Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 186 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1577?

Beschreibung

Grabdenkmal des Kindes Anna Maria Markgräfin von Baden-Durlach. Im Chor an der Südwand. Ehemals eine große vierteilige Aedikula aus rotem Sandstein, durch Kriegseinwirkung 1945 zerstört und weitgehend rekonstruiert. Heute sind die Giebelzone und die Gebälkzone mit den Wappen verloren. In der Giebelzone ehemals eine Kartusche aus Roll- und Beschlagwerk, geschmückt mit Fruchtbündel-Girlanden. Darunter saß – durch ein Gesims abgetrennt – eine stark überhöhte Gebälkzone, geteilt in zwei Felder mit je einem Vollwappen in Relief. Das darunter durchlaufende Gesims mit Rankenornament ist erhalten. Im Hauptfeld unter einem Stichbogen vor glattem Grund die Gestalt des Mädchens, auf einer rundbogig vorspringenden Konsole stehend. Die wegen übermäßiger Schlankheit puppenhaft wirkende Figur trägt ein reich besticktes Kleid mit Puffärmeln und darüber eine doppelte Kette mit Anhänger. Die Figurennische wird gerahmt von reich ornamentierten Pfeilern auf hohen Sockeln, die mit einer Tiermaske verziert sind. In der Konsolzone die Inschrifttafel – ehemals mit Goldschrift auf schwarzem Grund, heute ungefaßter Sandstein – in einem Rahmen aus Roll- und Beschlagwerk. Dieser Rahmen ist fast ganz vernichtet, ebenso der profilierte Sims darüber. Durch die noch erhaltenen Gesimse laufen Sprünge, die Rückwand der Nische ist weitgehend neu.

Beschreibung nach KdmBadenIX/6, 168 mit Abb.

Maße: H. ursprünglich ca. 420, jetzt ca. 300, B. 128, Bu. 1,6 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. [A]LS MAN ZALT . NACH DER GEBVRT CHRISTI . M . D . LXXIII IAR DEN DRITTE(N) TAG DES MO(N)ATS / OCTOBRIS . IST ZV CAROLSPVRG IM SCHLOS TODTS VERSCHIEDEN DES DVRCHLEVCHTIGEN / HOCHGEBORNEN FVRSTEN VND HERREN . HERREN CAROLS . MARGGRAVEN ZV BADEN VND / HACHBERG . LANDTGRAVEN ZV SVSEMBERG . HERREN ZV RÖTELN VND BADENWEILER . / MIT SEINER FVRSTLICHEN GNADEN ANDERN FREVNDTLICHEN LIEBEN GEMAHEL / FRAWEN ANNA . GEBORNEN PFA[L]ZGREVIN BEY RHEIN . HERZOGIN IN BAYERN . VND / GREVIN ZV VELDENZ . ERZEVGTE LIEBE DOCHTER . FREWLIN ANNA MARIA . IRES ALTERS / IM VIII IAR . GOTT VERLEIHE DER[SEL]BIGEN EIN FREVDENREICHE VFFERSTEHVNG .

Wappen:
[Baden-Durlach1], [Pfalz-Veldenz2].

Kommentar

Das im Alter von acht Jahren verstorbene Mädchen war eine Tochter des Markgrafen Karl II. und seiner zweiten Gemahlin Anna geborene Pfalzgräfin bei Rhein und Gräfin zu Veldenz3. Das Grabdenkmal wiederholt den Entwurf des Grabdenkmals für den Prinzen Albrecht4, Stiefbruder der Anna Maria, ist aber in der künstlerischen Ausführung deutlich schwächer. Da das Albrecht-Denkmal 1576 bei Johann von Trarbach in Simmern in Arbeit war, wird das vorliegende Denkmal im Anschluß daran in einer einheimischen Werkstatt gearbeitet worden sein. Auf einen in Pforzheim oder Durlach ansässigen Bildhauer deutet auch das Material, der einheimische rote Sandstein, während Johann von Trarbach seine Denkmäler in Andernacher Tuffstein ausführte.

Der epigraphische Befund unterstützt diese Beobachtungen. Die Inschrift ist keinesfalls in der Werkstatt des Johann von Trarbach entstanden. Sie ist eine relativ flach ausgehauene Kapitalis von klassischen Proportionen und mit deutlichen Linksschrägenverstärkungen, übermäßig breiten Formen für H, M und N. Sie verwendet wenige Kürzungen und weder Ligaturen noch Worttrenner. Dieselbe Schrift begegnete bereits auf den Epitaphien des Peter Schopf 1574 und des Prinzen Albrecht von 1576/15775.

Anmerkungen

  1. Quadriert mit Herzschild; fünf Helme.
  2. Quadriert von Pfalz und Bayern mit Herzschild (Veldenz).
  3. Zu den biographischen Angaben vgl. die ebenfalls erhaltene Grabplatte nr. 177, ferner die Denkmäler der Eltern; vgl. nrr. 185, 199, 192.
  4. Vgl. nr. 183.
  5. Vgl. nrr. 181, 183.

Nachweise

  1. Karlsruhe GLA 47/47, Absterben, Fürstliche Grüfte o. J., fol. 3v.
  2. Karlsruhe, GLA 171/1514, Bürcklin, Diözesanbeschreibung 1737, fol. 9.
  3. Sachs, Marggravschaft IV, 1770, 173.
  4. Karlsruhe, GLA 47/41, v. Beust 1802, Grab-Inschriften X.
  5. Gehres, Pforzheim 1811, 28.
  6. Karlsruhe, GLA HFK 510, Herr, Collectanea Pforzheim 1830, fol. 19v, nr. 8.
  7. Karlsruhe, GLA 47/46, Begräbnisse 19. Jh., Waag 1883, nr. X.
  8. Rott, Baden-Durlacher Hof 1917, 37, 39f.
  9. Müller, Gustav Adolf, 1934, 4f.
  10. KdmBadenIX/6, 170f. nr. 7 u. Abb. 143.
  11. Trost, Schloßkirche 1962, 52, 72 nr. 86.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 186 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0018604.