Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 129 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1538,1553

Beschreibung

Hochgrab des Markgrafen Ernst von Baden und seiner zweiten Gemahlin Ursula geborene von Rosenfeld. In der Mittelachse des Chores. Auf einem architektonisch gegliederten, mit Wappen geschmückten Unterbau aus rotem Sandstein über einem glatten Sockel1 ruht die allseitig weit vorspringende Deckplatte aus rotem Sandstein mit den Liegefiguren des Paares, die mit den Füßen nach Osten – also ehemals zum Hochaltar hingewendet – nebeneinander aufgebahrt erscheinen. Zur Rechten liegt der Fürst in voller Rüstung auf seinem mit Federn geschmückten Turnierhelm, dessen hochgeklapptes Visier zur Linken des Kopfes sichtbar ist. Eine enganliegende Kappe bedeckt das kurz geschnittene Haar. Die Hände in Handschuhen berühren Dolch und Schwertgurt, der schräg über die Hüftpartie des Riefelharnischs verläuft. Die Füße stützen sich gegen einen Löwen, der vollplastisch am unteren Rand des Hochgrabes liegt und mit seinen Pranken die Inschriftleiste teilweise verdeckt. Die Dame zur Linken ruht auf zwei übermäßig großen Kissen mit Brokatmuster und Quasten an den Ecken. Sie trägt eine glatte, nur das Gesicht freilassende Haube und einen ärmellosen, bis zum Boden reichenden Mantel, dessen Pelzfutter vorn und über den Schultern nach außen umgeschlagen ist. Darunter ist ein reich gefälteltes Kleid mit weiten Ärmeln sichtbar, das die breiten Schuhe fast verdeckt. Als einzigen Schmuck trägt die Dame eine breite Halskette mit einem Anhänger. Die Arme sind über dem Leib zusammengelegt. Zu Füßen kauert ein kurzhaariger Hund. Die von einem Kehle-Wulst-Profil umzogene Deckplatte ist oben schräg abgefast und bietet auf der Schräge Platz für die zweizeilig angeordneten Inschriften A des Mannes und B der Frau. Die Inschriften beginnen jeweils an der Längsseite links außen und laufen über die Ecke weiter bis zum Ende der anschließenden Schmalseite; Größe und Ausführung sind deutlich unterschiedlich. Der Unterbau wird durch vier Eckpfeiler und acht Balustersäulchen mit Kapitellen in Frührenaissanceformen in jeweils vier Felder an den Längsseiten und zwei Felder an den Schmalseiten unterteilt, die paarweise angeordnete Vollwappen in Relief aufnehmen. Nur an der Fußseite stehen zwei Einzelwappen – hier die persönlichen Wappen der Ehegatten – vor einem reicher gebildeten Hintergrund, der als Doppel-Aedikula gebildet ist. An der Kopfseite ist unterhalb der beiden – die badischen Herrschaftsgebiete bezeichnenden – Wappenpaare die erklärende Beischrift C eingehauen. Die Wappen der beiden Längsseiten ergeben jeweils eine Ahnenprobe zu acht Wappen. Erhaltungszustand sehr gut2.

Maße: H. (mit Sockel) 155, Länge 250, B. 158, Bu. 3,3 (A), 2,8 (B), 4 (C) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/11]

  1. A

    ANNO DOMINI · Ma) · Da) · LIIIa) · VI · MENSIS FEBRV(ARII) · O(BIIT) · ILL(VSTRIS) · PRINC(EPS) · ERNESTVS MARCHIO // IN BADEN ET HOCHBERG . / LANDGRAVIVS IN SVSENBERG DOMINVS IN RÖTELN ET BADENVILER ANNO AETATIS // SVAE LXXIa) CVIVS ANIMA REQVIESCAT IN PACE AMEN /

  2. B

    A(NN)Ob) // Ma) // Da) // XXXVIIIa) MENSIS FEBRV(ARII) XXVI O(BIIT) ILL(VSTRIS) D(OMI)NA VRSV//LA MARCHIONISSA / IN BADEN ET HOCHBERG ILLVSTRIS // PRINCIPIS / D(OMI)NI ERNESTI MARCHIONIS IN BADEN ET HOCHBERG CONIVNX CVIVS ANIMA REQVIESCAT / IN PACE AMEN

  3. C

    INSIGNIA // DOMINIORVM S(VORUM)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1553 am 6. Februar starb der erlauchte Fürst Ernst, Markgraf zu Baden und Hochberg, Landgraf zu Sausenberg, Herr zu Rötteln und Badenweiler, im 71. Jahr seines Alters, dessen Seele in Frieden ruhen möge. – Im Jahr 1538 am 26. Februar starb die erlauchte Frau Ursula, Markgräfin zu Baden und Hochberg, Gattin des erlauchten Fürsten Herrn Ernst, Markgrafen zu Baden und Hochberg, deren Seele in Frieden ruhen möge. Amen. – Wappen ihrer Herrschaften.

Wappen:
(östliche Schmalseite) Baden, Rosenfeld;
(westliche Schmalseite) Hachberg, Rötteln, Badenweiler, Üsenberg;
(südliche Längsseite, von Osten nach Westen) Baden, Österreich, Lothringen, Nassau, Katzenelnbogen, Nassau, Virneburg, Lippe;
(nördliche Längsseite, von Osten nach Westen) Rosenfeld, Gremlich, Neuneck, Ow, Hohenheim gen. Bombast, Speth, Hochschlitz, Angelloch.

Kommentar

Markgraf Ernst von Baden, Begründer der Ernestinischen Linie des Hauses Baden3 (geb. 7. Oktober 1482, † 6. Februar 1553), jüngster Sohn des Markgrafen Christoph I. (1453–1527) und der Ottilie geborene Gräfin von Katzenelnbogen (1451–1517), hatte aufgrund der Bestimmungen der sog. Pragmatischen Sanktion von 1515 die breisgauischen Anteile – die Markgrafschaft Hochberg, die Herrschaften Rötteln, Badenweiler, Sausenberg und Üsenberg – als Statthalter erhalten und seine Residenz in Sulzburg (Lkr. Breisgau-Hochschwarzwald) aufgerichtet. Nach der endgültigen Erbteilung des Landes 1535 zwischen den Brüdern Bernhard und Ernst erhielt letzterer die untere Markgrafschaft hinzu mit der Stadt Pforzheim als Residenz der ernestinischen Linie, der späteren Linie Baden-Durlach. Ernst war in erster Ehe mit Elisabeth Markgräfin von Brandenburg-Ansbach (geb. 25. März 1494, † 31. Mai 1518) verheiratet4. In zweiter Ehe heiratete er Ursula von Rosenfeld (geb. 1490, † 26. Februar 1538). Ursula entstammte dem schwäbischen Niederadel; ihre Eltern waren Wolf von Rosenfeld (1453–1500) und Anna von Hohenheim gen. Bombast5. Da Ernst sich und seine zweite Gemahlin Ursula von Rosenfeld nicht in der Stiftskirche in Baden-Baden als der traditionellen Grablege des Hauses Baden, sondern in der Pforzheimer Stiftskirche bestatten ließ, wurde hiermit sein Beschluß wirksam, die Stadt Pforzheim zur Begräbnisstätte seines Hauses zu machen. Unklar bleibt nur, ob erst der Tod der Ursula von Rosenfeld 1538 Anlaß zur Planung der neuen Grablege mit dem Hochgrab gab, oder ob Ernst bereits nach der Übersiedlung des Hofes nach Pforzheim um 1535 mit der Planung seines Grabdenkmals begonnen hat. Lacroix folgt Rott mit seiner späten Ansetzung „Mitte der vierziger Jahre des 16. Jahrhunderts“. Demgegenüber ist wahrscheinlicher, daß Ernst die Planung der neuen Familiengrablege schon bald nach der Landesteilung in Angriff nahm und nicht erst zur Zeit seiner dritten Eheschließung um 1544. Gestützt wird diese frühe Ansetzung durch den retrospektiven Charakter des Hochgrabes und seine noch sparsame Dekoration mit Frührenaissance-Elementen sowie durch die altmodische Form des Riefelharnischs und der Kleidermode der Fürstin. Markgraf Ernst gilt – m. E. zu Unrecht – als der Erbauer der älteren Familiengruft unter der Sakristei auf der Südseite der Stiftskirche, obgleich er offensichtlich die konservative Form des Hochgrabs bevorzugte, unter dem er auch mit seiner Frau bestattet liegt6.

Die Wahl des Hochgrabes als Grabmaltypus steht noch ganz in der mittelalterlichen Tradition des innerhalb des Chores freistehenden Hochgrabs als Fürstengrabmal, das sich – ausgehend von den Grabmälern der Herzöge von Burgund in der Karthäuser-Klosterkirche von Champmol bei Dijon7 – auch an deutschen Fürstenhöfen verbreitet hatte8. Die Zuschreibung des Denkmals an den Bildhauer Christoph von Urach durch Rott ist überzeugend9.

Die auf der Deckplatte ruhenden Figuren des Markgrafen-Paares tragen Porträtzüge10. Die Seitenwände des Hochgrabes zeigen die Wappen der Ahnenproben. Sie sind hier so angeordnet, daß zunächst die vier väterlichen Ahnen, dann die vier mütterlichen Ahnen, jeweils von Osten nach Westen paarweise wiedergegeben sind. Ihre Ausführung bleibt in der Qualität weit hinter der der Bildnisfiguren des fürstlichen Paares zurück. Doch geht die Gestaltung der Seitenwände ohne Zweifel auf den Entwurf desselben Meisters zurück, denn an den Schmalseiten befinden sich jeweils in der Mitte Baluster-Säulchen auf kurzen kannelierten Rundsockeln, die bis ins einzelne den Baluster-Säulchen der Wappentafel der Kanzlei von 1538 gleichen11. Dasselbe gilt für die Kapitelle insgesamt. Der epigraphische Befund bestätigt die Zuschreibung an denselben Bildhauer. Die Grabinschrift B der Ursula entspricht in der lockeren Anordnung mit weiten Abständen zwischen den Wörtern, mit dem Verzicht auf Worttrenner und Ligaturen und mit der Ausformung als klassische Kapitalis weitgehend der Inschrift des Pforzheimer Marktbrunnens, der ebenfalls als Werk des Christoph von Urach gilt12. Bezeichnend für die erstklassige Steinmetzentechnik ist die gleichmäßige Strichstärke und eine zurückhaltende Dynamik in der Gestaltung der Buchstaben. Typisch für diese Schrift sind das E mit verlängertem unteren Balken, das I ohne I-Punkt, das im Umriß fast quadratische M, dessen Mittelteil fast bis auf die Grundlinie herabgezogen ist. Die Serifen folgen dem klassischem Vorbild. Vermutlich ist diese Inschrift gleichzeitig mit der Deckplatte entstanden. Die Grabinschrift A des Fürsten ist von anderer Hand und wohl erst nach dessen Tod 1553 eingehauen. Hier handelt es sich um eine Kapitalis mit überhöhten Versalien und extrem breiten Proportionen, mit trapezförmigem M mit hohem Mittelteil, I mit I-Punkt, AE-Ligatur und lang ausgezogenen Serifen. Inschrift C unterscheidet sich von A und B; sie hat schlankere Proportionen (Höhe zu Breite nahezu 2:1), besitzt ein spitzovales O und ein rechteckiges M mit hohem Mittelteil und erinnert im Schriftbild an eine Frühhumanistische Kapitalis.

Textkritischer Apparat

  1. Die römischen Zahlzeichen sind jeweils durch Überstreichungen hervorgehoben.
  2. Das O kleiner und hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Der Sockel wurde 1879 bei der Öffnung des Hochgrabes und Erhebung der Särge neu angefertigt. Da der Fußboden des Chores nach Westen zu abfällt, dient der Sockel als Höhenausgleich und ermöglicht eine lotrechte Stellung des Aufbaues.
  2. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal mit Ziegelmauerwerk ummantelt und blieb unversehrt.
  3. Zu den genealogischen Angaben vgl. Europäische Stammtafeln NF I/2, Taf. 268; biographische Angaben vgl. NDB 4 (1959) 605f. (Vf. F. Wielandt); Schaab/Schwarzmaier, Handbuch 1995, 212–215 (mit weiterführenden Literaturangaben).
  4. Elisabeth, geboren am 24. September 1494, starb am 31. Mai 1518. Ihr Bronze-Grabmal ist in der Stuttgarter Stiftskirche erhalten; vgl. Wais, Gustav, Die Stuttgarter Stiftskirche. Stuttgart 1952, 27, 72, nr. 27; Abb. im Photoarchiv der Heidelberger Inschriftenkommission. Ihre Eltern waren Markgraf Friedrich d. Ä. von Brandenburg-Ansbach (1460–1536) und Sophia (1464–1512), Tochter des Königs Kasimir IV. von Polen; vgl. Schuhmann, Brandenburg-Ansbach 1980, 632 (Stammtafel). Ernst heiratete 1544 in dritter Ehe die junge Anna von Hohenheim gen. Bombast († 1574), eine Verwandte seiner zweiten Frau Ursula von Rosenfeld; vgl. dazu nr. 139.
  5. Vgl. Pfeilsticker § 1498, 2736; Roller, O. M., Die Ahnentafel der Markgräfin Ursula von Baden-Durlach und die Wappen auf dem Sarkophag in der Schloßkirche zu Pforzheim. In: Schauinsland 33 (1906) 35ff. – Schöpflin und Sachs benennen als Eltern der Ursula einen Georg von Rosenfeld († 1518) und Margaretha geborene von Hoheneck; vgl. Schöpflin, Historia Zaringo-Badensis IV, 1766, 28; Sachs IV, 63.
  6. Bei Öffnung des Hochgrabes 1878 hatte man die Särge und darin enthaltene Gewandreste gefunden; vgl. KdmBadenIX/6, 173f. Zur Geschichte der Pforzheimer Markgrafen-Grablege vgl. Einl. Kap. 3.3.
  7. Zuletzt dazu Prochno, Renate, Das Grabmal Philipps des Kühnen (1363–1404) für Champmol – Innovationen und ihre Nachahmung. In: Grabmäler – Tendenzen der Forschung 2000, 75–102 (mit weiterführenden Literaturangaben).
  8. Zu nennen sind als ältere Beispiele das Hochgrab des Königs Ruprecht I. und seiner Gemahlin Elisabeth von Zollern, Burggräfin von Nürnberg, errichtet nach 1410 in der Heidelberger Stiftskirche Hl. Geist; ferner die Hochgräber der Grablege der Landgrafen von Hessen in der Marburger Elisabethkirche und der Grablege der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach in der Klosterkirche Heilsbronn.
  9. Zu Christoph von Urach vgl. Einl. XLIX mit Zusammenfassung der Literatur.
  10. Die Vorlage für das Porträt des Markgrafen, der zwar in voller Rüstung dargestellt ist, aber eine sog. Drahthaube als Kopfbedeckung trägt, könnte eine Medaille von Friedrich Hagenauer von 1533 sein; vgl. Wielandt/Zeitz, Medaillen 1980, 64 nr. 58.
  11. Vgl. nr. 130.
  12. Vgl. ebd.

Nachweise

  1. Pantaleon III, 1570, 222.
  2. Majus, Vita Reuchlini 1687, 551.
  3. Karlsruhe, GLA 47/47, Absterben, Fürstliche Grüfte o. J., fol. 1r.
  4. Karlsruhe, GLA 171/1514, Bürcklin, Diözesanbeschreibung 1737, fol. 1.
  5. Sachs, Marggravschaft IV, 1770, 53–67.
  6. Karlsruhe, GLA 47/41, v. Beust 1802, Grab-Inschriften nr. XXVIII.
  7. Gehres, Pforzheim 1811, 25.
  8. Karlsruhe, GLA HFK 510, Herr, Collectanea Pforzheim 1830, fol. 13r, 13v, nrr. 1, 2.
  9. Müller, G. A., Schloßkirche 1834, 2.
  10. Karlsruhe, GLA 47/46, Begräbnisse 19. Jh., Waag 1883, nr. I.
  11. Naeher, Pforzheim 1884, Blatt 2 (Zeichnung).
  12. Stoesser, Grabstätten 1903, 134.
  13. Rott, Baden-Durlacher Hof 1917, 12–16.
  14. KdmBadenIX/6, 171–174, Abb. 144, 146.
  15. Trost, Schloßkirche 1962, 43–45, 71 nr. 64 mit Abb. S. 44.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 129 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0012906.