Die Inschriften des Rems-Murr-Kreises

4. Die Inschriftenträger

4.1. Inschriften des Totengedenkens

Die folgenden Ausführungen sollen über das Aussehen, die Funktion und das Formular der unterschiedlichen Formen von Totengedächtnismälern unterrichten, die im Rems-Murr-Kreis vorkommen und die den weitaus größten Bestandteil der Inschriftendenkmäler bilden. Wegen der – vor allem für das Mittelalter – geringen Dichte erhaltener Grabmäler verbietet es sich, aus dem Bestand Rückschlüsse auf die Entwicklung der Grabmaltypen und der Sepulkralkultur im allgemeinen zu ziehen. Immerhin ermöglichen die bisweilen recht genauen Beschreibungen mittlerweile verlorener Grabmäler durch die Chronisten des 16. und 17. Jahrhunderts, gelegentlich auch solche nicht erhaltenen Objekte zur Ergänzung des zwangsläufig lückenhaften Bildes heranzuziehen.

4.1.1 Die äußere Gestaltung der Grabmäler

Die ältesten mittelalterlichen Grabmäler aus dem Rems-Murr-Kreis, die auf uns gekommen sind, sind zwei inschriftlose Grabplatten für Äbte des Klosters Murrhardt, wohl aus der 2. Hälfte des 12. oder aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Unter Grabplatte versteht man die fast immer waagrecht über der Grabstätte liegende zu deren Abdeckung dienende aus einem Werkstück gearbeitete Steinplatte von meist rechteckigem Umriß. Die meisten Platten waren ursprünglich in den Fußboden von Kirchen oder Kreuzgängen eingelassen73). Beide Murrhardter Abtsgrabplatten hatten ursprünglich ähnliche, für die frühe Zeit typische schlanke Abmessungen (bei nur etwa 75 cm Breite eine Höhe von über 220 cm). Die eine Platte, mit breitem Wulstrand versehen, zeigt ein Stabkreuz in versenktem Relief und einen links danebengestellten Abtsstab in gleicher Technik74). Die zweite Platte ist noch schlichter, der Rand ist glatt, im Mittelfeld ist nur das Pedum eingetieft. Ganz ähnlich ist die ebenfalls inschriftlose Deckplatte des Sarkophags für die 1162 verstorbene badische Markgrafentochter Judith in der Backnanger Stiftskirche gearbeitet: auch hier der Wulstrand und ein Kreuz in versenktem Relief, zusätzlich das Lamm Gottes, das den Kreuzstab hält75). Die Markgrafengräber des 12. und 13. Jahrhunderts, aus denen 1513 die Gebeine erhoben und zusammen im neuen Chor der Stiftskirche beigesetzt wurden76), waren wohl allesamt nicht inschriftlich bezeichnet.

Die erste zumindest fragmentarisch erhaltene Grabplatte, die eine Inschrift trägt, ist wiederum eine des Klosters Murrhardt (nr. 2). Die metrische Inschrift läuft auf dem Rand zwischen Ritzlinien um, das Mittelfeld ist eingetieft und zeigt – jedenfalls in der erhaltenen Hälfte – keine bildliche Darstellung. Das gegenüber den inschriftlosen Abtsgrabplatten breitere Format und die Schrift deuten auf eine Entstehung im 1. Drittel des 13. Jahrhunderts. Auch wenn auf die Darstellung des Krummstabs verzichtet ist, dürfte es sich am ehesten wiederum um die Grabplatte für einen Abt handeln. In der Gestaltung der Abtsgräber scheint man im 13. Jahrhundert ohnehin von der älteren Form gelegentlich abgewichen zu sein. Darauf deutet zumindest die Nachricht hin, das (mittlerweile verlorene) Grabplattenfragment des Abts Dietrich von Hohenstein aus den 1280er Jahren (nr. 6†) sei mit einem Wappen geziert gewesen. Es dürfte sich auch hier um eine Platte mit Umschrift gehandelt haben, das Wappen im Feld war vielleicht mit dem Pedum kombiniert.

Die erhaltenen Murrhardter Mönchsgrabplatten des 15. Jahrhunderts knüpfen in der äußeren Form deutlich an die inschriftlosen Steine des Hochmittelalters an: Drei Platten von 1466, 1474 und 1484 nehmen das Bild des eingetieften Kreuzstabs auf, wobei jeweils ein Kelch mit Hostie als Zeichen des Priesteramts in Ritzzeichnung beigefügt ist, einmal zudem das Familienwappen des Mönchs (nrr. 41, 49, 52). Eine Abtsgrabplatte von 1473 ist mit dem Pedum und zusätzlich mit der Mitra bezeichnet (nr. 47), eine weitere aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts mit Pedum, Mitra und Wappen (nr. 99). All diese Platten sind jetzt freilich mit Umschriften versehen. Es handelt sich nicht, wie vermutet wurde77), um Zweitverwendung älterer, ursprünglich inschriftloser Steine. Das einheitlich deutlich niedrigere und breitere Format paßt nicht ins 12. oder 13. Jahrhundert, außerdem ist der Kreuzstab bzw. das Pedum von vorneherein so eingefügt, daß eine Umschrift Platz fand, während die Kreuzarme der alten Platte fast am Rand anstoßen und somit für eine Inschrift schon von der Konzeption her keinen Platz lassen78). Ähnlich den Murrhardter Mönchsgrabplatten ist eine Platte für einen Priester in Backnang aus dem Ende des 15. Jahrhunderts (nr. 70) mit Kreuz und Kelch in Ritzzeichnung versehen. Die Inschrift ist allerdings nur an den Längsseiten angebracht und ist gleichlaufend zum rechten Rand hin ausgerichtet. Vielleicht lag die Platte an einer Wand, und die gleich ausgerichtete Schrift sollte das bessere Lesen ermöglichen79).

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Wesentlich aufwendiger als die schlichten Mönchsgrabplatten sind die ersten Figurengrabmäler des Bearbeitungsgebiets gestaltet. Die aus der Beutelsbacher Stiftskirche stammende Grabplatte mit den vollplastischen Liegefiguren des Grafen Ulrich von Württemberg und seiner Frau Agnes von Schlesien aus dem Ende des 13. Jahrhunderts (nr. 4) diente als Abdeckung eines wie auch immer gearteten Hochgrabs. Darauf deutet die nach außen gerichtete und auf abgeschrägtem Rand angebrachte Umschrift hin, die vom Betrachter so beim Gang um das Hochgrab gut gelesen werden konnte. Die Figuren sind eindeutig als Liegende dargestellt, ihre Köpfe ruhen auf Kissen, die an die Kissen gelehnten Wappenschilde sind nur bei horizontaler Lage der Platte sichtbar. Ebenso handelt es sich bei der Figurengrabplatte des Ritters Burkhard Sturmfeder von 1365 um eine Hochgrab-Deckplatte (nr. 14). Der Ritter ist in seiner Rüstung und betend dargestellt, der mit der Beckenhaube bedeckte Kopf ruht auf dem quergelegten Kübelhelm, der Schild ist seitlich an die Hüfte gelehnt. Auch hier deckt sich die Konzeption als Liegefigur mit der Ausrichtung der Inschrift zum Plattenrand hin, der Rand ist allerdings in diesem Fall nicht abgeschrägt.

Von den Grabmälern der Murrhardter Klostervögte, der Grafen von Löwenstein, hat sich nur eine Grabplatte für den Grafen Nikolaus († 1340) erhalten (nr. 12). Sie zeigt heute nur noch eine Umschrift, deren mehrfache Unterbrechungen aber auf eine frühere Darstellung im Mittelfeld hindeuten, die teilweise in den Umschriftrand ragte und später abgearbeitet wurde. Die Position dieser Unterbrechungen wie auch die nach innen gerichtete Inschrift sprechen eher gegen eine figürliche Hochgrab-Deckplatte, vermutlich handelte es sich um eine Wappengrabplatte mit dem Relief eines Vollwappens. Die Grabplatte mit Umschrift und Wappendarstellung im Mittelfeld war die vom Adel im Spätmittelalter bevorzugte Form. Die Grabplatte des Grafen Rudolf von Tübingen (nr. 18†) war als solche ausgeführt, die früheste erhaltene ist die des Heinrich Sturmfeder (1437, nr. 21). Sie ist bereits mit zwei Wappen, denen des Vaters und der Mutter, geschmückt. Auf der Grabplatte des 1471 verstorbenen Friedrich Sturmfeder sind die Wappen erstmals mit einer gotischen Architekturrahmung des Bildfelds kombiniert.

In dem kurzen Zeitraum von 1471 bis 1515 lassen sich insgesamt acht Grabplatten nachweisen, die mit aufgedübelten Messing- oder Bronzeauflagen versehen waren, die als Schrift- und Bildträger fungierten. Teilweise erhalten haben sich nur die Wappen- und Schriftplatten von den 1513 transferierten Markgrafengräbern in Backnang (1515, nrr. 115, 116, 117†, 118†). Auf den Schrifttafeln sind die Inschriften zeilenweise angeordnet. Das früheste Beispiel einer Grabplatte mit Metallauflage ist die verlorene Grabplatte der Gräfin Anna von Katzenelnbogen aus Waiblingen (1471, nr. 45†). Das zentrale Wappen und vielleicht auch die (umlaufenden?) Schriftleisten waren gegossen. Weitere drei Platten mit Metallauflagen, allesamt aus der Schorndorfer Stadtkirche, sind nur mehr kopial überliefert: aus Metall waren jeweils die Schrifttafeln, bei den Priestergrabplatten ferner das Kelchsymbol (nrr. 94†, 103†, 113†)80).

An aufwendigen Grabkonstruktionen der mittelalterlichen Zeit ist das Walterichsgrabmal zu erwähnen, das zusätzlich zur Grabplatte, die im 14. oder 15. Jahrhundert eine Inschrift erhielt, mit einem beweglichen „schwebenden Stein“ versehen war. Über das Aussehen der Gesamtanlage wissen wir aber nichts (nr. 74†). Das in der Murrhardter Klosterkirche um 1440 errichtete Stiftergrabmal für Kaiser Ludwig den Frommen (nr. 25) ist als Tumba gestaltet. Die Deckplatte mit umlaufender Inschrift auf abgeschrägtem Rand zeigt im Bildfeld die stehende Gestalt des Kaisers und sein Wappen in Ritzzeichnung. Grabplatten mit figürlicher Ritzzeichnung kommen andernorts wesentlich häufiger vor, im Rems-Murr-Kreis ist als einzige Parallele das Fragment einer Grabplatte für einen Mönch (?) vom ehemaligen Kloster Engelberg (1496, nr. 67) zu nennen, das nur mehr den Kopf des Verstorbenen zeigt.

Grabplatten, auf denen die Gestalt des Verstorbenen in flachem oder hohem Relief ausgeführt ist, haben sich dagegen aus dem 1. Viertel des 16. Jahrhunderts gleich viermal erhalten, durchweg sind es Grabmäler für Priester (nrr. 114, 123, 129, 130). Im eingetieften Mittelfeld ist die stehende Figur des Geistlichen in standestypischer Kleidung (Priestergewand, Birett, Manipel) und mit dem Gestus der Kelchsegnung81) dargestellt, als Rahmung des Bilds sind Rundbögen oder Astwerkbaldachine gewählt. Trotz der eindeutig stehenden, nicht liegenden Haltung der Figuren bezeugen Fundumstände bzw. deutliche Abtretungsspuren der Steine ihre ursprüngliche Funktion als Grabplatten. Ob [Druckseite XXVII] es sich bei der Platte mit Figurenrelief des Waiblinger Untervogts Kühorn von 1526 (nr. 133) ebenfalls um eine Grabplatte handelt, ist dagegen nicht mehr eindeutig zu entscheiden: Die Inschrift läuft um, im Mittelfeld ist das Kniestück des als Ritter im Harnisch Abgebildeten über einer mit zwei Wappen belegten „Brüstung“ skulptiert82).

Eine neue Entwicklung bei den Grabdenkmälern zeichnet sich in Deutschland, und hier zunächst im unterfränkischen Raum, in der Mitte des 14. Jahrhunderts ab: Figürliche Grabmäler, die anfangs in der Konzeption von den liegenden Grabplatten oft nicht zu unterscheiden sind, d. h. bei denen die Figur durchaus noch als liegend und sogar mit Kopfkissen dargestellt sein kann, werden nun als Epitaph oder Grabdenkmal an der Wand oder an einem Pfeiler aufgerichtet, entweder direkt an der Grabstätte oder doch in deren Nähe. Bei der Anbringung der Inschriften zeigen sich anfängliche Unsicherheiten. Die Schriftanordnung der Hochgrab-Deckplatten mit Ausrichtung nach außen, gelegentlich auch auf einem abgeschrägten Rand, wurde teilweise übernommen. In solchen Fällen läßt sich auch von der Inschrift her eine Unterscheidung zur figürlichen Grabplatte heute nicht vornehmen, wenn sich das Grabmal nicht mehr in situ befindet. Man fand dann verschiedene Lösungen, die das Lesen der Inschriften erleichterten, sei es, daß man auf die (kopfständige) Beschriftung der Fußleiste verzichtete oder daß man die Inschriften überhaupt nur an den Längsseiten anbrachte. Die Figur wurde nach verschiedenen Zwischenstadien schließlich eindeutig als stehend dargestellt, ein oft hinzugefügter vorspringender Standsockel erleichtert die Abgrenzung von den figürlichen Grabplatten. Auch die Stellung der meist unter den Füßen der Figuren kauernden Löwen oder Hunde wurde der senkrechten Aufstellung des Grabmals entsprechend angepaßt. Gotische Architekturrahmungen kommen dagegen auch schon bei den liegenden Platten vor und können daher nicht als Kriterium für eine ursprüngliche senkrechte Anbringung herangezogen werden83). Das Epitaph ersetzte die Grabplatte nicht. Diese diente vielmehr nach wie vor zur Abdeckung der Grabstätte, während das Epitaph ein zusätzliches auffälliges und repräsentatives Gedächtnismal für den Toten war. Die Grabplatte konnte nun freilich schlichter gestaltet sein, da die Hauptinformationen über den Verstorbenen dem in der Nähe aufgerichteten Epitaph zu entnehmen waren. Figurengrabplatten neben Epitaphien kommen daher in der Regel nicht vor84).

Das früheste, noch recht schlichte Figurenepitaph, das sich im Rems-Murr-Kreis erhalten hat, ist erst das des Burkhard Sturmfeder, das noch zu dessen Lebzeiten zu Beginn des 16. Jahrhunderts angefertigt wurde (nr. 86). Der Ritter ist fast vollplastisch in seiner Rüstung und betend dargestellt, die Umschrift läuft nur oben und an den Längsseiten um, neben den Wappen des Ritters und seiner Frau sind in den Ecken des Grabmals vier Ahnenwappen beigegeben. Das Epitaph stand schon lange Zeit vor Burkhards Tod in der Kirche, nach seinem Tod erhielt er eine zusätzliche Grabplatte mit Sterbeinschrift (nr. 146†), während man die Todesdaten auf dem Epitaph nachzutragen versäumte. Schon ganz von den gotischen Formen gelöst präsentiert sich das typische Renaissance-Grabdenkmal mit Standfigur des Eberhard Sturmfeder (1525, nr. 131), bei dem die Inschrift jetzt zeilenweise in einer Schrifttafel im rundbogigen Aufsatz untergebracht ist. Auf den rahmenden Halbsäulen ist zusätzlich zum Wappen der Ehefrau die Ahnenprobe des Ritters zu bereits acht Wappen angeordnet.

Die Grabdenkmäler des 16. Jahrhunderts zeigen – bei durchaus unterschiedlicher Gestaltung im einzelnen – dann fast durchweg dieselbe Konzeption: Standfigur mit Wappen und darüber, einmal auch zusätzlich im Sockel darunter, die Schrifttafel mit zeilenweise angeordneter Sterbeinschrift (nrr. 165, 167, 204, 214217). Die Adeligen sind noch ausnahmslos in Ritterrüstung als der standesgemäßen Kleidung wiedergegeben, obwohl diese jedenfalls in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht mehr dem Stand der Kriegstechnik entsprach. Umso bemerkenswerter sind die vier Epitaphien für zwei Ehepaare der Rietenauer Forstmeisterfamilie Miner aus dem Ende des 16. Jahrhunderts (nrr. 114117), auf denen die Kleidung der Männer und Frauen in ihrer realistischen originellen Darstellung offenbar eine genauere Vorstellung von der tatsächlich getragenen Tracht vermittelt85). Die zwar [Druckseite XXVIII] bei Frauen, nicht aber bei den vollgerüsteten Rittern im 16. Jahrhundert weiterhin übliche betende Haltung findet sich in auffallender Weise im Doppelgrabmal für Friedrich und Margarethe Sturmfeder von 1558 (nr. 167) auch bei dem Mann, die Frau hält einen Rosenkranz in den gefalteten Händen. Es ist dies möglicherweise als bewußte Reaktion der beim alten Glauben verbliebenen Sturmfeder auf die Einführung der Reformation durch Württemberg zu deuten.

Die Entwicklung der Standfigur-Epitaphien gipfelt um 1600 in den monumentalen Grabdenkmälern von ädikulaähnlichem Aufbau, die außer den vollplastischen Standfiguren und den Schrifttafeln Bildreliefs mit biblischen Szenen, allegorische Figuren, Wappen und weiteres Ornament zeigen. Die eindrucksvollsten Arbeiten im Rems-Murr-Kreis sind die von dem Heilbronner Bildhauer Jakob Müller geschaffenen Einzel- und Doppelgrabmäler für die Sturmfeder in Oppenweiler (nrr. 228, 229) und für den Deutschordenskomtur Johann von Gleichen in Winnenden (nr. 256) sowie das Doppelgrabmal für den Offizier und Obervogt Burkhard Stickel und seine Frau von der Hand Jeremias Schwartz’ in Schorndorf (1613, nr. 267).

Die Grabplatten des 16. Jahrhunderts, die sich erhalten haben, sind zum ganz überwiegenden Teil Wappengrabplatten. Das erweiterte Formular der Sterbeinschriften (vgl. unten) hatte zur Folge, daß die Inschriften oft nicht mehr, wie bislang üblich, allein auf dem Randstreifen untergebracht werden konnten. Das führte zu vielfachen Variationen der alten und zur Entwicklung neuer Formen der Wappengrabplatte. Der häufigste Typ blieb der, bei dem im Zentrum ein einzelnes oder zwei in Allianz verbundene Wappen abgebildet sind, ergänzend können in den Ecken Ahnenwappen hinzukommen. Die Schrift ist wie bisher umlaufend oder aber zeilenweise in Schriftblöcken angeordnet. Kombinationen, bei denen die Sterbeinschrift die Umschrift und Bibelzitate die Aufschrift bilden oder umgekehrt, kommen ebenso vor wie quer geteilte Platten, bei denen sich im einen Feld die in Langzeilen angeordnete Inschrift, im anderen die Wappendarstellung befindet. Ab den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts wird das zentrale Wappenrelief fast durchweg in ein rundes oder ovales Medaillon eingefügt, dessen Rahmen wiederum beschriftet sein kann. Die Bürgerlichen folgen in der Gestaltung ihrer Grabplatten im allgemeinen dem Vorbild des Adels; freilich fehlen meist die Wappenhelme und die heraldische Ahnenprobe. Letztere war gerade für den Adeligen eine Möglichkeit, seine Ritterbürtigkeit und somit die Unvordenklichkeit seiner adeligen Abstammung zu dokumentieren und sich gegen die Aufsteiger aus dem Bürgertum auf diese Weise abzugrenzen. Die heraldische Ahnenprobe ist auf den Grabmälern des Rems-Murr-Kreises erst ab 1525 belegt (nr. 131) und tritt damit später als in anderen Gebieten auf86). Auf Grabplatten sind im Kreisgebiet lediglich bis zu vier Ahnenwappen angebracht, umfangreichere Proben finden sich nur auf Grabdenkmälern. Die [Druckseite XXIX] zweimal acht Ahnenwappen auf dem Grabdenkmal Johanns von Gleichen für ihn und seine Frau (1608, nr. 256) stellen die ausführlichste Ahnenprobe dar.

Reine Schriftgrabplatten sind im bearbeiteten Bestand nur dreimal nachzuweisen (1594 und 1644: nrr. 209, 212, 306), beim jüngsten Beispiel steht die Grabschrift im Mittelfeld, der Rahmen ist mit einem Bibelzitat beschriftet.

Eine weitere Möglichkeit des Totengedächtnisses neben Grabplatte und Epitaph bot die Anbringung eines Totenschilds in der Kirche. Der Totenschild ist räumlich nicht an die Grabstätte gebunden, er kann sogar Personen gedenken, die andernorts beigesetzt sind. Für vier Angehörige der Familie Sturmfeder sind sowohl Grabplatte als auch figürliches Grabdenkmal und Totenschild erhalten oder zumindest bezeugt. Die älteste Form des Totenschilds, über dessen Anfänge und ursprüngliche Funktionen, etwa bei der Begräbniszeremonie, immer noch keine Klarheit herrscht, dürfte das – ähnlich den Aufschwörschilden der Deutschordensritter87) – in den Umrissen des Wappenschilds ausgesägte Holzbrett mit aufgemaltem Wappen und auf dem Rand umlaufender Inschrift gewesen sein. Die Schildfigur konnte auch geschnitzt und aufgeleimt sein. Frühe Beispiele haben sich in Nürnberg aus der Zeit um 1370 erhalten88). Die weitere Entwicklung scheint über die hochrechteckige Form mit aufgemaltem oder geschnitztem Vollwappen und mit umlaufender oder zeilenweise angeordneter Sterbeinschrift89) zu den kreisrunden oder acht- und mehreckigen, gelegentlich auch drei- oder vierpaßförmigen Brettern mit Umschrift und mit Wappendarstellung im Mittelfeld zu führen. Beispiele für die Rechteckform könnten die von Wolleber bezeugte, aber nicht näher beschriebene schier zerfalne Tafel für Hans Egen von Egenhofen (1473, nr. 48†) und die Holztafel für Hans von Seckach (1495, nr. 60 †) aus der Schorndorfer Stadtkirche gewesen sein90). Die ab 1525 (nr. 132) erhaltenen Totenschilde sind allesamt rund und zeigen im Mittelfeld ein meist geschnitztes, einmal auch nur aufgemaltes (nr. 265) Vollwappen, das gelegentlich von einem kleinen Beiwappen als dem Wappen der Ehefrau oder von vier Ahnenwappen begleitet ist. Die Umschrift ist durchweg aufgemalt und beginnt oben links, daneben vereinzelt auch oben in der Mitte.

Der Typ des Standbild-Epitaphs blieb nicht der einzige. Dadurch, daß das Epitaph von seiner Funktion her nicht wie die Grabplatte an einen festen Ort und an ein vorgegebenes Format gebunden war, konnte es beliebige Größe, Umrisse und Bildinhalte annehmen und aus unterschiedlichsten Materialien – vom aufgemalten Wandbild über Glasmalerei bis zur Ausführung in Metall, Holz, Stein oder Stuck – hergestellt werden91). Beim Typ des Andachts- oder Fürbittbildes ist der oder die Verstorbene kniend im Gebet dargestellt. Dabei kann die skulptierte Figur Lebensgröße erreichen, das Grabmal kann dann ähnlich monumentale Formen annehmen wie das Standbild-Epitaph. Der Gegenstand der Anbetung, in den meisten Fällen der Heiland am Kreuz, wurde häufig mit ins Bild gesetzt. Epitaphien mit einzelnen knienden Betern sind im Rems-Murr-Kreis nicht bezeugt. Vielmehr zeigen sich hier ausnahmslos Ehepaare, links und rechts unter dem Kreuz kniend und stets mit der gesamten noch lebenden und bereits verstorbenen Nachkommenschaft, den Söhnen links beim Vater und den Töchtern rechts bei der Mutter, dargestellt, gewissermaßen als Gemeinschaft der Lebenden und der Toten. Das einzige Grabmal aus Stein mit fast lebensgroßen Figuren ist das Grimmeisen-Familiengrabmal von 1600 in Waiblingen (nr. 235), bei dem die großen Figuren der Eltern flankierend auf eigenen Sockeln an den ädikulaähnlichen Mittelteil herangerückt sind, auf dem der Kruzifixus und die Kinder in wesentlich kleinerem Maßstab in Relief ausgeführt sind. Die weiteren in Stein gearbeiteten Grabmäler des Typs sind als Hängeepitaphien (nrr. 255, 260) oder als monumentale Wandgrabmäler (nr. 261) in Ädikulaform gestaltet, die ganze Familie ist jeweils im Hauptfeld unter dem Kreuz klein abgebildet, Reliefs mit Bibelszenen, zahlreiche Inschriften und Ornamente sowie Wappen können hinzugefügt sein.

Wie die Hängeepitaphien aus Stein sind auch die aus Holz gezimmerten und bemalten ädikulaähnlich aufgebaut. Nur kopial überliefert ist ein schon früh nur mehr fragmentarisch erhaltenes Epitaph, das früheste dieser Art im Bearbeitungsgebiet überhaupt, das noch aus vorreformatorischer Zeit stammte: das Epitaph für Georg Adelmann von Adelmannsfelden von 1516 (nr. 122†), auf dem [Druckseite XXX] der Verstorbene mit Frau, 14 Söhnen und drei Töchtern unter dem Kruzifixus aufgemalt war. Die ersten erhaltenen Holzepitaphien datieren erst von 1581 und 1582 (nrr. 191, 196). Nur letzteres zeigt die betende Familie im Hauptfeld. Bei ersterem wie auch bei allen späteren Epitaphien bildet eine biblische Szene das Hauptbild, während die betende Familie stets in einem eigenen kleinen Bild in der Sockelzone Platz findet. Objekt der Anbetung ist neben Christus am Kreuz auch Christus in der Ruh oder als Triumphator über den Höllendrachen. Die Sterbeinschriften sind in den meisten Fällen im Untersatz unter der Sockelzone aufgemalt. Den Typ des Porträtepitaphs, der vor allem bei Pfarrern und Gelehrten ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert beliebt war92), vertritt das Grabmal für den Pfarrer und poeta laureatus Georg Konrad Maickhler (nr. 309): Sein Brustbild zeigt ihn im Giebelfeld überlebensgroß, obwohl er bereits im Sockel als Beter abgebildet ist. Zu der protzigen Gestaltung des Epitaphs paßt das lateinische Lobgedicht auf den Toten.

Unter den weiteren vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten der Epitaphien, die auch durchaus ohne jede bildliche Darstellung als reines Schriftdenkmal konzipiert sein können, seien abschließend nur die von Christoph Jelin geschaffenen kleinformatigen Kinderepitaphien der Familie Breuning in Winnenden mit origineller Darstellung eines laufenden Kleinkindes im Hemdchen bzw. eines schlafende nackten Säuglings in fast quadratischem Bildfeld und mit darunter zeilenweise angeordneter Sterbeinschrift hervorgehoben (1592/94, nrr. 206, 210).

Gußeiserne Epitaphplatten wurden in den Heidenheimer Brenztalwerken produziert. Zwei dieser Stücke aus dem späten 16. Jahrhundert (nrr. 188, 222) haben sich in Schorndorf erhalten. Die rechteckigen Platten konnten sowohl in der Kirche als auch im Freien an der Friedhofsmauer und auf Grabsteinen angebracht werden. Die Sterbeinschriften befinden sich bei beiden erhaltenen Stücken im unteren Teil der Platte, oben ist das Bild des Verstorbenen mit Wappen bzw. eine biblische Szene in Flachrelief ausgeführt. Der Beschreibung nach läßt sich den zwei Exemplaren eine dritte nur mehr abschriftlich überlieferte Tafel von 1565 für eine aus Heidenheim (!) stammende Bürgerin anreihen.

Der letzte hier zu betrachtende Grabmaltyp ist der neuzeitliche Grabstein, der auf dem Friedhof direkt am Grabhügel freistehend oder an der Friedhofsmauer aufgerichtet die Grabstätte bezeichnet. Größe, Umriß, bildliche Darstellung sowie Umfang und Anordnung der Inschriften können sehr unterschiedlich sein. Die ursprünglich an der Friedhofsmauer aufgerichteten größeren Grabsteine lassen sich, wenn sie nicht mehr in situ stehen, oft nicht von einfachen Epitaphien unterscheiden. Die sicher als Grabsteine bezeugten Stücke datieren von 1571, 1583, 1606 und 1622 (nrr. 181†, 198, 250, 282).

4.1.2. Form und Inhalt der Sterbeinschriften

Beim Formular der Sterbeinschriften sind bei den verschiedenen Arten von Grabmälern, ob Grabplatte, Epitaph, Totenschild oder Grabstein, im allgemeinen keine Unterschiede festzustellen, so daß in die folgende Formularuntersuchung alle Totengedächtnismäler einbezogen werden können93). Die wichtigsten Bestandteile der Sterbeinschriften sind grundsätzlich der Name des Verstorbenen und das Todesdatum. Letzteres fehlt noch häufig in den – meist in Hexametern oder elegischen Distichen abgefaßten – Sterbeinschriften des Früh- und Hochmittelalters.

Die älteste überlieferte Sterbeinschrift des Rems-Murr-Kreises stammt erst aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts (nr. 2) und gehört noch dieser Tradition an. Sie ist, soweit die erhaltenen Fragmente das erkennen lassen, in Form eines Distichons abgefaßt. Der Name des Verstorbenen – vermutlich eines Murrhardter Abts – stand möglicherweise getrennt von den umlaufenden Versen im Mittelfeld der Grabplatte. Alle späteren Sterbeinschriften folgen dann bereits dem stereotypen Formular Anno domini . . . obiit N. N., das an der Schwelle zum 13. Jahrhundert aufkam und allmählich die metrischen Inschriften fast völlig verdrängte. Die frühesten Beispiele finden sich auf einer nicht erhaltenen und nur fragmentarisch überlieferten Grabplatte des Murrhardter Abts Dietrich von Hohenstein (1280-89, nr. 6 †) und auf dem Doppelgrabmal des Grafen Ulrich von Württemberg und seiner Frau Agnes von Schlesien (Ende 13. Jh., nr. 4). Das obiit-Formular blieb über Jahrhunderte vorherrschend, war allerdings Veränderungen hinsichtlich der Art der Datumsangabe unterworfen [Druckseite XXXI] und wurde durch Ausbau der vorhandenen und durch Aufnahme neuer Elemente immer ausführlicher.

Die Jahresangabe erfolgt durchweg nach der christlichen Zeitrechnung, fast ausschließlich, auch in deutschen Inschriften, eingeleitet mit der Formel anno domini94). Die Angabe des Todestages findet sich zwar in den frühesten überlieferten Sterbeinschriften, sie wird aber erst ab der Mitte des 15. Jahrhunderts ständiger Bestandteil, bei vier Grabmälern des 14. und 15. Jahrhunderts fehlt sie noch (nrr. 15, 18†, 20†, 25). Der Todestag steht zunächst im 13. und 14. Jahrhundert am Satzende: nrr. 4 (Ende 13. Jh.), 12 (1340), 14 (1365). Er wird auf dem Beutelsbacher Doppelgrabmal (nr. 4) noch nach dem römischen Kalender angegeben, auf der Hochgrab-Deckplatte des Ritters Burkhard Sturmfeder 1365 (nr. 14) bereits nach dem christlichen Festkalender. Eine Zwischenstufe stellt die Grabplatte des Grafen Nikolaus von Löwenstein von 1340 dar (nr. 12), die schon nach dem Festkalender datiert ist, aber zusätzlich das römische Datum trägt. Die römische Tagesdatierung des zerstörten Walterichsgrabs (nr. 25) könnte demnach auf eine Entstehung noch im 14. Jahrhundert hinweisen.

Die Tagesangabe rückt im 15. Jahrhundert nach vorn vor das Prädikat obiit (erstmals 1437, nr. 21). Dies könnte mit dem gleichzeitigen Aufkommen der Fürbittformel (vgl. unten) zusammenhängen, die dem Formular am Ende angefügt wurde95). Der Fest- und Heiligenkalender blieb im Bearbeitungsgebiet bis zum Ende des Mittelalters vorherrschend. Eine Datierung nach unserem heutigen Brauch nach Monatstagen ist erstmals 147196) und damit im Vergleich mit anderen Regionen relativ spät nachzuweisen, der nächste Beleg kommt erst 1510 (nr. 103†, in der Form am letsten Tag deß Mertzen). Vorherrschend wird diese Art der Tagesdatierung dann ab der Mitte des 16. Jahrhunderts. Die Einführung der Reformation fast im gesamten heutigen Kreisgebiet war mit ein Grund für die fast völlige Verdrängung des Festkalenders. Eine Datierung nach Festkalender und Monatstagen findet sich 1570 (nr. 180†), 1599 (nr. 232†) und 1606 (nr. 248). Eine Wiederaufnahme des römischen Kalenders ist in einigen humanistisch beeinflußten Sterbeinschriften des frühen 16. Jahrhunderts festzustellen (nrr. 108-111, 123). Bei der Datierung nach Monatstagen ist ab dem Ende des 16. Jahrhunderts gelegentlich das Nachstellen der Jahreszahl hinter Tag und Monat, wie es heute üblich ist, zu beobachten97) ; gegen Mitte des 17. Jahrhunderts wird diese Konstruktion immer beliebter. Die Angabe des Wochentags, die nur bei der Festdatierung notwendig, bei der Monattagsdatierung aber eigentlich überflüssig ist, tritt vereinzelt zusätzlich hinzu (Erstbeleg 1587, nr. 200). Der Sonderform des Chronogramms zur zusätzlichen Datierung bedient sich nur das lateinische Grabgedicht eines Pfarrers von 1568 (nr. 174†).

Die Sprache der Sterbeinschriften – wie auch des überwiegenden Teils der übrigen Inschriften – ist bis zum Ende des Mittelalters fast ausschließlich das Lateinische. Die ältesten deutschsprachigen Inschriften im Rems-Murr-Kreis überhaupt98) sind auf den Winterbacher Wandmalereien des frühen 14. Jahrhunderts (nr. 11: Spruch) und auf einer Beutelsbacher Glocke aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts (nr. 17: englischer Gruß) nachzuweisen. Dann folgt mit langem Abstand erst 1454 eine Bauinschrift (nr. 33) und ebenfalls in den 1450er Jahren eine nach Urkundenformular abgefaßte Jahrzeitstiftung in der Murrhardter Walterichskirche, die gleichzeitig als Sterbeinschrift für den bürgerlichen Stifter diente, in der aber das Sterbeformular später nicht vervollständigt wurde (nr. 38). Die vorhandenen Bestandteile lassen im Aufbau eine völlige Nachahmung des lateinischen Anno domini . . . obiit-Formulars erkennen. Die leer gebliebenen Stellen zeigen, daß als Position für die Tagesdatierung das Ende der Sterbeinschrift vorgesehen war, wie dies auch bei den frühen lateinischen Inschriften zu beobachten war (vgl. oben).

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Die im Inschriftenkatalog als erste deutschsprachige Sterbeinschrift eingereihte nur mehr abschriftlich überlieferte des 1408 verstorbenen Grafen Rudolf von Tübingen aus Schorndorf (nr. 18†) dürfte ihrem Formular zufolge erst der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts angehören. Abgesehen vom Gebrauch des Deutschen erregen die für 1408 außergewöhnlich frühen Verwendungen der Fürbittformel dem Gott gnädig sei99) und vor allem des Epithetons wolgeborn in Verbindung mit Herr Graf Verdacht gegen eine zeitgenössische Entstehung100). Nur zwei weitere – kopial überlieferte – mittelalterliche Sterbeinschriften auf Totenschilden oder Holzepitaphien, jedenfalls in recht schlichter Ausführung, waren deutsch abgefaßt: nrr. 48† (1473) und 60† (1495). Die in anderen Regionen Süddeutschlands für das 15. Jahrhundert oder jedenfalls für dessen zweite Hälfte konstatierte Gleichberechtigung von lateinischer und deutscher Sprache101) gilt demnach für den Rems-Murr-Kreis nicht. Für das weitgehende Fehlen deutscher Sterbeinschriften können nicht nur Überlieferungszufälle verantwortlich sein.

Eine allmähliche Zunahme der deutschsprachigen Sepulkralinschriften ist erst im 1. Viertel des 16. Jahrhunderts festzustellen. Eine Bevorzugung der Volkssprache durch bestimmte soziale Gruppen ist dabei nicht zu erkennen. Sowohl der Niederadel (Sturmfeder, Adelmann von Adelmannsfelden: nrr. 86, 93†, 122†) als auch das Bürgertum (nr. 103†) und die in den Niederadel aufgestiegenen Bürgerlichen (Hap von Hapenberg, nr. 95†) bedienen sich, freilich noch zögernd, des Deutschen. Ab 1525 kehrt sich die Situation schlagartig um: Das Deutsche wird zur fast ausschließlich verwendeten Sprache der Sterbeinschriften, lateinische Texte finden sich bis auf wenige Ausnahmen nur mehr auf Grabmälern für Kleriker (nrr. 134†, 140†, 157†, 162†) und – nach der Einführung der Reformation – für den ev. Pfarrerstand. Gelegentlich werden deutsche Sterbeinschriften mit lateinischen Sprüchen kombiniert (nr. 174†: 1568, nr. 205: 1592 usw.). Die „Reservierung“ des Lateinischen für Grabschriften der gelehrten Geistlichkeit wird besonders deutlich auf dem Epitaph von 1607 für den ev. Abt von Murrhardt Hofsess und seine Frau (nr. 254): Grabschrift und Fürbitten für den Mann sowie die zugehörigen Bibelzitate sind in lateinischer Sprache und in Kapitalisschrift ausgeführt, datiert ist nach Monatstagen; dagegen sind Sterbeinschrift und Fürbitte für die Frau samt Bibelzitaten in deutscher Sprache abgefaßt, datiert wird nach dem Festkalender, die verwendete Schriftart ist die Fraktur. Selbstverständlich erscheint es, daß die Gedächtnisinschrift auf den 1643 während der zeitweiligen Rekatholisierung des Klosters Murrhardt verschleppten und in Gefangenschaft verstorbenen katholischen Abt Funckler lateinisch ist (nr. 303).

Das Formular der Sterbeinschriften bedient sich lange Zeit des stereotypen obiit bzw. starb. Eine Erweiterung der Sterbeinschrift zur Grabinschrift durch Aufnahme einer Grabbezeugungsformel findet sich zunächst nur ganz vereinzelt102), in der Regel in der Form des schlichten Zusatzes hic sepultus: 1466 (nr. 41), 1515 (nr. 113†). Beim Grab des Klostergründers Walterich in Murrhardt (nr. 74†) ist natürlich die Grabbezeugung der eigentliche Grund der erst nachträglichen Anfertigung der Inschrift gewesen, nicht die Sterbenachricht. Gleiches gilt für die metrischen Grabschriften für die 1515 verlegten Markgrafengräber in der Backnanger Stiftskirche (nrr. 115-118), die unter dem Einfluß des Humanismus die Tradition der lateinischen Grabgedichte wieder aufnahmen (cubat, iacet hac sub urna, iacent ossa reposta). Lateinische Grabgedichte nach dem Muster hoc tumulo cubo, conditur hoc tumulo u. ä. finden sich dann auf den Grabmälern der letzten katholischen Äbte und zweier evangelischer Äbte von Murrhardt in der Zeit zwischen 1552 und 1601. Erst ab 1547 (nr. 156†) sind deutsche Entsprechungen zum lateinischen hic sepultus belegt, meist in der Formulierung hie liegt/leit (begraben) o. ä. Umständliche Umschreibungen des Begrabenseins liefern zwei deutsche Versinschriften von [Druckseite XXXIII] 1581 und 1582 (nrr. 191, 196), in denen der Vorstellung des Grabs als „Ruhebett“ Ausdruck verliehen wird. Die Grabbezeugungen sind aber weiterhin nicht häufig, eine Zunahme ist erst im 17. Jahrhundert zu registrieren. Eine Gruppe von drei Backnanger Grabplatten aus der Zeit zwischen 1613 und 1617 weist die Formel starb und liegt allhie begraben auf (nrr. 268, 274, 278†). Es scheint sich hier um eine zeitweilige lokale Gewohnheit zu handeln.

Die Formel für „Sterben“ selbst war im Laufe der Zeit Wandlungen unterworfen. Bis 1517 begegnet aber noch ausschließlich obiit bzw. starb ohne jeden Zusatz. Die seltenen humanistisch beeinflußten lateinischen Sterbeinschriften des 16. Jahrhunderts, vorwiegend natürlich die metrisch abgefaßten, verwendeten dann abweichende klassische Wendungen: obiit ex hac luce (1517), in communem abiit locum (1548), tendit ad coelica regna (1567) usw. In deutschen Sterbeinschriften ist ein Abweichen vom üblichen Formular zuerst bei besonderen Todesursachen festzustellen: hat schaden zum dott entpfangen (1525), starb an einem Kind (1542), gab durch eine Mißgeburt ihr Leben (1582), ermordt (1644). Neben starb wird ab 1525 (nr. 132) gelegentlich verschied oder ist verschieden verwendet. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts bleibt zwar einfaches starb nach wie vor die am häufigsten gebrauchte Form, die bis zum Ende des Bearbeitungszeitraums vorkommt, doch treten daneben jetzt zunehmend komplexere Formeln auf. Der Zusatz ist seliglich verschieden ist 1570 erstmals nachweisbar (nr. 180†). Im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts erscheint daneben die Konstruktion mit Gott /in Gott /in Christo verschieden (1589, nr. 204). Für verschieden wird ab 1587 immer häufiger auch entschlafen eingesetzt. Häufungen wie starb in Christo seliglich oder ist im Herrn sanft entschlafen sind ebenfalls noch im ausgehenden 16. Jahrhundert zu beobachten. Entsprechende lateinische Formulierungen sind in Christo obdormivit (1599, nr. 232†) und pie in Christo defunctus (1607, nr. 254). Die Form selig verdrängt ab etwa 1610 (nr. 261) das ältere seliglich, freilich nicht vollständig. Eine weitere Steigerung erfährt der Umfang der Sterbeformel gegen Mitte des 17. Jahrhunderts: ist in Christo ihrem Erlöser selig und sanft entschlafen (nr. 307, ähnlich nr. 309). Die Vorstellung von der Welt als Jammertal, aus der der Verstorbene in die ewige Freude abberufen wird, kommt bereits in einer Versinschrift 1581 (nr. 191) und erneut in einer Prosainschrift 1601 (nr. 239) zum Ausdruck. Hier ist das gängige Formular ganz verlassen worden.

Als neues Element tritt in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts – und damit im Vergleich mit anderen Regionen recht spät – zur Sterbeinschrift eine Fürbittformel hinzu, die an das Ende des Textes angehängt wird. Das früheste sicher datierte Beispiel findet sich auf der Grabplatte Heinrich Sturmfeders 1437 in Oppenweiler (nr. 21). Das einfache requiescat in pace dort wird in den folgenden lateinischen Inschriften erweitert zu cuius anima requiescat in pace (um 1440, nr. 25; 1453, nr. 32). Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des Bearbeitungszeitraums fehlt die Fürbitte als Annex der Sterbeinschriften dann nur noch ganz selten. Die deutschsprachigen Inschriften verwenden nicht etwa, wie zu erwarten wäre, eine Übersetzung der lateinischen Fürbitte (seine Seele ruhe in Frieden), sondern bringen in der Formel dem Gott gnad /dem Gott gnädig sei die völlige Abhängigkeit von Gottes Gnade und Barmherzigkeit beim Jüngsten Gericht und schon vorher bei der Bewahrung vor dem Fegefeuer zum Ausdruck. Erstbelege sind Inschriften von 1473 (nr. 48†) und 1495 (nr. 60†); die Sterbeinschrift des 1408 verstorbenen Grafen Rudolf von Tübingen, die die Formel ebenfalls aufweist, ist, wie schon erwähnt, vermutlich erst später (um 1477?) anzusetzen. Nach 1515 verschwindet die lateinische Fürbittformel zusammen mit den lateinischen Prosa-Sterbeinschriften fast gänzlich, ein letzter Gebrauch ist 1552 nachzuweisen (nr. 162†). Das deutsche Formular erfährt ab dem 2. Viertel des 16. Jahrhunderts Erweiterungen, wie etwa: dessen Seele der allmächtige Gott gnädig sei oder dem Gott gnädig und barmherzig sein welle, 1555 begegnet erstmals der Wunsch, Gott möge dem Verstorbenen mitsamt allen Gläubigen eine fröhliche Auferstehung verleihen. Dem hier implizierten Bild des „Todesschlafs“ bis zum Jüngsten Tag entspricht die gleichzeitig beim Sterbeformular aufkommende Vorstellung vom Grab als „Ruhebett“ (vgl. oben). Dieses „Auferstehungs-Formular“ und die Formel dem Gott gnädig sei(n welle) kommen seither in unterschiedlicher Ausführlichkeit, zum Teil mit erheblichen Erweiterungen und auch miteinander kombiniert, bis zum Ende des Untersuchungszeitraums vor. Daneben bieten nur mehr die in deutschen Versen oder in lateinischen Metren verfaßten Sterbeinschriften einige Abwechslung, so die Hoffnung auf die Aufnahme eines verstorbenen Kindes in die Reihe der Engel (1623, nr. 284) oder der Wunsch, die Schar der verstorbenen Töchter möge in einem neuen Frühling erblühen (1606, nr. 250). Einmal läßt sich die lateinische Rückübersetzung des deutschen „Auferstehungs-Formulars“ in cui dominus laetam resurrectionem largiatur nachweisen (1607, nr. 254), einmal die lateinische Entsprechung zu dem Gott gnädig sei: deus miserere eius (nr. 303). Das vorher nur ganz vereinzelt (um 1440, vor 1508 und 1526) zu beobachtende abschließende amen zur Bekräftigung der Fürbitte tritt ab 1555 massiv auf und fehlt seither nur noch selten. Gewissermaßen als Ersatz für die Fürbitte ist wohl der Wunsch nach Gottes Rache auf dem Grabmal des 1644 ermordeten Caspar Zacher (nr. 306) zu verstehen: Gott reche mich, dir klag es ich.

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Der Name des Verstorbenen erfuhr in der Regel bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts eine Erweiterung durch Hinzufügung der Standesbezeichnung, sofern es sich um einen Adeligen (comes, comitissa, miles, armiger) oder einen Kleriker (rector ecclesiae, presbyter, monachus, plebanus, abbas, prior) handelte. Nichtadelige Laien sind dagegen mit den bloßen Namen gekennzeichnet. Die Standesbezeichnung Bürger findet sich erst 1580 (nr. 188).

Zur Standesbezeichnung tritt zuerst beim Hochadel die dominus-Anrede hinzu: In der Inschrift des Beutelsbacher Doppelgrabmals aus dem Ende des 13. Jahrhunderts (nr. 4) ist der dominus-Titel noch in auffälliger Weise den Fürsten vorbehalten: Agnes von Schlesien, die Frau Ulrichs von Württemberg, wird als Herzogstochter als domina, filia ducis tituliert, während Ulrich ohne dominus-Titel nur als comes und sogar mit dem Zusatz maritus praescripte domine bezeichnet ist. Deutlicher konnte der Standesunterschied des Ehepaars nicht ausgedrückt werden! Der nächste Beleg datiert erst von 1471 (nr. 45†): Die Gräfin von Katzenelnbogen wird bereits unter Doppelung des domina-Titels (Anrede und Titel) als domina domina Anna comitissa benannt. Die deutsche Sterbeinschrift für den 1408 verstorbenen wolgeborn herr graf Rudolf von Tübingen dürfte, wie oben gezeigt, erst um 1477 anzusetzen sein103).

Geistlichen Dignitären stand die dominus-Anrede, wie auch aus Inschriften anderer Regionen deutlich hervorgeht104) , schon früh zu. Im Rems-Murr-Kreis ist der erste Beleg aber erst eine Murrhardter Abtsgrabplatte von 1473 (nr. 47), sicherlich eine Folge der Überlieferungslage, da alle früheren Abts-Grabschriften verloren sind. Auch hier ist bereits die Doppelung des Titels festzustellen. Beim Ordens- und Stiftsklerus tritt ferner die Anrede frater (bei Mönchen) und pater (bei Äbten und Prioren) vor der Standesbezeichnung hinzu (Erstbelege: 1466 bzw. 1473). Eine Ausdehnung der dominus-Anrede auf einfache Priester ist im Inschriftenmaterial des Rems-Murr-Kreises erstmals 1517 (nr. 123) bzw. im 1. Viertel des 16. Jahrhunderts (nr. 130) nachzuweisen.

Hinsichtlich der dominus-Anrede beim Niederadel lassen sich keine repräsentativen Aussagen treffen, da die einzige Ritterfamilie, von der mittelalterliche Grabmäler in größerer Zahl überliefert sind, die Sturmfeder von Oppenweiler sind. In keiner der Sturmfeder-Inschriften ist neben der Standesbezeichnung die dominus-Anrede gebraucht, nur der 1437 verstorbene Junker Heinrich wird mit dem entsprechenden lateinischen domicellus benannt (nr. 21). In anderen Gebieten ist die Herr- bzw. dominus-Anrede für Angehörige des Niederadels dagegen schon ab etwa 1300 bezeugt und wird gegen Ende des 14. Jahrhunderts üblich. Es gab hierbei freilich große regionale Unterschiede105). Der Murrhardter Bürger Hans Bernhart führt in seiner Sterbe- und Jahrzeitstiftungsinschrift aus den 1450er Jahren die Anrede Herr (nr. 38). Bei den Bürgern, deren sozialer Rang es erlaubte, ein mehr oder minder aufwendiges Grabmal anfertigen zu lassen, findet sich die Anrede seither sehr häufig. Vornehmlich, aber nicht ausschließlich, sind es die örtlichen Honoratioren wie Bürgermeister oder Richter, die so bezeichnet werden. In nachmittelalterlicher Zeit ist dann die Anrede Herr dreimal auch für Angehörige des Niederadels bezeugt. Zweimal handelt es sich dabei um soziale Aufsteiger aus dem Bürgertum (1506 Hap von Hapenberg, 1646 von Ruoff)106), einmal um einen Deutschordenskomtur von Winnenden, der vermutlich wegen dieses seines Rangs die Anrede führt (nr. 256). Die korrespondierende Anrede Frau ist ab der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts sowohl beim Niederadel (auch bei den Sturmfeder) als auch beim Bürgertum in den Sterbeinschriften üblich.

Gewissermaßen an die Stelle der dominus-Anrede treten beim Niederadel im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts standesspezifische Epitheta: Erstbeleg ist das ungewöhnliche robustus vir des Edelknechts (armiger) Friedrich Sturmfeder von 1471107) , danach findet sich meist das deutsche edel und fest (ab 1473) bzw. edel und ehrenfest (ab 1506) oder edel und gestreng (1608), die Standesbezeichnung Ritter o. ä. fällt weg. Die entsprechenden Epitheta der Frauen lauten edel und ehrsam (ab 1505) bzw. edel und tugendsam (ab 1558). Das 17. Jahrhundert kennt dann – analog zu den übrigen Bestandteilen des Formulars – barocke Häufungen wie wohl edel und viel ehren- und tugendreich (1646, nr. 307). Zeitlich [Druckseite XXXV] noch früher liegen die Epitheta in Sterbeinschriften von Angehörigen des Hochadels: illustris (1471) für eine Gräfin, das entsprechende wohlgeboren (1408/2. H. 15. Jh.)108) für einen Grafen und schon um 1440 illustrissimus, die lateinische Entsprechung zum deutschen durchleuchtigst, auf dem Stiftergrab Kaiser Ludwigs des Frommen in Murrhardt.

In einigem zeitlichem Abstand nehmen auch die Bürger eigene Epitheta in Nachahmung der adeligen an. Die frühesten Belege betreffen durchweg herzogliche Beamte oder Offiziere: ehrenhaft (1526), ehrenfest (1547), ehrbar und ehrenfest (1547). Ehrsam/ehrenhaft und fürnehm (ab 1570 bzw. 1580) wird dann die meistgebrauchte Form, die auch von Bürgern ohne besondere Amtsstellung in Anspruch genommen wird. Bürgerliche Frauen werden als ehrbar und tugendsam (ab 1567) o. ä. tituliert. In den Epitheta nobilis ac strenuus vir für den Angehörigen der kaiserlichen Leibgarde Johann Hauff (1587), edel und gestreng für den Offizier, Kriegsrat und Obervogt Burkhard Stickel sowie edel und tugendsam für dessen Frau (1613) kommt der Anspruch auf einen zumindest dem Briefadel adäquaten sozialen Rang zum Ausdruck. Der Wortlaut der Sterbeinschrift wie auch die aufwendige Gestaltung der Grabmäler109) kann wohl nicht anders denn als Vorgriff auf den Rechtsakt der Adelserhebung interpretiert werden.

Etwa zur gleichen Zeit wie beim Niederadel tauchen Epitheta beim Klerus auf, hier zusätzlich zur Anrede und zur Standesbezeichnung: reverendus (ab 1473) und venerabilis (ab 1515) bei Äbten und Pröpsten110), honorabilis (1517) bei einfachen Priestern. Die evangelischen Äbte behielten die Anrede reverendus bei, erweitert um Adjektive, die auf die Bildung hinweisen, wie litteratissimus, humanissimus, clarissimus. Aber auch einfache Pfarrer bezeichnen sich jetzt in der deutschen Entsprechung als (ehr)würdig und wohlgelehrt (Erstbeleg 1568). Akademische Titel und Grade (magister, doctor) sind in Sterbeinschriften des Kreisgebiets seit 1505 zu beobachten (nr. 94†). Der einzige Nichtgeistliche unter den Akademikern, von denen Sterbeinschriften überliefert sind, führt das Epitheton egregius vir (1515).

Schließlich sei noch der Namenserweiterung bei Adeligen durch zusätzliche Angabe von Herrschaften und Erbämtern gedacht, wie sie seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zu beobachten sind: 1589 wird Georg von Schaumberg als eichstättischer Erbkämmerer und Ganerbe zu Rauenstein und Thundorf bezeichnet (nr. 204), 1601 Konrad Thumb von und zu Neuburg und Stetten zusätzlich als fürstlich württembergischer Erbmarschall (nrr. 238, 239). Vergleichbar sind Beifügungen von vom Kaiser oder von dessen dazu authorisierten Vertretern verliehenen persönlichen Titeln zum Namen (kaiserlicher Hofpfalzgraf, Poeta laureatus), für die sich erst aus dem 17. Jahrhundert Belege beibringen lassen (nrr. 307, 309).

Massive inhaltliche Erweiterungen des Sterbeformulars lassen sich im 1. Drittel und dann verstärkt ab der Mitte des 16. Jahrhunderts feststellen, indem zunehmend biographische Nachrichten über den Verstorbenen Aufnahme in den Inschrifttext finden.

Bei Frauen ist bereits in den frühesten überlieferten Inschriften in der Regel der Geburtsname bzw. der Vater angegeben (nr. 4: filia ducis Polonie; nr. 45†: nata de Wirtenberga; nr. 110: filia Hermanni marchionis; nr. 93†: gebohrne [Vetzerin]). Die Nennung des Ehemanns ist erstmals 1542 (nr. 150) bezeugt, meist in der Formulierung des N. N. (eheliche) Hausfrau bzw. hinterlassene Wittib o. ä. Bei Grabmälern für Ehepaare ist die Sterbeinschrift für die Frau üblicherweise nachgestellt, die Frau wird dann meist mit ihrem Geburtsnamen und der angehängten Bezeichnung uxor eius (1522) bzw. seine (eheliche) Hausfrau benannt. Bei Kindern sind der Vater oder auch beide Eltern aufgeführt (erstmals 1580)111). Singulär ist der Zusatz ledigs Stands auf dem Totenschild Ulrichs von Gaisberg von 1612 (nr. 165).

Herkunftsbezeichnungen, d. h. die Angabe des Geburts- oder Herkunftsorts, begegnen durchweg nur bei Bürgerlichen, zuerst bei Klerikern (1515 und 1517: nrr. 113†, 114, 123). Das Formular folgt üblicherweise dem Muster de Gmind/von Haidenheim, einmal findet sich eine adjektivische Bildung (gamundiana, nr. 128†), einmal die poetische Wendung Beinsta mihi patria est (nr. 251†). Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts werden genauere Angaben zum Lebenslauf der Verstorbenen gemacht. So können die Lebensdauer (Erstbeleg 1548), die Ehedauer (Erstbeleg 1542), die Kinderzahl (Erstbeleg [Druckseite XXXVI] 1542), bei Laien die Amtsfunktionen (Erstbeleg 1506, verstärkt ab 1547) und bei Geistlichen und Laien die Amtsdauer (Erstbeleg 1552) genannt sein, schließlich finden sich Hinweise auf die genaue Sterbestunde (erstmals 1580, danach häufig).

Die Angabe der Lebensdauer ist ab dem Ende des 16. Jahrhunderts sehr häufig. Bei Kleinkindern kann das erreichte Alter bis auf Wochen und Tage, in einem Fall sogar bis auf die Stunde genau aufgeführt sein: nach erlangter heyliger Tauff länger nicht dan vier stund gelebt (1594, nr. 210). In der Grabschrift eines Schorndorfer Pfarrers (nr. 174†) ist dessen Alter in humanistischer Zahlenspielerei in einem Distichon verschlüsselt.

Auch die Ehedauer wird gelegentlich, auch bei längeren Zeitspannen, bis auf Wochen und Tage genau vermerkt. Die gängigen Formeln sind: die bei ihm gelebt . . . Jahr, mit deren er ... Jahr hausgehalten, ihres Ehestands im ... Jahr o. ä. Die Zahl der Kinder wird oft nach Söhnen und Töchtern spezifiziert. Bei geringer Nachkommenschaft werden auch die Namen der Kinder aufgeführt (nrr. 173, 254)112); einmal wird berichtet, wieviele der Söhne und Töchter noch am Leben sind (nr. 266), einmal auch, wieviele Enkel und Urenkel der Verstorbene erlebt hat (nr. 285).

Während bei Geistlichen die Amtsfunktion gleichzeitig Standesbezeichnung ist und deshalb schon in den mittelalterlichen Sterbeinschriften regelmäßig genannt wird, ist bei Laien eine solche Amtsbezeichnung im Kreisgebiet zuerst 1506 (weiland Amtmann und Keller zu Tirol) nachzuweisen. Zunächst sind es in erster Linie die württembergischen, während der österreichischen Herrschaft in Württemberg 1522-34 und in der Zeit des Schmalkaldischen Kriegs auch kaiserliche Beamte und Offiziere, die ihrem Namen die Amtsbezeichnung hinzufügen. Städtische oder dörfliche Funktionsträger wie Bürgermeister, Richter oder Schultheißen, sind mit einer Ausnahme (nr. 180†, 1570) erst im 17. Jahrhundert als solche benannt. Eine ausführliche Beschreibung des Lebenslaufs und eine regelrechte Ämterlaufbahn findet sich nur ein einziges Mal in dem langen Grabgedicht des dapffern helden und Offiziers Burkhard Stickel (1613, nr. 267).

Die Angabe der Amtsdauer findet sich vorwiegend, im 16. Jahrhundert sogar noch ausschließlich, bei Geistlichen (Äbte von Murrhardt, evangelische Pfarrer), 1603 erstmals bei einem Laien. Es fällt auf, daß die lokalen Amtsträger offenbar größeren Wert auf die Angabe ihrer langjährigen Tätigkeit an ihrem Wirkungsort legten als die landesfürstlichen Beamten. Auf dem Epitaph des Daniel Felger von 1612 ist stolz vermerkt, daß der Verstorbene bereits mit 14 Jahren zum Schultheiß von Endersbach gewählt worden ist (nr. 266). Kurios ist die Aufzählung der 32 Ruhestandsjahre bei einem evangelischen Abt von Murrhardt (1607, nr. 254). Die Umstände des vorzeitigen Ruhestands – Absetzung, Inhaftierung und anschließende Abfindung mit einer Leibrente – sind in der Inschrift natürlich nicht genannt.

Als weiteres neues Element neben den biographischen Nachrichten treten uns um die Mitte des 16. Jahrhunderts lobende Hinweise auf die guten Eigenschaften und den vorbildlichen Lebenswandel der Verstorbenen entgegen. Bei Geistlichen werden die Frömmigkeit, die Gelehrsamkeit, die vorbildliche Erfüllung der Seelsorgepflichten und die Unterstützung der Armen hervorgehoben (nrr. 140†, 157†). Als Reflex der konfessionellen Auseinandersetzungen ist es zu werten, wenn vom vorletzten katholischen Abt von Murrhardt rühmend hervorgehoben wird, er sei christianissime atque catholice gestorben (1548) oder wenn der letzte katholische Abt als tam monastice religionis quam aedificiorum restaurator gepriesen wird (1552). Die Sterbeinschrift eines evangelischen Pfarrers von Steinenberg vermeldet 1592 dafür, er sei der Kirchen Gottes ... mit gottseligem Wandel und reiner Lehr ... vorgestanden. Elemente des Totenlobs, die auch bei Laien vorkommen, sind die Armenfürsorge zu Lebzeiten oder durch Testament (nrr. 191, 266), eine vorbildliche Haltung im Tod (nr. 239), eine Amtswaltung mit großem Lob und Nutzen (nr. 261) oder auch die Tatsache, daß man ein guter Gastgeber war (nr. 244).

An die Vergänglichkeit des irdischen Lebens unter Aufnahme des Memento-mori-Motivs mahnen fast ausschließlich – und dies ist sicherlich kein Zufall – vom Humanismus beeinflußte lateinische Grabinschriften. Das früheste Beispiel findet sich in der Bezeichnung corruptibile corpus in der Grabinschrift des Murrhardter Abts Carlin von 1552, dann ansatzweise in den Grabversen von Konrad Thumb von Neuburg von 1601, in denen der Nichtigkeit der bestatteten Gebeine die Gewißheit des ewigen Lebens der Seele entgegengesetzt wird, und sehr viel deutlicher dann in dem Bibelzitat Sir 38, 23: Hodie mihi, cras tibi (1606, nr. 248; deutsch: 1622, nr. 282) und in dem Grabgedicht des Abts Aulber von 1606: eloquior docui, mortuus hic iaceo (nr. 251†).

Totenklagen, wie sie gelegentlich ab 1567 (nr. 173) vorkommen, sind stets in Versform abgefaßt. In den meisten Fällen beklagt der Ehemann den Verlust seiner Frau (nrr. 173, 196, 250, 268, 270), einmal [Druckseite XXXVII] ist es der Schwiegersohn, der den vorzeitigen Tod seines Schwiegervaters betrauert (nr. 232†). Abschließend sei noch eine Grabinschrift aus dem Ende des zu untersuchenden Zeitraums hervorgehoben, die mit ihrem völlig ungewöhnlichen individuellen Formular bereits zu den originellen, oft auch sehr ausführlichen Barock-Grabschriften des 17. und 18. Jahrhunderts überleitet. Im Abweichen vom konventionellen Text der Sterbeinschriften kommt der Schmerz der Eltern über den Verlust ihres Sohnes besonders deutlich zur Geltung: Ibi filium dilectum magnamque spem Alexandrum Hauffium deposuerunt et creatori reddiderunt … parentes moestissimi (nr. 311†).

Zusätzlich zu den Sterbeinschriften finden sich – offenbar als typische Erscheinung der Reformation113) – auf Grabmälern ab 1568 vereinzelt, ab dem Ende des 16. Jahrhunderts dann sehr häufig Bibelzitate. Das früheste Beispiel auf der Grabplatte eines evangelischen Pfarrers (nr. 174†) folgt noch dem lateinischen Vulgatatext, ausgewählt ist aber mit Ps 118, 105 eine für die Reformation programmatische, weil sich auf Gottes Wort als Richtschnur berufende Bibelstelle: Lucerna pedibus meis Verbum tuum. Die Bibelzitate auf den jüngeren Grabmälern sind mit zwei Ausnahmen (nrr. 254, 285) durchweg deutsch nach der Lutherübersetzung wiedergegeben, bisweilen paraphrasierend. Meist drücken sie die Hoffnung auf die Auferstehung und das ewige Leben aus und untermauern dadurch die Aussage des gewandelten Fürbittformulars (vgl. oben). Besonders beliebt waren die Stellen Hiob 19, 25 (Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und er wird mich hernach aus der Erden auferwecken), Phil 1, 21 (Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn) und Offb 14, 13 (Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an).

4.2. Glocken

Die Glocken114) bilden nach den Grabmälern die zweitgrößte Gruppe der Inschriftenträger im Kreisgebiet, von 49 sind die Inschriften im Wortlaut nachgewiesen, immerhin 30 davon sind noch erhalten. Verluste traten insbesondere durch Kriegszerstörungen und Brände ein und zuletzt durch die Glockenablieferung in den beiden Weltkriegen.

Die älteste datierte Glocke ist die heute in der Stuttgarter Stiftskirche stehende Beutelsbacher Glocke von 1285 (nr. 5). Vielleicht noch älter ist die undatierte aus Kaisersbach-Gebenweiler stammende (nr. 8). Beide haben dasselbe, im 13. Jahrhundert häufiger begegnende Formular, einen Glockenspruch mit Marienanrufung in Form eines leoninischen Hexameters: Me resonante pia populi memor esto Maria115), bei dem Beutelsbacher Stück erweitert um die Datierung und den Zusatz Alpha et O, von dem man sich apotropäische Wirkung versprach. Direkt ausgesprochen wird die unheilabwehrende Funktion der Glocke in Verbindung mit einer Christus-Anrufung in einer ebenfalls in einem Hexameter abgefaßten nur mehr kopial überlieferten Glockeninschrift aus Murrhardt (nr. 9, 13. Jh.?): O rex Christe tuum signum procul omne malignum. Noch im 14. Jahrhundert begegnet die erste deutschsprachige Glockeninschrift, eine Marienanrufung nach Lk 1, 28, auf einer weiteren Beutelsbacher Glocke (nr. 17). Diese Ave-Maria-Formel findet sich auch später wiederholt auf Glocken des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, sowohl in lateinischer als auch in deutscher Sprache (nr. 73†), gelegentlich kombiniert mit anderen Formularteilen (nrr. 26, 127).

Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts sind die Evangelistenglocken im Bearbeitungsgebiet besonders zahlreich, die früheste wurde noch im 13. Jahrhundert gegossen (Alfdorf, nr. 7), 1419 tritt erstmals eine Meisterinschrift hinzu (nr. 19†). Auch der Aufzählung der Evangelistennamen wurde Unheil verhütende Kraft zugeschrieben. Verstärkt wurde diese magische Kraft auf einer verlorenen Schorndorfer Glocke durch Anfügung der sieben ersten Buchstaben des Alphabets (nr. 76†). Auf den Glocken aus der Esslinger Sidler-Werkstatt wird die Evangelistennennung mit dem Namen des Gießers und dem Gußdatum kombiniert, an die Stelle der Evangelisten können Christus, Maria und andere Heilige treten, z. B.: In der Ehr unsers Herrn Jesus Christus und in Maria und in St. Veits Ehr goß mich Pantlion Sidler zu Esslingen. Die apotropäische Funktion tritt auf den zahlreichen Glocken der [Druckseite XXXVIII] Zeit um 1500 aus der Heilbronner Gießhütte des Bernhart Lachaman in den Hintergrund. Die deutschsprachigen Glockensprüche kombinieren in Versform verschiedene Elemente: Glockenname (Osanna heiß ich), Funktion des Gotteslobs und des Lobs bestimmter Heiliger (in St. Bernhard Ehr leut ich o. ä.) sowie Meisterinschrift (Bernhart Lachaman goß mich) und in der Regel die Datierung. Einzelne dieser Elemente können dabei fehlen. In einem Fall (nr. 62†) wird freilich auch wieder die Unheilabwehr beschworen (das Wetter wend ich).

Ein einfaches Glockenformular stellt das Gebet um Hilfe an Gott und Maria, einmal auch an das Hl. Kreuz dar (nrr. 80, 101, 104). Beliebt war im späten 16. und im 17. Jahrhundert der gereimte Glockenspruch Aus dem Feuer floß ich, N. N. goß mich, der in verschiedenen Varianten insgesamt viermal Anwendung fand (nrr. 169, 225, 281, 310). Eine ausführliche Aufzählung der kirchlichen und weltlichen Funktionen der Glocke bietet ein Fellbacher Exemplar von 1625 (nr. 288): Ankündigung von Gottesdienst, Hochzeit oder Beerdigung, Wecken, Verkünden des Feierabends, Stundenschlag. Schließlich konnte auf Glocken auch die Nennung der örtlichen Amtsträger Platz finden, die für die Anschaffung der Glocke verantwortlich waren. Beispiele hierfür liegen erst aus dem 17. Jahrhundert vor (nrr. 277, 288, 289). Stifternennungen finden sich keine, nur in einem Fall ist durch Wappen ein Hinweis auf die Stifter – die adeligen Patronatsherren – gegeben (nr. 246).

Bei einigen der ältesten Glocken deuten verschiedene Hinweise auf die Herstellung durch Gießer aus der Ulmer Gegend. So finden sich Gegenstücke zu den Glocken aus Beutelsbach (nr. 5), Alfdorf (nr. 7) und Kaisersbach-Gebenweiler (nr. 8) im Kloster Wiblingen (Stadt Ulm), in Gundersbach (Alb-Donau-Kreis) bzw. in Drackenstein (LKr. Göppingen). Der als Gießer der ältesten Schorndorfer Glocke genannte Magister Ulricus könnte identisch sein mit Ulrich Kantengießer aus Lauingen, der 1413 das Ulmer Bürgerrecht erwarb und der möglicherweise der Vater des ersten in Ulm ansässigen Meisters Johannes Fraedenberger war116). Zwei Murrhardter Glocken aus der Mitte des 15. Jahrhunderts wurden ebenso wie eine Glocke in Unterweissach von dem Reutlinger Gießer Hans Eger hergestellt, der urkundlich von 1444 bis 1489 in Reutlingen nachweisbar ist und dessen erste erhaltene Glocke von 1440 datiert117). Eine dritte Murrhardter Glocke (von 1445) stammt aus der Gießhütte des Nürnbergers Konrad Gnoczhamer (nr. 26), sie ist jedoch möglicherweise ursprünglich für Großbottwar gegossen und erst im 16. Jahrhundert nach Murrhardt verbracht worden. Im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert sind zwei Gießhütten im Kreisgebiet vorherrschend, die Heilbronner des Bernhart Lachaman und die Esslinger des Pantlion Sidler. Insgesamt sind im Rems-Murr-Kreis neun Lachaman-Glocken aus dem Zeitraum von 1490 bis 1510 bezeugt, zum überwiegenden Teil handelt es sich dabei um Osanna-Glocken mit gleichförmigem, nur leicht variiertem Formular (vgl. oben)118). Lachaman belieferte eine große Region, die im Westen und Süden bis Zwerenberg (LKr. Calw), Kuppingen (LKr. Böblingen) und Neuffen (LKr. Esslingen) reichte. Innerhalb des Landkreises markieren Rommelshausen, Grunbach und Alfdorf die südlichsten Punkte des Verbreitungsgebiets. Dieses überschneidet sich im Südwesten mit dem Absatzgebiet der Esslinger Sidler-Glocken. Von Pantlion Sidler gegossene Stücke sind aus dem Kreisgebiet acht aus der Zeit von 1494 bis 1515 bekannt, hinzu kommt eine Fellbacher Glocke seines Sohnes Bastian von 1519 (nr. 125). Die Sidler-Werkstatt griff nicht weit nach Norden aus. Mit Ausnahme von Erbstetten (1503, nr. 90) finden sich keine Esslinger Glocken aus diesem Zeitraum nördlich der Linie Hegnach–Schornbach–Alfdorf. Die nur abschriftlich überlieferte Glocke von 1528 aus Korb-Steinreinach könnte freilich ihrem Formular nach – Verbum domini manet in aeternum mit deutscher Übersetzung – von Bastians Bruder Lenhart stammen, der nach dessen Ermordung 1526 die Gießhütte fortführte119). Bislang sind von ihm vier erhaltene Glocken zwischen 1530 und 1535 bekannt.

In der Zeit unmittelbar nach Einführung der Reformation sind nur wenige Glocken neu gegossen worden. Für die Schorndorfer Stadtkirche lieferte der Ulmer Gießer Stephan First 1561 eine Glocke, deren deutscher Bibelspruch den Einfluß der Reformation verrät (nr. 169). Die Orientierung auf Ulm ist in der näheren Umgebung Schorndorfs auch später noch festzustellen: So goß 1622 Hans Braun aus Ulm die Glocke für die Oberurbacher Pfarrkirche (nr. 281). Zu Beginn des 17. Jahrhunderts tritt die Esslinger Gießhütte wieder mit fünf Glocken, jetzt im Norden bis Rietenau ausgreifend, in Erscheinung. Zwei Glocken von 1597 und 1600 (nrr. 225, 236) wurden von Martin Miller (urk. 1566, † 1607) und seinem Sohn Hans gemeinsam gegossen, die drei späteren stammen von [Druckseite XXXIX] Hans (1620 †) allein120). Nur kurze Zeit war der aus Nürnberg stammende Gießer Wolf Roth in Esslingen tätig. Er goß 1648 eine Glocke für die Pfarrkirche in Schnait (nr. 310).

Zuletzt seien die lothringischen Wandergießer erwähnt, die im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche Glocken in Württemberg gegossen haben. Der erste nachweisbare unter ihnen, François Racle, hat in den Jahren 1625 und 1626 insgesamt drei Glocken mit aufwendigem Dekor für die Kirchen in Fellbach, Leutenbach und Schwaikheim gegossen (nrr. 288, 289, 290). Beim Guß der ersten Glocke unterstützte ihn sein Landsmann François Chevillot. Glocken des ab 1643 im Württembergischen und in Donauschwaben viel beschäftigten Claude Rosier sind aus dem Berichtszeitraum nicht überliefert, von seiner Hand stammt aber eine erhaltene Schorndorfer Glocke von 1652.

4.3. Kirchliche Ausstattungsgegenstände und Geräte

Im Bereich der Kirchenausstattung ist mit einer besonders hohen Verlustrate zu rechnen, da der Bildersturm der Reformation das gesamte Kreisgebiet erfaßt hat und zudem Brände einzelne Kirchen völlig eingeäschert haben. Die aus Holz gefertigten Objekte waren wegen ihrer Anfälligkeit, die metallenen wegen ihrer Wiederverwendbarkeit stets besonders gefährdet. Unter diesen Bedingungen mag es sogar überraschen, daß sich dennoch die beträchtliche Zahl von sieben spätgotischen Altarretabeln mit Inschriften erhalten hat. An erster Stelle verdient der Winnender Schnitzaltar genannt zu werden (nr. 126), in den 1549 eine geschnitzte Gedenkinschrift eingesetzt wurde, die über Aufbau, Abbruch und Wiedererrichtung im Zuge von Reformation und Interim berichtet. Mit gemalten Tafeln versehen sind die Flügelaltäre aus Oppenweiler (nr. 44), aus Stetten i. R. (nr. 54), aus Murrhardt (nr. 66), die beiden aus Schnait (nrr. 68, 81) und der aus Hebsack (nr. 121). Bevorzugt wurden Gewandsauminschriften und Tituli der dargestellten Heiligenfiguren in Form von Nimbenumschriften in der dekorativen frühhumanistischen Kapitalis angebracht, während schlichtere Beischriften, etwa auf den Rahmen der Altarflügel, in gotischer Minuskel aufgemalt sind. Das beliebte Motiv der Verkündigung Mariae bot Gelegenheit, den englischen Gruß in ein Schriftband zu setzen.

Chorgestühle und Kirchenstühle mit Inschriften haben sich nicht erhalten. Abschriftlich überliefert sind lediglich eine ausführliche Fertigungsinschrift von 1508 am Backnanger 1693 vernichteten Chorgestühl (nr. 98) sowie ein kurzer Fertigstellungsvermerk von 1533 am 1634 verbrannten Schorndorfer Gestühl (nr. 143). Ein Sakristeischrank in der Backnanger Pankratiuskirche trug früher ebenfalls einen Fertigstellungsvermerk (nr. 88). Die von Melchior Gockheler geschaffene Steinkanzel in Schornbach (nr. 252) mit ihrer langen eingehauenen Versinschrift und die Grunbacher Kanzel, die mit biblischen Gestalten und Bibelversen farbig bemalt wurde (nr. 287), sind bereits Zeugnisse der protestantischen Zeit. Hierher gehört auch das Gemälde mit der Darstellung der Verlesung der Confessio Augustana vor Kaiser Karl V., das ursprünglich in der Schorndorfer Stadtkirche hing (nr. 313).

Von dem mit Inschriften versehenen Skulpturenschmuck sind nur einige Altarkruzifixe mit Kreuztituli auf uns gekommen, darunter ein sog. „Auferstehungs-Christus“ mit beweglichen Armen, der in der Karfreitags- und Osterliturgie eingesetzt wurde (nr. 84). Als Kuriosa sind – nur mehr abschriftlich – zwei Schrifttafeln aus der Schorndorfer Stadtkirche bezeugt, von denen eine die Priester und Meßdiener aufforderte, ihre liturgischen Pflichten ernst zu nehmen121), die andere als Gedenkinschrift an die Erbeutung des daneben aufgehängten „Judasstricks“ aus Rom erinnerte (nrr. 83, 139). Hinweistafeln dieser Art hat es in den Kirchen in wesentlich größerer Zahl gegeben, als die – original oder kopial – überlieferten Texte zunächst vermuten lassen. Erhielten die Texte keine wesentlichen historischen Nachrichten oder waren sie nicht in besondere sprachliche Form gekleidet, hatten sie keine Chance, als Quelle beachtet und überliefert zu werden122).

Die Inschriften auf den liturgischen Geräten – erhalten sind Kelche, Hostiengefäße und ein Taufkännchen – sind in den meisten Fällen Anrufungen oder Stifterinschriften. Christus- und Marienanrufungen in der einfachsten Form der bloßen Namennennung finden sich auf Meßkelchen aus vorreformatorischer Zeit. Die Stiftungsinschriften reichen von Stifterinitialen oder -namen mit Wappen und Jahreszahl bis zu den sehr ausführlichen Inschriften aus dem Ende des Berichtszeitraums auf einem Schornbacher Abendmahlskelch (nr. 302 mit Aufzählung aller Titel des Stifters) und auf einem Waiblinger Hostienkästchen (nr. 309 a: Votivgabe für die Genesung von einer [Druckseite XL] Krankheit). Ein Meßkelch aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts verbindet die Nennung des Stifters mit der Aufforderung zur Fürbitte: orate pro fratre Joane . . . filio huius conventus.

4.4. Inschriften an Gebäuden

Inschriften, die ortsfest an Mauern, Wänden, Decken, Gewölben und anderen Baugliedern angebracht sind, werden, da sie nicht transportabel oder jedenfalls nicht leicht abzulösen sind, zwangsläufig bei Umbau- und Abbruchmaßnahmen, bei Feuer- und Wasserschäden oder bei kriegsbedingter Zerstörung des Gebäudes oder von Teilen desselben wenn nicht gänzlich vernichtet, so doch in Mitleidenschaft gezogen. Zudem sind solche Gebäudeinschriften oft nur aufgemalt, was ihre „Überlebenschance“ weiter mindert, Beeinträchtigungen durch spätere Ausbesserungen und Überarbeitungen entstellen nicht selten den ursprünglichen Schriftbefund. Daher verwundert es nicht, daß von den ehedem zahlreichen Wandmalereien, die die Innenräume der romanischen und gotischen Kirchen zierten und die häufig mit Beischriften versehen waren, nur wenig und Fragmentarisches erhalten ist. Im Zuge der Reformation, als die Bildwerke aus den Kirchen beseitigt wurden, sind viele der Wandgemälde übertüncht worden. Aufdeckungen bei künftigen Renovierungsarbeiten könnten also durchaus bislang unbekannte Inschriften zu Tage fördern. Noch aus dem frühen 14. Jahrhundert stammt die Chorausmalung in der Winterbacher Pfarrkirche, von der einige längere Beischriften erhalten sind, darunter die gegen die geschwätzigen Kirchgängerinnen gerichteten deutschsprachigen Verse auf der sprichwörtlichen, von einem Teufel aufgespannten Kuhhaut (nr. 11). Die nur mehr sehr fragmentarisch erhaltenen Wand- und Gewölbemalereien des späten 14. bis frühen 16. Jahrhunderts in Neustadt, Beinstein, Schmiden und Strümpfelbach bestehen überwiegend aus Tituli und kurzen Beischriften. Ergiebiger sind dagegen die nur abschriftlich überlieferten „Historienmalereien“ an Wänden und Glasfenstern der alten und neuen Abtei des Murrhardter Januariusklosters, die mit einfachen Beischriften, zum Teil aber auch mit ausführlichen Inschriften in Versform versehen waren und in Bild und Wort die Klostergründungslegende veranschaulichten.

Die älteste Gebäudeinschrift im Kreisgebiet befindet sich am romanischen Tympanon der Murrhardter Walterichskirche (nr. 1). Die lateinische und teilweise griechische Inschrift besteht aus der eigentlichen Portalinschrift mit Eintrittsaufforderung und biblischem Mahnspruch und aus Beischriften zu den Darstellungen des Agnus Dei und der Jungfrau Maria, der Tür, durch die der Heiland die Welt betritt.

Die wichtigste und größte Gruppe der Inschriften am Bau bilden die Bauinschriften, die in knapper oder ausführlicher Form über Beginn oder Abschluß einer Baumaßnahme informieren und häufig den Bauherrn oder sonst an der Errichtung des Gebäudes beteiligte Personen nennen. Die einfachsten „Inschriften“ dieser Art sind bloße Jahreszahlen, die an der Stelle, an der sie angebracht sind, in der Regel für die Vollendung eines bestimmten Bauabschnitts stehen, einen Umbau oder eine Renovierung dokumentieren. Dazu können Initialen treten, die den Bauherrn oder den ausführenden Handwerker bezeichnen. Auf die Aufnahme dieser im allgemeinen für epigraphische Fragestellungen unergiebigen isolierten Bauzahlen und – meist nicht aufzulösenden – Initialen wurde, wie anfangs bereits erwähnt, im vorliegenden Band verzichtet. Ausgeschriebene Bauherren- oder Handwerker- und Baumeisternamen in Verbindung mit Bauzahlen, aufgemalt, in Stein eingehauen oder in Fachwerkpfosten eingeschnitzt, begegnen häufig, sie können zusätzlich mit Wappen und/oder Devisen versehen sein. Die ausführlicheren Bauinschriften, die sich vorwiegend an Kirchen- und Klostergebäuden finden, beschreiben den Beginn oder Abschluß des Baus in vollständigen Sätzen, meist in Passivform: constructum est (nrr. 10, 42), fundata est (nr. 30), incohata est (nr. 3), positus est (nr. 100). Auch die älteste deutschsprachige Bauinschrift (1454, nr. 33) ahmt diese Konstruktion nach: ist der kor angefangen. Bauinschriften des 16. und 17. Jahrhunderts können mitunter zu Gedenkinschriften ausgeweitet, gelegentlich auch in Versform abgefaßt sein (nrr. 243, 299, 315).

An typischen Haussprüchen läßt sich aus dem Berichtszeitraum lediglich ein Beispiel in Kirchberg a. d. Murr von 1616/17 beibringen (nr. 276), das in vier deutschen Reimversen Gottes Segen für das Haus erbittet. Gerade im Bereich der Hausinschriften dürfte der Verlust durch die Stadtzerstörungen beträchtlich sein.

Unter den technischen Bauwerken sind als Inschriftenträger nur ein Backnanger Brunnen und der Wellbaum einer Schorndorfer Pferdemühle kopial bezeugt (nrr. 202, 151). Einen Sonderfall innerhalb der Gruppe der Inschriften am Bau stellen die Verewigungen dar, Ausflüsse „spontaner Schriftlichkeit“123), die meist flüchtig ausgeführt und oft an unauffälliger Stelle angebracht sind. Hierher [Druckseite XLI] gehören vor allem die zahlreichen in die Malschicht des Chores in der Schmidener Kirche eingeritzten Graffiti von Kirchenbesuchern, zum größten Teil eingeleitet mit Hic fuit . . (nr. 53)124). Ebenfalls in die Malschicht eingekratzt war die winzige datierte Signatur eines Malers von 1453 in der Murrhardter Walterichskirche (nr. 31). Vergleichbar sind ferner die mit Rötelkreide bzw. mit Pinsel in Kursivschrift aufgemalten Nameninschriften in Murrhardt (nr. 58) und in Geradstetten (nr. 234). Am Chor der Oeffinger Naborkirche wurde ein solcher ursprünglich flüchtig in gotischer Kursive ausgeführter Eintrag von 1457 nachträglich zu unbekanntem Zeitpunkt mit gleichmäßig tiefem Meißelschlag in Unkenntnis der zugrunde liegenden Schriftformen nachgehauen und dabei verfälscht (nr. 35).

Zitationshinweis:

DI 37, Rems-Murr-Kreis, Einleitung, 4. Die Inschriftenträger (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011e000.

  1. Vgl. zur Terminologie: Seeliger-Zeiss, Grabstein oder Grabplatte 289. »
  2. Abb. bei Friedrich Karl Azzola, Zur Ikonographie des Kreuzes auf Kleindenkmälern des Hoch- und Spätmittelalters im deutschen Sprachraum, in: Deutsche Inschriften 1986, 9–41, hier: 21 Abb. 22; ders., Kreuzplatten. Wir danken Herrn Prof. Azzola herzlich für die Überlassung seines Manuskripts vor der Drucklegung. »
  3. Vgl. nr. 110»
  4. Vgl. nrr. 108111 und oben S. XVI. »
  5. Azzola, Kreuzplatten. »
  6. Vgl. auch zwei ähnliche inschriftlose Grabplatten mit Stabkreuzen aus dem 13. Jahrhundert in der kath. Kirche zu Michaelsberg (Cleebronn, LKr. Heilbronn); eines ist abgebildet in: Anneliese Seeliger-Zeiss, Grabdenkmäler der Kraichgauer Ritterschaft. Ausgewählte Beispiele von der Spätgotik bis zum Frühbarock, in: Die Kraichgauer Ritterschaft in der frühen Neuzeit, hg. v. Stefan Rhein (=Melanchthon-Schrr. der Stadt Bretten 3). Sigmaringen 1993, 215–256, hier: 233 Abb. 1. »
  7. Vgl. etwa die – freilich älteren – winkelförmig nur zweiseitig beschrifteten Grabplatten in Zwettl/Niederösterreich und in der Babenbergergrablege in Heiligenkreuz (letztes Viertel 13. Jh.): Walter Koch, Epigraphik – Die Grabdenkmäler und ihre Beschriftung, in: Die Kuenringer. Das Werden des Landes Niederösterreich, Niederösterreichische Landesausstellung Stift Zwettl 16. Mai–26. Okt. 1981 (=Kataloge des Niederösterreichischen Landesmuseums NF 110). Wien ²1981, 147–160; ders., Zu den Babenbergergräbern in Heiligenkreuz, in: Babenberger-Forschungen (=Jb. für Landeskunde von Niederösterreich NF 42, 1976) 193–215, Taf. III–VIII. »
  8. Oft haben sich nur diese Metallteile erhalten, während die Steinplatten entfernt wurden, so etwa in der Heilbronner Kilianskirche, in der Esslinger Dionysiuskirche oder in der ev. Stadtkirche zu Geislingen a. d. Steige (LKr. Göppingen). »
  9. Daß der Strümpfelbacher Pfarrer Springinshus den Kelch mit der Linken segnet (nr. 130), dürfte wohl ein Versehen des Steinmetzen sein. »
  10. Als weitere figürliche Grabplatte eines Bürgerlichen ist nur noch die im Hauffschen Epitaphienbüchlein als cum effigie defuncti und mit drei Wappen geschmückte Platte des Johann und der Anna Hauff von 1587 (nr. 201†) zu nennen, deren Lage im Fußboden bezeugt ist. »
  11. Vgl. Bauch 215ff. und 233ff.; ferner: Anneliese Seeliger-Zeiss, Ritter-Grabmäler der Parlerzeit im Gebiet der ehemaligen Kurpfalz, in: Zs. des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 32 (1978) 137–167. »
  12. Zur Unterscheidung der einzelnen Grabmaltypen, speziell zur Verwendung des Begriffs „Epitaph“, vgl. Anneliese Seeliger-Zeiss, Grabstein oder Grabplatte 283–291; dies., Grabdenkmäler der Kraichgauer Ritterschaft (wie Anm. 78) 227-255. Die aufwendigeren monumentalen Figurenepitaphien werden nach der von A. Seeliger-Zeiss vorgeschlagenen Terminologie im vorliegenden Band als „Grabdenkmäler“ bezeichnet. »
  13. Die Frauen in reich verziertem Feiertagsgewand, mit großem Schlüsselbund bzw. Gesangbuch in den gefalteten Händen und mit am Hüftgürtel bis fast auf den Boden herabhängendem Beutel und Köcheretui; die Männer im Kettenhemd, kombiniert mit einzelnen Harnischteilen, in hüfthohen Lederstrümpfen und mit eigenartigem Raupenhelm, jeweils mit zwei Jagdhunden an der Leine. Besonders auffallend ist die Bewaffnung: bei Konrad d. Ä. neben Schwert und Dolch ein Streithammer sowie ein Pulverhorn am Schulterriemen, bei seinem Sohn hängt der Streitkolben an einem Riemen an der Hüfte, zusätzlich zum Pulverhorn trägt er eine kostbar verzierte Büchse über der Schulter. Letztere dient hervorgehoben zu werden, da die Darstellung von Fernwaffen aller Art ansonsten auf Grabmälern des Adels, aber auch bei Bürgerlichen, in Mitteleuropa nicht üblich war; vgl. Valentinitsch, Die Aussage des mittelalterlichen Grabmals für die adelige Sachkultur 284. Beispiele dafür, daß gerade der Beruf des Jägermeisters mit seinen typischen Attributen auch ins Bild gesetzt wurde, lassen sich freilich schon 1480 und 1508 in Höhenkirchen (LKr. München) nachweisen: Dort sind auf Epitaphien für die herzoglichen Jägermeister Hans Wager d. Ä. und d. J. die Verstorbenen in ihrer Berufstracht und mit Spürhund an der Leine dargestellt; vgl. Volker Liedke, Die Haldner und das Kaisergrabmal in der Frauenkirche zu München (=Ars Bavarica 2). München 1974, 36 Abb. 21; vgl. DI 5 (München) nrr. 59 und 123. Weiters ist als Parallele das Grabdenkmal für den kurpfälzischen Jägermeister Dietrich von Austke in der Heidelberger Peterskirche von 1588 zu nennen, das den Verstorbenen mit Jagdhund und in die Hüfte gestützter (verlorener) Büchse vor einer Waldlandschaft mit Wildtieren zeigt; vgl. Anneliese Seeliger-Zeiss, Heidelberger Werke des Bildhauers Jeremias Schwartz von Leonberg, in: Jb. d. Staatl. Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 29 (1992) 105–127, hier: 112 Abb. 3. »
  14. Ein außerordentlich frühes Beispiel bietet die Grabplatte Reinbold Beyers von Boppard im Wormser Dom von 1364: DI 29 (Worms) nr. 145; in Mainz für einen Angehörigen derselben Familie 1377: DI 2 (Mainz) nr. 49†; in Würzburg Belege zu 1382 und 1383: DI 27 (Würzburg I) nrr. 106†, 108; in Helmstadt (Rhein-Neckar-Kreis) zu 1390: DI 16 (Rhein-Neckar-Kreis II) nr. 212. Die Anbringung der heraldischen Ahnenprobe auf Grabmälern hat ihre Parallele in der Aufschwörungspraxis der meisten reichskirchlichen adeligen Stifte. Diese forderten seit dem frühen 13. Jh. den Nachweis der Ritterbürtigkeit des aufzunehmenden Kandidaten in der Form, daß adelige Zeugen beschwören mußten, daß die vier Großeltern des Aspiranten aus ritterbürtigem und stiftsmäßigem Geschlecht stammten. Im 15. Jh. kam der Brauch auf, diesen Nachweis schriftlich zu erbringen (in Speyer z. B. seit 1442, seit der 2. Hälfte des 16. Jh. dann in der Form einer gemalten Ahnentafel mit Wappen. Dies mag erklären, warum die Vierer-Ahnenproben zuerst auf Grabmälern von Domkanonikern vorkommen! Vgl. Sigmund Frh. von Pölnitz, Stiftsfähigkeit und Ahnenprobe im Bistum Würzburg, in: Herbipolis jubilans. 1200 Jahre Bistum Würzburg, FS zur Säkularfeier der Erhebung der Kiliansreliquien (=Würzburger Diözesangeschichtsbll. 14/15, 1952/53). Würzburg 1952, 349–355; Gerhard Fouquet, Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter (ca. 1350–1540). Adelige Freundschaft, fürstliche Patronage und päpstliche Klientel (=Quellen u. Abh. zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 57), 2 Tle. Mainz 1987, hier: Tl. 1, 38–43; allgemein: Klaus Schreiner, Art. „Ahnenprobe“, in: Lexikon des Mittelalters 1 (1980) Sp. 233 (m. weiterer Lit.). »
  15. Vgl. etwa die Deutschordens-Aufschwörschilde des 15. Jh. in der Nürnberger Jakobskirche: 800 Jahre Deutscher Orden. Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg ... Gütersloh München 1990, 540–546. »
  16. Kurt Pilz, Der Totenschild in Nürnberg und seine deutschen Vorstufen. Das 14.–15. Jahrhundert, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg Jg. 1936–39, 57–112, hier: 67 Abb. 3. »
  17. Frühe Beispiele im Ulmer Münster reichen sogar bis in die 60er Jahre des 14. Jh. zurück, vgl. Max Bach, Die Grabdenkmale und Totenschilde des Münsters zu Ulm, in: WVjh NF 2 (1893) 129–161, hier: 138ff. Zur großen Zahl der ehemals im Mainzer Dom aufgehängten Totenschilde: DI 2 (Mainz) Einl. S. [37]. »
  18. Die runden Schilde beschreibt Wolleber zumindest immer ausdrücklich als solche, was bei den genannten Beispielen aber nicht der Fall ist. »
  19. Vgl. Seeliger-Zeiss, Grabmal oder Grabplatte 286. »
  20. Vgl. etwa die zahlreichen Abtsepitaphien ab 1597 in der ehem. Klosterkirche zu Bebenhausen (Stadt Tübingen) in: Die Grabdenkmale im Kloster Bebenhausen, bearb. v. Hans Gerhard Brand, Hubert Krins, Siegwalt Schiek (=Beitrr. zur Tübinger Geschichte 2). Tübingen 1989, 68–126. »
  21. Abweichungen zeigen sich allerdings in den Inschriften der Grabtäfelchen aus den Markgrafengräbern in Backnang (nrr. 108111), die freilich als Translationsnotizen eine zusätzliche Funktion zu erfüllen haben. »
  22. In der Bauinschrift nr. 3 findet sich vielleicht zusätzlich eine Datierung nach päpstlichen Pontifikatsjahren. Nur ganz vereinzelt und erst ab der Mitte des 16. Jh. ist eine Reduzierung der Jahreszahl auf die letzten beiden Stellen („Minderzahl“) zu beobachten: nrr. 150 (1542), 196 (1582), 232 (1599). »
  23. Dies müßte anhand einer breiteren Materialbasis überprüft werden. Das Dilemma, zu dem das Zusammentreffen von Fürbitte und Tagesdatum nach Festkalender am Textende führen konnte, dokumentiert eine Inschrift von 1453 (nr. 32): ... obiit dictus eberhardvs stvrmfeder armiger feria secunda ante festum vrbani pape cvivs anima reqviescat in pace. Die Fürbitte kann sowohl auf den Verstorbenen als auch auf den hl. Urban bezogen werden. »
  24. Nr. 45 †: die secunda Aprilis. Zwar nur kopial, aber zuverlässig überliefert. »
  25. 1587 (nr. 200) mit der ungewöhnlichen Einleitung: [Auf] heut dato Donnerstag den ...; dann nrr. 215218 (vor 1597), 232 † (1599), 235 (1600). »
  26. Zum Eindringen des Deutschen in die Inschriften allgemein vgl. Kloos, Einführung 41; Renate Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache in Bau- und Künstlerinschriften, in: Deutsche Inschriften 1984, 62–81; dies., Frühe deutschsprachige Inschriften, in: Latein und Volkssprache im deutschen Mittelalter 1100–1500. Regensburger Colloquium 1988, hg. v. Nikolaus Henkel u. Nigel F. Palmer. Tübingen 1992, 178–198; Nikolaus Henkel, Die Stellung der Inschriften des deutschen Sprachraums in der Entwicklung volkssprachlicher Schriftlichkeit, in: Vom Quellenwert 161-187; Christine Wulf, Versuch einer Typologie der deutschsprachigen Inschriften, in: Epigraphik 1988, 127–137. »
  27. Vgl. aber die Formel dem/der Gott g(e)nad, die in Würzburg ab 1401 belegt ist: DI 27 (Würzburg I) nrr. 139 (1401), 145† (1404), 152 (1407). Auch in Burghausen (Oberbayern) findet sich ein frühes Beispiel 1409: Johann Dorner, Die Inschriften der Stadt Burghausen vor dem Jahre 1805. Tl. I: Die Inschriften des Stadtgebietes ohne Stadtteil Raitenhaslach (=Burghauser Geschichtsbll. 37). Burghausen 1981, nr. 6. Die Erweiterung zu dem Gott gnädig sei o. ä. finde ich im bislang publizierten Material zuerst 1438 in Bronnbach: DI 1 (Bad. Taubergrund) nr. 135; 1442 in Augsburg: Kosel nr. 47. »
  28. Die nur abschriftlich überlieferte Sterbeinschrift für den 1386 gestorbenen wolgebohrne(n) herr(n) Burkhard von Hohenberg (DI 30 [Calw] nr. 45†) kann in dieser Form unmöglich zeitgenössisch sein und fällt daher als Frühbeleg aus. Das Epitheton wohlgeboren für Edelfreie und Grafen (lat. generosus/illustris) und das entsprechende hochgeboren für Fürsten (lat. illustris) begegnet in Inschriften sonst erst vor der Mitte des 15. Jh.: 1440 Graf von Wertheim (DI 1 nr. 138); 1456 Graf von Abensberg, vgl. Liedke, Die Haldner (wie Anm. 85) 53 u. 163; um 1463 Frh. von Indersdorf (ebd. 62f.). Die Schorndorfer Inschrift scheint 1477 nach dem Neubau der Stadtkirche nach damals gängigem Formular neu angefertigt worden zu sein, vermutlich an Stelle einer älteren (lateinischen?). »
  29. Wulf (wie Anm. 98) 131 f. »
  30. Die früh- und hochmittelalterlichen in gebundener Sprache abgefaßten Inschriften enthielten sehr häufig solche Grabbezeugungen, die aber von dem obiit-Formular ganz verdrängt wurden. Einen guten Überblick bieten die bisher 16 erschienenen Bände des CIFM. »
  31. Vgl. oben S.XXXII mit Anm. 100. »
  32. Bischof: 1137 Heidelberg: DI 12 (Heidelberg) nr. 2†; 1190 Würzburg: DI 27 (Würzburg 1) nr. 12; Kanoniker: 1271 Maulbronn: DI 22 (Enzkreis) nr. 6; Abt: 1306 Ebrach: DI 18 (Haßberge) nr. 9†; Äbtissin: 13. Jh. Lobenfeld: DI 12 (Heidelberg) nr. 24; Leutpriester: 1334 Rothenburg o.T.: DI 15 (Rothenburg) nr. 19 usw. »
  33. Frühe inschriftliche Belege finden sich etwa in Weinheim 1293: DI 16 (Rhein-Neckar-Kreis II) nr. 6; Rothenburg o.T. 1303: DI 15 nr. 9; Würzburg 1328 (nur kopial): DI 27 nr. 51†. »
  34. Zur Dokumentierung des sozialen Aufstiegs in der äußeren Gestaltung der Grabmäler und in der Formulierung der Sterbeinschriften vgl. Helfried Valentinitsch, Grabinschriften und Grabmäler als Ausdruck sozialen Aufstiegs im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Epigraphik 1988, 15–26. »
  35. Vgl. validus als Epitheton des ebenfalls 1471 verstorbenen armiger Johann von Dürn in Amorbach: Rudolf Viernengel, Ergänzungen zu dem Inschriftenband Mosbach, Buchen und Miltenberg, unt. Mitarb. v. Helmut Hartmann, in: Aschaffenburger Jb. 6 (1979) 37–125, hier: nr. 170c†. »
  36. Vgl. Anm. 100. »
  37. Hauffs Grabplatte war mit drei Wappen versehen; das erhaltene Stickelsche Grabdenkmal ahmt mit den lebensgroßen Standfiguren des Ehepaars – der Offizier in Ritterrüstung und vor einem Löwen stehend – in allem die zeitgenössischen Adelsgrabmäler nach, bezeichnenderweise abgesehen von der Wappen-Ahnenprobe. Vgl. dazu Valentinitsch, Ausdruck sozialen Aufstiegs (wie Anm. 106) 19f. »
  38. Dem entsprechen die Epitheta ehrwürdig und edel der adeligen Äbtissin von Oberstenfeld Sophia von Remchingen in einer Bauinschrift von 1592 (nr. 207). »
  39. Bei den früheren Beispielen für Kindergrabschriften handelt es sich um Mitbestattungen bei einem der Elternteile (nrr. 103, 150). »
  40. Bei bildlicher Darstellung der ganzen Familie sind die Namen der Kinder gewöhnlich über oder unter den Figuren beigeschrieben, stehen also außerhalb der eigentlichen Sterbeinschriften. »
  41. Vgl. dazu für den Bereich der Steiermark: Helfried Valentinitsch, Die Aussage der steirischen Inschriften über Reformation und Gegenreformation, in: Evangelisch in der Steiermark. Glaubenskampf – Toleranz – Brüderlichkeit, Ausstellungsführer, hg. v. Gerhard Pferschy (=Styriaca NR 2). Graz 1981, 486–50; ders., Frühneuzeitliche Familien- und Kindergrabmäler in der Steiermark, in: Bll. für Heimatkunde 66 (1992) 123–138. »
  42. Vgl. zuletzt die grundsätzlichen Ausführungen von Edmund Kizik, Die Funktion der Glockeninschriften. Ein Versuch ihrer Einteilung unter methodologischem Aspekt, in: Vom Quellenwert 189–207; allg.: Heinrich Otte, Glockenkunde. Leipzig 21884; Karl Walter, Glockenkunde. Regensburg Rom 1913. »
  43. Datierte Glocke von 1247 in Regensburg, Kollegiatkirche U. L. F. zur Alten Kapelle, vgl. Die Kunstdenkmäler der Oberpfalz 22: Stadt Regensburg II: Die Kirchen der Stadt (mit Ausnahme von Dom und St. Emmeram), bearb. v. Felix Mader (Die Kunstdenkmäler von Bayern). München 1933, 38. »
  44. Vgl. Dt. Glockenatlas WürttHohenzollern 35 Anm. 90. »
  45. Ebd. 22–24. »
  46. Bernhart Lachamans Glocken sind von 1481 bis zu seinem Tod 1517 bezeugt, danach führten sein gleichnamiger Sohn († 1523) und dann wohl dessen Witwe die Gießhütte bis 1526 weiter, vgl. ebd. 31–33. »
  47. Gleiches Formular mit Gießername auf einer Glocke von 1530 in der Spitalkirche zu Horb am Neckar und von 1531 in Sigmarswangen (beide LKr. Freudenstadt), vgl. ebd. nrr. 873, 886. »
  48. Zu Martin und Hans Miller vgl. ebd. 65f. »
  49. Vgl. etwa auch die Mahninschrift im Regensburger Dom (E. 15. /A. 16. Jh.): Schvler • dv • hast • nit • czv • schik • dv • ge • in • Kor • vnd • sing, vgl. Die Kunstdenkmäler der Oberpfalz 22: Stadt Regensburg I: Dom und St. Emmeram, bearb. v. Felix Mader (Die Kunstdenkmäler von Bayern). München 1933, 79. »
  50. Hartmut Boockmann, Über Schrifttafeln in spätmittelalterlichen Kirchen, in: Dt. Archiv 40 (1984) 210–224. »
  51. Henkel, Stellung der Inschriften (wie Anm. 98) 162. »
  52. Die Aufnahme der Schmidener Inschriften rechtfertigt sich – entgegen den Bearbeitungsrichtlinien des deutschen Inschriftenwerks, die die Aufnahme von Graffiti nicht vorsehen – durch die zeitliche Geschlossenheit der Einträge, die noch durchweg aus vorreformatorischer Zeit stammen. Das verstärkte Aufkommen von Kritzelinschriften hat Helfried Valentinitsch z.B. für die Steiermark ab der 2. Hälfte des 15. Jh. feststellen können: H.V., Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte der Inschriftensammlung, in: Epigraphik 1982, 31–41, hier: 40 Anm. 32. »