Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 41† Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael)? 1429

Beschreibung

Grabinschrift des Reinhard von Remchingen (?) ohne genaue Bezeichnung des Standorts. Gestaltung unbekannt.

Inschrift nach Crusius.

Schriftart(en): Vermutlich Gotische Minuskel.

  1. A(nno) Domini 1429 . 12 die April(is) obijt domicellus Rheinhardus de Rein : cuius A(nima) R(equiescat) I(n) P(ace)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1429 am 12. Tag des April starb der Junker Reinhard von Rem(chingen), dessen Seele in Frieden ruhen möge.

Kommentar

Eine Familie des Namens Rein ist bisher weder im Bereich von Pforzheim noch in den angrenzenden Gebieten nachweisbar. Die Wiedergabe der Inschrift durch Crusius ist daher hinsichtlich ihrer Transkription nicht vertrauenswürdig. Vermutlich war der Name gekürzt wiedergegeben und hieß Rem mit Kürzungsstrich über dem m. Dann kann es sich hier um Reinhard II. von Remchingen, 1395, 1398, 1399–1402 und 1411 als Vogt von Pforzheim belegt, gehandelt haben1. Er ist vor dem 13. Juni 1429 gestorben, was durch die Grabplatte präzisiert werden kann2. Er ist wohl identisch mit jenem Reinhard von Remchingen, der am 21. April 1415 bekennen mußte, daß er dem Conz von Clingenberg die große Summe von 1250 Goldgulden schuldete3. Die Bürgschaft für Reinhard übernahm die Stadt Pforzheim mit Genehmigung des Markgrafen Bernhard I. Daraus geht hervor, daß Reinhard trotz seiner Schulden für vertrauenswürdig gehalten wurde und daß er offensichtlich beim Markgrafen hohes Ansehen genoß. In der Tat schenkte Reinhard 1422 Kirche und Pfarrsatz des Dorfes Kleinsteinbach (Gde. Pfinztal, Lkr. Karlsruhe) an das Kloster Gottesau mit Genehmigung seiner Söhne Hans und Wilhelm4. Seine Abstammung ist nicht eindeutig nachgewiesen. Nach Bickel war er ein Sohn eines Hermann II. von Remchingen († 1386)5. Nach DI 22 war er ein Sohn des Heinrich († 1393)6. Als seine Mutter gilt übereinstimmend Agnes von Sickingen († 1427). Reinhard war dreimal verheiratet, 1. mit einer von Sternenfels, 2. mit Anna von Sachsenheim, 3. mit Anna von Frauenberg. Ein Sohn dieses „altten vogtz“ namens Hans war in der Schloßkirche St. Michael bestattet7. Dies deutet darauf hin, daß die Herren von Remchingen hier eine Grablege hatten. Der ehemalige Standort des vorliegenden Grabmals wäre demnach ebenfalls in der Schloßkirche zu vermuten.

Die Schreibung der Jahreszahl in arabischen Ziffern war zu dieser Zeit auf einer Grabplatte in Pforzheim noch unwahrscheinlich und wird daher auf Crusius zurückzuführen sein. Die frühesten arabischen Ziffern finden sich in Pforzheim bald nach 1470 am Zifferblatt der Uhr am Lettner der Schloßkirche8. Die früheste Angabe des Todesjahres in arabischen Ziffern befindet sich hier in der deutschsprachigen Grabinschrift des Ehepaars Thorlinger, anzusetzen 14799. Die Bezeichnung domicellus scheint in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts für einen Angehörigen des Niederadels nur vereinzelt gebräuchlich gewesen zu sein, jedoch sind hier regionale Unterschiede festzustellen10. Möglicherweise hat Crusius hier eine deutschsprachige Grabinschrift ins Lateinische übersetzt.

Anmerkungen

  1. Zahlreiche Belege als Rat und alter Vogt des Markgrafen Bernhard I., seit 1396 meist zusammen mit Heinrich Truchseß von Höfingen; vgl. RMB I nrr. 1702, 1833, 1837, 1863 u. ö. Vgl. auch Bickel, Remchingen 1993, 57 (Stammtafel). – Diese Identifizierung wird von Harald Drös vorgeschlagen.
  2. Seine Frau Anna von Frauenberg ist zu diesem Zeitpunkt Witwe; vgl. RMB I nr. 4213.
  3. Vgl. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 116 nr. 245.
  4. Fecht, Durlach 1865, 217; Carl, Regesten Pforzheim 1998, 116 nr. 145. – Wilhelm von Remchingen, Rat des Markgrafen Karl I., starb in hohem Alter 1481; seine Grabplatte in Remchingen wurde 1785 beim Abriß der dortigen alten Pfarrkirche zusammen mit der Adelsgrablege vernichtet; vgl. DI 22 (Enzkreis) nr. 114.
  5. Bickel, Remchingen 1993, Stammtafel S. 56.
  6. Heinrichs Grabplatte ist erhalten; vgl. DI 22 (Enzkreis) nr. 40.
  7. Vgl. nr. 57.
  8. Vgl. nr. 62.
  9. Vgl. nr. 67. – Dagegen erscheinen arabische Ziffern schon 1442 und 1443 auf Grabplatten von Maulbronner Äbten; vgl. DI 22 (Enzkreis) nrr. 73, 74.
  10. So ist jeweils ein einziges Beispiel zu finden in: DI 12 (Heidelberg) nr. 86 (von 1427), DI 37 (Rems-Murr-Kreis) nr. 21 (von 1437), dagegen mehrere Vorkommen in DI 16 (Rhein-Neckar-Kreis II), DI 29 (Worms), DI 38 (Bergstraße).

Nachweise

  1. Crusius, Annales Suevici 1595, pars III, 357.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 41† (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0004100.