler (nr. 21). Das einfache requiescat in pace dort wird in den folgenden lateinischen Inschriften erweitert zu cuius anima requiescat in pace (um 1440, nr. 25; 1453, nr. 32). Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des Bearbeitungszeitraums fehlt die Fürbitte als Annex der Sterbeinschriften dann nur noch ganz selten. Die deutschsprachigen Inschriften verwenden nicht etwa, wie zu erwarten wäre, eine Übersetzung der lateinischen Fürbitte (seine Seele ruhe in Frieden), sondern bringen in der Formel dem Gott gnad /dem Gott gnädig sei die völlige Abhängigkeit von Gottes Gnade und Barmherzigkeit beim Jüngsten Gericht und schon vorher bei der Bewahrung vor dem Fegefeuer zum Ausdruck. Erstbelege sind Inschriften von 1473 (nr. 48†) und 1495 (nr. 60†); die Sterbeinschrift des 1408 verstorbenen Grafen Rudolf von Tübingen, die die Formel ebenfalls aufweist, ist, wie schon erwähnt, vermutlich erst später (um 1477?) anzusetzen. Nach 1515 verschwindet die lateinische Fürbittformel zusammen mit den lateinischen Prosa-Sterbeinschriften fast gänzlich, ein letzter Gebrauch ist 1552 nachzuweisen (nr. 162†). Das deutsche Formular erfährt ab dem 2. Viertel des 16. Jahrhunderts Erweiterungen, wie etwa: dessen Seele der allmächtige Gott gnädig sei oder dem Gott gnädig und barmherzig sein welle, 1555 begegnet erstmals der Wunsch, Gott möge dem Verstorbenen mitsamt allen Gläubigen eine fröhliche Auferstehung verleihen. Dem hier implizierten Bild des „Todesschlafs“ bis zum Jüngsten Tag entspricht die gleichzeitig beim Sterbeformular aufkommende Vorstellung vom Grab als „Ruhebett“ (vgl. oben). Dieses „Auferstehungs-Formular“ und die Formel dem Gott gnädig sei(n welle) kommen seither in unterschiedlicher Ausführlichkeit, zum Teil mit erheblichen Erweiterungen und auch miteinander kombiniert, bis zum Ende des Untersuchungszeitraums vor. Daneben bieten nur mehr die in deutschen Versen oder in lateinischen Metren verfaßten Sterbeinschriften einige Abwechslung, so die Hoffnung auf die Aufnahme eines verstorbenen Kindes in die Reihe der Engel (1623, nr. 284) oder der Wunsch, die Schar der verstorbenen Töchter möge in einem neuen Frühling erblühen (1606, nr. 250). Einmal läßt sich die lateinische Rückübersetzung des deutschen „Auferstehungs-Formulars“ in cui dominus laetam resurrectionem largiatur nachweisen (1607, nr. 254), einmal die lateinische Entsprechung zu dem Gott gnädig sei: deus miserere eius (nr. 303). Das vorher nur ganz vereinzelt (um 1440, vor 1508 und 1526) zu beobachtende abschließende amen zur Bekräftigung der Fürbitte tritt ab 1555 massiv auf und fehlt seither nur noch selten. Gewissermaßen als Ersatz für die Fürbitte ist wohl der Wunsch nach Gottes Rache auf dem Grabmal des 1644 ermordeten Caspar Zacher (nr. 306) zu verstehen: Gott reche mich, dir klag es ich.

[Druckseite XXXIV]

Der Name des Verstorbenen erfuhr in der Regel bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts eine Erweiterung durch Hinzufügung der Standesbezeichnung, sofern es sich um einen Adeligen (comes, comitissa, miles, armiger) oder einen Kleriker (rector ecclesiae, presbyter, monachus, plebanus, abbas, prior) handelte. Nichtadelige Laien sind dagegen mit den bloßen Namen gekennzeichnet. Die Standesbezeichnung Bürger findet sich erst 1580 (nr. 188).

Zur Standesbezeichnung tritt zuerst beim Hochadel die dominus-Anrede hinzu: In der Inschrift des Beutelsbacher Doppelgrabmals aus dem Ende des 13. Jahrhunderts (nr. 4) ist der dominus-Titel noch in auffälliger Weise den Fürsten vorbehalten: Agnes von Schlesien, die Frau Ulrichs von Württemberg, wird als Herzogstochter als domina, filia ducis tituliert, während Ulrich ohne dominus-Titel nur als comes und sogar mit dem Zusatz maritus praescripte domine bezeichnet ist. Deutlicher konnte der Standesunterschied des Ehepaars nicht ausgedrückt werden! Der nächste Beleg datiert erst von 1471 (nr. 45†): Die Gräfin von Katzenelnbogen wird bereits unter Doppelung des domina-Titels (Anrede und Titel) als domina domina Anna comitissa benannt. Die deutsche Sterbeinschrift für den 1408 verstorbenen wolgeborn herr graf Rudolf von Tübingen dürfte, wie oben gezeigt, erst um 1477 anzusetzen sein103).

Geistlichen Dignitären stand die dominus-Anrede, wie auch aus Inschriften anderer Regionen deutlich hervorgeht104) , schon früh zu. Im Rems-Murr-Kreis ist der erste Beleg aber erst eine Murrhardter Abtsgrabplatte von 1473 (nr. 47), sicherlich eine Folge der Überlieferungslage, da alle früheren Abts-Grabschriften verloren sind. Auch hier ist bereits die Doppelung des Titels festzustellen. Beim Ordens- und Stiftsklerus tritt ferner die Anrede frater (bei Mönchen) und pater (bei Äbten und Prioren) vor der Standesbezeichnung hinzu (Erstbelege: 1466 bzw. 1473). Eine Ausdehnung der dominus-Anrede auf einfache Priester ist im Inschriftenmaterial des Rems-Murr-Kreises erstmals 1517 (nr. 123) bzw. im 1. Viertel des 16. Jahrhunderts (nr. 130) nachzuweisen.

Hinsichtlich der dominus-Anrede beim Niederadel lassen sich keine repräsentativen Aussagen treffen, da die einzige Ritterfamilie, von der mittelalterliche Grabmäler in größerer Zahl überliefert sind, die Sturmfeder von Oppenweiler sind. In keiner der Sturmfeder-Inschriften ist neben der Standesbezeichnung die dominus-Anrede gebraucht, nur der 1437 verstorbene Junker Heinrich wird mit dem entsprechenden lateinischen domicellus benannt (nr. 21). In anderen Gebieten ist die Herr- bzw. dominus-Anrede für Angehörige des Niederadels dagegen schon ab etwa 1300 bezeugt und wird gegen Ende des 14. Jahrhunderts üblich. Es gab hierbei freilich große regionale Unterschiede105). Der Murrhardter Bürger Hans Bernhart führt in seiner Sterbe- und Jahrzeitstiftungsinschrift aus den 1450er Jahren die Anrede Herr (nr. 38). Bei den Bürgern, deren sozialer Rang es erlaubte, ein mehr oder minder aufwendiges Grabmal anfertigen zu lassen, findet sich die Anrede seither sehr häufig. Vornehmlich, aber nicht ausschließlich, sind es die örtlichen Honoratioren wie Bürgermeister oder Richter, die so bezeichnet werden. In nachmittelalterlicher Zeit ist dann die Anrede Herr dreimal auch für Angehörige des Niederadels bezeugt. Zweimal handelt es sich dabei um soziale Aufsteiger aus dem Bürgertum (1506 Hap von Hapenberg, 1646 von Ruoff)106), einmal um einen Deutschordenskomtur von Winnenden, der vermutlich wegen dieses seines Rangs die Anrede führt (nr. 256). Die korrespondierende Anrede Frau ist ab der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts sowohl beim Niederadel (auch bei den Sturmfeder) als auch beim Bürgertum in den Sterbeinschriften üblich.

Gewissermaßen an die Stelle der dominus-Anrede treten beim Niederadel im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts standesspezifische Epitheta: Erstbeleg ist das ungewöhnliche robustus vir des Edelknechts (armiger) Friedrich Sturmfeder von 1471107) , danach findet sich meist das deutsche edel und fest (ab 1473) bzw. edel und ehrenfest (ab 1506) oder edel und gestreng (1608), die Standesbezeichnung Ritter o. ä. fällt weg. Die entsprechenden Epitheta der Frauen lauten edel und ehrsam (ab 1505) bzw. edel und tugendsam (ab 1558). Das 17. Jahrhundert kennt dann – analog zu den übrigen Bestandteilen des Formulars – barocke Häufungen wie wohl edel und viel ehren- und tugendreich (1646, nr. 307). Zeitlich [Druckseite XXXV] noch früher liegen die Epitheta in Sterbeinschriften von Angehörigen des Hochadels: illustris (1471) für eine Gräfin, das entsprechende wohlgeboren (1408/2. H. 15. Jh.)108) für einen Grafen und schon um 1440 illustrissimus, die lateinische Entsprechung zum deutschen durchleuchtigst, auf dem Stiftergrab Kaiser Ludwigs des Frommen in Murrhardt.

In einigem zeitlichem Abstand nehmen auch die Bürger eigene Epitheta in Nachahmung der adeligen an. Die frühesten Belege betreffen durchweg herzogliche Beamte oder Offiziere: ehrenhaft (1526), ehrenfest (1547), ehrbar und ehrenfest (1547). Ehrsam/ehrenhaft und fürnehm (ab 1570 bzw. 1580) wird dann die meistgebrauchte Form, die auch von Bürgern ohne besondere Amtsstellung in Anspruch genommen wird. Bürgerliche Frauen werden als ehrbar und tugendsam (ab 1567) o. ä. tituliert. In den Epitheta nobilis ac strenuus vir für den Angehörigen der kaiserlichen Leibgarde Johann Hauff (1587), edel und gestreng für den Offizier, Kriegsrat und Obervogt Burkhard Stickel sowie edel und tugendsam für dessen Frau (1613) kommt der Anspruch auf einen zumindest dem Briefadel adäquaten sozialen Rang zum Ausdruck. Der Wortlaut der Sterbeinschrift wie auch die aufwendige Gestaltung der Grabmäler109) kann wohl nicht anders denn als Vorgriff auf den Rechtsakt der Adelserhebung interpretiert werden.

Etwa zur gleichen Zeit wie beim Niederadel tauchen Epitheta beim Klerus auf, hier zusätzlich zur Anrede und zur Standesbezeichnung: reverendus (ab 1473) und venerabilis (ab 1515) bei Äbten und Pröpsten110), honorabilis (1517) bei einfachen Priestern. Die evangelischen Äbte behielten die Anrede reverendus bei, erweitert um Adjektive, die auf die Bildung hinweisen, wie litteratissimus, humanissimus, clarissimus. Aber auch einfache Pfarrer bezeichnen sich jetzt in der deutschen Entsprechung als (ehr)würdig und wohlgelehrt (Erstbeleg 1568). Akademische Titel und Grade (magister, doctor) sind in Sterbeinschriften des Kreisgebiets seit 1505 zu beobachten (nr. 94†). Der einzige Nichtgeistliche unter den Akademikern, von denen Sterbeinschriften überliefert sind, führt das Epitheton egregius vir (1515).

Schließlich sei noch der Namenserweiterung bei Adeligen durch zusätzliche Angabe von Herrschaften und Erbämtern gedacht, wie sie seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zu beobachten sind: 1589 wird Georg von Schaumberg als eichstättischer Erbkämmerer und Ganerbe zu Rauenstein und Thundorf bezeichnet (nr. 204), 1601 Konrad Thumb von und zu Neuburg und Stetten zusätzlich als fürstlich württembergischer Erbmarschall (nrr. 238, 239). Vergleichbar sind Beifügungen von vom Kaiser oder von dessen dazu authorisierten Vertretern verliehenen persönlichen Titeln zum Namen (kaiserlicher Hofpfalzgraf, Poeta laureatus), für die sich erst aus dem 17. Jahrhundert Belege beibringen lassen (nrr. 307, 309).

Massive inhaltliche Erweiterungen des Sterbeformulars lassen sich im 1. Drittel und dann verstärkt ab der Mitte des 16. Jahrhunderts feststellen, indem zunehmend biographische Nachrichten über den Verstorbenen Aufnahme in den Inschrifttext finden.

Bei Frauen ist bereits in den frühesten überlieferten Inschriften in der Regel der Geburtsname bzw. der Vater angegeben (nr. 4: filia ducis Polonie; nr. 45†: nata de Wirtenberga; nr. 110: filia Hermanni marchionis; nr. 93†: gebohrne [Vetzerin]). Die Nennung des Ehemanns ist erstmals 1542 (nr. 150) bezeugt, meist in der Formulierung des N. N. (eheliche) Hausfrau bzw. hinterlassene Wittib o. ä. Bei Grabmälern für Ehepaare ist die Sterbeinschrift für die Frau üblicherweise nachgestellt, die Frau wird dann meist mit ihrem Geburtsnamen und der angehängten Bezeichnung uxor eius (1522) bzw. seine (eheliche) Hausfrau benannt. Bei Kindern sind der Vater oder auch beide Eltern aufgeführt (erstmals 1580)111). Singulär ist der Zusatz ledigs Stands auf dem Totenschild Ulrichs von Gaisberg von 1612 (nr. 165).

Herkunftsbezeichnungen, d. h. die Angabe des Geburts- oder Herkunftsorts, begegnen durchweg nur bei Bürgerlichen, zuerst bei Klerikern (1515 und 1517: nrr. 113†, 114, 123). Das Formular folgt üblicherweise dem Muster de Gmind/von Haidenheim, einmal findet sich eine adjektivische Bildung (gamundiana, nr. 128†), einmal die poetische Wendung Beinsta mihi patria est (nr. 251†). Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts werden genauere Angaben zum Lebenslauf der Verstorbenen gemacht. So können die Lebensdauer (Erstbeleg 1548), die Ehedauer (Erstbeleg 1542), die Kinderzahl (Erstbeleg [Druckseite XXXVI] 1542), bei Laien die Amtsfunktionen (Erstbeleg 1506, verstärkt ab 1547) und bei Geistlichen und Laien die Amtsdauer (Erstbeleg 1552) genannt sein, schließlich finden sich Hinweise auf die genaue Sterbestunde (erstmals 1580, danach häufig).

Die Angabe der Lebensdauer ist ab dem Ende des 16. Jahrhunderts sehr häufig. Bei Kleinkindern kann das erreichte Alter bis auf Wochen und Tage, in einem Fall sogar bis auf die Stunde genau aufgeführt sein: nach erlangter heyliger Tauff länger nicht dan vier stund gelebt (1594, nr. 210). In der Grabschrift eines Schorndorfer Pfarrers (nr. 174†) ist dessen Alter in humanistischer Zahlenspielerei in einem Distichon verschlüsselt.

Auch die Ehedauer wird gelegentlich, auch bei längeren Zeitspannen, bis auf Wochen und Tage genau vermerkt. Die gängigen Formeln sind: die bei ihm gelebt . . . Jahr, mit deren er ... Jahr hausgehalten, ihres Ehestands im ... Jahr o. ä. Die Zahl der Kinder wird oft nach Söhnen und Töchtern spezifiziert. Bei geringer Nachkommenschaft werden auch die Namen der Kinder aufgeführt (nrr. 173, 254)112); einmal wird berichtet, wieviele der Söhne und Töchter noch am Leben sind (nr. 266), einmal auch, wieviele Enkel und Urenkel der Verstorbene erlebt hat (nr. 285).

Während bei Geistlichen die Amtsfunktion gleichzeitig Standesbezeichnung ist und deshalb schon in den mittelalterlichen Sterbeinschriften regelmäßig genannt wird, ist bei Laien eine solche Amtsbezeichnung im Kreisgebiet zuerst 1506 (weiland Amtmann und Keller zu Tirol) nachzuweisen. Zunächst sind es in erster Linie die württembergischen, während der österreichischen Herrschaft in Württemberg 1522-34 und in der Zeit des Schmalkaldischen Kriegs auch kaiserliche Beamte und Offiziere, die ihrem Namen die Amtsbezeichnung hinzufügen. Städtische oder dörfliche Funktionsträger wie Bürgermeister, Richter oder Schultheißen, sind mit einer Ausnahme (nr. 180†, 1570) erst im 17. Jahrhundert als solche benannt. Eine ausführliche Beschreibung des Lebenslaufs und eine regelrechte Ämterlaufbahn findet sich nur ein einziges Mal in dem langen Grabgedicht des dapffern helden und Offiziers Burkhard Stickel (1613, nr. 267).

Die Angabe der Amtsdauer findet sich vorwiegend, im 16. Jahrhundert sogar noch ausschließlich, bei Geistlichen (Äbte von Murrhardt, evangelische Pfarrer), 1603 erstmals bei einem Laien. Es fällt auf, daß die lokalen Amtsträger offenbar größeren Wert auf die Angabe ihrer langjährigen Tätigkeit an ihrem Wirkungsort legten als die landesfürstlichen Beamten. Auf dem Epitaph des Daniel Felger von 1612 ist stolz vermerkt, daß der Verstorbene bereits mit 14 Jahren zum Schultheiß von Endersbach gewählt worden ist (nr. 266). Kurios ist die Aufzählung der 32 Ruhestandsjahre bei einem evangelischen Abt von Murrhardt (1607, nr. 254). Die Umstände des vorzeitigen Ruhestands – Absetzung, Inhaftierung und anschließende Abfindung mit einer Leibrente – sind in der Inschrift natürlich nicht genannt.

Als weiteres neues Element neben den biographischen Nachrichten treten uns um die Mitte des 16. Jahrhunderts lobende Hinweise auf die guten Eigenschaften und den vorbildlichen Lebenswandel der Verstorbenen entgegen. Bei Geistlichen werden die Frömmigkeit, die Gelehrsamkeit, die vorbildliche Erfüllung der Seelsorgepflichten und die Unterstützung der Armen hervorgehoben (nrr. 140†, 157†). Als Reflex der konfessionellen Auseinandersetzungen ist es zu werten, wenn vom vorletzten katholischen Abt von Murrhardt rühmend hervorgehoben wird, er sei christianissime atque catholice gestorben (1548) oder wenn der letzte katholische Abt als tam monastice religionis quam aedificiorum restaurator gepriesen wird (1552). Die Sterbeinschrift eines evangelischen Pfarrers von Steinenberg vermeldet 1592 dafür, er sei der Kirchen Gottes ... mit gottseligem Wandel und reiner Lehr ... vorgestanden. Elemente des Totenlobs, die auch bei Laien vorkommen, sind die Armenfürsorge zu Lebzeiten oder durch Testament (nrr. 191, 266), eine vorbildliche Haltung im Tod (nr. 239), eine Amtswaltung mit großem Lob und Nutzen (nr. 261) oder auch die Tatsache, daß man ein guter Gastgeber war (nr. 244).

An die Vergänglichkeit des irdischen Lebens unter Aufnahme des Memento-mori-Motivs mahnen fast ausschließlich – und dies ist sicherlich kein Zufall – vom Humanismus beeinflußte lateinische Grabinschriften. Das früheste Beispiel findet sich in der Bezeichnung corruptibile corpus in der Grabinschrift des Murrhardter Abts Carlin von 1552, dann ansatzweise in den Grabversen von Konrad Thumb von Neuburg von 1601, in denen der Nichtigkeit der bestatteten Gebeine die Gewißheit des ewigen Lebens der Seele entgegengesetzt wird, und sehr viel deutlicher dann in dem Bibelzitat Sir 38, 23: Hodie mihi, cras tibi (1606, nr. 248; deutsch: 1622, nr. 282) und in dem Grabgedicht des Abts Aulber von 1606: eloquior docui, mortuus hic iaceo (nr. 251†).

Totenklagen, wie sie gelegentlich ab 1567 (nr. 173) vorkommen, sind stets in Versform abgefaßt. In den meisten Fällen beklagt der Ehemann den Verlust seiner Frau (nrr. 173, 196, 250, 268, 270), einmal [Druckseite XXXVII] ist es der Schwiegersohn, der den vorzeitigen Tod seines Schwiegervaters betrauert (nr. 232†). Abschließend sei noch eine Grabinschrift aus dem Ende des zu untersuchenden Zeitraums hervorgehoben, die mit ihrem völlig ungewöhnlichen individuellen Formular bereits zu den originellen, oft auch sehr ausführlichen Barock-Grabschriften des 17. und 18. Jahrhunderts überleitet. Im Abweichen vom konventionellen Text der Sterbeinschriften kommt der Schmerz der Eltern über den Verlust ihres Sohnes besonders deutlich zur Geltung: Ibi filium dilectum magnamque spem Alexandrum Hauffium deposuerunt et creatori reddiderunt … parentes moestissimi (nr. 311†).

Zusätzlich zu den Sterbeinschriften finden sich – offenbar als typische Erscheinung der Reformation113) – auf Grabmälern ab 1568 vereinzelt, ab dem Ende des 16. Jahrhunderts dann sehr häufig Bibelzitate. Das früheste Beispiel auf der Grabplatte eines evangelischen Pfarrers (nr. 174†) folgt noch dem lateinischen Vulgatatext, ausgewählt ist aber mit Ps 118, 105 eine für die Reformation programmatische, weil sich auf Gottes Wort als Richtschnur berufende Bibelstelle: Lucerna pedibus meis Verbum tuum. Die Bibelzitate auf den jüngeren Grabmälern sind mit zwei Ausnahmen (nrr. 254, 285) durchweg deutsch nach der Lutherübersetzung wiedergegeben, bisweilen paraphrasierend. Meist drücken sie die Hoffnung auf die Auferstehung und das ewige Leben aus und untermauern dadurch die Aussage des gewandelten Fürbittformulars (vgl. oben). Besonders beliebt waren die Stellen Hiob 19, 25 (Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und er wird mich hernach aus der Erden auferwecken), Phil 1, 21 (Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn) und Offb 14, 13 (Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an).

4.2. Glocken

Die Glocken114) bilden nach den Grabmälern die zweitgrößte Gruppe der Inschriftenträger im Kreisgebiet, von 49 sind die Inschriften im Wortlaut nachgewiesen, immerhin 30 davon sind noch erhalten. Verluste traten insbesondere durch Kriegszerstörungen und Brände ein und zuletzt durch die Glockenablieferung in den beiden Weltkriegen.

Die älteste datierte Glocke ist die heute in der Stuttgarter Stiftskirche stehende Beutelsbacher Glocke von 1285 (nr. 5). Vielleicht noch älter ist die undatierte aus Kaisersbach-Gebenweiler stammende (nr. 8). Beide haben dasselbe, im 13. Jahrhundert häufiger begegnende Formular, einen Glockenspruch mit Marienanrufung in Form eines leoninischen Hexameters: Me resonante pia populi memor esto Maria115), bei dem Beutelsbacher Stück erweitert um die Datierung und den Zusatz Alpha et O, von dem man sich apotropäische Wirkung versprach. Direkt ausgesprochen wird die unheilabwehrende Funktion der Glocke in Verbindung mit einer Christus-Anrufung in einer ebenfalls in einem Hexameter abgefaßten nur mehr kopial überlieferten Glockeninschrift aus Murrhardt (nr. 9, 13. Jh.?): O rex Christe tuum signum procul omne malignum. Noch im 14. Jahrhundert begegnet die erste deutschsprachige Glockeninschrift, eine Marienanrufung nach Lk 1, 28, auf einer weiteren Beutelsbacher Glocke (nr. 17). Diese Ave-Maria-Formel findet sich auch später wiederholt auf Glocken des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, sowohl in lateinischer als auch in deutscher Sprache (nr. 73†), gelegentlich kombiniert mit anderen Formularteilen (nrr. 26, 127).

Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts sind die Evangelistenglocken im Bearbeitungsgebiet besonders zahlreich, die früheste wurde noch im 13. Jahrhundert gegossen (Alfdorf, nr. 7), 1419 tritt erstmals eine Meisterinschrift hinzu (nr. 19†). Auch der Aufzählung der Evangelistennamen wurde Unheil verhütende Kraft zugeschrieben. Verstärkt wurde diese magische Kraft auf einer verlorenen Schorndorfer Glocke durch Anfügung der sieben ersten Buchstaben des Alphabets (nr. 76†). Auf den Glocken aus der Esslinger Sidler-Werkstatt wird die Evangelistennennung mit dem Namen des Gießers und dem Gußdatum kombiniert, an die Stelle der Evangelisten können Christus, Maria und andere Heilige treten, z. B.: In der Ehr unsers Herrn Jesus Christus und in Maria und in St. Veits Ehr goß mich Pantlion Sidler zu Esslingen. Die apotropäische Funktion tritt auf den zahlreichen Glocken der [Druckseite XXXVIII] Zeit um 1500 aus der Heilbronner Gießhütte des Bernhart Lachaman in den Hintergrund. Die deutschsprachigen Glockensprüche kombinieren in Versform verschiedene Elemente: Glockenname (Osanna heiß ich), Funktion des Gotteslobs und des Lobs bestimmter Heiliger (in St. Bernhard Ehr leut ich o. ä.) sowie Meisterinschrift (Bernhart Lachaman goß mich) und in der Regel die Datierung. Einzelne dieser Elemente können dabei fehlen. In einem Fall (nr. 62†) wird freilich auch wieder die Unheilabwehr beschworen (das Wetter wend ich).

Ein einfaches Glockenformular stellt das Gebet um Hilfe an Gott und Maria, einmal auch an das Hl. Kreuz dar (nrr. 80, 101, 104). Beliebt war im späten 16. und im 17. Jahrhundert der gereimte Glockenspruch Aus dem Feuer floß ich, N. N. goß mich, der in verschiedenen Varianten insgesamt viermal Anwendung fand (nrr. 169, 225, 281, 310). Eine ausführliche Aufzählung der kirchlichen und weltlichen Funktionen der Glocke bietet ein Fellbacher Exemplar von 1625 (nr. 288): Ankündigung von Gottesdienst, Hochzeit oder Beerdigung, Wecken, Verkünden des Feierabends, Stundenschlag. Schließlich konnte auf Glocken auch die Nennung der örtlichen Amtsträger Platz finden, die für die Anschaffung der Glocke verantwortlich waren. Beispiele hierfür liegen erst aus dem 17. Jahrhundert vor (nrr. 277, 288, 289). Stifternennungen finden sich keine, nur in einem Fall ist durch Wappen ein Hinweis auf die Stifter – die adeligen Patronatsherren – gegeben (nr. 246).

Bei einigen der ältesten Glocken deuten verschiedene Hinweise auf die Herstellung durch Gießer aus der Ulmer Gegend. So finden sich Gegenstücke zu den Glocken aus Beutelsbach (nr. 5), Alfdorf (nr. 7) und Kaisersbach-Gebenweiler (nr. 8) im Kloster Wiblingen (Stadt Ulm), in Gundersbach (Alb-Donau-Kreis) bzw. in Drackenstein (LKr. Göppingen). Der als Gießer der ältesten Schorndorfer Glocke genannte Magister Ulricus könnte identisch sein mit Ulrich Kantengießer aus Lauingen, der 1413 das Ulmer Bürgerrecht erwarb und der möglicherweise der Vater des ersten in Ulm ansässigen Meisters Johannes Fraedenberger war116). Zwei Murrhardter Glocken aus der Mitte des 15. Jahrhunderts wurden ebenso wie eine Glocke in Unterweissach von dem Reutlinger Gießer Hans Eger hergestellt, der urkundlich von 1444 bis 1489 in Reutlingen nachweisbar ist und dessen erste erhaltene Glocke von 1440 datiert117). Eine dritte Murrhardter Glocke (von 1445) stammt aus der Gießhütte des Nürnbergers Konrad Gnoczhamer (nr. 26), sie ist jedoch möglicherweise ursprünglich für Großbottwar gegossen und erst im 16. Jahrhundert nach Murrhardt verbracht worden. Im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert sind zwei Gießhütten im Kreisgebiet vorherrschend, die Heilbronner des Bernhart Lachaman und die Esslinger des Pantlion Sidler. Insgesamt sind im Rems-Murr-Kreis neun Lachaman-Glocken aus dem Zeitraum von 1490 bis 1510 bezeugt, zum überwiegenden Teil handelt es sich dabei um Osanna-Glocken mit gleichförmigem, nur leicht variiertem Formular (vgl. oben)118). Lachaman belieferte eine große Region, die im Westen und Süden bis Zwerenberg (LKr. Calw), Kuppingen (LKr. Böblingen) und Neuffen (LKr. Esslingen) reichte. Innerhalb des Landkreises markieren Rommelshausen, Grunbach und Alfdorf die südlichsten Punkte des Verbreitungsgebiets. Dieses überschneidet sich im Südwesten mit dem Absatzgebiet der Esslinger Sidler-Glocken. Von Pantlion Sidler gegossene Stücke sind aus dem Kreisgebiet acht aus der Zeit von 1494 bis 1515 bekannt, hinzu kommt eine Fellbacher Glocke seines Sohnes Bastian von 1519 (nr. 125). Die Sidler-Werkstatt griff nicht weit nach Norden aus. Mit Ausnahme von Erbstetten (1503, nr. 90) finden sich keine Esslinger Glocken aus diesem Zeitraum nördlich der Linie Hegnach–Schornbach–Alfdorf. Die nur abschriftlich überlieferte Glocke von 1528 aus Korb-Steinreinach könnte freilich ihrem Formular nach – Verbum domini manet in aeternum mit deutscher Übersetzung – von Bastians Bruder Lenhart stammen, der nach dessen Ermordung 1526 die Gießhütte fortführte119). Bislang sind von ihm vier erhaltene Glocken zwischen 1530 und 1535 bekannt.

In der Zeit unmittelbar nach Einführung der Reformation sind nur wenige Glocken neu gegossen worden. Für die Schorndorfer Stadtkirche lieferte der Ulmer Gießer Stephan First 1561 eine Glocke, deren deutscher Bibelspruch den Einfluß der Reformation verrät (nr. 169). Die Orientierung auf Ulm ist in der näheren Umgebung Schorndorfs auch später noch festzustellen: So goß 1622 Hans Braun aus Ulm die Glocke für die Oberurbacher Pfarrkirche (nr. 281). Zu Beginn des 17. Jahrhunderts tritt die Esslinger Gießhütte wieder mit fünf Glocken, jetzt im Norden bis Rietenau ausgreifend, in Erscheinung. Zwei Glocken von 1597 und 1600 (nrr. 225, 236) wurden von Martin Miller (urk. 1566, † 1607) und seinem Sohn Hans gemeinsam gegossen, die drei späteren stammen von [Druckseite XXXIX] Hans (1620 †) allein120). Nur kurze Zeit war der aus Nürnberg stammende Gießer Wolf Roth in Esslingen tätig. Er goß 1648 eine Glocke für die Pfarrkirche in Schnait (nr. 310).

Zuletzt seien die lothringischen Wandergießer erwähnt, die im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche Glocken in Württemberg gegossen haben. Der erste nachweisbare unter ihnen, François Racle, hat in den Jahren 1625 und 1626 insgesamt drei Glocken mit aufwendigem Dekor für die Kirchen in Fellbach, Leutenbach und Schwaikheim gegossen (nrr. 288, 289, 290). Beim Guß der ersten Glocke unterstützte ihn sein Landsmann François Chevillot. Glocken des ab 1643 im Württembergischen und in Donauschwaben viel beschäftigten Claude Rosier sind aus dem Berichtszeitraum nicht überliefert, von seiner Hand stammt aber eine erhaltene Schorndorfer Glocke von 1652.

4.3. Kirchliche Ausstattungsgegenstände und Geräte

Im Bereich der Kirchenausstattung ist mit einer besonders hohen Verlustrate zu rechnen, da der Bildersturm der Reformation das gesamte Kreisgebiet erfaßt hat und zudem Brände einzelne Kirchen völlig eingeäschert haben. Die aus Holz gefertigten Objekte waren wegen ihrer Anfälligkeit, die metallenen wegen ihrer Wiederverwendbarkeit stets besonders gefährdet. Unter diesen Bedingungen mag es sogar überraschen, daß sich dennoch die beträchtliche Zahl von sieben spätgotischen Altarretabeln mit Inschriften erhalten hat. An erster Stelle verdient der Winnender Schnitzaltar genannt zu werden (nr. 126), in den 1549 eine geschnitzte Gedenkinschrift eingesetzt wurde, die über Aufbau, Abbruch und Wiedererrichtung im Zuge von Reformation und Interim berichtet. Mit gemalten Tafeln versehen sind die Flügelaltäre aus Oppenweiler (nr. 44), aus Stetten i. R. (nr. 54), aus Murrhardt (nr. 66), die beiden aus Schnait (nrr. 68, 81) und der aus Hebsack (nr. 121). Bevorzugt wurden Gewandsauminschriften und Tituli der dargestellten Heiligenfiguren in Form von Nimbenumschriften in der dekorativen frühhumanistischen Kapitalis angebracht, während schlichtere Beischriften, etwa auf den Rahmen der Altarflügel, in gotischer Minuskel aufgemalt sind. Das beliebte Motiv der Verkündigung Mariae bot Gelegenheit, den englischen Gruß in ein Schriftband zu setzen.

Chorgestühle und Kirchenstühle mit Inschriften haben sich nicht erhalten. Abschriftlich überliefert sind lediglich eine ausführliche Fertigungsinschrift von 1508 am Backnanger 1693 vernichteten Chorgestühl (nr. 98) sowie ein kurzer Fertigstellungsvermerk von 1533 am 1634 verbrannten Schorndorfer Gestühl (nr. 143). Ein Sakristeischrank in der Backnanger Pankratiuskirche trug früher ebenfalls einen Fertigstellungsvermerk (nr. 88). Die von Melchior Gockheler geschaffene Steinkanzel in Schornbach (nr. 252) mit ihrer langen eingehauenen Versinschrift und die Grunbacher Kanzel, die mit biblischen Gestalten und Bibelversen farbig bemalt wurde (nr. 287), sind bereits Zeugnisse der protestantischen Zeit. Hierher gehört auch das Gemälde mit der Darstellung der Verlesung der Confessio Augustana vor Kaiser Karl V., das ursprünglich in der Schorndorfer Stadtkirche hing (nr. 313).

Von dem mit Inschriften versehenen Skulpturenschmuck sind nur einige Altarkruzifixe mit Kreuztituli auf uns gekommen, darunter ein sog. „Auferstehungs-Christus“ mit beweglichen Armen, der in der Karfreitags- und Osterliturgie eingesetzt wurde (nr. 84). Als Kuriosa sind – nur mehr abschriftlich – zwei Schrifttafeln aus der Schorndorfer Stadtkirche bezeugt, von denen eine die Priester und Meßdiener aufforderte, ihre liturgischen Pflichten ernst zu nehmen121), die andere als Gedenkinschrift an die Erbeutung des daneben aufgehängten „Judasstricks“ aus Rom erinnerte (nrr. 83, 139). Hinweistafeln dieser Art hat es in den Kirchen in wesentlich größerer Zahl gegeben, als die – original oder kopial – überlieferten Texte zunächst vermuten lassen. Erhielten die Texte keine wesentlichen historischen Nachrichten oder waren sie nicht in besondere sprachliche Form gekleidet, hatten sie keine Chance, als Quelle beachtet und überliefert zu werden122).

Die Inschriften auf den liturgischen Geräten – erhalten sind Kelche, Hostiengefäße und ein Taufkännchen – sind in den meisten Fällen Anrufungen oder Stifterinschriften. Christus- und Marienanrufungen in der einfachsten Form der bloßen Namennennung finden sich auf Meßkelchen aus vorreformatorischer Zeit. Die Stiftungsinschriften reichen von Stifterinitialen oder -namen mit Wappen und Jahreszahl bis zu den sehr ausführlichen Inschriften aus dem Ende des Berichtszeitraums auf einem Schornbacher Abendmahlskelch (nr. 302 mit Aufzählung aller Titel des Stifters) und auf einem Waiblinger Hostienkästchen (nr. 309 a: Votivgabe für die Genesung von einer [Druckseite XL] Krankheit). Ein Meßkelch aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts verbindet die Nennung des Stifters mit der Aufforderung zur Fürbitte: orate pro fratre Joane . . . filio huius conventus.

4.4. Inschriften an Gebäuden

Inschriften, die ortsfest an Mauern, Wänden, Decken, Gewölben und anderen Baugliedern angebracht sind, werden, da sie nicht transportabel oder jedenfalls nicht leicht abzulösen sind, zwangsläufig bei Umbau- und Abbruchmaßnahmen, bei Feuer- und Wasserschäden oder bei kriegsbedingter Zerstörung des Gebäudes oder von Teilen desselben wenn nicht gänzlich vernichtet, so doch in Mitleidenschaft gezogen. Zudem sind solche Gebäudeinschriften oft nur aufgemalt, was ihre „Überlebenschance“ weiter mindert, Beeinträchtigungen durch spätere Ausbesserungen und Überarbeitungen entstellen nicht selten den ursprünglichen Schriftbefund. Daher verwundert es nicht, daß von den ehedem zahlreichen Wandmalereien, die die Innenräume der romanischen und gotischen Kirchen zierten und die häufig mit Beischriften versehen waren, nur wenig und Fragmentarisches erhalten ist. Im Zuge der Reformation, als die Bildwerke aus den Kirchen beseitigt wurden, sind viele der Wandgemälde übertüncht worden. Aufdeckungen bei künftigen Renovierungsarbeiten könnten also durchaus bislang unbekannte Inschriften zu Tage fördern. Noch aus dem frühen 14. Jahrhundert stammt die Chorausmalung in der Winterbacher Pfarrkirche, von der einige längere Beischriften erhalten sind, darunter die gegen die geschwätzigen Kirchgängerinnen gerichteten deutschsprachigen Verse auf der sprichwörtlichen, von einem Teufel aufgespannten Kuhhaut (nr. 11). Die nur mehr sehr fragmentarisch erhaltenen Wand- und Gewölbemalereien des späten 14. bis frühen 16. Jahrhunderts in Neustadt, Beinstein, Schmiden und Strümpfelbach bestehen überwiegend aus Tituli und kurzen Beischriften. Ergiebiger sind dagegen die nur abschriftlich überlieferten „Historienmalereien“ an Wänden und Glasfenstern der alten und neuen Abtei des Murrhardter Januariusklosters, die mit einfachen Beischriften, zum Teil aber auch mit ausführlichen Inschriften in Versform versehen waren und in Bild und Wort die Klostergründungslegende veranschaulichten.

Die älteste Gebäudeinschrift im Kreisgebiet befindet sich am romanischen Tympanon der Murrhardter Walterichskirche (nr. 1). Die lateinische und teilweise griechische Inschrift besteht aus der eigentlichen Portalinschrift mit Eintrittsaufforderung und biblischem Mahnspruch und aus Beischriften zu den Darstellungen des Agnus Dei und der Jungfrau Maria, der Tür, durch die der Heiland die Welt betritt.

Die wichtigste und größte Gruppe der Inschriften am Bau bilden die Bauinschriften, die in knapper oder ausführlicher Form über Beginn oder Abschluß einer Baumaßnahme informieren und häufig den Bauherrn oder sonst an der Errichtung des Gebäudes beteiligte Personen nennen. Die einfachsten „Inschriften“ dieser Art sind bloße Jahreszahlen, die an der Stelle, an der sie angebracht sind, in der Regel für die Vollendung eines bestimmten Bauabschnitts stehen, einen Umbau oder eine Renovierung dokumentieren. Dazu können Initialen treten, die den Bauherrn oder den ausführenden Handwerker bezeichnen. Auf die Aufnahme dieser im allgemeinen für epigraphische Fragestellungen unergiebigen isolierten Bauzahlen und – meist nicht aufzulösenden – Initialen wurde, wie anfangs bereits erwähnt, im vorliegenden Band verzichtet. Ausgeschriebene Bauherren- oder Handwerker- und Baumeisternamen in Verbindung mit Bauzahlen, aufgemalt, in Stein eingehauen oder in Fachwerkpfosten eingeschnitzt, begegnen häufig, sie können zusätzlich mit Wappen und/oder Devisen versehen sein. Die ausführlicheren Bauinschriften, die sich vorwiegend an Kirchen- und Klostergebäuden finden, beschreiben den Beginn oder Abschluß des Baus in vollständigen Sätzen, meist in Passivform: constructum est (nrr. 10, 42), fundata est (nr. 30), incohata est (nr. 3), positus est (nr. 100). Auch die älteste deutschsprachige Bauinschrift (1454, nr. 33) ahmt diese Konstruktion nach: ist der kor angefangen. Bauinschriften des 16. und 17. Jahrhunderts können mitunter zu Gedenkinschriften ausgeweitet, gelegentlich auch in Versform abgefaßt sein (nrr. 243, 299, 315).

An typischen Haussprüchen läßt sich aus dem Berichtszeitraum lediglich ein Beispiel in Kirchberg a. d. Murr von 1616/17 beibringen (nr. 276), das in vier deutschen Reimversen Gottes Segen für das Haus erbittet. Gerade im Bereich der Hausinschriften dürfte der Verlust durch die Stadtzerstörungen beträchtlich sein.

Unter den technischen Bauwerken sind als Inschriftenträger nur ein Backnanger Brunnen und der Wellbaum einer Schorndorfer Pferdemühle kopial bezeugt (nrr. 202, 151). Einen Sonderfall innerhalb der Gruppe der Inschriften am Bau stellen die Verewigungen dar, Ausflüsse „spontaner Schriftlichkeit“123), die meist flüchtig ausgeführt und oft an unauffälliger Stelle angebracht sind. Hierher [Druckseite XLI] gehören vor allem die zahlreichen in die Malschicht des Chores in der Schmidener Kirche eingeritzten Graffiti von Kirchenbesuchern, zum größten Teil eingeleitet mit Hic fuit . . (nr. 53)124). Ebenfalls in die Malschicht eingekratzt war die winzige datierte Signatur eines Malers von 1453 in der Murrhardter Walterichskirche (nr. 31). Vergleichbar sind ferner die mit Rötelkreide bzw. mit Pinsel in Kursivschrift aufgemalten Nameninschriften in Murrhardt (nr. 58) und in Geradstetten (nr. 234). Am Chor der Oeffinger Naborkirche wurde ein solcher ursprünglich flüchtig in gotischer Kursive ausgeführter Eintrag von 1457 nachträglich zu unbekanntem Zeitpunkt mit gleichmäßig tiefem Meißelschlag in Unkenntnis der zugrunde liegenden Schriftformen nachgehauen und dabei verfälscht (nr. 35).

5. Die Schriftformen

5.1. Romanische und gotische Majuskel

Trotz der bis in die Karolingerzeit zurückreichenden Anfänge des Klosters Murrhardt und trotz der großen Bedeutung der Region um Waiblingen für die Salier und dann auch für die Staufer sind aus staufischer Zeit nur zwei, aus vorstaufischer Zeit gar keine Inschriftendenkmäler erhalten. Der Überblick über die Schriftformen setzt somit erst im späten 12. Jahrhundert mit der romanischen Majuskel ein.

Eine „Entwicklung“ der Schriftformen von der romanischen zur gotischen Majuskel und dann innerhalb der letzteren kann anhand der Inschriften des Rems-Murr-Kreises nicht nachgezeichnet werden, dafür ist der Bestand viel zu dürftig und lückenhaft. Insgesamt haben sich nur 14 in romanischer oder gotischer Majuskel ausgeführte Inschriftendenkmäler erhalten, die zudem durch Ausführung in unterschiedlicher Technik und in verschiedenem Material für Zwecke des Schriftvergleichs nur bedingt geeignet sind. Neben nur acht Steininschriften stehen vier Glocken und eine Wandmalerei. Auch darf die räumliche Streuung der Inschriftenträger innerhalb des Kreisgebiets nicht übersehen werden. Bestimmte Schrifttraditionen innerhalb einer Werkstatt, wie sie andernorts anhand relativ umfangreicher geschlossener Bestände gezeigt werden können125), lassen sich somit natürlich nicht nachweisen. Immerhin lassen sich aber wichtige Tendenzen der allgemeinen Inschriftenpaläographie an einigen charakteristischen Beispielen nachvollziehen. Es kann also im folgenden nur darum gehen, allgemeine Entwicklungslinien im bearbeiteten Material wiederzufinden, nicht, neue oder modifizierte Kriterien zu gewinnen. Von den schriftgeschichtlich interessantesten Inschriften sind die Alphabete oder charakteristische Einzelbuchstaben zur besseren Veranschaulichung in Umzeichnung beigegeben, da die Fotoaufnahmen im Tafelteil manche wichtigen Details nicht in der wünschenswerten Deutlichkeit zeigen können, sei es weil die Abbildungen nur Ausschnitte zeigen, sei es weil die Inschriften unter Verfälschung des ursprünglichen Schriftbefunds überarbeitet wurden.

Die älteste Inschrift des Rems-Murr-Kreises befindet sich am romanischen Tympanon der Murrhardter Walterichskirche (nr. 1). Der ausführende Meister wird mit dem Meister Berthold identifiziert, der das Westportaltympanon von St. Michael in Schwäbisch Hall geschaffen hat, wodurch ein zeitlicher Ansatz in die 1170er Jahre gegeben ist. Dazu paßt der Schriftbefund. In der einzeilig angeordneten Inschrift auf der unteren Rahmenleiste läuft die Schrift breit mit großzügigen Spatien, auf dem Rahmen des Bildmedaillons mit dem Agnus Dei werden die Buchstaben aus Platzgründen etwas schmaler und enger gesetzt. Worttrennung durch Punkt auf Mitte ist fast durchgängig durchgeführt. Die Buchstaben sind dünnstrichig eingehauen, Sporen sind nur in schwachen Ansätzen sichtbar, Schaftverbreiterung und Bogenschwellung lassen sich noch nicht beobachten. Ligaturen kommen verhältnismäßig häufig vor. Der Buchstabenbestand ist fast rein kapital, lediglich in der ATA-Doppelligatur ist das erste A unzial. Als eckige Doppelform begegnet einmal das C. O ist kreisrund; auffällig breit ist nur das M mit senkrechten Hasten und kaum unter die Zeilenmitte reichendem Mittelteil. A zeigt neben der spitzen auch eine sehr breite Trapezform, E (analog auch F) ist „klassisch“ schmal, gelegentlich mit etwas kürzerem Mittelbalken. Auch der unten offene Bogen des P (einmal auch des R) zeigt Orientierung an der klassischen Kapitalis, die Ausführung ist freilich insgesamt [Druckseite XLII] nicht besonders sorgfältig126). Besondere Bedeutung gewinnt die Inschrift durch die Verwendung griechicher Wörter und Buchstaben: Die lateinische Beischrift des Agnus Dei ist in griechischen Buchstaben geschrieben, die Umschrift auf dem Marienmedaillon besteht aus dem griechischen Wort ΘHѠΘѠKѠC. Im Hochmittelalter lassen sich nur wenige Parallelen für die Verwendung des Griechischen in Inschriften finden, die außerhalb des byzantinischen Kulturraums entstanden sind, abgesehen von dem Christogramm und den apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega, die vor allem als Beischriften von Christus-Darstellungen begegnen. Darüber hinaus sind höchstens einzelne Wörter in griechischer Schrift ausgeführt: In St. Patroklus/Soest trägt ein Reliefbild des Kirchenpatrons aus der Zeit um 1166 neben einer Umschrift in lateinischen Distichen die griechischen Worte AΓYO(C) ΠAΘYP O KAΛOC, die eine Etymologie des Namens des Heiligen bieten sollen und die im Distichon in der Übersetzung PATROCLE BONE PATER wieder aufgenommen werden127). Das Westportaltympanon von St. Castulus in Moosburg (LKr. Freising) von 1212 hat als Beischrift der Gottesmutter wie die Murrhardter Inschrift – aber in anderer, ebenfalls falscher Schreibweise – S(AN)C(T)AΘEѠTOKѠC • , Christus ist mit Alpha und Omega bezeichnet und im Titulus des hl. Castulus findet sich in MARTYR außer dem ohnehin griechischen Y auch das aus zwei voneinander abgewandten Bögen mit einem Verbindungsbalken zusammengesetzte sog. „Siglen-M“ oder „abendländische M“128).

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Murrhardt, nr. 1

Das Griechische wurde im abendländischen Mittelalter weniger studiert und beherrscht als vielmehr als eine der drei heiligen Sprachen128) verehrt. Als Ursprache der Liturgie erhielten sich Reste des Griechischen in der römischen Liturgie (Kyrie!), „das sinnfälligste Zeugnis des mittelalterlichen Strebens nach Einbeziehung des Griechischen in die lateinische Liturgie wurde die Kirchweihzeremonie, bei der der Bischof mit seinem Stab das griechische und lateinische Alphabet als ein liegendes [Druckseite XLIII] Kreuz X auf den Boden der Kirche zeichnete“129). Dieser Brauch ist erstmals im Pontificale Romano-Germanicum nachzuweisen, das wohl in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts in St. Alban vor Mainz entstanden ist. Zumindest für einige liturgische Riten war die Kenntnis der griechischen Buchstaben also unerläßlich, weshalb sich in mittelalterlichen Bibliotheken griechische Alphabete finden, sei es als feste Bestandteile enzyklopädischer oder wissenschaftlicher Schriften130), sei es als zusätzliche Einträge in Handschriften aller Art. Dabei reicht das Repertoire von bloßen Buchstabenreihen bis zu ausführlichen Tafeln mit Buchstabenvarianten, phonetischer Umschrift und lateinischen Entsprechungen. Ausgehend von der Schreibung der Nomina sacra IHC XPC für Jesus Christus ist, vorwiegend im 10. Jahrhundert, in Handschriften eine Vorliebe dafür festzustellen, seinen Namen oder überhaupt Texte in griechischen Buchstaben zu schreiben und damit zu verfremden und zu verschlüsseln131). Ein weiteres Element der Verfremdung ergab sich aus der für das Abendland spezifischen Vorliebe, die „griechischer“ wirkenden Buchstaben Θ, H, Y und Ѡ anstelle von T, E, I und O zu setzen. Dieser von Walter Berschin vor allem in südwestdeutschen Musikhandschriften als weit verbreiteter Brauch konstatierte Befund132) trifft auch für die Murrhardter Inschrift in auffälliger Weise zu. Hier mag zusätzlich eine Rolle gespielt haben, daß man den breiteren Buchstabenformen vor den vermeintlich gleichwertigen schmalen den Vorzug gab. Die griechischen Buchstaben heben sich von den lateinischen innerhalb der Medaillonumschrift somit auch schon rein äußerlich durch die breitere Führung und eine großzügigere Spationierung ab. Die Buchstabenformen sind durchweg die im Abendland fast ausschließlich verwendeten Majuskeln in ihrer unzialen Ausprägung. Als Besonderheiten der Murrhardter Inschrift seien das oben trapezförmige Δ und das H mit unten verkürzter rechter Haste genannt. Die angesprochenen sprachlichen Fehler wie auch die Buchstabenformen lassen auf handschriftliche Vorlagen in Form der erwähnten Musteralphabete schließen, jedenfalls nicht auf ältere oder zeitgenössische inschriftliche Vorlagen aus byzantinischer Produktion wie etwa Elfenbein- oder Goldschmiedearbeiten. Denn gerade die zeittypischen griechisch-byzantinischen Buchstabenformen (allgemein höhere Proportionen, Alpha mit schrägem Balken und nach links übergreifender, auch als Deckbalken umgeknickter rechter Haste, stark eingebogenes C, M mit „Tropfen“ am Mittelteil)133) finden sich in der Tympanoninschrift nicht.

Die zweitälteste Inschrift des Rems-Murr-Kreises stammt ebenfalls aus Murrhardt. Die Reste der auf einer (Abts-?)Grabplatte umlaufenden Umschrift (nr. 2) zeigen immer noch dünnstrichige Meißelführung. Leichte in Sporen mündende Schaftverbreiterungen (vor allem nach unten hin bei A und T) sowie zaghafte Bogenschwellungen sind aber jetzt bereits vorhanden. Das massive Eindringen unzialer Formen zeigt sich in Doppelformen für A (reine Unzialform mit senkrechter rechter Haste, noch nicht die Pseudounzialform), D, E, I und T. Ungewöhnlich ist vor allem das oben und unten s-förmig umgebogene I, das allein dem Streben nach Variation des Schriftbilds seine Entstehung verdankt. Unziales E und C haben noch keine Tendenz zur Abschließung, beim E ist aber bereits eine Ausrundung der Winkel am Berührungspunkt von Mittelbalken und Bogen zu beobachten. Eine zeitliche Einordnung in das 1. Drittel des 13. Jahrhunderts fügt sich gut zu zwei sehr ähnlichen Inschriften dieser Zeit aus Würzburg, zu dessen Diözese Murrhardt gehörte (Tympanoninschrift an der Katharinenkapelle und Meßpfenniginschrift, um 1200 bzw. 1212)134).

Die zeitlich nächste Inschrift dürfte die auf der ehedem Beutelsbacher, jetzt Stuttgarter Glocke von 1285 sein (nr. 5). Die technische Ausführung als Wachsfadenmajuskel hat zur Folge, daß Bogenschwellungen und Hastenverbreiterungen nur undeutlich ausgeprägt sein können. Die zahlreichen Doppelformen (E, I, L, M, T), das rechts abgeschlossene C und die leichte Aufblähung der Bögen bei P und R, eine eingestellte Zierhaste im unzialen E, an der der Mittelbalken nach rechts ansetzt, sind freilich alles Elemente, die man in ihrer Summe üblicherweise der gotischen Majuskel zuschreibt. Pseudounziales A zeigt sich in verschiedenen Formen mit schräggestelltem oder gebrochenem Mittelbalken und mit beiderseits überstehendem Deckbalken. Auffällig sind das s-förmig eingerollte I, das an die Murrhardter Grabinschrift erinnert, und die in gleicher Weise eingerollten in das O eingestellten Zierstriche.

[Druckseite XLIV]

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Murrhardt, nr. 2

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Beutelsbach, nr. 5

Eine ausgeprägte gotische Majuskel liegt dann bei der Inschrift der Beutelsbacher Grafentumba aus dem Ende des 13. Jahrhunderts vor (nr. 4). Die sorgfältig erhaben gehauenen Buchstaben von relativ hohen Proportionen haben ausgeprägte Hastenverbreiterungen, Bogenschwellungen und aufgeblähte Bögen bei B, D, rundem N, P und R. Neue runde Formen sind das K mit zum Schaft zurückgebogenem oberem Arm, halb offenes unziales M mit eingestelltem Zierbalken im rechten Bogen, N und U. C und unziales E sind durch einen oben und unten deutlich überstehenden Abschlußstrich geschlossen. Die Tendenz der Einzelbuchstaben zur inneren Abschließung und Abgrenzung nach außen kommt auch in Abschlußstrichen und stark verlängerten senkrechten Sporen bei F, L und unzialem T sowie bei G und S zum Ausdruck. Punktartige Verdickungen können die auslaufenden Bogenlinien, Cauden und Sporen von G, L, N, R, T und U sowie die hochgebogenen Deckbalkenenden des pseudounzialen und des trapezförmigen A zieren.

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Beutelsbach, nr. 4

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Winterbach, nr. 10

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Winterbach, nr. 11

Die Winterbacher Bauinschrift von 1309 (nr. 10) ist leider durch dilettantische Überarbeitung im ursprünglichen Schriftbefund verunklärt. Die Umzeichnung versucht, die anhand noch vorhandener originaler Schriftspuren erkennbaren Formen charakteristischer Buchstaben zu rekonstruieren. Die von einem nicht besonders geübten Steinmetzen begonnene und nicht zu Ende geführte breit laufende [Druckseite XLV] Inschrift verwendet auffallend oft die bereits bei den Glocken- und Grabinschriften aus Beutelsbach festgestellten eingestellten Zierhasten und -balken. Diese Schmuckelemente haben ihren Ursprung in der Strichverdoppelung und in den „sehnenartigen Zierstrichen“ bei den Versalien der gotischen Kursive, wo sie zu Beginn des 13. Jahrhunderts aufkommen135). Insgesamt wirkt die Winterbacher Inschrift gegenüber den aus Beutelsbach stammenden rückständig. So wird etwa noch durchweg kapitales E und N verwendet, die Bögen des B, D und R sind nur unmerklich aufgebläht.

Die etwa gleichzeitigen Wandmalereien im Chor der Winterbacher Kirche bieten dagegen in ihren Inschriften (nr. 11) bereits die voll ausgeprägte gotische Majuskel mit starken Bogenschwellungen, kräftigen Hasten und abgeschlossenen Buchstaben. Die Flächigkeit kontrastiert zu der linearen Auffassung der Buchstaben der romanischen Majuskel. Auch hier begegnet wieder der in den Bogen des unzialen H eingefügte Zierbalken, der in der Bauinschrift und in der Beutelsbacher Grabschrift im M vorkommt. Ein Vergleich mit den Steininschriften bestätigt das allenthalben zu konstatierende Faktum, daß gemalte Inschriften – wie auch die der Goldschmiedearbeiten – in ihrer Schriftentwicklung wesentlich fortschrittlicher sind. Bemerkenswert ist das O mit Bogenschwellungen nach außen und nach innen sowie das L mit hochgewölbtem und spitz auf der Grundlinie stehendem Balken neben der Form mit dreieckigem, weit hochgezogenem Balken. Sonst kommen in den erhaltenen Schriftfragmenten keine Doppelformen vor.

Eine wohl proportionierte Steininschrift mit ausgewogenem Wechsel von Hastenverbreiterungen, Bogenschwellungen und feinen Haarstrichen zeigt die Grabplatte des Grafen Nikolaus von Löwenstein von 1340 (nr. 12). Die Buchstaben sind gestreckter (4:3) als die der Winterbacher Bauinschrift, die Buchstabenzwischenräume sind enger und genau bemessen. Der schlechte Erhaltungszustand der Platte beeinträchtigt die Analyse der Einzelformen, doch lassen sich mit hinreichender Sicherheit die Doppelformen des L in ähnlicher Form wie in Winterbach (nr. 11) sowie ein unziales E nachweisen, dessen Balken am haarfeinen rechten Abschlußstrich ansetzt und nicht bis an den Bogen heranreicht. Diese Zerlegung der Buchstaben in ihre Bestandteile ist eine typische Erscheinung der entwickelten gotischen Majuskel. Die Bogenschwellungen bei C, E, G, O und unzialem T sind nach außen und innen ausgeprägt.

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Murrhardt, nr. 12

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Oppenweiler, nr. 14

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Murrhardt, nr. 15

Die Streckung der Buchstaben hin zur schlanken gotischen Majuskel mit Proportionen von etwa 2:1 wurde noch von R. M. Kloos136) als Merkmal einer späteren Entwicklungsstufe bezeichnet, doch ist diese Annahme durch das mittlerweile edierte epigraphische Material relativiert worden. Zwar gibt [Druckseite XLVI] es tatsächlich Regionen, in denen im 14. Jahrhundert vermehrt die hohen Buchstabenformen erscheinen, doch werden ebenso weiterhin breiter angelegte Schriften verwendet. Der Schrifttyp, der in zwei Grabinschriften aus Murrhardt und Oppenweiler von 1365 und 1372 repräsentiert ist (nrr. 14, 15), zeigt derartig gestreckte Buchstabenformen. Allerdings ist das Hauptmerkmal der beiden sehr ähnlichen Inschriften weniger die Proportion als vielmehr die dreieckig-spitze Form der Bogenschwellungen in Verbindung mit großen dreieckigen Sporen, die breit auf der Grundlinie liegen oder an der oberen Begrenzungslinie der Zeile „hängen“. Analog dazu sind auch die auf der Grundlinie umgebogenen Bogenenden des unzialen (offenen und halboffenen) M (in Murrhardt wieder mit eingefügtem Zierbalken!) und des runden N sowie die Cauda des R dreieckig verdickt. Diese breit ausladenden Sporen wirken der Streckung des Buchstabencorpus entgegen. Bei der Murrhardter Inschrift wird dieser Widerspruch noch durch die große Spationierung verstärkt, die der Verschmälerung der Buchstaben ihren Sinn nimmt. Weitere Merkmale dieser manirierten Schrift sind Schaftverdoppelungen durch Zierstriche und knotenförmige Verdickungen der Hasten. All diese Charakteristika zusammengenommen scheinen nun aber doch ein Datierungskriterium abzugeben, denn es ist eine auffällige Häufung derartiger Schrifttypen im 3. Viertel des 14. Jahrhunderts im südwestdeutschen Raum festzustellen mit Vorläufern in Würzburg ab 1333137).

Spätere Inschriften in gotischer Majuskel sind nur mehr auf einer Beutelsbacher Glocke aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts erhalten (nr. 17) und auf einer verlorenen Majuskelglocke des Magister Ulricus von 1419 (nr. 19†) mit Sicherheit anzunehmen. Danach dominiert endgültig die gotische Minuskel. Zumindest für den spärlichen Bestand an frühen Majuskelinschriften des Rems-Murr-Kreises zeigt sich im Überblick, daß qualitätvolle Schriften in ausgewogenen Proportionen nur auf den Grabmälern hoher Auftraggeber – der Grafen von Württemberg und der Grafen von Löwenstein – gelungen sind.

Wenn um 1504 noch einmal eine Inschrift in „gotischer Majuskel“ im Katalog erscheint (nr. 92), so nur deshalb, weil diese Schrift auch nach ihrer völligen Verdrängung als Textschrift ab dem ausgehenden 14. Jahrhundert weiterhin verwendet wurde als Auszeichnungsschrift, sowohl im Rahmen von Minuskelinschriften als Versalien als auch isoliert in rein dekorativer Funktion als „Ziermajuskel“. Letzteres ist bei dem Schlußstein in der Backnanger Pankratiuskirche mit dem abgekürzten Jesus-Monogramm der Fall: Um eine möglichst ornamentale Wirkung zu erzielen, griff man zum Formenvorrat der Zierbuchstaben. Für das H, das dem griechischen Eta des Nomen sacrum entspricht, ist hier die flächig angelegte Unzialform gewählt mit weit oben an der Haste ansetzendem Bogen mit kräftiger Schwellung und dünn auslaufendem auf der Grundlinie umgebogenem Ende, wie sie die gotische Majuskel ausgebildet hat138).

5.2. Gotische Minuskel

Während die epigraphische Majuskelschrift eine weitgehend eigenständige, von der Buch- und Gebrauchsschrift unabhängige Entwicklung nahm, die sich freilich immer wieder auch an den Auszeichnungsalphabeten der Handschriften orientierte, wird mit der gotischen Minuskel eine fertige, voll entwickelte Buchschrift in weitgehend unveränderter Form in die Monumentalschrift übernommen. Die Entwicklung der „gotischen Minuskel“ als Buchschrift aus der karolingischen Minuskel nahm ihren Ausgang im 11. Jahrhundert im nordfranzösisch-flandrischen Raum und drückt sich in einer Streckung der Buchstaben und in der senkrechten Aufrichtung und Brechung der Schäfte aus. Ein weiteres Merkmal ist die Aufgliederung der Buchstaben in einander angeglichene Elemente: alle Schäfte werden in gebrochene Hasten umgebildet. Das Idealbild der so entstehenden, sich über ganz Europa verbreitenden sog. Textura ist eine streng „normierte“ Schrift, bei der durch das Aneinanderrücken der einheitlich gebauten Einzelbuchstaben der Eindruck eines durchgehenden, gitterartigen Schriftbandes entsteht. Hastenbreite und Breite der Spatien zwischen den Hasten sind [Druckseite XLVII] annähernd gleich139). In Deutschland hat sich die Textura im 13. und 14. Jahrhundert voll entfaltet. Noch im 13. Jahrhundert wird, wiederum zunächst in Nordfrankreich, die Minuskelschrift auch epigraphisch verwendet (Erstbeleg 1261), in Deutschland setzt die Rezeption als Monumentalschrift erst im 14. Jahrhundert ein (Erstbeleg Mainz 1320)140). Eine weitere Verbreitung ist dann ab den 70er Jahren des Jahrhunderts festzustellen, nach der Jahrhundertwende wird schließlich die gotische Majuskel von der Minuskel fast völlig verdrängt141). Aufgrund der lückenhaften Überlieferung ist im Rems-Murr-Kreis die älteste erhaltene Steininschrift in gotischer Minuskel erst 1437 auf der Grabplatte Heinrich Sturmfeders in Oppenweiler nachzuweisen (nr. 21). Da die letzte Majuskelinschrift in Stein von 1372 stammt, läßt sich der Verdrängungsprozeß durch die neue Schriftart nicht näher zeitlich fixieren. Immerhin sind die Wandmalereien in der Pfarrkirche zu Neustadt wohl bereits in den 80er Jahren des 14. Jahrhunderts mit Minuskelinschriften versehen worden (nr. 16). Dieser zeitliche Vorsprung gegenüber den gemeißelten Inschriften mag eine Erklärung in der der Schreibschrift enger verwandten Technik finden. Der schlechte Erhaltungszustand der Malereien läßt keine Aussagen zur Schriftgestaltung zu.

Die Inschrift auf der Sturmfeder-Grabplatte zeigt mit ihren ziemlich gleichmäßigen Hastenabständen die ausgesprochene Gitterstruktur, die jedoch durch die großen Wortabstände in ihrer Gesamtwirkung beeinträchtigt ist. Die Ober- und Unterlängen der sich eigentlich in einem Vierlinienschema bewegenden Schrift sind nur schwach ausgeprägt, so daß die sonst mittellangen Hasten bei den langen Buchstaben h, d und p der Deutlichkeit halber verkürzt werden mußten. Als Besonderheit, die im Bearbeitungsgebiet noch öfters begegnet, ist das Schluß-s einmal in einem Zug mit runden Bögen gebildet.

Versalien142) sind bereits bei dieser frühesten Minuskelinschrift vorhanden, sie fehlen auch später nur selten, beschränken sich aber oft auf das einleitende A von Anno und das als Tausender-Zahlzeichen fungierende M. Die Entwicklung der Versalien in den in Stein oder Holz eingehauenen Inschriften in gotischer Minuskel läßt sich an dem beigegebenen Schaubild ablesen. Daraus wird deutlich, daß noch bis ins frühe 16. Jahrhundert vor allem die romanische Majuskel die Grundformen für die Großbuchstaben liefert, wenngleich diese Formen gelegentlich stark verfremdet sind. Das C in einer Murrhardter Inschrift von 1484 (nr. 52) entstammt eindeutig den in der Buch- und Kanzleischrift ausgebildeten Großbuchstaben der Textura, die entsprechend den Gemeinen als Kennzeichen Schaftbrechungen und die Zerlegung der Buchstaben in gleich gebaute Elemente aufweisen143). Eine Werkstatt, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Grabmäler für Burkhard Sturmfeder in Oppenweiler (nr. 86) und für Abt Lorenz Gaul in Murrhardt (nr. 99) angefertigt hat, bedient sich eines Mischalphabets, dessen Buchstaben teils auf der romanischen Majuskel basieren und teils der frühhumanistischen Kapitalis entnommen sind144). Frühhumanistische Kapitalis und Renaissance-Kapitalis werden in drei Inschriften zwischen 1517 und 1534 als Großbuchstaben bevorzugt, die spätesten Inschriften bedienen sich der Fraktur-Versalien. Die Vorlagen für die Verslien scheinen nach dem Befund viel eher in von Steinmetzen tradierten, auf der romanischen Majuskel basierenden Musterblättern als in Auszeichnungsalphabeten der Buchschrift zu suchen zu sein.

In anderen Regionen, in denen für die Übernahme der gotischen Minuskel in die Monumentalschrift frühere Zeugnisse vorliegen als im Bearbeitungsgebiet, haben die ältesten Inschriften meist noch keine Versalien oder sie bilden diese durch Vergrößerung oder geringfügige Umgestaltung der Gemeinen145). Eine solche einfache Umgestaltung findet sich auch noch in der Oppenweiler Inschrift von 1437 beim M, danach nicht mehr.

Die nächstältesten Minuskelinschriften im Kreisgebiet sind die auf der Tumba für Ludwig den Frommen und auf der Figurenkonsole der Januariusstatue in Murrhardt aus der Zeit um 1440. Letztere erlaubt wegen der starken Beschädigung kaum Aussagen zum Schriftbefund, doch erscheint die Schrift – angesichts der schwierigen Anbringung auf einem mehrfach geschwungenen und geknickten Schriftband – sehr regelmäßig. Die Tumbeninschrift (ohne Versalien) bietet ein Beispiel für die [Druckseite XLVIII]

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Die Versalien der gotischen Minuskel in chronologischer Reihenfolge

vollendete Umsetzung einer schlanken und gleichmäßigen gitterartigen Textura. Ober- und Unterlängen sind zwar relativ kurz, sie treten aber wegen der Regelmäßigkeit der Schrift deutlich hervor. Durchweg ist ein ringförmiger i-Punkt gesetzt.

In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts lassen sich dann sowohl weiterhin Inschriften mit kurzen, kaum aus dem mittleren Schriftband ragenden Ober- und Unterlängen finden als auch solche mit deutlicher Ausdehnung des oberen und unteren Schriftbands (z.B. nrr. 30, 38). Besonders häufig ist dabei das g gänzlich in das mittlere Schriftband eingezwängt. Datierungskriterien lassen sich mithin aus der mehr oder weniger deutlichen Ausprägung der Ober- und Unterlängen nicht gewinnen.

Zierelemente der ansonsten schmucklosen, nur durch ihre Einheitlichkeit im Gesamtbild dekorativ wirkenden gotischen Minuskel sind auf zwei Grabplatten von 1453 und 1471 in Oppenweiler und auf einer von 1474 in Murrhardt zu beobachten (nrr. 32, 46, 49): Der untere Teil des Auges des e und die Bogenenden des runden s laufen in feine eingerollte Zierlinien aus, die quadrangelförmige Fahne des r bildet diese Zierfäden nach oben und unten aus.

Die Qualität der schwierigen Ausführung der Minuskelschrift in dem spröden Material Stein ist unterschiedlich. Ganz unbeholfene Arbeiten, die weder einheitliche Zeilenhöhe noch die regelmäßige [Druckseite XLIX] Hastenbrechung noch die möglichst gleichmäßige Breite von Hasten und Zwischenräumen zwischen denselben beachten und teilweise auch runde Formen einfließen lassen, bilden aber die Ausnahme (nr. 42: Bauinschrift in Großheppach 1468; nr. 50: Bauinschrift in Erbstetten 1474; nr. 124: Meisterinschrift in Fellbach 1519). Ansonsten betreffen die Qualitätsunterschiede vorwiegend die einheitlich senkrechte Ausrichtung der Hasten sowie die Art und Gleichmäßigkeit der Hastenbrechung.

Erhaben gehauene Minuskelinschriften, wie sie von 1392 bis 1476 im angrenzenden Landkreis Ludwigsburg in größerer Zahl vorliegen146), sind im Rems-Murr-Kreis nicht nachzuweisen. Die Technik, die Schrift nur in flacher Nut auszuhauen und mit farbiger Füllmasse auszugießen, wurde bei einer Grabplatte des ausgehenden 15. Jahrhunderts in Backnang angewandt (nr. 70); bei einigen der Murrhardter Mönchsgrabplatten, deren Buchstaben nicht ganz regelmäßig bis zur Kerbe durchgehauen sind und noch Farbreste aufweisen, ist das gleiche Verfahren zu vermuten.

Zierhäkchen an Ober- und Unterlängen, hoch verlängerte und gebogene linke Haste des v und rundes s mit feinem Diagonalstrich sind Elemente, die erst am Anfang des 16. Jahrhunderts begegnen. Ligaturen sind, anders als in der Buchschrift, bei den Monumentalinschriften des Bearbeitungsgebiets seltene Erscheinungen. Starke Kürzungen durch Kontraktion, durch Hochstellen der Endungen oder Überschreiben einzelner Buchstaben nach dem Vorbild zeitgenössischer Gebrauchsschriften sind allein auf der Grabplatte des Backnanger Stiftspropstes Jakob Wick von 1515 anzutreffen, dort freilich in großer Zahl (nr. 146).

Die gotische Minuskel herrscht als Monumentalschrift bis in die 30er Jahre des 16. Jahrhunderts vor und wird dann in kurzer Zeit von der Kapitalis und von der Fraktur verdrängt. Lediglich auf dem Epitaph des Steinenberger Pfarrers Sailer von 1592 (nr. 281) ist noch einmal eine Schrift verwendet, deren Duktus noch eindeutig der der gotischen Minuskel ist und noch nicht die typischen Merkmale der Fraktur aufweist, auch wenn einige Frakturelemente vorhanden sind. Die Hasten von f und langem s sind noch durchweg auf der Grundlinie umgebrochen, die Hasten verlaufen alle senkrecht; nur die rechte Haste (d. h. der Bogen) des h ist bereits meist gebogen; einstöckiges a wird neben dem zweistöckigen verwendet; alle Großbuchstaben entstammen dem Frakturversalienalphabet.

Die gemalten Inschriften in gotischer Minuskel bieten bei den Gemeinen keine anderen Formen als die eingehauenen. Wie die bereits erwähnten Neustädter sind auch die übrigen Wandgemälde mit erhaltenen Schriftresten in den Kirchen zu Beinstein (1459?, nr. 37), Schmiden (um 1470, nr. 43) und Strümpfelbach (1495, nr. 65) so stark verblaßt oder bei Restaurierungen übergangen, daß der Schriftbefund nicht mehr eindeutig ist. Ober- und Unterlängen sind jedenfalls deutlich ausgebildet. Gleiches gilt für die gemalten Inschriften auf den Altartafeln in Oppenweiler (vor 1471, nr. 44), Murrhardt (1496, nr. 66), Schnait (jetzt Reutlingen, um 1500, nr. 81) und Hebsack (1512-15, nr. 121). Die Versalien der gemalten Inschriften sind, abweichend vom Befund bei den gemeißelten Inschriften, vornehmlich nach Vorlagen der buchschriftlichen Textura ausgeführt. Von den Beschriftungen der vier Sturmfeder-Totenschilde in Oppenweiler dürfte nur noch die älteste von 1525 weitgehend dem Originalbefund entsprechen (nr. 132). Eine Annäherung einzelner Schriftformen an die Fraktur ist bereits spürbar, etwa in starken Hastenbiegungen des g und v, auch die Versalien zeigen Frakturelemente. Die drei späteren Totenschilde in Oppenweiler scheinen nach dem Vorbild dieses ältesten bei einer Restaurierung neu bemalt worden zu sein und sind daher für eine Schriftuntersuchung untauglich. Reine Frakturversalien sind schließlich auf einem Waiblinger Totenschild 1559 eingesetzt (nr. 167a), auf dem die Gemeinen durch fadendünne Schleifen an den Unterlängen verziert und dadurch in ihrem Gesamtbild aufgelockert sind.

Auf Glocken findet die Minuskelschrift erstmals 1440 Anwendung. Die Fornsbacher Evangelistenglocke unbekannter Herkunft (nr. 22†) ist im letzten Krieg zerstört worden. Die Inschriften der Nürnberger, Reutlinger, Heilbronner, Esslinger und Biberacher Glocken sind dann von der Mitte des 15. bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts hinein ausnahmslos mit Modeln in gotischer Minuskel gefertigt. Da sich in den Gießhütten solche Model oft über Generationen hinweg weitervererbten, darf es nicht überraschen, daß eine Oberurbacher Glocke von 1621 noch die mittlerweile längst als Monumentalschrift überholte Schriftart zeigt (nr. 281). Der Gießer Hans Braun hat 1610 die Ulmer Gießhütte übernommen und die Model seiner Vorgänger Wolfgang Neidhardt und Hans Algeier weiterverwendet, die neben den gängigen Fraktur- und Kapitalis-Alphabeten eben auch noch die gotische Minuskel in ihrem Repertoire hatten147).

[Druckseite L]

5.3. Frühhumanistische Kapitalis

Nachdem die gotische Majuskel als Schriftart ganzer Texte im Bearbeitungsgebiet im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts verschwindet, taucht gegen Ende des 15. Jahrhunderts mit der sog. frühhumanistischen Kapitalis eine neue Majuskelschrift auf148). Sie verdankt ihre Entstehung Bestrebungen humanistischer Kreise, in der Orientierung an klassischen oder besser allgemein an „vorgotischen“ Vorbildern wieder klar lesbare Schriften zu erzielen, wobei es in einer Übergangszeit im 15. und frühen 16. Jahrhundert zu unterschiedlichen Lösungen kam, bevor man die klassische Kapitalis in ihrer reinen Form („Renaissance-Kapitalis“) als Monumentalschrift wiederaufnahm149). In der frühhumanistischen Kapitalis fließen Elemente der Kapitalis und vorgotischer Schriften vornehmlich des 12. und 13. Jahrhunderts sowie vereinzelt griechisch-byzantinische Schrifteigentümlichkeiten zusammen. Ihren Formen nach entwickelt in Italien, fand diese experimentierende Schrift über handschriftliche Vorlagen, wie man vermuten darf, Verbreitung in Süddeutschland und wurde erst dort ab der Mitte und verstärkt im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in breiterem Umfang auch für Inschriften verwendet. Eine vermittelnde Funktion kam den humanistischen Zentren Süddeutschlands wie den Konzilsorten Konstanz und Basel zu. Hauptmerkmale der Schrift sind die Betonung der Linearität, in der Regel eine Streckung der Buchstaben (Proportion 2:1), charakteristische, vom Kanon des Kapitalis-Alphabets abweichende Einzelformen (wie das zweibogige E und das griechische M) sowie Ausbuchtungen, Knoten und Halbknoten als Zierformen der Schäfte und Balken.

Ihrem Ursprung als Auszeichnungsschrift und ihrer dekorativen Wirkung entsprechend, wird die frühhumanistische Kapitalis vorwiegend im Bereich der Tafel- und Wandmalerei und des Kunsthandwerks (Schnitzereien, Goldschmiedearbeiten) angewandt. Im Rems-Murr-Kreis bietet der Stettener Altar (jetzt in Stuttgart) von 1488 mit den gemalten Nimbenumschriften und Gewandsaumbeschriftungen (nr. 54) das früheste Beispiel. Vom selben Meister stammen auch die Tafelbilder des großen Schnaiter Altars von 1497 (nr. 68), die Schriftformen sind völlig identisch. Die Buchstaben sind dünnstrichig angelegt, die Schräghasten sind noch schmaler als die geraden. Erst am Hastenende findet durch Verschmelzung mit den Sporen eine dreieckige Verbreiterung statt. Deutliche Bogenschwellungen kommen nur beim Mittelteil des S vor. Das auffällig breite A ist spitz mit langem beiderseits überstehendem Deckbalken und oft mit gebrochenem Mittelbalken; B kommt auch in der einbogigen Form vor, wie sie seit ihrer Entwicklung im Alphabet der Halbunziale Bestandteil der Minuskelschriften ist (hier freilich durch die Vergrößerung des unteren Bogens eindeutig als Majuskelbuchstabe aufgefaßt). I hat oft einen Nodus und einen I-Punkt; M erscheint in kapitaler Form mit kurzem Mittelteil und als „griechisches M“ mit Mittelbalken und angehängter Mittelhaste. Sonst ist auf Doppelformen verzichtet. Noch dünnstrichiger ist die kurze Gewandsaumbeschriftung des kleinen Schnaiter Altars aus der Zeit um 1500 ausgeführt (jetzt in Reutlingen, nr. 81), jedenfalls von einer anderen Hand.

nrr. 54, 68

Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Harald Drös) | Nrr. 54, 68

nr. 81

Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Harald Drös) | Nr. 81

Ganz anders bietet sich die aufgemalte Gewandsauminschrift einer Schreinfigur des Hebsacker Altars von 1512/15 dar (nr. 121), die mit manierierten aufgespaltenen und eingerollten Sporen und insgesamt breiteren Proportionen nur bedingt der frühhumanistischen Kapitalis zuzurechnen ist.

[Druckseite LI]

Die Schriftbänder der Stammväterbüsten im Gewölbe des Marienchors der Schorndorfer Stadtkirche zeigen nur noch schwache Reste einstiger Beschriftung (nr. 82), die vermutlich in der dafür prädestinierten frühhumanistischen Kapitalis ausgeführt waren150). Der heutige Befund läßt aber keine sicheren Aussagen mehr zu.

Die erste in Stein eingehauene Inschrift des Bearbeitungsgebiets in der neuen Schriftform ist die Devise ATTEM(P)TO auf der Wappentafel Graf Eberhards im Bart am Beinsteiner Torturm in Waiblingen (1491, nr. 57). Trotz des geringen Buchstabenbestands und der breiten, quadratischen Proportionen der Buchstaben rechtfertigen die Formen des A (Trapezform mit langem Deckbalken und tropfenförmig nach unten verlängertem gebrochenem Mittelbalken) und des M (schräggestellte Hasten und sehr kleiner, durch eine „hängende Haste“ nach unten verlängerter Mittelteil) die Zuordnung zur frühhumanistischen Kapitalis, zumal Graf Eberhards Wortdevise auch sonst häufig in dieser Schriftart ausgeführt wurde151).

Die wohl im 1. Viertel des 16. Jahrhunderts gefertigte Figurengrabplatte des Pfarrers Springinshus in Strümpfelbach (nr. 130) bietet eine kunstvoll stilisierte und ausgeführte Inschrift, die nicht recht zu der primitiven figürlichen Darstellung paßt. Der Steinmetz hat sicherlich nach handschriftlichen Mustern gearbeitet, er verwendete Formen, die in etwa zeitgleichen Steininschriften der weiteren Umgebung (Esslingen, Stuttgart-Bad Cannstatt, Lorch) sonst nicht nachweisbar sind, so vor allem ein unziales D mit oben offenem Bogen und senkrechter Haste, die oben nach links zu einem den Bogen überragenden Deckbalken umknickt, verschiedene Formen des P mit auf der Grundlinie nach rechts umgeknickter Haste, Q mit Cauda nach links und paragraphenförmiges S152).

nr. 130

Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Harald Drös) | Nr. 130

Erhaben geschnitzt sind die Gewandsauminschriften der Schreinfiguren im Winnender Hochaltar von 1520 (nr. 126). Bedingt durch die Technik sind einzelne Buchstaben (A, H, W) sehr breit, auch ist die Schrift weit spationiert. Häufig stehen die Buchstaben spiegelverkehrt; Ausbuchtungen weisen der Balken des H, die Haste des I und der Schrägbalken des N auf; D ist unzial mit offenem Bogen.

Aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts sind zwei Kelche mit gravierten Inschriften in frühhumanistischer Kapitalis erhalten (nrr. 85, 87), wobei die Schrift des Grunbacher Kelchs in deutlich niedrigeren Proportionen (etwa 4:3) viele rein kapitale Buchstaben enthält. Die starken keilförmigen Hastenverbreiterungen erinnern an die frühe gotische Majuskel der Goldschmiedearbeiten. O ist oval und gelegentlich oben spitz, das D ist entsprechend unzial gebildet, A kommt auch mit gebrochenem Mittelbalken und mit Deckbalken vor, M hat schräggestellte Hasten und einen sehr kleinen Mittelteil.

1601 wird in Großheppach noch einmal eine Bauinschrift gehauen, die weitgehend dem Formenkanon der frühhumanistischen Kapitalis verpflichtet ist (Ausbuchtungen als Zierform; A mit Deckbalken, R mit steil gekrümmter Cauda), wenn auch die Schaftbehandlung der der klassischen Kapitalis entspricht. Der Zweck, hier eine dekorative Wirkung durch Verfremdung zu erzielen, ist offensichtlich153).

[Druckseite LII]

5.4. Kapitalis

Die Rezeption der Kapitalis in einer weitgehend der klassischen Monumentalschrift entsprechenden Form läßt sich im Rems-Murr-Kreis sicher datiert ab dem 2. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts nachweisen. Die wesentlich frühere aufgemalte Meisterinschrift des Hans von Landau von 1463 (?) in der Waiblinger Michaelskirche ist in ihrer heutigen Ausführung in Kapitalisschrift kaum ursprünglich154).

Die frühesten erhaltenen Kapitalis-Inschriften finden sich auf den 1515 gegossenen Bronzeplatten für die Backnanger Markgrafengräber. Die beiden erhaltenen Exemplare wurden von verschiedenen Händen bearbeitet. Die Schrift wurde jeweils zwischen stehengelassenen Stegen zeilenweise erhaben ausgehauen. Diese Technik bewirkt, daß trotz weitgehender Orientierung an den klassischen Buchstabenformen und Proportionen (Wechsel von Haar- und Schattenstrichen, Linksschrägenverstärkung, M mit schrägen Hasten und bis auf die Grundlinie herabreichendem Mittelteil) die Strichführung insgesamt sehr breit ist und Hasten und Balken mit den Sporen keilförmig verschmelzen. Unklassisch sind vor allem die geschlossenen Bögen von P und R und die auswärts gewölbte Cauda des R. Bei einer der beiden Schrifttafeln (nr. 116) sind die I und V durch darüber eingravierte halbrunde bzw. v-förmige Häkchen markiert.

Bei Steininschriften setzt sich die Kapitalis im Bearbeitungsgebiet erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts durch. Eine Grabplatte von 1542 und eine Wappentafel mit Bauinschrift von 1551, beide in Murrhardt, sind die frühesten Zeugnisse. Es folgen einige Epitaphien in Oppenweiler und Bittenfeld in den 1550er Jahren; zahlreich werden die erhaltenen Inschriftendenkmäler aber erst ab 1580. Je nach Sorgfalt der Ausführung sind die Inschriften mehr oder weniger weit von dem klassischen Idealbild entfernt, das aber in keinem Fall erreicht wird. P und R mit offenem Bogen findet sich höchstens einmal zufällig (nrr. 165, 166, 207, 218), M mit auf die Grundlinie hinabreichendem Mittelteil und leicht schräggestellten Hasten bleibt auch die Ausnahme (nrr. 200, 209, 212, 315). Die Cauda des R ist fast durchweg s-förmig gewellt, gelegentlich auch gerade, nie erreicht sie die leicht eingebogene Form der klassischen Monumentalschrift. Das Maß der Orientierung an guten Vorlagen läßt sich an der Konsequenz der Linksschrägenverstärkungen, der Gleichmäßigkeit der Bogenverstärkungen, der Bildung und Ausrichtung der Sporen an den Hasten- und Balkenenden und besonders an den Bogenenden, sowie an der Vermeidung oder Aufnahme von Fremdformen in das Alphabet ablesen. Die klassischen dreieckigen Worttrenner- und Interpunktionspunkte finden sich nur ein einziges Mal 1601 nachgeahmt (nr. 238). Vergrößerung einzelner Buchstaben am Satz- oder Wortanfang kommt bereits bei den ersten Kapitalisinschriften vor und bleibt dann eine häufige Erscheinung.

Bewußte Verfremdung des Kapitalisalphabets liegt offenbar bei Schriften vor, die regelmäßig und sorgfältig gearbeitet sind, die aber für bestimmte Buchstaben Fremdformen allein oder als Variante neben den Kapitalen zeigen. Besonders häufig wird ein A mit einseitig oder beidseitig überstehendem Deckbalken und/oder mit gebrochenem Mittelbalken verwendet, ferner spitzovales O und ein D mit nur halbhohem Schaft und mit links über diesen hinausragendem Bogen; schließlich eine andere D-Form, bei der der Bogen oben und unten deutlich über die Haste nach links verlängert ist. Eine Werkstatt, die vermutlich in Marbach ansässig war und die in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts und verstärkt in den 80er Jahren unter anderem Grabmäler für die Sturmfeder in Oppenweiler und für die Miner in Rietenau hergestellt hat, hat eine Schrift mit schmal proportionierten Buchstaben verwendet, die all die genannten Fremdformen aufweist und zudem ein L mit dornförmigem Aufsatz auf dem kurzen Balken, B und R mit getrennt an der Haste ansetzenden Bögen, F mit hakenartig gekrümmtem unterem Balken und zweistöckiges, oben spitzes Z benutzen (nrr. 165, 166, 204, 214, 215, 216, 217). Das Gesamtbild dieser Schrift ähnelt stark dem der frühhumanistischen Kapitalis.

Gelegentlich wurde der Balken des H mit einem Knoten (1583, nr. 198) oder mit einer Ausbuchtung nach oben oder unten versehen (nrr. 170, 211, 242, 244, 255, 299). Deutlich zeigt sich das Ziel der Verfremdung auch in einer Bauinschrift der Äbtissin von Oberstenfeld an der ehemaligen Kirchberger Kelter (1592, nr. 207): Verschnörkelte Zierformen und vor allem zahlreiche Enklaven ergeben ein unruhiges Bild, in das Alphabet sind ein zweibogiges E und ein Minuskel-a aufgenommen. Gleich mehrere eingestreute Minuskelbuchstaben (b, d, f, t) finden sich bereits in einer unbeholfen wirkenden Bauinschrift von 1568 in Murrhardt (nr. 188).

Ob sich aus der Entwicklung einzelner Buchstaben des Kapitalis-Alphabets Datierungskriterien gewinnen lassen, kann sich erst zeigen, wenn das inschriftliche Material größerer Regionen entsprechend [Druckseite LIII] aufgearbeitet und ausgewertet ist. Einige Einzelbeobachtungen für den Rems-Murr-Kreis sind im folgenden zusammengestellt.

Der i-Punkt erscheint schon in einer Inschrift von 1555 (nr. 165)155), der gerade Mittelbalken des Z ebenfalls. Letzterer wird in der Folgezeit relativ selten gesetzt (nrr. 188, 214, 255), 1603 erscheint er erstmals senkrecht zur Schräghaste (nr. 244, ebenso nrr. 284, 299, 306) und kurz darauf in gewellter Form (nrr. 260, 280, 293, 296). B mit gleich großen Bögen läßt sich bei sorgfältig gehauenen Inschriften erst im 17. Jahrhundert nachweisen (1606, nr. 248; 1621, nr. 280). Ein G mit waagrecht nach links umgeknickter Cauda begegnet ganz vereinzelt 1582 (nr. 194) und 1597 (nr. 218). Eine andere Form des G, bei der die senkrechte Cauda nach links eingerückt ist und der auf der Grundlinie auslaufende Bogen rechts weit über diese hinausragt, ist 1587 erstmals nachzuweisen (Oppenweiler, nr. 200). Sie kann, zusammen mit einem kreisrunden C mit weit geschlossenem Bogen und senkrecht zu den Bogenenden stehenden Sporen, als Kennmarke einer Werkstatt gelten, die im Bearbeitungsgebiet sechs weitere Inschriftendenkmäler bis ins 2. Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts geschaffen hat: Waiblingen 1600 (nr. 235), Oppenweiler 1606 (nr. 249), Fellbach 1611 (nrr. 262, 263), Stetten 1614 (nr. 272) und Backnang vor 1616 (nr. 274)156). Eine abgesetzte, gekrümmt unter die Grundlinie geführte Cauda ist beim G ab 1635 gelegentlich zu finden (nrr. 296, 297, 299). Das W als „unklassischer“ Buchstabe wird durchweg in der Form zweier verschränkter V wiedergegeben, erst 1643 taucht einmal die umgekehrte M-Form mit nicht überkreuztem Mittelteil auf (nr. 303). Besondere Beachtung verdient das Aufkommen des U in Kapitalisschriften. Bei den eingemeißelten Inschriften ist es erstmals 1616 in Beinstein zu beobachten (nr. 275), es ist aus einem Bogen und einer rechten, unten nach rechts gekrümmten Haste gebildet. Bei den späteren Vorkommen (1637, 1640, 1644) ist die Haste gerade.

Ligaturen werden immer wieder gelegentlich verwendet, ein zeitlicher Schwerpunkt läßt sich nicht ausmachen. Es fällt lediglich auf, daß die frühesten Kapitalisinschriften den Einsatz der Ligaturen auf die Umlaute AE und OE beschränken (nrr. 150, 161†). Der Setzung von i-Punkten über Hasten von M und N zur Andeutung von IM- bzw. IN-Ligaturen bedient sich ein Steinmetz 1602 (nr. 242), dessen Inschrift auch dadurch auffällt, daß sie teilweise linksläufig und spiegelverkehrt eingehauen ist. Buchstabenverschränkungen kommen nur einmal auf der vorzüglich gearbeiteten Grabplatte des Konrad Ludwig Thumb von Neuburg von 1601 vor.

Die Schrägstellung der Kapitalisbuchstaben ist schließlich eine Erscheinung, die in Inschriften des Kreisgebiets erst am Ende des Bearbeitungszeitraums auftritt. Die Vorlagen sind in Schreibmeisterblättern und vor allem in der Buchdruckkunst zu suchen. Die schrägliegende Kapitalis wird in der repräsentativen Gedenkinschrift für Daniel Steinbock, den Stifter der Schorndorfer Lateinschule (nr. 315), neben der aufgerichteten Kapitalis, der Fraktur und der geraden und schrägliegenden humanistischen Minuskel verwendet. Wie in Buchtiteln der Zeit ist die Variation der Schriftarten hier zugleich dekoratives und gliederndes Element.

Auf Holzepitaphien wird die aufgemalte Kapitalis ausschließlich für die Beitexte (lateinische Verse, Bibelzitate, Sprüche), für dekorative Bildbeischriften (englischer Gruß, Gesetzestafeln) oder als Auszeichnungsschrift zur Hervorhebung einzelner Wörter – meist Namen – innerhalb von sonst in Fraktur ausgeführten Inschriften eingesetzt. Die Schriftformen entsprechen denen der gemeißelten Inschriften.

Glocken mit Kapitalis-Inschriften sind erst aus dem 17. Jahrhundert erhalten (Erstbeleg 1605, nr. 246).

5.5. Fraktur

Die Fraktur, die ab der Mitte des 16. Jahrhunderts allenthalben die gotische Minuskel als epigraphische Minuskelschrift in relativ kurzer Zeit gänzlich ablöste, war zur Zeit der Übernahme als Monumentalschrift bereits eine ausgereifte, fertige Schrift. Sie hat ihre Wurzeln in schreibschriftlichen Bastarden - gehobenen, kalligraphisch gestalteten Kanzleischriften – des Spätmittelalters, und [Druckseite LIV] wurde vornehmlich im Umkreis Kaiser Maximilians I. in ihre spätere Form gebracht. Wegweisende Vorbilder wurden das 1513 gedruckte Gebetbuch Maximilians und der „Theuerdank“ von 1517, in denen sich die Schrift bereits in ihrer durchstilisierten Form zeigt157). Der Buchdruck rezipierte die Schrift in vielfachen Abwandlungen und regionalen Sonderformen, so daß die Fraktur in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts rasch zur meistgebrauchten Type avancierte. Kennzeichnend für die Schrift ist die Ausbildung eigener, zur Schrift der Gemeinen in ihrer Gestaltung „passender“ Versalien mit an- und abschwellenden geschwungenen, nicht mehr senkrechten Linien. Einige der Großbuchstaben haben einen charakteristischen s-förmigen Anschwung, den sog. „Elefantenrüssel“. Bei den Gemeinen sind entscheidende Kriterien der Abgrenzung gegenüber der gotischen Minuskel die unter die Grundlinie spitz auslaufenden Schwellschäfte des f und des langen s, einstöckiges a sowie die Ausrundung der Bögen, die in der Textura in gebrochene Hasten umgeformt sind. Die Bogenlinien sind häufig als Schwellzüge gebildet und mehrfach geschwungen; o ist annähernd spitzoval und bestimmt die Grundform der übrigen Rundbuchstaben. Alphabete, die die Mehrzahl dieser Merkmale aufweisen, dürfen der Fraktur zugerechnet werden, selbst wenn – gerade bei den frühen Beispielen – noch nicht alle Kriterien erfüllt sind und in einigen Elementen noch an den strengeren Formen der gotischen Minuskel festgehalten wird.

Frakturschriften sind, angesichts der Schwierigkeiten, die die Umsetzung dieser feingliedrigen Schrift in das Monumentale mit sich bringt, mit einer Gesamtzahl von 38 im Rems-Murr-Kreis verhältnismäßig zahlreich vertreten. Gleichwohl wurde diese Minuskelschrift bei weitem nicht so häufig benutzt wie die leichter auszuführende Kapitalis. Die andernorts gemachte Beobachtung, daß die Rezeption der Frakturversalien für den Gebrauch als Großbuchstaben in Texturaschriften der Rezeption der Schrift insgesamt als Textschrift vorausgeht158), läßt sich im Bearbeitungsgebiet mangels Materials nicht bestätigen. Beispiele für die Verwendung von Frakturversalien in Texten der gotischen Minuskel sind äußerst selten, sie sind entweder nicht sicher datiert (nr. 158), in ihrem ursprünglichen Schriftbefund nicht hinreichend gesichert (nrr. 164, 167a) oder erst sehr spät entstanden (1592, nr. 205).

Die früheste erhaltene Frakturinschrift des Kreisgebiets ist wohl eine nachträglich in den Hochaltar der Winnender Schloßkirche eingefügte geschnitzte Inschrifttafel, die über Errichtung, Abriß und Wiederaufbau des Altars berichtet und vielleicht noch aus dem Jahr des zuletzt genannten Ereignisses, 1549, stammt (nr. 126F)159). Die Schrift zeigt noch nicht alle typischen Merkmale der Fraktur. So sind die Hasten von f und langem s noch auf der Grundlinie umgebrochen; o und d sind nicht spitzoval, sondern einheitlich als gestreckte symmetrische Sechsecke gebildet, wobei die Links- und Rechtsschrägen in gleicher Strichstärke ausgeführt sind wie die Hasten. Hastenbrechung im Sinne der gotischen Minuskel liegt also immerhin auch nicht mehr vor. Die nur schwache Ausbildung von Ober- und Unterlängen preßt die Schrift fast in ein Zweilinienschema. Dennoch ist das Gesamtbild gegenüber der strengeren Struktur der Textura aufgelockert, die Hasten von b, h, l und t sind rund umgebogen; b, h, v und w haben weit ausgebauchte Bögen ohne Brechung. Beim zweistöckigen a ist die rechte Haste in einem runden Zug in den oberen Bogen übergeführt; daneben begegnet einmal das einstöckige a mit mehrfach geschwungener auf- und abschwellender Bogenlinie. Als Schwellzüge sind ferner die Haste und Unterlänge des g und gelegentlich der rechte Teil des Auges des e gestaltet. Insgesamt ist noch kein festgefügter Schriftkanon festzustellen, wohl aber das Bemühen, eine andere Schrift als die bislang übliche gotische Minuskel zu schaffen.

Dagegen ist die Fraktur auf der Grabplatte Friedrich Sturmfeders von 1555 (nr. 163) bereits „komplett“. Große und verschieden weite Wortabstände und das Leerbleiben der letzten Schriftzeile könnten freilich darauf hindeuten, daß der Steinmetz den Platzbedarf für die neue Schrift noch nicht richtig einschätzen konnte. Die ausgewählten Versalien sind ausgesprochen schlicht; f und s haben leicht gebogene und spitz unter die Grundlinie geführte Schwellschäfte; a ist durchweg einstöckig mit großem Bogen; die Bögen von b, h, o, v und w sind völlig einheitlich ausgerundet; Haste und Unterlänge des g sind als s-förmiger Schwellzug gebildet; h und l weisen an den Oberlängen Zierschleifen auf; als Schluß-s ist das aus der Kursive stammende „Brezel-s“ übernommen, hier in eine [Druckseite LV] strengere, den übrigen Buchstaben angepaßte Form gegossen, bei der die linke Bogenlinie zu einer unten gebrochenen Haste umstilisiert ist.

Bei den Frakturschriften ist in der Folgezeit keine eigentliche Schriftentwicklung festzustellen. Die jeweilige Gestaltung hängt vielmehr von den Vorlagen und Eigenheiten der Werkstätten und von den individuellen Fähigkeiten der ausführenden Handwerker ab. So verzichten etwa die Meisterinschriften des Jörg Busch von 1574 an der Schorndorfer Stadtkirche (nr. 183), sicherlich unter dem Einfluß der Kursivschriften, weitgehend auf Schaftbrechungen zugunsten runder, in einem Zug durchgehauener Linien. Rundes c, e mit rundem Auge und ganz gerundetes g in Form einer 9 sind Resultate dieser Schriftgestaltung. Nahezu identische Formen in einer kurzen undatierten Schorndorfer Bauinschrift (nr. 283) könnten auf die Ausführung durch denselben Steinmetz, also wohl Busch selbst, hinweisen. Ähnlich, aber gestreckter, sind die Buchstaben einer Devise am Beutelsbacher Rathaus (1577, nr. 187). Die ungelenke Ausführung dokumentiert sich nicht zuletzt in der Verwendung eines Majuskel-B im Wortinneren.

Schorndorf, nr. 183A

Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Harald Drös) | Schorndorf, Nr. 183A

Einer eigenwilligen dynamischen Fraktur bedient sich die Tübinger Werkstatt des Bildhauers Christoph Jelin auf zwei Kindergrabmälern in Winnenden (1592, 1594). Die Versalien sind reich verschnörkelt und oft mit weiten Anschwüngen und haarfeinen Zierlinien versehen. Bogenförmige Zierlinien sind auch auf die Oberlängen von b, h und t aufgesetzt. Das kursive „Brezel-s“ erscheint in der offenen Schleifenform. Die Hasten von f und langem s sind allerdings noch auf der Grundlinie umgebrochen. Die Schrift entspricht im letztgenannten Phänomen wie auch in der Sechseckform des o und in der Gestaltung weiterer Gemeinen und der Kürzungszeichen auffällig der geschnitzten Inschrift am Hochaltar in derselben Kirche. Die verlockende Vorstellung, auch die Schrifttafel könnte ein Werk der Jelin-Werkstatt sein, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Sie müßte dann etwa 45 Jahre später angesetzt werden. Freilich zeigt sie doch einige deutlich konservativere Formen gegenüber den Epitaphien, wie etwa das zweistöckige a, „gotisches“ c, eine abweichende Bildung der Bögen von h und g sowie t mit hoch ansetzendem Balken.

Kunstvoll und nach besten Vorlagen komponiert sind die flach in Schieferplatten eingegrabenen Sterbeinschriften und Bibelsprüche an den monumentalen Grabdenkmälern in Oppenweiler und Winnenden (1597, 1598, 1608), die in der Werkstatt Jakob Müllers in Heilbronn entstanden sind (nrr. 228, 229, 256). Die Schrift ist sorgfältig vorliniiert und sehr einheitlich ausgeführt. Alle Schaftbrechungen sind ausgerundet, die Oberlängen sind gespalten. Gelegentlich werden ornamentale Schleifenbildungen an den Oberschäften zur Ausfüllung leerer Zeilenzwischenräume benutzt.

Als ein weiteres Beispiel einer wohl ausgewogenen Schrift verdient die Grabschrift der Magdalena Hofseß in Murrhardt hervorgehoben zu werden (1607, nr. 254), die – für Steininschriften ungewöhnlich – besonders feinstrichig ausgeführt und sorgfältig disponiert ist. Die lateinische Sterbeinschrift für den Ehemann der Verstorbenen auf demselben Grabmal ist in Kapitalis ausgeführt.

Wenig originell und nicht besonders qualitätvoll ist dagegen die verhältnismäßig breit laufende, für die Werkstatt des Jeremias Schwartz typische Fraktur160) auf dem Stickel-Epitaph in Schorndorf (1613, nr. 267). Die breiten Hasten, die im niedrigen Mittelband gedrungen und eckig wirkenden Buchstaben und die klobigen viereckigen Satzzeichen, i- und Umlautpunkte vermitteln nicht den Eindruck einer einheitlichen Schrift, vielmehr erscheinen die Buchstaben beziehungslos aneinandergereiht.

Eine Hausinschrift von 1617 und die Inschrift eines Grabsteins von 1622 in Kirchberg an der Murr sind in einer charakteristischen Fraktur gemeißelt, die eine Zuweisung an eine vermutlich im nahem Marbach beheimatete Werkstatt ermöglicht. Diese Werkstatt hat in derselben Schrift 1612 ein Epitaph in Marbach und 1626 eine Gedenktafel in Oberstenfeld (LKr. Ludwigsburg) gefertigt161). „Kennbuchstaben“ sind das l mit rechts an der Oberlänge herabhängendem s-förmigem Schwellzug und ein e, das mit einem steil aufragenden, oben spitzen und unten mit einem Schwellzug zur Haste hin abgeschlossenen Auge in den Oberlängenbereich vorstößt.

[Druckseite LVI]

Besondere Kunstfertigkeit beweist schließlich die Ausführung der Frakturschrift auf der Schorndorfer Gedenktafel für Daniel Steinbock von 1650 mit ihren zahlreichen haarfeinen Zierlinien und Schleifen. Auf der Tafel sind neben dem Haupttext in Fraktur einzelne Passagen, wie bereits erwähnt, in gerader und schrägliegender Kapitalis sowie in humanistischer Minuskel gestaltet.

Neben den in Stein eingemeißelten und in Holz eingeschnitzten Frakturinschriften haben sich im Rems-Murr-Kreis insgesamt sechs Holzepitaphien erhalten, deren aufgemalte Inschriften überwiegend in Fraktur ausgeführt sind. Daß auf denselben Inschriftenträgern, meist zur Auszeichnung, auch die Kapitalis verwendet wurde, ist oben bereits erwähnt worden. Bei der Beurteilung dieser gemalten Inschriften, die von der Technik her natürlich enger mit der handschriftlichen Fraktur verwandt und daher leichter umzusetzen sind als die dreidimensional ausgeführten, ist wegen des oft nicht mehr festzustellenden Grades der Überarbeitung und Verfälschung des Schriftbefunds durch Restaurierungen besondere Vorsicht geboten. Gleiches gilt für die gemalten Inschriften auf den Ölgemälden der Sturmfeder-Ahnengalerie aus Oppenweiler (nr. 190), für die Kanzelbemalung mit biblischen Gestalten und Bibelsprüchen in Grunbach (nr. 287) sowie für einige bemalte Totenschilde. Naturgemäß bieten gemalte Inschriften viel eher die Gelegenheit zur Ausbildung von Zierformen, was sich besonders in der Gestaltung der Versalien und der Ober- und Unterlängen der Gemeinen ausdrückt. Auch kompliziertere Vorlagen aus Schreibmeisterblättern konnten kopiert werden. Einen Höhepunkt in dieser Hinsicht stellen sicherlich die prächtigen feingliedrigen Versalien auf dem Totenschild des Johann Walter Dauer von 1638 dar (nr. 298), die reich mit sich mehrfach überschneidenden Zierschleifen und geometrischen Flechtmustern verziert und zusätzlich in den Zwischenräumen mit andersfarbigem Rankenornament gefüllt sind.

Glocken mit gegossenen Frakturinschriften sind aus dem Bearbeitungsgebiet keine erhalten, ebensowenig bronzene Schrifttafeln, die andernorts in großer Zahl als Grabsteinauflagen dienten162).

5.6. Humanistische Minuskel

Die Humanisten griffen in ihrem Bestreben, klar lesbare Schriften zu entwickeln, nicht nur bei den Majuskelschriften auf vorgotische Vorbilder zurück. Auch die karolingische Minuskel, die „vorgotische“ Buchschrift, in der die meisten klassischen Texte überliefert waren und die daher den Humanisten als die klassische Minuskelschrift schlechthin galt, erlebte wegen ihrer Schlichtheit und guten Lesbarkeit ihre Renaissance in der humanistischen Minuskel. Diese Schrift wurde in Italien entwickelt, wurde auch als Kanzleischrift verwendet und breitete sich rasch in Europa aus163). Eine epigraphische Umsetzung ist erst vereinzelt in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts festzustellen, als Vorbilder fungierten dabei eher an der humanistischen Minuskel orientierte Druckschriften als handschriftliche Vorlagen.

Rund hundert Jahre später ist die früheste erhaltene Inschrift des Rems-Murr-Kreises in humanistischer Minuskel entstanden: Auf einem Fachwerkpfosten des ehemaligen Helferhauses in Winterbach wurden 1594 neben der Datierung in Kapitalis zwei Nameninschriften in Minuskelschrift eingeschnitzt (nr. 208), 12 Jahre später verwendete der Bildhauer Melchior Gockheler an der Schornbacher Kanzel für ein Bibelzitat die humanistische Minuskel, während die lange Versinschrift darüber in Kapitalis gehalten ist (nr. 252). In beiden Fällen wirkt die Minuskelschrift steif, die Buchstaben sind verhältnismäßig schmal und hoch, die Hasten enden stumpf ohne Sporen auf der Grundlinie. Bei der Schornbacher Inschrift sind die letzten Hasten von m, n und u unten leicht nach rechts gebogen, zweistöckiges a nimmt in der Höhe eine Zwischenstellung zwischen den Buchstaben mit und denen ohne Oberlänge ein, das Auge des e ist nicht geschlossen.

In der gemalten Sterbeinschrift auf dem Epitaph des Pfarrers Maickhler in Fellbach (1647, nr. 309) sind nur der latinisierte Name und die Titel des Verstorbenen in humanistischer Minuskel, der Rest ist in Fraktur geschrieben. Eine Inschrift, die ausschließlich die humanistische Minuskel als Textschrift verwendet, ist die gravierte Stiftungsinschrift auf einem Kelch in der Strümpfelbacher Kirche, vielleicht von 1611 (nr. 179). In das Alphabet sind vereinzelt Majuskel-N eingestreut. Letzteres ist auch bei der gravierten Stiftungsinschrift auf einem Grunbacher Taufkännchen von 1642 zu beobachten (nr. 301), die in Kapitalis begonnen und wegen Platzmangels am Ende in der weniger Raum beanspruchenden Minuskel in ihrer schrägliegenden Variante fortgeführt wurde.

[Druckseite LVII]

In der schrägliegenden humanistischen Minuskel, die einzelne Elemente der noch im frühen 15. Jahrhundert in Italien ausgeprägten humanistischen Kursive annehmen kann (geschwungene Hasten, keulenartige Verdickung der Ober- und Unterlängen, langess mit Ober- und Unterlänge, eigene Versalien usw.), sind die zahlreichen winzigen Beischriften des Confessio-Gemäldes aus der Schorndorfer Stadtkirche ausgeführt (nr. 313). Die Schriftart war in Johann Dürrs Kupferstich von 1630 vorgegeben, der als Vorlage für das Gemälde diente. Vom ursprünglichen Schriftbefund ist nach mehrfacher Restaurierung und Übermalung allerdings vermutlich nur mehr wenig erhalten.

Die angeführten Beispiele zeigen deutlich, daß die humanistische Minuskel als Schrift monumentaler Inschriften im Bearbeitungsgebiet vor 1650 allenfalls eine untergeordnete Rolle spielte. Größere Bedeutung erlangte sie erst im 18. Jahrhundert164).

5.7. Zeitliche Verteilung der Schriftarten

In die Tabelle sind alle erhaltenen und in Foto oder Abzeichnung überlieferten Inschriften aufgenommen sowie die verlorenen, deren Schriftart aus den Quellen eindeutig zu erschließen ist. Nicht berücksichtigt sind einzelne Initialen, Versalien und Kreuztituli. Inschriftenträger, auf denen sich verschiedene Schriftarten finden, erscheinen in der Aufstellung entsprechend mehrfach. Die in Klammern gesetzten Ziffern bezeichnen unsicher datierte Inschriften.

–1300 –1350 –1400 –1450 –1500 –1550 –1600 –1650 Summe
Romanische Majuskel 2 2
Gotische Majuskel 4 4 3 1 12
Gotische Minuskel 1 7 (1) 35 24 4 1 72 (1)
Frühhum. Kapitalis 4 (1) 5 1 10 (1)
Kapitalis (2) 6 40 (1) 62 108 (3)
Fraktur (1) 14 24 38 (1)
Humanist. Minuskel 1 7 8
Gotische Kursive 3 1 3 7

6. Nicht aufgenommene Inschriften

Im Katalog der Inschriften konnten einige Glocken nicht berücksichtigt werden, deren Vorhandensein zwar bezeugt ist, deren Inschriften aber nicht überliefert sind. So ist von einer großen Glocke in Oppelsbohm, die kurz vor 1652 umgegossen wurde, lediglich das Herstellungsjahr 1440 bekannt. Bei einer kleineren aus derselben Kirche stammenden spätgotischen Glocke, die erst 1918 abgeliefert wurde, reicht der bloße Hinweis auf die vier Evangelistennamen nicht zur zuverlässigen Rekonstruktion der Inschrift aus165). Eine weitere Evangelistenglocke aus der Zeit um 1500 befand sich bis 1917 in der ev. Pfarrkirche zu Weiler (Stadt Schorndorf)166), die Glockenakten des Landeskirchlichen Archivs in Stuttgart verzeichnen den Wortlaut nicht.

Die Sterbeinschrift des 1569 verstorbenen und in der Schorndorfer Stadtkirche begrabenen Johann Jakob Spengler von Neckarburg wird von David Wolleber nur paraphrasierend wiedergegeben167). Demnach war der Knabe zur Schulausbildung nach Schorndorf gekommen. Im Garten des 1834 abgerissenen Schlosses zu Plüderhausen, das ab der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts bis 1653 im Besitz der Familie Leiningen war, befand sich die Grabplatte des 1565 verstorbenen ehrenfesten Johann Leiningen [Druckseite LVIII] zu pliderhusen, der volle Wortlaut war nicht zu ermitteln168). Erhaltene kleine Grabplattenfragmente, die nur noch unzusammenhängende Einzelbuchstaben enthalten (im Murrhardter Carl-Schweizer-Museum und im Backnanger Turmschulhaus169)), wurden ebensowenig berücksichtigt wie die zahlreichen isolierten Bauzahlen und Initialen an Gebäuden.

Ein Zinnreliquiar (?) Trierer Herkunft mit Darstellung des Heiligen Rocks – demnach jedenfalls aus der Zeit nach 1512, als der Heilige Rock in Trier erstmals ausgestellt wurde, – wurde 1923 bei Kanalisationsarbeiten im Bereich des Murrhardter Klosters gefunden, ist aber mittlerweile verschollen. Ebenfalls verschwunden sind die diesbezüglichen Fundberichte und Fotos im Landesdenkmalamt Stuttgart, so daß heute nur noch der Hinweis A. Schahls auf eine Aufschrift mit Marienanrufung und eine Abbildung im Kunstdenkmäler-Inventar des Rems-Murr-Kreises existieren, auf der freilich die Inschrift nicht zu erkennen ist170).

Zitationshinweis:

DI 37, Rems-Murr-Kreis, Einleitung (Harald Drös und Gerhard Fritz), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011e000.

  1. Die gerade in unserem Bearbeitungsgebiet sehr zahlreichen Bauzahlen mit – meist nicht aufzulösenden – Besitzerinitialen an Fachwerkpfosten bleiben somit unberücksichtigt. Dies war umso leichter möglich als sie weitgehend vollständig im Kunstdenkmäler-Inventar von Adolf Schahl (Kdm Rems-Murr) erfaßt worden sind. »
  2. Für zwei Nachträge mußten Zwischennummern (167a, 209a) eingeschoben werden. »
  3. Im Standortregister werden die Ortschaften nach der neuen Gemeindezugehörigkeit aufgeschlüsselt. »
  4. Also etwa „ev. Stadtkirche St. Januarius“, nicht „Klosterkirche St. Januarius“. Die ehemalige Bezeichnung der Kirche – im genannten Beispiel also „Klosterkirche“ – wird nur bei Inschriften angeführt, die vor der Umwidmung des Gebäudes verlorengegangen sind. »
  5. Die vorauszusetzende, im allgemeinen jedoch geringe Zeitdifferenz zwischen einem genannten Datum und der tatsächlichen Ausführung der Inschrift wird vernachlässigt, falls nicht eindeutige Hinweise auf frühere oder spätere Entstehung vorliegen. »
  6. Bei nicht erhaltenen Inschriften ist eine Klassifizierung oft nicht möglich, in solchen Fällen wird die Textart (z. B. Grabschrift) angegeben. »
  7. Grundlegend zum Folgenden: LdBW 3, 471–493; ebd. 2, 99–114. Außerdem sind immer noch die württembergischen Oberamtsbeschreibungen des 19. Jahrhunderts zu vergleichen: OAB Backnang, OAB Cannstatt, OAB Gaildorf, OAB Marbach, OAB Schorndorf, OAB Waiblingen, OAB Weinsberg, OAB Welzheim. – Zur Gebietsreform: Rems-Murr-Kreis. Kreisverwaltung einst und heute, passim; LdBW 3, 484. »
  8. Zu den natürlichen Grundlagen vgl. Wild 17–15; Kennzeichen WN 62–77; LdBW 3, 471–477. »
  9. Vgl. Wagner 73–94. »
  10. Zur römischen Besiedlung allgemein: Die Römer in Baden-Württemberg, bes. 448–453 (Murrhardt), 611–620 (Welzheim). Zu Backnang und Umgebung: Horst Denkinger, Die Römer im mittleren Murrgau (Tl. 1), in: Backnanger Jb. 1 (1991/92) 5–28. »
  11. Jetzt grundlegend: Reichardt, Ortsnamenbuch; zu Heiningen: Kost, Urdorf Heiningen. »
  12. Fritz, Herrschaft 85–89. »
  13. Vgl. die Karte VIII 5 des Historischen Atlas von Baden-Württemberg. Kirchliche Gliederung um 1500 (Beiwort von Meinrad Schaab). Vgl. ferner ebd. Karte V 1: Das merowingische Herzogtum Alemannien (Beiwort von Meinrad Schaab u. Karl Ferdinand Werner m. e. Beitr. v. Otto P. Clavadetscher) sowie Franz Quarthal, Alemannien und Ostfranken im Frühmittelalter (=Veröff. d. Alemannischen Inst. Freiburg 48). Freiburg 1984. »
  14. Vgl. Glässner, Königsgut 20–31; ders., Waiblingens älteste Erwähnung. »
  15. Allgemein vgl. Nüske 95–97; zu Murrhardt: Fritz, Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter 44–46. »
  16. Ebd. 19–37; ferner ders., Murrhardt im Spätmittelalter pass. »
  17. Glässner, Königsgut 31–40. »
  18. Fritz, Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter 127–139; zusammenfassend: ders., Waiblingen und Umgebung 24–26. »
  19. Fritz, Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter 127–139. »
  20. So Mertens, bes. 91–95. »
  21. Glässner, Königsgut 40–75. »
  22. Schmid, Werdegang 57f. »
  23. Fritz, Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter 144–146; ders., Grafschaft Löwenstein 19. »
  24. Kieß, Alfdorf pass. »
  25. Schön pass.; Zehender 484–520. »
  26. Pabst, Burg und Herrschaft. »
  27. Fritz, Waiblingen und Umgebung 481–520. »
  28. Bomm/Fritz/Reustle/Schweizer 50. »
  29. Fritz/Schauer, Herrschaftsverhältnisse 1–19. »
  30. Fritz, Grafschaft Löwenstein 53–68; ders., Murrhardt im Spätmittelalter 25-35. »
  31. Rommel 43–46; Angerbauer pass. »
  32. Vgl. allgemein: Fritz, Herrschaft 97–103; speziell zum Amt Schorndorf: Holub pass. »
  33. Zu Waiblingen: Haupt, Schlacht bei Nördlingen; zu Schorndorf: ders., Zerstörung Schorndorfs pass. Ansonsten liegt lediglich für Sulzbach an der Murr eine Untersuchung vor: Fritz/Klink pass. »
  34. Für nähere Ausführungen zur Orts- und Besitzgeschichte sowie zur Baugeschichte sei hier ein für allemal auf die entsprechenden Abschnitte in der Amtlichen Kreis- und Gemeindebeschreibung (LdBW III, 493–579), im Handbuch der Historischen Stätten Baden-Württemberg und im Kunstdenkmälerinventar für den Rems-Murr-Kreis (Kdm Rems-Murr) verwiesen. »
  35. Fritz, Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter 35–50. »
  36. Zum Komplex der Stiftermemoria vgl. Renate Neumüllers-Klauser, Maulbronner Stifterdenkmäler, in: ZWLG 37 (1978) 27–45; dies., Das Hirsauer Stiftergedenken. Überlegungen zu den Grabmälern im Klosterbereich, in: Der Landkreis Calw. Ein Jb. 6 (1988) 161–173; Renate Kroos, Grabbräuche – Grabbilder, in: Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter, hg. v. Karl Schmid u. Joachim Wollasch (Münstersche Mittelalterschrr. 48). München 1984, 285–353. »
  37. Vgl. Kdm Rems-Murr 619. »
  38. Vgl. OAB Backnang 128 f.: Grabmäler für einen Kraft von Hohenlohe-Weikersheim, für einen Friedrich Sturmfeder und dessen Frau Agatha von Talheim (bislang nicht in die Sturmfeder-Genealogie einzuordnen), für Bernolt von Urbach († 1450/51, vgl. Regesten der Herren von Urbach 65) und für Albrecht von Bönnigheim (der 1342/51 urk. bezeugte? vgl. Alberti 72). »
  39. Erst kürzlich konnte Gerhard Fritz ein kleines als Spolie in der Wand vermauertes Fragment einer weiteren Grabplatte mit wenigen Schriftresten auffinden, das der Frakturschrift nach ebenfalls ins frühe 17. Jahrhundert passen könnte. »
  40. Im Kircheninnern befand sich neben der Kanzel an der Wand eine Inschrift, die besagte, daß während des 30jährigen Krieges in einem Pestjahr allein 1100 Menschen auf dem Kirchhof begraben worden sind. Hinweis in einer Papierhandschrift vermischten Inhalts in der Bibliothek des Heimat- und Kulturvereins Backnang, deponiert im Stadtarchiv Backnang, alte Sign.: Dokum. 7 (1798). Die Notiz muß nach 1841 nachgetragen worden sein, da der Friedhof bereits als „alter Kirchhof“ bezeichnet wird. »
  41. Vgl. etwa die Kanonen Franz’ von Sickingen: DI 34 (Bad Kreuznach) nrr. 254 (1519) und 259 (1522) oder die zahlreichen Bremer Geschütze des 16. und 17. Jahrhunderts: Hermann Frh. von Eelking, Alte Geschützinschriften in der Stadt Bremen, in: Anzeiger für Kunde der dt. Vorzeit, Jg. 1883, 162–166. »
  42. So Palm, Schorndorf 51–61. »
  43. Falls hier nicht eine Neuanfertigung der Grabplatte nach dem Neubau der Kirche vorliegt, vgl. unten S.XXXII. »
  44. Wahrscheinlich gemacht durch Graf, Quellenfund 38f. »
  45. Kdm Rems-Murr 1138. Zu neueren Untersuchungen vgl. Waiblingen in Vergangenheit und Gegenwart 12 (1991): Sonderband Dokumentation Michaelskirche; darin bes. Karlheinz Eckardt, Bericht über baugeschichtliche Untersuchungen in der Michaelskirche Waiblingen vom 19.–25. Februar 1990, 46–83; Herbst/Jenisch, 96–187; sowie kontrovers dazu: Erich Scheible/Helmut Wild, Vortrag mit Lichtbildern: „Die Geheimnisse des Michaelskirchhügels“ am 24. März 1990 in der Michaelskirche Waiblingen, 188-227. »
  46. Nach Kdm Rems-Murr 1139: Turm jedenfalls nach 1462, Langhaus in den 70er und 8oer Jahren; nach Glässner, Grafenstadt 169f.: 1459/63. »
  47. Die Grabplatten im Chor, die 1804 noch sichtbar waren, liegen vermutlich noch unter dem Steinfußboden. In einem Fall ist dies gesichert (nr. 230). Auf eine Hebung mußte wegen Einsturzgefahr der hierher versetzten Epitaphien verzichtet werden. »
  48. Vgl. Klein 45 Anm. 183; Graf, Gmünder Chroniken 82 Anm. 42. »
  49. Zur Person ausführlich Eugen Schneider, David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtsschreibung, in: WVjh NF 20 (1911) 289–309 und Graf; Gmünder Chroniken 77–79; knapper: Klein 45f. und Hölter 166f. »
  50. Kurzüberblick bei Hölter 168. »
  51. Erstdruck Frankfurt am Main 1595/96; deutsche Fassung und Fortsetzung von Johann Jakob Moser u. d. T. Schwäbische Chronik. Frankfurt am Main 1733. »
  52. Vgl. Gustav Lang, Geschichte der württembergischen Klosterschulen. Stuttgart 1938, 153. »
  53. Original und eine Kopie in Stuttgart, HStA A508, Bü. 13. »
  54. Würzburg, Universitätsbibl. M. ch. qu. 83. »
  55. Vgl. dazu Fritz, Murrhardt im Spätmittelalter 325–364. »
  56. Abschrift in Stuttgart, HStA J1 Nr. 161a; Ed. Stuttgart 1904. »
  57. Vgl. Fritz, Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter 15f. »
  58. Ed. Glässner, Waiblingen 1978. »
  59. Stuttgart, Württ. Landesbibl. Cod. hist. F 169a. »
  60. Ebd. Cod. hist. Q 114. »
  61. Fol. 38: Auf dem Kirchhof außer der Stadt sollen rare Steine seyn; allein sie zu lesen, hätte ich ein Viertel Jahr nötig gehabt, dann die meiste sind gesunken, und die übrige ganz mit Moos bewachsen. »
  62. Kopie vom Anfang des 19. Jahrhunderts im Stadtarchiv Schorndorf. »
  63. Stuttgart, Württ. Landesbibl. Cod. hist. F 724. »
  64. Die Benutzung dieser Handschriften war den Bearbeitern nicht möglich. Die Texte werden daher so wiedergegeben, wie sie Hansmartin Decker-Hauff seinerzeit Dieter Reichert mitgeteilt hat und wie sie in Reicherts Zulassungsarbeit (vgl. unten) aufgenommen wurden. »
  65. Zur Person ausführlich: Karl Rögele, Franz Josef Herr. Pfarrektor zu Kuppenheim 1778–1837. Sein Leben und Wirken. Ein Lebensbild aus der Gründungs-Geschichte der Erzdiözese Freiburg. Karlsruhe 1927. Ebd. 276 die Vermutung, ja Überzeugung, Herr sei ein natürlicher Sohn des nachmaligen Großherzogs Karl Friedrich von Baden, was die besonders enge Bindung an das Fürstenhaus von frühester Jugend an erklären könnte. »
  66. Karlsruhe, GLA Hfk/ Hs. 510, IX: Protokoll von 1826, Reinschrift von 1827; Näheres zur Grabung unter nr. 108 Anm. 2. – In der Beurteilung der Inschriften nrr. 108111 in ihren Konsequenzen für die frühe Markgrafengenealogie konnte zwischen den Bearbeitern keine Übereinstimmung erzielt werden. Es sei daher betont, daß die Kommentare dieser Katalognummern ebenso wie die der eng damit zusammenhängenden nrr. 115-118 im wesentlichen die Einschätzung von H. Drös wiedergeben. G. Fritz wird seinen abweichenden Standpunkt an anderer Stelle demnächst ausführlich darlegen. »
  67. Stuttgart, Württ. Landesbibl. Cod. hist. Q 347. »
  68. Ebd. caps. 5; fehlt in der Revisionsliste von 1951. »
  69. LKA, A 26 1478–1484. »
  70. LKA, A 29: Ortsakten. »
  71. Eine Kopie des Teils, der die Inschriften bis 1650 umfaßt, wurde der Heidelberger Inschriftenkommission überlassen. Diese Arbeit wird zitiert mit „Reichert“ und der Angabe der Inschriftennummer. »
  72. Die Wiedergabe der Inschriftentexte ist die gleiche wie in der Tübinger Zulassungsarbeit, die Zählung der Katalognummern weicht aber ab. Das Zitat „Reichert, Inschriften der Stadtkirche“ mit Nummer bezieht sich sowohl auf die Gmünder Zulassungsarbeit als auch auf den Auszug daraus. »
  73. Vgl. zur Terminologie: Seeliger-Zeiss, Grabstein oder Grabplatte 289. »
  74. Abb. bei Friedrich Karl Azzola, Zur Ikonographie des Kreuzes auf Kleindenkmälern des Hoch- und Spätmittelalters im deutschen Sprachraum, in: Deutsche Inschriften 1986, 9–41, hier: 21 Abb. 22; ders., Kreuzplatten. Wir danken Herrn Prof. Azzola herzlich für die Überlassung seines Manuskripts vor der Drucklegung. »
  75. Vgl. nr. 110»
  76. Vgl. nrr. 108111 und oben S. XVI. »
  77. Azzola, Kreuzplatten. »
  78. Vgl. auch zwei ähnliche inschriftlose Grabplatten mit Stabkreuzen aus dem 13. Jahrhundert in der kath. Kirche zu Michaelsberg (Cleebronn, LKr. Heilbronn); eines ist abgebildet in: Anneliese Seeliger-Zeiss, Grabdenkmäler der Kraichgauer Ritterschaft. Ausgewählte Beispiele von der Spätgotik bis zum Frühbarock, in: Die Kraichgauer Ritterschaft in der frühen Neuzeit, hg. v. Stefan Rhein (=Melanchthon-Schrr. der Stadt Bretten 3). Sigmaringen 1993, 215–256, hier: 233 Abb. 1. »
  79. Vgl. etwa die – freilich älteren – winkelförmig nur zweiseitig beschrifteten Grabplatten in Zwettl/Niederösterreich und in der Babenbergergrablege in Heiligenkreuz (letztes Viertel 13. Jh.): Walter Koch, Epigraphik – Die Grabdenkmäler und ihre Beschriftung, in: Die Kuenringer. Das Werden des Landes Niederösterreich, Niederösterreichische Landesausstellung Stift Zwettl 16. Mai–26. Okt. 1981 (=Kataloge des Niederösterreichischen Landesmuseums NF 110). Wien ²1981, 147–160; ders., Zu den Babenbergergräbern in Heiligenkreuz, in: Babenberger-Forschungen (=Jb. für Landeskunde von Niederösterreich NF 42, 1976) 193–215, Taf. III–VIII. »
  80. Oft haben sich nur diese Metallteile erhalten, während die Steinplatten entfernt wurden, so etwa in der Heilbronner Kilianskirche, in der Esslinger Dionysiuskirche oder in der ev. Stadtkirche zu Geislingen a. d. Steige (LKr. Göppingen). »
  81. Daß der Strümpfelbacher Pfarrer Springinshus den Kelch mit der Linken segnet (nr. 130), dürfte wohl ein Versehen des Steinmetzen sein. »
  82. Als weitere figürliche Grabplatte eines Bürgerlichen ist nur noch die im Hauffschen Epitaphienbüchlein als cum effigie defuncti und mit drei Wappen geschmückte Platte des Johann und der Anna Hauff von 1587 (nr. 201†) zu nennen, deren Lage im Fußboden bezeugt ist. »
  83. Vgl. Bauch 215ff. und 233ff.; ferner: Anneliese Seeliger-Zeiss, Ritter-Grabmäler der Parlerzeit im Gebiet der ehemaligen Kurpfalz, in: Zs. des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 32 (1978) 137–167. »
  84. Zur Unterscheidung der einzelnen Grabmaltypen, speziell zur Verwendung des Begriffs „Epitaph“, vgl. Anneliese Seeliger-Zeiss, Grabstein oder Grabplatte 283–291; dies., Grabdenkmäler der Kraichgauer Ritterschaft (wie Anm. 78) 227-255. Die aufwendigeren monumentalen Figurenepitaphien werden nach der von A. Seeliger-Zeiss vorgeschlagenen Terminologie im vorliegenden Band als „Grabdenkmäler“ bezeichnet. »
  85. Die Frauen in reich verziertem Feiertagsgewand, mit großem Schlüsselbund bzw. Gesangbuch in den gefalteten Händen und mit am Hüftgürtel bis fast auf den Boden herabhängendem Beutel und Köcheretui; die Männer im Kettenhemd, kombiniert mit einzelnen Harnischteilen, in hüfthohen Lederstrümpfen und mit eigenartigem Raupenhelm, jeweils mit zwei Jagdhunden an der Leine. Besonders auffallend ist die Bewaffnung: bei Konrad d. Ä. neben Schwert und Dolch ein Streithammer sowie ein Pulverhorn am Schulterriemen, bei seinem Sohn hängt der Streitkolben an einem Riemen an der Hüfte, zusätzlich zum Pulverhorn trägt er eine kostbar verzierte Büchse über der Schulter. Letztere dient hervorgehoben zu werden, da die Darstellung von Fernwaffen aller Art ansonsten auf Grabmälern des Adels, aber auch bei Bürgerlichen, in Mitteleuropa nicht üblich war; vgl. Valentinitsch, Die Aussage des mittelalterlichen Grabmals für die adelige Sachkultur 284. Beispiele dafür, daß gerade der Beruf des Jägermeisters mit seinen typischen Attributen auch ins Bild gesetzt wurde, lassen sich freilich schon 1480 und 1508 in Höhenkirchen (LKr. München) nachweisen: Dort sind auf Epitaphien für die herzoglichen Jägermeister Hans Wager d. Ä. und d. J. die Verstorbenen in ihrer Berufstracht und mit Spürhund an der Leine dargestellt; vgl. Volker Liedke, Die Haldner und das Kaisergrabmal in der Frauenkirche zu München (=Ars Bavarica 2). München 1974, 36 Abb. 21; vgl. DI 5 (München) nrr. 59 und 123. Weiters ist als Parallele das Grabdenkmal für den kurpfälzischen Jägermeister Dietrich von Austke in der Heidelberger Peterskirche von 1588 zu nennen, das den Verstorbenen mit Jagdhund und in die Hüfte gestützter (verlorener) Büchse vor einer Waldlandschaft mit Wildtieren zeigt; vgl. Anneliese Seeliger-Zeiss, Heidelberger Werke des Bildhauers Jeremias Schwartz von Leonberg, in: Jb. d. Staatl. Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 29 (1992) 105–127, hier: 112 Abb. 3. »
  86. Ein außerordentlich frühes Beispiel bietet die Grabplatte Reinbold Beyers von Boppard im Wormser Dom von 1364: DI 29 (Worms) nr. 145; in Mainz für einen Angehörigen derselben Familie 1377: DI 2 (Mainz) nr. 49†; in Würzburg Belege zu 1382 und 1383: DI 27 (Würzburg I) nrr. 106†, 108; in Helmstadt (Rhein-Neckar-Kreis) zu 1390: DI 16 (Rhein-Neckar-Kreis II) nr. 212. Die Anbringung der heraldischen Ahnenprobe auf Grabmälern hat ihre Parallele in der Aufschwörungspraxis der meisten reichskirchlichen adeligen Stifte. Diese forderten seit dem frühen 13. Jh. den Nachweis der Ritterbürtigkeit des aufzunehmenden Kandidaten in der Form, daß adelige Zeugen beschwören mußten, daß die vier Großeltern des Aspiranten aus ritterbürtigem und stiftsmäßigem Geschlecht stammten. Im 15. Jh. kam der Brauch auf, diesen Nachweis schriftlich zu erbringen (in Speyer z. B. seit 1442, seit der 2. Hälfte des 16. Jh. dann in der Form einer gemalten Ahnentafel mit Wappen. Dies mag erklären, warum die Vierer-Ahnenproben zuerst auf Grabmälern von Domkanonikern vorkommen! Vgl. Sigmund Frh. von Pölnitz, Stiftsfähigkeit und Ahnenprobe im Bistum Würzburg, in: Herbipolis jubilans. 1200 Jahre Bistum Würzburg, FS zur Säkularfeier der Erhebung der Kiliansreliquien (=Würzburger Diözesangeschichtsbll. 14/15, 1952/53). Würzburg 1952, 349–355; Gerhard Fouquet, Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter (ca. 1350–1540). Adelige Freundschaft, fürstliche Patronage und päpstliche Klientel (=Quellen u. Abh. zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 57), 2 Tle. Mainz 1987, hier: Tl. 1, 38–43; allgemein: Klaus Schreiner, Art. „Ahnenprobe“, in: Lexikon des Mittelalters 1 (1980) Sp. 233 (m. weiterer Lit.). »
  87. Vgl. etwa die Deutschordens-Aufschwörschilde des 15. Jh. in der Nürnberger Jakobskirche: 800 Jahre Deutscher Orden. Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg ... Gütersloh München 1990, 540–546. »
  88. Kurt Pilz, Der Totenschild in Nürnberg und seine deutschen Vorstufen. Das 14.–15. Jahrhundert, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg Jg. 1936–39, 57–112, hier: 67 Abb. 3. »
  89. Frühe Beispiele im Ulmer Münster reichen sogar bis in die 60er Jahre des 14. Jh. zurück, vgl. Max Bach, Die Grabdenkmale und Totenschilde des Münsters zu Ulm, in: WVjh NF 2 (1893) 129–161, hier: 138ff. Zur großen Zahl der ehemals im Mainzer Dom aufgehängten Totenschilde: DI 2 (Mainz) Einl. S. [37]. »
  90. Die runden Schilde beschreibt Wolleber zumindest immer ausdrücklich als solche, was bei den genannten Beispielen aber nicht der Fall ist. »
  91. Vgl. Seeliger-Zeiss, Grabmal oder Grabplatte 286. »
  92. Vgl. etwa die zahlreichen Abtsepitaphien ab 1597 in der ehem. Klosterkirche zu Bebenhausen (Stadt Tübingen) in: Die Grabdenkmale im Kloster Bebenhausen, bearb. v. Hans Gerhard Brand, Hubert Krins, Siegwalt Schiek (=Beitrr. zur Tübinger Geschichte 2). Tübingen 1989, 68–126. »
  93. Abweichungen zeigen sich allerdings in den Inschriften der Grabtäfelchen aus den Markgrafengräbern in Backnang (nrr. 108111), die freilich als Translationsnotizen eine zusätzliche Funktion zu erfüllen haben. »
  94. In der Bauinschrift nr. 3 findet sich vielleicht zusätzlich eine Datierung nach päpstlichen Pontifikatsjahren. Nur ganz vereinzelt und erst ab der Mitte des 16. Jh. ist eine Reduzierung der Jahreszahl auf die letzten beiden Stellen („Minderzahl“) zu beobachten: nrr. 150 (1542), 196 (1582), 232 (1599). »
  95. Dies müßte anhand einer breiteren Materialbasis überprüft werden. Das Dilemma, zu dem das Zusammentreffen von Fürbitte und Tagesdatum nach Festkalender am Textende führen konnte, dokumentiert eine Inschrift von 1453 (nr. 32): ... obiit dictus eberhardvs stvrmfeder armiger feria secunda ante festum vrbani pape cvivs anima reqviescat in pace. Die Fürbitte kann sowohl auf den Verstorbenen als auch auf den hl. Urban bezogen werden. »
  96. Nr. 45 †: die secunda Aprilis. Zwar nur kopial, aber zuverlässig überliefert. »
  97. 1587 (nr. 200) mit der ungewöhnlichen Einleitung: [Auf] heut dato Donnerstag den ...; dann nrr. 215218 (vor 1597), 232 † (1599), 235 (1600). »
  98. Zum Eindringen des Deutschen in die Inschriften allgemein vgl. Kloos, Einführung 41; Renate Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache in Bau- und Künstlerinschriften, in: Deutsche Inschriften 1984, 62–81; dies., Frühe deutschsprachige Inschriften, in: Latein und Volkssprache im deutschen Mittelalter 1100–1500. Regensburger Colloquium 1988, hg. v. Nikolaus Henkel u. Nigel F. Palmer. Tübingen 1992, 178–198; Nikolaus Henkel, Die Stellung der Inschriften des deutschen Sprachraums in der Entwicklung volkssprachlicher Schriftlichkeit, in: Vom Quellenwert 161-187; Christine Wulf, Versuch einer Typologie der deutschsprachigen Inschriften, in: Epigraphik 1988, 127–137. »
  99. Vgl. aber die Formel dem/der Gott g(e)nad, die in Würzburg ab 1401 belegt ist: DI 27 (Würzburg I) nrr. 139 (1401), 145† (1404), 152 (1407). Auch in Burghausen (Oberbayern) findet sich ein frühes Beispiel 1409: Johann Dorner, Die Inschriften der Stadt Burghausen vor dem Jahre 1805. Tl. I: Die Inschriften des Stadtgebietes ohne Stadtteil Raitenhaslach (=Burghauser Geschichtsbll. 37). Burghausen 1981, nr. 6. Die Erweiterung zu dem Gott gnädig sei o. ä. finde ich im bislang publizierten Material zuerst 1438 in Bronnbach: DI 1 (Bad. Taubergrund) nr. 135; 1442 in Augsburg: Kosel nr. 47. »
  100. Die nur abschriftlich überlieferte Sterbeinschrift für den 1386 gestorbenen wolgebohrne(n) herr(n) Burkhard von Hohenberg (DI 30 [Calw] nr. 45†) kann in dieser Form unmöglich zeitgenössisch sein und fällt daher als Frühbeleg aus. Das Epitheton wohlgeboren für Edelfreie und Grafen (lat. generosus/illustris) und das entsprechende hochgeboren für Fürsten (lat. illustris) begegnet in Inschriften sonst erst vor der Mitte des 15. Jh.: 1440 Graf von Wertheim (DI 1 nr. 138); 1456 Graf von Abensberg, vgl. Liedke, Die Haldner (wie Anm. 85) 53 u. 163; um 1463 Frh. von Indersdorf (ebd. 62f.). Die Schorndorfer Inschrift scheint 1477 nach dem Neubau der Stadtkirche nach damals gängigem Formular neu angefertigt worden zu sein, vermutlich an Stelle einer älteren (lateinischen?). »
  101. Wulf (wie Anm. 98) 131 f. »
  102. Die früh- und hochmittelalterlichen in gebundener Sprache abgefaßten Inschriften enthielten sehr häufig solche Grabbezeugungen, die aber von dem obiit-Formular ganz verdrängt wurden. Einen guten Überblick bieten die bisher 16 erschienenen Bände des CIFM. »
  103. Vgl. oben S.XXXII mit Anm. 100. »
  104. Bischof: 1137 Heidelberg: DI 12 (Heidelberg) nr. 2†; 1190 Würzburg: DI 27 (Würzburg 1) nr. 12; Kanoniker: 1271 Maulbronn: DI 22 (Enzkreis) nr. 6; Abt: 1306 Ebrach: DI 18 (Haßberge) nr. 9†; Äbtissin: 13. Jh. Lobenfeld: DI 12 (Heidelberg) nr. 24; Leutpriester: 1334 Rothenburg o.T.: DI 15 (Rothenburg) nr. 19 usw. »
  105. Frühe inschriftliche Belege finden sich etwa in Weinheim 1293: DI 16 (Rhein-Neckar-Kreis II) nr. 6; Rothenburg o.T. 1303: DI 15 nr. 9; Würzburg 1328 (nur kopial): DI 27 nr. 51†. »
  106. Zur Dokumentierung des sozialen Aufstiegs in der äußeren Gestaltung der Grabmäler und in der Formulierung der Sterbeinschriften vgl. Helfried Valentinitsch, Grabinschriften und Grabmäler als Ausdruck sozialen Aufstiegs im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Epigraphik 1988, 15–26. »
  107. Vgl. validus als Epitheton des ebenfalls 1471 verstorbenen armiger Johann von Dürn in Amorbach: Rudolf Viernengel, Ergänzungen zu dem Inschriftenband Mosbach, Buchen und Miltenberg, unt. Mitarb. v. Helmut Hartmann, in: Aschaffenburger Jb. 6 (1979) 37–125, hier: nr. 170c†. »
  108. Vgl. Anm. 100. »
  109. Hauffs Grabplatte war mit drei Wappen versehen; das erhaltene Stickelsche Grabdenkmal ahmt mit den lebensgroßen Standfiguren des Ehepaars – der Offizier in Ritterrüstung und vor einem Löwen stehend – in allem die zeitgenössischen Adelsgrabmäler nach, bezeichnenderweise abgesehen von der Wappen-Ahnenprobe. Vgl. dazu Valentinitsch, Ausdruck sozialen Aufstiegs (wie Anm. 106) 19f. »
  110. Dem entsprechen die Epitheta ehrwürdig und edel der adeligen Äbtissin von Oberstenfeld Sophia von Remchingen in einer Bauinschrift von 1592 (nr. 207). »
  111. Bei den früheren Beispielen für Kindergrabschriften handelt es sich um Mitbestattungen bei einem der Elternteile (nrr. 103, 150). »
  112. Bei bildlicher Darstellung der ganzen Familie sind die Namen der Kinder gewöhnlich über oder unter den Figuren beigeschrieben, stehen also außerhalb der eigentlichen Sterbeinschriften. »
  113. Vgl. dazu für den Bereich der Steiermark: Helfried Valentinitsch, Die Aussage der steirischen Inschriften über Reformation und Gegenreformation, in: Evangelisch in der Steiermark. Glaubenskampf – Toleranz – Brüderlichkeit, Ausstellungsführer, hg. v. Gerhard Pferschy (=Styriaca NR 2). Graz 1981, 486–50; ders., Frühneuzeitliche Familien- und Kindergrabmäler in der Steiermark, in: Bll. für Heimatkunde 66 (1992) 123–138. »
  114. Vgl. zuletzt die grundsätzlichen Ausführungen von Edmund Kizik, Die Funktion der Glockeninschriften. Ein Versuch ihrer Einteilung unter methodologischem Aspekt, in: Vom Quellenwert 189–207; allg.: Heinrich Otte, Glockenkunde. Leipzig 21884; Karl Walter, Glockenkunde. Regensburg Rom 1913. »
  115. Datierte Glocke von 1247 in Regensburg, Kollegiatkirche U. L. F. zur Alten Kapelle, vgl. Die Kunstdenkmäler der Oberpfalz 22: Stadt Regensburg II: Die Kirchen der Stadt (mit Ausnahme von Dom und St. Emmeram), bearb. v. Felix Mader (Die Kunstdenkmäler von Bayern). München 1933, 38. »
  116. Vgl. Dt. Glockenatlas WürttHohenzollern 35 Anm. 90. »
  117. Ebd. 22–24. »
  118. Bernhart Lachamans Glocken sind von 1481 bis zu seinem Tod 1517 bezeugt, danach führten sein gleichnamiger Sohn († 1523) und dann wohl dessen Witwe die Gießhütte bis 1526 weiter, vgl. ebd. 31–33. »
  119. Gleiches Formular mit Gießername auf einer Glocke von 1530 in der Spitalkirche zu Horb am Neckar und von 1531 in Sigmarswangen (beide LKr. Freudenstadt), vgl. ebd. nrr. 873, 886. »
  120. Zu Martin und Hans Miller vgl. ebd. 65f. »
  121. Vgl. etwa auch die Mahninschrift im Regensburger Dom (E. 15. /A. 16. Jh.): Schvler • dv • hast • nit • czv • schik • dv • ge • in • Kor • vnd • sing, vgl. Die Kunstdenkmäler der Oberpfalz 22: Stadt Regensburg I: Dom und St. Emmeram, bearb. v. Felix Mader (Die Kunstdenkmäler von Bayern). München 1933, 79. »
  122. Hartmut Boockmann, Über Schrifttafeln in spätmittelalterlichen Kirchen, in: Dt. Archiv 40 (1984) 210–224. »
  123. Henkel, Stellung der Inschriften (wie Anm. 98) 162. »
  124. Die Aufnahme der Schmidener Inschriften rechtfertigt sich – entgegen den Bearbeitungsrichtlinien des deutschen Inschriftenwerks, die die Aufnahme von Graffiti nicht vorsehen – durch die zeitliche Geschlossenheit der Einträge, die noch durchweg aus vorreformatorischer Zeit stammen. Das verstärkte Aufkommen von Kritzelinschriften hat Helfried Valentinitsch z.B. für die Steiermark ab der 2. Hälfte des 15. Jh. feststellen können: H.V., Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte der Inschriftensammlung, in: Epigraphik 1982, 31–41, hier: 40 Anm. 32. »
  125. Vgl. zuletzt etwa DI 29 (Worms) Einl. LXf.; ferner die Grabplatten des Klosters Disibodenberg: DI 34 (Bad Kreuznach) Einl. XLVf. »
  126. Etwa im Vergleich zu den rund eine Generation früher entstandenen Hirsauer Inschriften: DI 30 (Calw) nrr. 5, 6. Das ältere der beiden Portaltympana in Bad Herrenhalb (vor 1200, ebd. nr. 7) zeigt eine insgesamt noch ähnliche Schrift mit fast ausschließlich kapitalem Bestand und einzelnen Ligaturen. Die Hastenverbreiterung und leichte Bogenschwellung sind dort allerdings bereits vorhanden, auch unziales E. In der dünnen Strichführung steht der Murrhardter Inschrift m. E. die jüngere (?) Herrenalber Tympanoninschrift (DI 30 nr. 10: „um 1200“) noch näher. Jedenfalls ist der Entwicklungsstand, der laut Kloos, Einführung 124f. bereits in der ersten Hälfte des 12. Jh. erreicht sein sollte und sich in der Zurückdrängung der eckigen Formen, Ligaturen und Enklaven bei gleichzeitigem Vordringen unzialer Formen ausdrückt, eindeutig noch nicht erreicht, erst recht nicht die von Kloos ab der Mitte des 12. Jh. beobachtete Abschließung der Einzelbuchstaben gegeneinander und die innere Ausrundung (ebd. 126). Die hauptsächlich am französischen und rheinländischen Material sowie an ohnehin fortschrittlicheren Goldschmiedearbeiten gewonnenen Datierungskriterien lassen sich nicht ohne weiteres auf den süddeutschen Raum übertragen. Die Beobachtung, daß man in Süddeutschland länger auf den romanischen Formen beharrte und noch bis ins beginnende 13. Jh. reine Kapitalisalphabete verwendete (ebd. 128), bestätigt sich somit, wenn auch die von Kloos herangezogenen Beispiele der Wildenburginschriften nicht taugen. Ihre Entstehung im 19. Jh. ist mittlerweile nicht mehr umstritten, vgl. Neumüllers-Klauser, Epigraphische Fälschungen 178. »
  127. Der Hinweis wird Frau Prof. R. Neumüllers-Klauser verdankt; vgl. Norbert Eickermann, Epigraphische Notizen aus Soest, in: Soester Zs. 84 (1972) 25–39, hier: 28–30; künftig ferner: Renate Neumüllers-Klauser, Fragen der epigraphischen Schriftentwicklung in Westfalen ca. 1000–1300, im Tagungsband der Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik, Bonn 3.–5. Juni 1993 (mit Abb.). »
  128. So bezeichnet seit Isidor, Etymologiae IX 1, 3; vgl. dazu und zum Folgenden grundlegend: Berschin 31–58 (Kapitel „Schätzung und Kenntnis des Griechischen“). »
  129. Berschin 37; vgl. V. Gardthausen, Die griechische Schrift des Mittelalters im Westen Europas, in: Byzantinisch-neugriechische Jbb. 8 (1929/30) 114–135, hier: 122f. »
  130. An erster Stelle sind zu nennen Isidor, Etymologiae und Beda, De temporum ratione; ferner Hrabanus Maurus, De computo und Hugo von St. Victor, De grammatica. »
  131. In der Kanzlei Kaiser Heinrichs III. ist zwischen 1048 und 1054 für die Schreibung des Namens des Kanzlers Winither im Rekognitionszeichen ebenfalls das griechische Alphabet verwendet, vgl. Paul Kehr, Einleitung zu MGH DD. H. III., XLIIIf. »
  132. Berschin 42. »
  133. Vgl. Kloos, Einführung 128f. Die Soester Patroklus-Inschrift verwendet dagegen ein A mit Schrägbalken. »
  134. DI 27 (Würzburg I) nrr. 21, 25. »
  135. Vgl. Bischoff, Paläographie 190; ferner: Walter Heinemeyer, Studien zur Geschichte der gotischen Urkundenschrift, in: Archiv für Diplomatik 1 (1955) 320–381; 2 (1956) 250–323; 5/6 (1959/60) 308–429. »
  136. Kloos, Einführung 132: „Im Laufe des 14. Jh. strecken sich die Buchstaben wieder.“ »
  137. Der Bischofssitz scheint Vorbildfunktion gehabt zu haben. Frühestes Beispiel ist die voll durchstilisierte Inschrift auf dem Grabmal Bischof Wolframs: DI 27 (Würzburg I) nr. 57, es folgt das Grabmal Bischof Ottos 1345: ebd. nr. 66. In Würzburg ist die Schrift in dieser Ausprägung bis 1372 nachweisbar: ebd. nr. 91. Eine noch unregelmäßigere und unbeholfenere Nachahmung als die Beispiele im Rems-Murr-Kreis findet sich in Waldhausen (Main-Tauber-Kreis) 1361: DI 1 (Main- und Taubergrund) nr. 113. Vergleichbar, aber wiederum wesentlich regelmäßiger sind schließlich zwei Inschriften aus Nagold (LKr. Calw) von 1360 und 1374: DI 30 (Calw) nrr. 37, 41 u. Einl. XXVII»
  138. Vgl. auch den „Nachzügler“ von 1502 in Effringen (LKr. Calw), eine Bauinschrift, die noch im wesentlichen am gotischen Majuskelalphabet orientiert ist: DI 30 (Calw) nr. 174. Zum in manchen Regionen längeren Weiter- und Nachleben der gotischen Majuskel vgl. Rüdiger Fuchs, „Übergangsschriften“ (Diskussionsbeitrag), in: Epigraphik 1988, 331–336. »
  139. Den besten Überblick über Entstehung und Entwicklung der Textura mit weiteren Lit.angaben bietet Bischoff, Paläographie 171–183. »
  140. Dazu grundlegend Renate Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache in Bau- und Künstlerinschriften 63–66. »
  141. Zu regionalen Unterschieden vgl. aber z.B. DI 29 (Worms) Einl. LXI f. »
  142. Erste – freilich revisionsbedürftige – Hinweise zu Datierungskriterien nach Versalien gibt Kloos, Einführung 137. »
  143. Im LKr. Bad Kreuznach lassen sich entsprechende Versalien in epigraphischer Verwendung schon 1412 beobachten, vgl. DI 34 (Bad Kreuznach) Einl. LI»
  144. Diese charakteristischen Versalien ermöglichen die Zuschreibung eines weiteren Grabmals zu dieser Werkstatt: Grabplatte der Anastasia von Rietheim († 1500) in der Göppinger Oberhofenkirche. Ein spätes Werk derselben Provenienz könnte die Grabplatte der Christophora von Stammheim († 1513) in Stuttgart-Stammheim sein. »
  145. Vgl. etwa DI 22 (Enzkreis) Einl. XXVI. »
  146. DI 25 (Ludwigsburg) Einl. XLIV»
  147. Vgl. Dt. Glockenatlas WürttHohenzollern 63f. »
  148. Dazu zuletzt klärend Walter Koch, Zur sogenannten frühhumanistischen Kapitalis (Diskussionsbeitrag), in: Epigraphik 1988, 337–345; ferner: Renate Neumüllers-Klauser, Epigraphische Schriften zwischen Mittelalter und Neuzeit (Grundsatzreferat), ebd. 315–328. »
  149. Den Charakter der frühhumanistischen Kapitalis als einer Schrift der Übergangszeit, nicht als einer Übergangsschrift, die direkt zur Renaissance-Kapitalis hinführt, betont Koch (wie Anm. 149) 338. »
  150. Vgl. die 1490 vollendeten Gewölbemalereien in Maria Saal/Kärnten mit Darstellung des Stammbaums Christi und Beischriften in frühhumanistischer Kapitalis: Friedrich W. Leitner, Die Inschriften im Langhausgewölbe von Maria Saal. Ein Beitrag zur Darstellung der frühhumanistischen Kapitalis in Kärnten, in: Epigraphik 1982, 63–76. »
  151. Dieselbe Form des A im Gebetbuch Eberhards von 1492/96, vgl. Württemberg im Spätmittelalter. Ausstellung des HStA Stuttgart und der Württembergischen Landesbibliothek, Katalog bearb. v. Joachim Fischer, Peter Amelung u. Wolfgang Irtenkauf. Stuttgart 1985, 28f. nr. 18 Abb. 13. Vgl. auch DI 25 (Ludwigsburg) Einl. XLVIIIf. Auch Kaiser Friedrichs III. berühmte Wortdevise AEIOV wurde häufig in der dekorativen neuen Schrift dargestellt, vgl. dazu Leitner, Die Inschriften von Maria Saal (wie Anm. 151) 68; Koch, Zur sog. frühhumanistischen Kapitalis (wie Anm. 149) 343. »
  152. D und Q in der beschriebenen Gestalt kommen in der Grabinschrift eines Markgrafen von Baden (Markus?) 1478 im Straßburger Münster vor, vgl. Koch, Zur sog. frühhumanist. Kapitalis (wie Anm. 149) Abb. 4. Das S aus zwei getrennt übereinandergesetzten gegenläufigen Bögen in derselben Form auf einer Stiftsherren-Grabplatte von 1529 in Öhringen (Hohenlohekreis), nach Autopsie. »
  153. Zur Einordnung dieser anachronistischen Schriften erste Hinweise bei Koch, Zur sog. frühhumanist. Kapitalis (wie Anm. 149) 338 u. 344. »
  154. Weitere im Schriftartenregister unter „Kapitalis“ aufgeführte frühe Inschriften betreffen durchweg aufgemalte oder geschnitzte Kreuztituli (nrr. 44, 84, 106, 107) oder andere Initialen (nr. 112), d.h. hier ist die Schrift zwar als Auszeichnungsschrift verwendet, von einer Rezeption als Textschrift kann aber noch nicht gesprochen werden. »
  155. Y mit Trema ab 1594 (nr. 211). »
  156. Dasselbe G und eine insgesamt ähnliche Schrift, aber in primitiverer Ausführung, auch auf einer Grabplatte von 1597 in Oppenweiler (nr. 219), vielleicht die Arbeit eines ungeübteren Steinmetzen derselben Werkstatt. Die Werkstatt, die auch durch prägnante Gestaltung von Wappenschilden, Spangenhelmen und Helmdecken sowie durch die Bevorzugung eines kreuzförmigen Bandwerkornaments auffällt, hat außerhalb des Rems-Murr-Kreises, soweit bislang ermittelt, Inschriftendenkmäler in Dürnau (LKr. Göppingen, 1598 und 1607), in Stuttgart (Hospitalkirche, 1600), in Nürtingen (LKr. Esslingen, um 1600) sowie im LKr. Ludwigsburg in Aldingen (1580/1607, 1619), Hemmingen (1600), Oßweil (1596) und Unterriexingen (1577, 1584) geschaffen. »
  157. Zu den Ursprüngen der Fraktur vgl. Hans A. Genzsch, Kalligraphische Stilmerkmale in der Schrift der luxemburgisch-habsburgischen Reichskanzlei. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Fraktur, in: Mitt. des Österr. Instituts für Geschichtsforschung 45 (1931) 205–214; Heinrich Fichtenau, Die Lehrbücher Maximilians I. und die Anfänge der Frakturschrift. Wien 1961; Kloos, Einführung 141–143. Zur Rezeption als Monumentalschrift: Peter Zahn, Beiträge zur Epigraphik des 16. Jahrhunderts. Die Fraktur auf den Metallinschriften der Friedhöfe St. Johannis und St. Rochus zu Nürnberg (= Münchener Hist. Studien Abt. Geschichtl. Hilfswiss. 2). Kallmünz 1966. »
  158. Kloos, Einführung 142. »
  159. Vgl. jedoch die unten geäußerten Bedenken. »
  160. Vgl. aber DI 25 (Ludwigsburg) Einl. XLVII, wo diese Fraktur als „geradezu klassisch streng und ausgewogen“ bezeichnet wird. »
  161. DI 25 (Ludwigsburg) nrr. 552, 631»
  162. Vgl. vor allem die bislang publizierten reichen Bestände in Nürnberg und in Rothenburg o. T: DI 13 (Nürnberg, St. Johannis, St. Rochus und Wöhrd) und DI 15 (Rothenburg). »
  163. Vgl. Bischoff, Paläographie 195–201 Kloos, Einführung 143–153. »
  164. Vgl. aber die wesentlich frühere und breitere Rezeption in der Universitätsstadt Heidelberg, wo die Schrift ab 1546 – vorwiegend für lateinische Sterbeinschriften von Universitätsangehörigen – Anwendung fand: DI 12 (Heidelberg) Einl. XXII. »
  165. Vgl. Kdm Rems-Murr 291. »
  166. Ebd. 1042. »
  167. Wolleber, Chor. Würt. (J1 Nr. 24) 586; vgl. Reichert nr. 74. »
  168. Kdm Rems-Murr 734 ohne Quellenbeleg. In den an anderer Stelle angeführten von Schahl benutzten Quellen fand sich kein entsprechender Eintrag. »
  169. Vgl. oben Anm. 39. »
  170. Kdm Rems-Murr 593f. »