Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 118 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1527

Beschreibung

Grabplatte für ein Glied der Familie Liesch, vielleicht für Heinrich Liesch. Ursprünglich im südlichen Nebenchor im Boden, nach 1945 außen am Chor auf der Südseite; 2002 Aufstellung im Westbau an der Nordwand. Rechteckige Platte aus rotem Sandstein mit schmaler Randleiste. Im oberen Drittel fünfzeilige Inschrift, die Zeilen durch Ritzlinien gerahmt; im mittleren Drittel zwei Vollwappen in Relief, vom heraldisch rechten Wappen nur noch die Helmzier erhalten; das untere Drittel total abgewittert. Schlechter Erhaltungszustand, große Fehlstellen in der Inschrift.

Maße: H. 231, B. 80,5, T. 19, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Stadtarchiv Pforzheim [1/1]

  1. [anno d(omi)]nia) · 1527 vff / den · [2]6 · [ta]g [des m]/onatsb) [. . . . . . . . . . . . / . . . . . . . .] vnd fvr[nem hei(n)/ri]chb) liesch dem g[ot gnad]b)

Wappen:
Liesch1, Hochberg2.

Kommentar

Die Liesch waren im 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts zur Pforzheimer Oberschicht aufgestiegen und sind mehrfach als Angehörige des Gerichts und als Bürgermeister nachweisbar3. Ein Vitus Liesch († 24. Januar 1535) wurde am 13. September 1519 auf das Vikariat am Allerheiligenaltar der Stiftskirche präsentiert4. Zuvor hatte der Bürgermeister Heinrich Liesch für seinen Sohn Vitus bei Georg Göldlin 1519 vergeblich um ein Vikariat am Thomas- und Andreas-Altar gebeten, das die Göldlin zu vergeben hatten5. Heinrich Liesch wird 1501 zusammen mit Conrad Fryermut als Pfleger des St. Georgenstifts genannt und war 1508 Richter und Grundbesitzer in Pforzheim6. Er war also ein Mann von hohem Ansehen und offenbar begütert.

Die Gestaltung der Grabplatte entspricht der für Amtsträger üblichen Form, die sich Anfang des 16. Jahrhunderts nicht von der des Niederadels unterscheidet. Der Vorname heinrich läßt sich in die Lücke vor dem Nachnamen liesch einfügen, zumal die Buchstaben ch am Ende des Vornamens einwandfrei erkennbar sind. Vermutlich handelt es sich bei dem hier Bestatteten um diesen Bürgermeister Heinrich Liesch. Das dieser sozialen Stellung angemessene Epitheton ehrenhaft und vornehm wäre hier zu ergänzen. Ob sich das Wappen der Hochberg auf die Mutter oder auf die Ehefrau des Heinrich Liesch bezieht, war nicht zu klären.

Textkritischer Apparat

  1. Ergänzung nach Trost.
  2. Sinngemäße Ergänzungen.

Anmerkungen

  1. Schild zerstört; Helmzier: drei Schilfkolben auf Dreiberg; vgl. Alberti 459; Kindler v. Knobloch II 511.
  2. Schwanenrumpf, Helmzier ebenso; vgl nrr. 123, 134.
  3. Ein Abrecht Liesch von Pforzheim ist 1425 als Pfarrer zu Eutingen (Stadt Pforzheim) belegt; vgl. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 124 nr. 265. Alberti vermutet, es handle sich um eine um 1500 aus der Gegend von Horb (Lkr. Freudenstadt) zugewanderte Familie; vgl. Alberti 459.
  4. Fouquet, St. Michael in Pforzheim 1983, 166 nr. 31. Vitus Liesch, zweifellos ein Schüler der Pforzheimer Lateinschule, studierte zunächst in Köln, wo er am 28. Nov. 1508 Baccalaureus wurde; vgl. Keussen, H., Die Matrikel der Universität Köln 1389 bis 1559. Bd. 2, Bonn 1919, 617, nr. 475, 73. Dann ging er nach Tübingen; Magister artium 27. Jan. 1511; vgl. Hermelink 168, nr. 59, 92. Zu Vitus Liesch vgl. auch Scheible, Melanchthons Pforzheimer Schulzeit 1989, 40; Kremer, Lateinschule 1997, 154.
  5. Ebd. Heinrich Liesch ist schon 1517 als Bürgermeister von Pforzheim nachweisbar; vgl. Korth, Urkunden 31, zu 1517.
  6. KdmBadenIX/6, 271; Ehmann, Einwohnerverzeichnis 1969/1972, 411.

Nachweise

  1. Trost, Schloßkirche 1962, 78 und nr. 13.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 118 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0011806.