Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 161 Archivbau 1558

Beschreibung

Wappentafel mit Bauinschrift des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach (reg. 1553–1577). Im Archivbau (Schloßberg 16, früher Reuchlin-Museum), im 2. Obergeschoß an der südwestlichen Längswand; ursprünglich an der Neuen Kanzlei im Bereich der Pforzheimer Schloßanlage; nach dem Abgang dieses Gebäudes in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts ist die Tafel im „Amtskellerei-Archiv“1 bzw. im Garten der „Domänenverwaltung“2 aufbewahrt worden, womit dasselbe Gebäude, nämlich die 1945 zerstörte Amtskellerei am Schloßberg, gemeint ist. Aedikula aus hellgrauem Sandstein, stellenweise rötlich und schwarz verfärbt. Auf den Schrägen des dreieckigen Giebels Inschrift A, im Giebelfeld Medaillon mit bärtigem Profilkopf zwischen Blattfüllungen. Auf dem Kranzgesims in der Mitte Steinmetzzeichen nr. 5. In der Gebälkzone Inschrift B. Im Feld zwischen Pilastern mit Ornament-Füllungen Vollwappen mit fünf Helmen. In der Sockelzone Rollwerk-Kartusche mit Inschrift C. Oberfläche schadhaft und bestoßen. C rechts außen schlecht erhalten.

Ergänzt nach KdmBadenIX/6.

Maße: H. 256, B. 158, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Stadtarchiv Pforzheim [1/2]

  1. A

    · ANNO · SALVTIS · MILLESI[MO] · QV/INGENTESIMO · QVINQVAGESIMO · OCTAVO ·

  2. B

    CARL VON GOTTES GNADEN MARGGRAVE · ZV BADEN / VND HOCHBERG · LANDGRAVE · ZV SVSENBERG / HERR ZV R[ÖTTEL]EN VND BADENWEYLER

  3. C

    CAROLVS HAS PRINCEPS BADENVS CONSTRVIT AEDES · VT SINT CONSILIIS CVRIA SANCTA BONIS ·HIC POPVLO PAR EST AEQVAS PRAESCRIBERE LEGES ·OMNIBVS EX MERITO REDDERE IVRA SVO · AMBIGVAS IVSTO DECIDERE TRAMITE CAVSA[S]·ET CELERI MISERAS FINE IVVARE PRECES · HINC PROCVL AFFECTVS ANIMI SEPONERE PRAV[OS] · ET REM IVDICIO NOSCERE QVAMQ(VE) BONO ·

Übersetzung:

Im eintausendfünfhundertachtundfünfzigsten Jahr des Heils (A). – Der badische Fürst Karl hat dieses Haus erbaut, damit es ein heiliger Gerichtshof für gute Urteilssprüche sei. Hier geziemt es sich, dem Volk gleiche Gesetze vorzuschreiben, allen nach ihrem Verdienst Recht zu sprechen, zweifelhafte Fälle auf gerechtem Wege zu entscheiden und den Bitten der Armen zu einer schnellen Erfüllung zu verhelfen. Von hier sollen die verderblichen Leidenschaften des Gemüts ferngehalten und jede Sache soll für ein gerechtes Urteil untersucht werden.

Versmaß: Vier elegische Distichen.

Wappen:
Baden3.

Kommentar

Die Neue Kanzlei – so genannt im Unterschied zur Alten Kanzlei des Markgrafen Ernst – läßt sich durch ältere Stadtpläne noch lokalisieren. Dieser Neubau des Markgrafen Karl II. lag nördlich vom Chor der Franziskaner-Klosterkirche unmittelbar an der Umfassungsmauer im Innern des Schloßbereichs und nahm die Kanzlei auf, die bis dahin zusammen mit der Stadtschreiberei in der Alten Kanzlei unten in der Altstadt untergebracht war4. Über das Aussehen dieses Gebäudes ist nichts bekannt, jedoch darf angenommen werden, daß sich die Tafel außen an der Hauptfassade befand5. Im Schloßbereich hatte Karl sofort nach Übernahme der Regierung 1553 bereits den Archivbau begonnen6. Neben zahlreichen Bauunternehmungen im Lande war der Ausbau des Durlacher Schlosses Carolsburg kurz vor der Verlegung der Residenz nach Durlach im Jahr 1565 sein umfangreichstes Bauwerk. Doch sind auch später Bauunternehmungen in Pforzheim nachweisbar, wie die Wappentafel von 1575 am Unteren Tor des Schlosses aussagt7. Die meisten dieser Bauten trugen eine monumentale Bauinschrift in Verbindung mit einer Wappentafel des Fürsten. Gegenüber den Wappentafeln des Markgrafen Ernst wurden die Inschriften umfangreicher und der Wappenschmuck durch die Helme und Helmzierden vermehrt.

Hier steht die Rahmenarchitektur der Frührenaissance noch nahe. Die Konstruktion der Aedikula weicht von den klassischen Regeln ab, besonders deutlich in der unmotivierten Verkröpfung des Kranzgesimses oder in der Bildung der Kapitelle und Pilaster-Sockel.

Die ältere Überlieferung durch Sachs, Schoepflin und Gehres bis hin zu Rott verkürzte den Text und gab nur das Gedicht C wieder; diesem fehlt das dritte Distichon. Da der Wortlaut in diesem Falle noch nachprüfbar ist, fällt hier ein Licht auf die Arbeitsweise der älteren Inschriften-Sammler. Offensichtlich wurde selten vom Original ausgegangen, sondern eine einmal in die Literatur eingeführte Version wurde immer wieder abgeschrieben und weiter tradiert. Erst Pflüger hat 1862 wenigstens C vollständig wiedergegeben. Die erste vollständige Textversion findet sich bei Lacroix8.

Die Inschriften B und C haben überhöhte Versalien. Bei C sind die vorgezeichneten Linien noch sichtbar; am Zeilenende ist jeweils eine Zierranke eingraviert. Die Formen der Buchstaben sind die der klassischen Kapitalis, wobei bei A und B die Stellung enger ist als bei C. Rott hat die Tafel dem von ihm vorgestellten „Meister der Karlsburg“ zugeschrieben. Das Steinmetzzeichen konnte bisher nicht mit einem Namen verbunden werden. Aber zu denken wäre auch an den bereits für den Markgrafen Ernst tätigen Meister des Ettlinger Narrenbrunnens von 1549, in dessen Pilaster-Füllungen ebenfalls Medaillons eingelassen sind9.

Anmerkungen

  1. Gehres, Pforzheim 1811, 21.
  2. Pflüger 1862; Rott, Baden-Durlacher Hof 1917.
  3. Quadriert mit Herzschild (Baden); das Wappen entspricht dem Wappen bei nr. 148.
  4. Vgl. dazu nr. 130. Zur Lage vgl. Haag/Bräuning, Stadtkataster 2001, 146 nr. 96.
  5. Eine handschriftliche Quelle vom Ende des 17. Jahrhunderts bezeichnet als Standort „in Curiae porta“, also wohl über oder neben dem Haupteingang; vgl. Karlsruhe, Bad. Landesbibliothek, Hs. Durlach D 115, Nepper, Johannes, Vermischte Aufzeichnungen, nach 1689.
  6. Vgl. dazu nr. 164.
  7. Vgl. dazu nr. 182.
  8. KdmBadenIX/6.
  9. Vgl. DI 20 (Karlsruhe) nr. 192 mit Abb.; Rott, Baden-Durlacher Hof 1917, Abb. 4.

Nachweise

  1. Karlsruhe, GLA 65/1074 Memorabilia Phorcensia, 1760/70, fol. 21v (nur C).
  2. Schoepflin, Historia Zaringo-Badensis IV, 1766, 48.
  3. Sachs, Marggravschaft IV, 1770, 140 Anm. i.
  4. Gehres, Pforzheim 1811, 21f. u. 24ff.
  5. Pflüger 1862, 277.
  6. Naeher, Pforzheim 1884, Bl. 2 (Zeichnung).
  7. Rott, Baden-Durlacher Hof 1917, 19.
  8. KdmBadenIX/6, 372f. u. Abb. 295.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 161 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0016107.