Inschriftenkatalog: Regensburger Dom (I)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 74: Inschriften des Regensburger Doms (I) (2008)

Nr. 214 Kreuzgang, Mittelhalle, Westseite, 4. Joch 1453/1413/1442

Beschreibung

Grabplatte der Familie Tunauer aus rotem Marmor, im Boden eingelassen1). Die Inschrift I auf erhöhtem Rand beginnt oben links, fährt an der oberen Breitseite in einer zweiten Zeile fort, läuft an der rechten Längsseite einzeilig weiter und endet an der unteren Breitseite in der zweiten Zeile. Die Inschrift II beginnt unten links und endet in der zweiten Zeile an der oberen linken Längsseite. Im vertieften Feld die Gestalt des Kanonikers im Viertelrelief, bekleidet mit Chorgewand, Almucia und Birett, ein Buch haltend. Darunter ein querrechteckiges Feld, von einer scharfen Linie begrenzt, in dem sich vertieft eingehauen zwei einander zugeneigte Wappenschilde befinden. Um dieses Feld läuft die Inschrift III, die oben links beginnt, und in der dritten Zeile an der linken Seite endet. Unten links neben der Reliefdarstellung befindet sich das Vollwappen unter Maßwerk. Die Grabplatte ist abgetreten, die rechte obere Ecke überdeckt eine vertikal aufgerichtete Grabplatte. Die Anordnung der Inschriften und die Schriftgestaltung weisen darauf hin, dass die Grabplatte für den Domherren Leonhard Tunauer angefertigt wurde, die Inschriften für seine Mutter Kunigunde und seinen Bruder Markus sind nachgetragen.

Maße: H. 258 cm, B. 129 cm, Bu. 9 cm (I, II), 4,5 cm (III).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. I.

    anno ∙ d(omi)ni ∙ Mo ∙ cccco ∙ liij ∙ [obiit] / venerabilis ∙ vir ∙ d(omi)n(u)s ∙ leo[nhar]/dvs ∙ probst ∙ auf ∙ Tunaw ∙ senior ∙ Canonic(us) ∙ eccl(es)ie ∙ Ratispo(n)e(n)sis / [– – –] / cui(us) ∙ a(n)i(m)a ∙ req(ui)escat ∙ i(n) pace

  2. II.

    [an]no ∙ d(omi)ni ∙ Mo ∙ cccco ∙ xiij ∙ starb ∙ dy ∙ erberg ∙ fraw ∙ kunigund ∙ dy / alt ∙ probsti(n) ∙ kamrerin ∙ n(ativita)tis ∙ marie

  3. III.

    anno d(omi)ni ∙ M ∙ cccc ∙ xlij starb / der ∙ Erberg / Man ∙ Markus ∙ probst ∙ [au/f] ∙ tunaw / Richter v/is(ita)t(io) marie a)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1453 starb der ehrwürdige Mann, Herr Leonhard Propst auf Tunau, Seniorkanonikus der Regensburger Kirche. Seine Seele möge ruhen in Frieden. (I)

Datum: 1453; 1413 September 08; 1442 Juli 02.

Wappen:
Auf Tunau2), Auf Tunau3), Tundorfer (?)4).

Kommentar

Dieser Zweig der Familie Auf Tunau, der mit Lienhard in der Mitte des 14. Jahrhunderts das bischöfliche Propstgericht erwarb, nannte sich seitdem Propst auf Tunau5).

Kunigunde, die Tochter Stephan Thundorfers, war die Ehefrau des Ulrich, Propst zu Regensburg und Stadtkämmerer. Sie hatten sechs Söhne, Erhard, Benedikt, Hans, Ulrich, Markus und Leonhard6). Die beiden letzteren sind ebenfalls in dieser Familiengrablege bestattet.

Markus Propst auf Tunau war Propst von 1425 bis 14427). Seit 1352 war das Propstgericht vom Hochstift an die Familie Propst auf Tunau als Leibgeding erblich verpfändet. In der Amtszeit des Markus wurde es ohne bischöfliche Zustimmung, aber mit Einwilligung seiner Brüder, des Domherren Leonhard und des Erhard auf Tunau, im Jahr 1441 an die Stadt verkauft8).

Leonhard Propst auf Tunau wurde 1410 zum Domherren gewählt9). Als Regensburger Kanoniker war er an der Universität Heidelberg immatrikuliert, hatte dort aber offensichtlich keinen akademischen Grad erworben10). Er gehörte zu den Mitunterzeichnern der Wahlkapitulation zur Wahl Bischof Friedrichs II. von Parsberg (s. Kat.-Nr. 200) in Jahr 1437, ebenso bei der Wahl Friedrichs III. von Plankenfels (s. Kat.-Nr. 222) im Jahr 145011). In den Jahren 1444-45 ist er als einer der geistlichen Spitalräte am Katharinenspital nachweisbar12). Sein Jahrtag wurde am 29. November gefeiert13).

Textkritischer Apparat

  1. Die Trennzeichen sind Quadrangeln.

Anmerkungen

  1. Freytag/Hecht 38, 51; Kdm Regensburg I, 174f.
  2. BayA3 20f.; Urbanek, Wappen 121.
  3. Urbanek, Wappen 317 und 336: zwei Stabhochkreuze gekreuzt.
  4. Urbanek, Wappen 123.
  5. Morré, Ratsverfassung 20f.; vgl. Emmerig, Münzerhausgenossenschaft 82 (Anm. 27).
  6. RUB II, Nr. 540 (1363), 726 (1367), 768 (1368), 944 (1371: Weiterverkauf des Propstamtes durch Bischof Konrad an Ulrich und Kunigunde), 947 (26. Juli 1371: Letzte urkundliche Erwähnung); Engelke, Gelbes Stadtbuch Nr. 714; Emmerig, Münzerhausgenossenschaft 145.
  7. Urbanek, Wappen 122; Markus wird bei Gemeiner, Chronik I, Register, 107 auch irrtümlich als Martin bezeichnet, aber in RRUrk. 1448 06 17 sind beide genannt; für diesen Hinweis danken wir Dr. Olivier Richard, Straßburg.
  8. Gemeiner, Chronik III, 116; Martin Hanns, Das Probstgericht in Regensburg bis zum Jahr 1571, Diss. Erlangen 1928, 35 ff.; Mai, Bischof und Stadt im Spätmittelalter 93; Fischer, Hochfinanz 123; Deutsch, Ehegerichtsbarkeit 74 (Anm. 80).
  9. Leoprechting 88; anders Bernclau, Episcopatus 343 und Paricius, Nachricht 43: 1416.
  10. Toepke, Die Matrikel der Universität Heidelberg I, 97; vgl. Heimpel, Regensburger Berichte 214.
  11. Oefele I, 221; Janner, Bischöfe III, 451 mit allen 28 Artikeln der Kapitulation, 487.
  12. Dirmeier, St. Katharinenspital 572.
  13. Bernclau, Episcopatus 343.

Nachweise

  1. Eppinger 18, 30; Zirngibl, Epitaphia 54; Ried, Collectio 29r; Sammlung Heckenstaller 372 (Zirngibl, Ried und Sammlung Heckenstaller überliefern nur die Inschrift I).

Zitierhinweis:
DI 74, Inschriften des Regensburger Doms (I), Nr. 214 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di074m013k0021404.