Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 183 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1576–1577

Beschreibung

Grabdenkmal des Albrecht d. J. Markgrafen von Baden-Durlach. Im Chor an der Südwand. Große vierteilige Aedikula aus Andernacher Tuffstein. Im Giebelfeld Kartusche aus Roll- und Beschlagwerk, geschmückt mit Fruchtbündel-Girlanden; in einem querovalem Medaillon Halbfigur des Moses mit den Gesetzestafeln in Relief. Zu beiden Seiten halten sitzende weibliche Figuren je ein Wappen. Stark überhöhte Gebälkzone, geteilt in zwei Felder mit je einem Vollwappen. Im Hauptfeld unter einem Stichbogen vor Brokatgrund die fast vollrunde jugendliche Figur des Prinzen in voller Rüstung, auf einer halbrund vorspringenden Konsole mit einer Gorgonen-Maske stehend. Der bartlose Jüngling mit kurz geschnittenem Haar trägt eine dreifache Kette mit einem Porträt-Medaillon über dem Harnisch. Er greift mit der Linken an den Schwertknauf und hält in der angewinkelten Rechten ein zweites blankes Schwert. Der Helm steht ihm zu Füßen. Die Figurennische wird gerahmt von Hermenpilastern mit bärtigen Hermen. In der Sockelzone befindet sich die Inschrifttafel mit einer Inschrift in Gold auf schwarzem Grund in einem Rahmen aus Roll- und Beschlagwerk, der mit Löwenmasken und Fruchtbündeln besetzt ist. Sehr guter Erhaltungszustand.

Maße: H. ca. 420, B. 131, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

  1. ANNO DO(MIN)I . M . D . LXXIIII . DEN V TAG DES MONATS MAYI IST ZV KARLSBVRG IM SCHLOSZ SELIG / AVS DIESEM IAMERTHAL ABGESCHIEDEN . DES DVRCHLEVCHTIGEN HOCHGEB(ORNEN) FVRSTEN / VND HERRE(N) HERRE(N) CAROLS . MARGGRAVE(N) ZV BADEN VND HOCHBERG LANDGR(AVEN) ZV SVSEN=/BERG . HERREN ZV RÖTELN VND BADENWEILER . MIT WEILAND SEINER FVRSTLICHEN GNADEN ERSTEN / FREVNDTLICHEN LIEBEN GEMAHEL . FRAWE(N) KV̈NGVNDEN GEBOHRNEN MARGGRAVIN ZV BRANDENBVRG / ETC(ETERA) . CHRISTSELIGER GEDECHTNVS ERZEVGTER GEL(IEBTER) SONE DER AVCH DVRCHL(EVCHTIG) / HOCHGEBORN FV̈RST . HERR ALBRECHT . MARGGREV ZV BADEN VND HOCHB(ERG) ETC(ETERA) . SEINES ALTERS / IM XVIIII IAR . DER ALLMECHTIG GOTT VERLEIHE SEINER F(ÜRSTLICHEN) G(NADEN) EIN FREVDENREICHE VFERSTEHVNG .

Wappen:
(in der Gebälkzone) Baden-Durlach1, Brandenburg-Ansbach2;
(in der Giebelzone) Brandenburg3, Pfalz-Bayern4.

Kommentar

Wie die Inschrift aussagt, war der Verstorbene der Sohn des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach und von dessen erster Gemahlin Kunigunde Markgräfin von Brandenburg-Ansbach. Er starb im Alter von erst achtzehn Jahren im Schloß Karlsburg zu Durlach (Stadt Karlsruhe), wohin Karl II. im Jahre 1565 die Residenz verlegt hatte. Nach Albrechts Tod wurde zunächst eine Grabplatte angefertigt5. Noch in demselben Jahr 1574 beauftragte Markgraf Karl den Tübinger Bildhauer Leonhard Baumhauer6 mit der Ausführung zweier Epitaphien für die 1573 verstorbene Tochter Anna Maria7 und den Sohn und Erbprinzen Albrecht. Diese Arbeiten kamen aber wegen Baumhauers Überhäufung mit Arbeit und Krankheit nicht zur Ausführung8. Daraufhin muß sich Karl nach dem 30. Juni 1576 an den Bildhauer Johann von Trarbach (1530–1586) in Simmern, Hofbildhauer seines Schwagers, des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz, gewendet haben. Johann von Trarbach war bereits mehrfach für die Höfe in Simmern, Öhringen, Baden-Baden, Meisenheim und vermutlich auch Heidelberg tätig gewesen, als er mit dem Grabdenkmal des Prinzen Albrecht sein erstes Denkmal für die Markgrafen-Grablege in Pforzheim schuf9. Die Entstehungszeit des Denkmals liegt zwischen dem 30. Juni 1576, dem Datum des Absagebriefs wegen Baumhauers Säumigkeit an den württembergischen Hof, und dem Frühjahr 1577 mit dem Todesdatum Karls am 23. März.

Die steile Höhenentwicklung des Aufrisses übertraf die der älteren Denkmäler, die Pracht und Feinheit der Ausführung des heraldischen Beiwerks, der Dekoration und nicht zuletzt der Inschrifttafel setzten Maßstäbe für die späteren Monumente dieses Ensembles. Nicht befriedigen kann die Ausführung der Figur des Verstorbenen, denn wegen des übermäßig betonten Kontraposts erscheint die Standfigur labil. Die heftige Bewegung, mit der der Prinz das Schwert „präsentiert“, wirkt wie eine Herausforderung eines imaginären Gegners10. Hinsichtlich der epigraphischen Bedeutung des Denkmals ist die Beschränkung auf die Grabinschrift und damit der Verzicht auf Bibelsprüche auffallend. Dazu paßt die sparsame Verwendung von konfessionellen Anspielungen durch ein einziges kleines Relief mit einer Moses-Darstellung im Giebelfeld. Der im Grabmal-Kontext üblichen Gegenüberstellung von Gesetz und Gnade fehlt ein christologisches Gegenstück zur Darstellung aus dem Alten Testament, zu verstehen als ein Hinweis auf die Erfüllung der Heilsgeschichte und auf die Auferstehungshoffnung.

Obgleich das Werk eindeutig als eigenhändige Arbeit des Johann von Trarbach angesehen werden kann, ist die Inschrift nicht in der für Johann typischen Kapitalis ausgeführt, wie der Vergleich mit Inschriften auf den für diesen Meister beglaubigten Denkmälern zeigt11. Trarbachs Inschriften haben überhöhte Anfangsbuchstaben und deshalb größere Zeilenabstände; sie verzichten auf Worttrenner und verwenden zahlreiche Kürzungen. Typischer Leitbuchstabe ist das trapezförmige M. Dagegen ist hier eine engstehende, in der Ausführung gleichmäßigere Kapitalis mit breiten, fast quadratischen Buchstaben, quadratischem M und betonter Linksschrägenverstärkung verwendet. Auffallend sind das übermäßig breite H und das N mit zwei dünnen Schäften, aber einem besonders dicken Balken bzw. Schrägschaft. Ferner ist das S im Vergleich zu anderen Buchstaben eher schwächlich gebildet und leicht nach vorn geneigt; der obere Bogen ist breiter als der untere. Die Inschrift kommt fast ohne Kürzungen aus und gebraucht weder Ligaturen noch Worttrenner. Offenbar ist die Inschrift von einer heimischen Werkstatt ausgeführt worden, die zuvor schon das Epitaph von 1574 für das Ehepaar Schopf geschaffen hat12.

Anmerkungen

  1. Quadriert mit Herzschild; 5 Helme; wie nr. 149.
  2. Das Wappen ist gegenüber dem Wappen bei nr. 157 verändert. Zweimal geteilt und zweimal gespalten; springende Rangfolge: 2. Brandenburg, 1. Pommern, 3. Stettin, 5. Zollern, 4. Cassuben, 6. Wenden, 8. Regalien, 7. Burggrafschaft Nürnberg, 9. Rügen; 3 Helme.
  3. Linksgewendet. Quadriert, 1. Brandenburg, 2. Burggrafschaft Nürnberg, 3. Zollern, 4. Pommern. Zur Genealogie vgl. Europäische Stammtafeln NF I/2, Taf. 270.
  4. Quadriert von Pfalz und Bayern.
  5. Vgl. nr. 180.
  6. Zu diesem vgl. Einl. L.
  7. Vgl. nr. 171.
  8. Vgl. die Korrespondenz des Markgrafen Karl II. mit seinem Schwiegersohn, dem Herzog Ludwig III. von Württemberg, in dieser Angelegenheit; Abdruck bei Rott, Baden-Durlacher Hof 1917, 165f., Anhang 3.
  9. Diese Zuschreibung zuerst bei Schaefer, Denkmäler 1898, 36–44.
  10. Das Schwert ist eine Attrappe aus Holz und Blech. Zu der Frage, ob die blank gezogenen Schwerter der Pforzheimer Markgrafen-Denkmäler Zutaten jüngerer Zeit sind, vgl. Einl. LIII.
  11. Vgl. die Grabinschrift für die Markgräfin Kunigunde auf dem Denkmal für den Markgrafen Karl II.; hier nr. 192. Ferner die Grabinschrift für Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken in Meisenheim: DI 34 (Bad Kreuznach) nr. 340, Abb. 156 oben.
  12. Vgl. nr. 181.

Nachweise

  1. Karlsruhe GLA 47/47, Absterben, Fürstliche Grüfte o. J., fol. 3r.
  2. Karlsruhe, GLA 171/1514, Bürcklin, Diözesanbeschreibung 1737, p. 6f.
  3. Karlsruhe, GLA 47/39, Weygold, Epitaphia 1747, fol. 3r, 3v (hier ist die Person des Prinzen fälschlich Karl benannt).
  4. Sachs, Marggravschaft IV, 1770, 167.
  5. Karlsruhe, GLA 47/41, v. Beust 1802, Grab-Inschriften nr. VI.
  6. Gehres, Pforzheim 1811, 44.
  7. Karlsruhe, GLA HFK 510, Herr, Collectanea Pforzheim 1830, fol. 17v, nr. 5.
  8. Karlsruhe, GLA 47/46, Begräbnisse 19. Jh., Waag 1883, nr. VI.
  9. Rott, Baden-Durlacher Hof 1917, 38f., Abb. 13.
  10. KdmBadenIX/6, 168f. nr. 3, Abb. 139.
  11. Trost, Schloßkirche 1962, 52, 72 nr. 82.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 183 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0018303.