Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 202 Hauptfriedhof 1588

Beschreibung

Fragment eines Epitaphs für Claus Engelhart (Engelhard). Im Westflügel des Wandelgangs; ehemals auf dem Oberen Altstädter Friedhof (später Oststadtpark). Kombination aus drei nicht zusammengehörigen Teilen, von denen nur der mittlere Teil dem Epitaph zugehörig ist und eine Inschrift trägt. Dieser – hier allein interessierende – Mittelteil aus rotem Sandstein wird bekrönt von einem Giebelstück des späten 17. Jahrhunderts aus hellgelbem Sandstein mit zwei Engeln als Wappenhaltern und einem unbekannten Vollwappen1 mit Krone. Als Konsolzone ist der untere Teil eines verlorenen Epitaphs aus dem 18. Jahrhundert mit Todesemblemen, eingefügt in volutenförmig stilisiertes Ornament, daruntergesetzt. Das Fragment ist hochrechteckig und oben beschnitten. Es zeigt oben ein Vollwappen in Relief, dessen Helmzier abgeschnitten ist, darunter eine querrechteckige Inschrift-Kartusche mit Rahmung aus Roll- und Beschlagwerk.

Maße: H. 99, B. 77, Bu. 3,6 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Stadtarchiv Pforzheim [1/2]

  1. ANNO DOMINI 15 · 88 · VF · DEN · 14 / DAG · DES · MONATS · IVLII · STARB · / DER · ERNHAFT · VND · FIRNEME / CLAVS · ENGELHARD · BVRGER / DES · GERICHTS · VND · RATS · ALHIE / ZV · PFORTZHEIM · DEM · GOT / GNAT · VND · IST · DIE · ERSTE · PER/SON · SO · VF DISEM · NEWEN · KI=/RCHHOF · BEGRABEN · WORDEN

Wappen:
Engelhart2.

Kommentar

Die Grabinschrift stellt eine wichtige Schriftquelle für die Anlage des Oberen Altstädter Friedhofs dar, der den Friedhof um die Altstädter Pfarrkirche St. Martin ablöste. Die Jahreszahl 1587 befand sich am Eingangstor auf der Nordseite des Friedhofs und bezeichnete den Baubeginn der Umfassungsmauer3. Das vorliegende Denkmal benennt den im Jahr 1588 Verstorbenen als die erste Person, die auf diesem Friedhof bestattet worden ist4. Dabei bleibt offen, ob diese Bestattung eines Ratsmitglieds vom Rat der Stadt veranlaßt war, oder ob sie auf einen Wunsch des Verstorbenen und seiner Familie zurückging. Das Kirchenbegräbnis blieb jedenfalls für die sozial führenden Familien der Stadt weiterhin bis zum späten 18. Jahrhundert in Gebrauch. Einen Anspruch darauf hätte Claus Engelhart als Glied einer schon im 15. Jahrhundert nachweisbaren Familie der Pforzheimer Oberschicht und 1582 Mitglied des Gerichts durchaus gehabt5.

Die Inschrift ist sorgfältig gestaltet, weicht aber in der Formgebung von der klassischen Kapitalis ab. Die breite Strichführung der senkrechten Hasten gegenüber den meist dünnstrichigen Schrägen fällt auf. Mehrere Buchstaben zeigen Sonderformen. Das A hat durchgängig eine s-förmig geschwungene linke Schräghaste; auch die Schräghaste des N ist geschwungen. Das O ist mandelförmig; für Z ist die zweistöckige Form gewählt. Die meisten Wörter sind durch Vierkantpunkte in Zeilenmitte getrennt.

Anmerkungen

  1. Zwei gekreuzte Flößerhaken; Helmzier: wachsender Mann mit Kappe, in der Rechten ein Ruder, in der Linken einen Flößerhaken haltend.
  2. Mühlrad mit vier Speichen.
  3. Vgl. nr. 201.
  4. Zum Oberen Altstädter Gottesacker vgl. Pflüger 1862, 298, 546f.; KdmBadenIX/6, 251–253; Timm, Hauptfriedhof 1995, 10f.; ferner Einl. Kap 3. 9.
  5. Pflüger 1862, 298, 356. Ein Johannes Engelhart († 1520) ist ab 1493 als Priester und Stiftsherr des Stifts St. Michael nachweisbar; vgl. nr. 98.

Nachweise

  1. Pflüger 1862, 298 (kurz erwähnt).
  2. KdmBadenIX/6, 239.
  3. Pforzheim, Stadtarchiv, Slg. Artur Steinle, Sign. PF/1/9 vom 26. 3. 71.
  4. Timm, Hauptfriedhof 1995, 40, nr. 10.
  5. Roeck, Bernd, Stadtgeschichte – Weltgeschichte. Pforzheim: eine Stadt im historischen Prozeß. Pforzheim 1995, 66 mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 202 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0020203.