Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 139(†) Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1546

Beschreibung

Epitaph der Anna von Hohenheim genannt Bombast, geborene Schilling von Cannstatt. Ursprünglich im südlichen Nebenchor, nach Zerstörung durch den Luftangriff 1945 notdürftig zusammengesetzt und am Chor außen aufgestellt. Zum Zeitpunkt der Aufnahme 1975 noch mindestens zwölf Bruchstücke eines großen Denkmals aus rotem Sandstein; die wenigen erhaltenen Fragmente künftig im Lapidarium unter der sog. Margarethen-Kapelle. Ursprünglich Figur einer Dame mit Haube und Rosenkranz in Relief, hinter einer Tafel mit der Grabinschrift wie hinter einer kniehohen Brüstung stehend. Sie war umgeben von zehn Vollwappen, die oberen vier Wappen waren an einer Art Astwerk-Baldachin aufgehängt. Oberfläche weitgehend zerstört, besonders links außen große Fehlstellen, die meisten Wappen verstümmelt oder ganz verloren. Sehr schlechter Zustand. Das Fragment mit der Inschrift ist mittlerweile verlorengegangen.

Inschrift nach dem Befund 1975, ergänzt nach KdmBadenIX/6.

Maße: H. 182, B. 109, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© Stadtarchiv Pforzheim [1/19]

  1. Vff den 6. [febrvar]ij / A[nno .] 154[6 . starb] / die Edel vnd [tuge(n)tsa]m fr[aw] / Anna vo(n) hohenhei[m g]ẹnant bo[nbastin] / ain ge[bo]rne schi[llingin von Can]stat / [dere] Gott [gnad]

Wappen:
[Hohenheim gen. Bombast][Schilling von Cannstatt]
Spethzerstört (Venningen?)
zerstört (Hochschlitz?)zerstört (Dachenhausen?)
AngellochBaustetten (oder Wernau)
unkenntlich1Nippenburg2.

Kommentar

Das Grabmal hat als ein Denkmal für eine Verwandte des Arztes und Naturforschers Theophrast Bombast von Hohenheim († 1541) genannt Paracelsus und als Quelle für dessen Familiengeschichte Beachtung gefunden3. Denn das Epitaph gibt – auf der heraldisch rechten Seite – die Ahnenprobe des Sebastian von Hohenheim genannt Bombast, nachweisbar 1484–1530 (?), wieder. Er war ein Verwandter des Paracelsus und der Ehemann der Anna Schilling von Cannstatt4. Vermutlich waren zu Häupten der Frau in der Mitte des Denkmals ihre Eheallianzwappen dargestellt, nämlich heraldisch rechts das Wappen des Ehemannes, links ihr eigenes Familienwappen. Daran schloß sich seitlich jeweils eine vierteilige Ahnenprobe für beide Familien an, die aber in Auswahl und Reihenfolge nicht schlüssig erscheint5.

Anna war eine Tochter des Heinrich Schilling von Cannstatt († 1525), Vogt zu Vaihingen und Neuffen, und seiner zweiten Gemahlin Dorothea von Venningen6. Vor ihrer Hochzeit 1492 mit Sebastian Bombast war sie Hofdame der Barbara Gonzaga, Gemahlin Herzog Eberhards II. von Württemberg. Pforzheim wurde Annas Alterssitz als Schwiegermutter des Markgrafen Ernst von Baden (1533–1553). Denn ihre gleichnamige Tochter Anna war seit 1544 dessen dritte Gemahlin7.

Soweit noch an den Resten erkennbar ist, war das Denkmal sorgfältig gearbeitet und die Inschrift in einer gut gestalteten und bemerkenswert frühen Fraktur abgefaßt. Als Denkmal für die Mutter der Frau des regierenden Landesfürsten entsprach das Grabdenkmal einem gehobenen Standard, der die Gestaltung mit der Figur der Verstorbenen und mit Ahnenproben als Nachweis edler Abkunft verlangte.

Anmerkungen

  1. Wellenbalken?
  2. Quadriertes, vermehrtes Wappen von 1515 (Verleihung der Erbschenkenwürde).
  3. Stammburg Hohenheim (Stadt Stuttgart). Zu dieser Familie vgl. Alberti 335, Kindler v. Knobloch II 89f. Ferner: W. Gonser, Zur Geschichte der Bombaste von Hohenheim. In: WürttVjH f. Landesgeschichte NF 30 (1921) 177–192. – Ernst Eberhard Schmidt ist eine genealogische Untersuchung der Ahnenproben des vorliegenden Denkmals zu verdanken; vgl. Schmidt, Ernst Eberhard, Über die Lebens- und Amtszeit des Forstmeisters Wilhelm Bombast von Hohenheim. In: Nova Acta Paracelsiana. Beiträge zur Paracelsus-Forschung NF 9 (1995) 47–80, bes. 77–80.
  4. Sebastian war 1491 und 1506–1508 württembergischer Diener von Haus aus und 1516 Statthalter der Grafschaft Hohenberg; Pfeilsticker § 1514. Die Benennung von Annas Ehemann als Friedrich Bombast ist falsch; vgl. Kindler v. Knobloch II 89f.
  5. Vgl. die Erörterung der heraldischen Probleme bei Schmidt (wie Anm. 3). Lacroix zählt nur acht Wappen auf, obgleich insgesamt zehn erkennbar sind; vgl. KdmBadenIX/6.
  6. Heinrichs erste Gemahlin war Agnes von Wernau; vgl. Ernst Frh. Schilling von Cannstatt, Geschlechtsbeschreibung der Familie Schilling von Cannstatt. Heidelberg 1905, 47f. mit Stammtafel.
  7. Anna starb am 6. Juni 1574 als Witwe und wurde in Sulzburg (Lkr. Breisgau-Hochschwarzwald), der Residenz des Markgrafen Ernst vor dem Jahr 1535, bestattet. Ihr Grabdenkmal ist im Nachfolgebau der dortigen Schloßkirche erhalten geblieben; leider sind die Wappen der Ahnenprobe offensichtlich in ihrer Stellung vertauscht. Annas Grabplatte mit einer vierteiligen Ahnenprobe kam 1834 beim Neubau der Kirche abhanden; vgl. Schmidt (wie Anm. 3) 76; vgl. ferner KdmBadenV: Kr. Lörrach. Tübingen u. Leipzig 1901, 153 u. Taf. XXI. Zu Markgraf Ernst vgl. nr. 129.

Nachweise

  1. Stuttgart, HStA J1 Nr. 154/8, Gabelkover, Genealogische Kollektaneen, Umschlag 177, fol. 3v.
  2. Stuttgart, HStA J1 Nr. 48 g II, Gabelkover, Genealogische Kollektaneen, fol. 868r–873r.
  3. Crusius, Annales Suevici 1595, pars III, 657.
  4. Pflüger 1862, 268 Anm. 1 (kurz erwähnt).
  5. Kindler v. Knobloch II 89f. (Grabmal erwähnt).
  6. KdmBadenIX/6, 149–151.
  7. Trost, Schloßkirche 1962, 34, 67.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 139(†) (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0013902.