Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 247(†) Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1649,1650

Beschreibung

Sarg mit Sarginschrift der Anna Maria Markgräfin von Baden-Durlach, geborene Freiin von Geroldseck und Gräfin von Sulz. Im Chor im Boden in einem gewölbten Schachtgrab, dessen Lage durch eine Grabplatte bezeichnet ist. Die Inschrift ist vermutlich auf dem Deckel eines Zinnsargs eingraviert; die Zeilen in zentrierter Anordnung. Die weitere Gestaltung des Sargschmuckes – vermutlich Wappen oder Bibelverse – ist nicht überliefert.

Inschrift nach Karlsruhe, GLA 47/47.

Schriftart(en): Vermutlich frühbarocke Minuskelschrift alternierend mit Kapitalis.

  1. CHRISTO Mortis VictoriVitae AuctoriS(acrum)Pro DolorVitam cum morte, Vltima linea rerum1), com(m)utavit Vltima exVetustissima D(ominorum) de HOHENGEROLZECK et SULTZ etc(etera) pro=Sapia oriunda HEROINA Singulari pietate in Deum . Prudentiaadmiranda in actionibus . constantia a[. . . .]a) in adversis . Modestiain moribus . pudicitia in universa Vita . affabilitate erga suos :munificentia erga egenos . humanitate erga omnes maxi=me Conspicua .SERENISSIMA PRINCEPS AC DOMINA , D(OMI)N(A)ANNA MARIASerenissimi ac celsissimi Principis ac dom=minib) D(omi)ni Friderici Marchionis Badensis .et Hachbergensis . Landgravii in Sausen=berg, comitis in Spanheim et Oberstein .Dinastae in Roetelen, Badenweiler, Lahr etMahlberg etc(etera)Conjux desideratissima, dulcissima, fidelissima solamen Vnicumsolus Amor . sola Voluptas .Quaemagna suorum laetitiaORITUR . d(ie) Simonis et Judae An(no) MDXCIIIIUNGITUR Conjugio1. D(omi)no Friderico Comiti Solmensic) 2. D(omi)n(o) Friderico March(ioni) Baden(si)TandemHydrope Correpta .Summo Bonor(um) omnium luctuMORITUR Basileae d(ie) 25 Maij An(no) MDCXLIX .Et huc translataVltimum Christi adventum expectat .

Übersetzung:

Christus, dem Sieger über den Tod, dem Spender des Lebens, geweiht! O welcher Schmerz! Das Leben vertauschte mit dem Tod, dem Ende aller Dinge, die als Letzte aus dem uralten Stamm der Herren von Hohengeroldseck und Sulz etc. entsprossene heldenhafte Frau, die sich auszeichnete durch einmalige Frömmigkeit zu Gott, durch bewundernswürdige Klugheit in ihrem Tun, durch (gleichbleibende) Standhaftigkeit im Unglück, durch Bescheidenheit in ihrem Betragen, durch Keuschheit in ihrem ganzen Leben, durch Leutseligkeit gegen die Ihren, durch Freigiebigkeit gegenüber Bedürftigen sowie durch deutlich ins Auge fallende Menschlichkeit gegenüber allen: die durchlauchtigste Fürstin und Frau, Frau Anna Maria, des durchlauchtigsten und erhabensten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrichs Markgrafen von Baden und Hachberg, Landgrafen zu Sausenberg, Grafen zu Sponheim und Oberstein, Herrn zu Rötteln, Badenweiler, Lahr und Mahlberg etc. herzliebste, reizendste und treueste Gattin, sein einziger Trost, seine einzige Liebe, seine einzige Lust, die zur großen Freude der Ihren geboren wurde am Tage Simonis und Judae (28. Oktober) 1593, die vereint wurde in der Ehe zuerst mit Herrn Friedrich Grafen von Solms, zweitens mit Herrn Friedrich Markgrafen von Baden, die endlich von der Wassersucht heimgesucht, zur tiefsten Trauer aller guten (Menschen) in Basel am 25. Mai des Jahres 1649 starb. Und nun, hierher überführt, erwartet sie die letzte Wiederkunft Christi.

Kommentar

Die Markgräfin Anna Maria war am 28. Oktober 1593 als alleinige Erbin des Freiherrn Jakob von Geroldseck und Sulz geboren2. Sie war in erster Ehe mit Friedrich Graf zu Solms-Laubach († 5. September 1635), verheiratet gewesen3. Am 13. November 1644 hatte sie den damals in Basel im Exil lebenden Markgrafen Friedrich V. von Baden-Durlach (reg. 1622–1659)4 als dessen vierte Ehefrau geheiratet und war dort am 25. Mai 1649 verstorben. Friedrich V. hat nach seiner Rückkehr in seine Stammlande die Särge seiner im Exil verstorbenen Familienangehörigen von Basel und Straßburg nach Pforzheim transportieren und in der Familiengrablege beisetzen lassen5. Das Datum dieser Translozierung ist auf der bis heute erhaltenen Grabplatte mit dem 3. August 1650 in der Grabinschrift genau angegeben6. Da diese Translation auch auf der hier vorliegenden Sarginschrift ausdrücklich erwähnt wird, freilich ohne das genaue Datum zu vermerken, könnte der Zinnsarg erst in Pforzheim angefertigt worden sein. Wahrscheinlicher ist aber, daß die Verstorbene bereits in Basel in diesem Sarg beigesetzt worden ist und daß die Inschrift nach erfolgter Translation in Pforzheim ergänzt wurde. In Analogie zu den Bestattungen der schon früher verstorbenen drei Gemahlinnen Friedrichs V. und zu Friedrichs eigener Bestattung 1659 spricht alles dafür, daß Anna Marias Sarg nicht in der älteren Südgruft Aufstellung fand, sondern daß er in einem ausgemauerten Schachtgrab unter dem Chorboden bestattet wurde. Denn den Bestattungsort deckt die Grabplatte mit einer deutschsprachigen Inschrift, die ähnlich gestaltet ist wie bei den drei älteren Markgräfinnen.

Die umfangreiche Sarginschrift bietet ein typisches Beispiel barocken Lobpreises der Verstorbenen, dargeboten in einer wirkungsvoll gestalteten Form als Schriftkunstwerk, so weit sich dies aus der Transkription noch erahnen läßt. Der reiche inschriftliche Schmuck der Oberfläche eines solchen Sarges blieb nur während eines geringen Zeitraums für Leser der Inschrift sichtbar. Hier wurde der Sarg bei der Bestattung endgültig in seine Einzelgruft eingesenkt. Aber auch die in der gemeinsamen Sammelgruft des Fürstenhauses aufgestellten Särge waren normalerweise unzugänglich.

Textkritischer Apparat

  1. Vorschlag: aequa.
  2. Sic!
  3. 1. D(omi)n(o) Friderico Comiti Solmensi Korrektur durch nachträglichen Einschub.

Anmerkungen

  1. Horaz, Libri Epistulorum 1, 16, 79. Vgl. DI 25 (Ludwigsburg) nr. 396.
  2. Vgl. Europäische Stammtafeln NF XVII, Taf. 43.
  3. Er starb in Straßburg im Exil; sein Zinnsarg wurde 1650 ebenfalls in der Pforzheimer Schloßkirche beigesetzt; vgl. nr. 242.
  4. Zu den genealogischen Angaben vgl. Europäische Stammtafeln NF I/2, Taf. 270.
  5. Zur Geschichte der Markgrafen-Grablege vgl. Einl. Kap. 3. 3.
  6. Vgl. nr. 249.

Nachweise

  1. Karlsruhe GLA 47/47, Absterben, Fürstliche Grüfte o. J. fol. 14r.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 247(†) (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0024702.