Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 102 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) nach 1510, 1519

Beschreibung

Grabplatte des Jacobus Schüm genannt Abenturer. Im südlichen Seitenschiff des Langhauses, im zweiten Joch an der Südwand; bis 1945 in der zerstörten Kapelle von 1487 unter dem Gestühl im Boden; ehemals vermutlich vor dem St. Thomas- und Andreas-Altar, der wahrscheinlich im nördlichen Nebenchor stand. Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien, die auf der linken Längsleiste beginnt und die Fußzeile freiläßt; im Feld oben eingetiefte Umrißform eines Meßkelches, in die ehemals ein Relief eines Kelches aus Bronze oder Messing eingelassen war; darunter Spuren eines abgetretenen Wappens mit Hausmarke nr. 3. Die Platte ist in fünf Bruchstücke zersprungen und wieder zusammengesetzt; ein sechstes kleineres Bruchstück in der Mitte rechts fehlt.

Maße: H. 197, B. 71, Bu. 8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Stadtarchiv Pforzheim [1/1]

  1. Anno d(omi)ni xv[c]a) · x 〈ix die vero xxii Augusti〉 / O(biit) D(omi)n(u)s Jacob(us) / Abenture(r) h(uius) ec[c(lesi)e] vicari(us) c(uius) a(n)i(m)a requiescat i(n) pace

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1519, und zwar am 22. August, starb Herr Jacobus Abenturer, Vikar dieser Kirche, dessen Seele in Frieden ruhen möge.

Wappen:
Schüm genannt Abenturer1.

Kommentar

Der Verstorbene entstammt einer in Pforzheim ansässigen Familie. Nach dem Studium an der Universität Basel 1474 hatte er von 1476 bis zu seinem Tod 1519 als Vikar die Pfründe am Thomas- und Andreas-Altar inne2. Diese war von der Familie Göldlin vor 1350 gestiftet worden3. Die jährlichen Einkünfte dieser Pfründe, für die sich die Göldlin das Besetzungsrecht hatten einräumen lassen, wurden 1384 durch Heinrich Göldlin, den Sohn Werners d. J., noch einmal vermehrt.

Jacobus Schüm war im Jahr 1502 an den Blattern erkrankt4. Möglicherweise hat die schwere Erkrankung den Geistlichen veranlaßt, die Grabplatte vor seinem Tod anfertigen zu lassen. Denn die in römischen Zahlzeichen geschriebene Jahreszahl scheint zunächst bis zur Schreibung der Zahl 1510 – hier xvc x – gleichmäßig in relativ großen Buchstaben eingehauen. Dann folgt ein Einschub mit der Bezeichnung des Todestages in etwas kleineren Buchstaben, der offensichtlich später nachgetragen wurde. Die Grabplatte ist also frühestens 1510 entstanden.

Eine Überraschung bietet das Wappen. Denn es wird von Weygold 1747 in einem völlig anderen Zusammenhang überliefert5. Weygold hat das Wappen mit dem Hauszeichen zuverlässig abgezeichnet und angegeben, es habe sich unterhalb einer lateinischen Versinschrift6 im nördlichen Nebenchor befunden. Diese Inschrift hat er unterhalb (oder bei?) der Grabinschrift der Luitgard Göldlin von 1371 gesehen7. Die vorliegende Grabplatte war offenbar für Weygold nicht sichtbar; jedenfalls hat er die Grabplatte nicht überliefert, weil sie vielleicht bis 1945 unter dem Gestühl verborgen war.

Textkritischer Apparat

  1. Das kleine hochgestellte c stand ursprünglich oberhalb der Rahmenlinie und ist wegen einer Beschädigung der Kante nicht mehr vorhanden.

Anmerkungen

  1. Hausmarke nr. 3.
  2. Bacc. artium 1474; vgl. Kremer, Lateinschule 1997, 139.
  3. Zu dieser Stiftung vgl. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 91, nrr. 181, 182, ferner vgl. Arnold, Die Göldlinschen Pfründestiftungen 1935, hier bes. 246–250; Fouquet, St. Michael in Pforzheim 1983, 114f., 134; Becht, Pforzheim im Mittelalter 1983, 48f. Zu den Stiftern dieser Pfründen vgl. nrr. 19, 20.
  4. Vgl. Fouquet (wie Anm. 3) 167 nr. 39.
  5. Karlsruhe, GLA 47/39, Weygold, Epitaphia 1747, fol. 10.
  6. Vgl nr. 110.
  7. Vgl. nr. 20.

Nachweise

  1. Trost, Schloßkirche 1962, 28, 69 nr. 35.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 102 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0010208.