Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 104† Pforzheim-Dillweißenstein, Burg Weißenstein-Rabeneck 1511

Beschreibung

Inschrift, vielleicht eine Art Zauberspruch, mit Datierung und Monogramm. Burgkapelle, im Chor „oben Überschrifft“1. In Stein gehauen2. Vermutlich verstümmelt überliefert, Gestaltung unbekannt.

Inschrift nach Bürcklin.

  1. Mich thut erschröckenEe denn bedeckena) und das Lezt uff weckenEst malab) mors capta, dum dicitur ananis aptaananis apta Dei sit Medicina Neic)Zeit nimbtd) und geitAnno Domini 1511 . B . S .

Übersetzung:

Der böse Tod ist gefangen, solange gesagt wird: ananis apta; ananis apta sei Gottes Heilmittel gegen den Tod.

Kommentar

Deutsche Reimverse; elegisches Distichon, leoninisch gereimt.

Die zweisprachige gereimte Inschrift erinnert an lateinische Sprachspielereien, wie sie um 1500 beliebt waren. Verwandt sind die lateinischen Sprüche auf einem Türsturz der Sakristei in der spätgotischen Pfarrkirche in Altdorf (Lkr. Böblingen)3. Andererseits erinnert der lateinische Einschub an geheimnisvolle und unverständliche Beschwörungsformeln, wie sie auf Glocken vorkommen, um böse Geister und Schaden von der Kirche abzuwenden4. Als eine solche Schutz- oder Zauberformel gilt das Wort ananisapta, das als Abkürzung für eine lateinische oder hebräische Formel gedeutet wird5. Der Gelehrte Guarino da Verona deutete 1474 den Zauberspruch als Anagramm: A(ntidotum) N(azareni) a(uferat) n(ecem) i(ntoxicationis), s(anctificet) a(limenta) p(ocula) t(rinitas) a(lma)6.

Die vorletzte Zeile ist ein Sprichwort, das in verschiedenen Versionen vorkommt7. Die Initialen B. S. nach der Jahreszahl ließen sich nicht auflösen.

Die einschiffige Burgkapelle wurde 1777 wegen Baufälligkeit abgerissen.

Textkritischer Apparat

  1. Jeden bedecken Deimling.
  2. malo Deimling.
  3. So statt Neci.
  4. nim(m)t Deimling.

Anmerkungen

  1. So Bürcklin 1737.
  2. Pfarrer Deimling in einem 1749 datierten Brief an Herbster: „in Stein gehauen“. Es handelt sich um den Pfarrer und Prorektor Gottlieb Berchtold Deimling (1711–1773), den Verfasser der „Memorabilia Phorcensia“.
  3. Vgl. DI 47 (Böblingen) nr. 114.
  4. Vgl. Otte, H., Glockenkunde. Leipzig 1884, 124; Kizik, Edmund, Die Funktion der Glockeninschriften – der Versuch einer Einteilung unter methodologischem Aspekt. In: Vom Quellenwert der Inschriften 1992, 189–207; bes. 198–200. Die Formel befindet sich auch auf einer 1448 gegossenen Glocke der Stadtkirche in Tauberbischofsheim (Main-Tauber-Kreis); vgl. DI 1 (Bad. Main- u. Taubergrund) nr. 445.
  5. Diese Formel steht auf dem Becherfuß eines Kokosnußbechers aus der Mergentheimer Schatzkammer des Deutschen Ordens mit dem Wappen des Komturs Heinrich Marschall von Pappenheim, 1536; vgl. DI 54 (Mergentheim) nr. 137. Vgl. dazu: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 1, Sp. 395f. Weitere Vergleichsbeispiele bei Werner Karl, Eine geheimnisvolle Inschrift des Mittelalters. In: Sammelblatt des Hist. Vereins Ingolstadt 105 (1996) 59–90.
  6. Diese Hinweise verdanke ich Prof. Dr. Dieter Mertens, Freiburg.
  7. „Zeyt gibt und nympt alle ding“ bzw. „Zeit nimpts und bringts alles“; Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Ein Hausschatz für das deutsche Volk. Hg. v. Karl Friedrich Wilhelm Wander, 5 Bde., Leipzig 1867, Neudruck Augsburg 1987; hier Bd. 5, Sp. 553f.

Nachweise

  1. Karlsruhe, GLA 171/1514, Bürcklin, Diözesanbeschreibung 1737 (ohne Paginierung).
  2. Karlsruhe, GLA 65/779, Joh. Friedrich Herbster, Kollektaneen Bd. 3, Brief des Pfarrers Deimling vom 13. Juli 1749, 1. H. 18. Jh., fol. 8.
  3. KdmBadenIX/6, 411 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 104† (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0010402.