Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 24 Kath. Barfüßer-Kirche (Franziskaner-Klosterkirche) 1377

Beschreibung

Grabplatte zweier Nonnen des Dominikanerinnenklosters, der Luitgard Pfalzgräfin von Tübingen und der Priorin Luitgard Pfalzgräfin von Asperg. An der Westwand des Chores; ursprünglich in der Klosterkirche der Dominikanerinnen, dann 1862 in einer Mauernische im Hof des Waisenhauses; um 1939 im Hof des Archivbaues (Schloßberg 16, früher Reuchlin-Museum) aufgestellt. Rechteckplatte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien, die an den Längsseiten doppelzeilig verläuft. Im Feld die Figur einer Klosterfrau in flachem Relief, auf einem Kissen ruhend, zu Füßen ihr Wappen. Sie trägt über einem Untergewand mit Skapulier einen Umhang, der in Schulterhöhe durch ein horizontal verlaufendes Band zusammengehalten wird; der Kopf ist von einem Schleier bedeckt und läßt nur das Gesicht frei. In den Händen hält sie einen Gürtel und ein Buch, vermutlich ein Beutelbuch mit herabhängendem Beutel. Die Schrift beginnt und endet mit einem Invokationskreuz und ist in dunkler Farbe – gelegentlich verfälschend – nachgezogen. Rechts außen Beschädigung durch Kriegseinwirkung.

Ergänzungen nach KdmBadenIX/6, 244.

Maße: H. 261, B. 96, Bu. 5–6 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. + ANNO · D(OMI)NI · M°a) · / CCC° · LXX° IIII° · PR[IDI]E · ANTE · G[REGORII] · O(BIIT) · SOROR · LVIG/GARD(IS)b) · PALENT/INA · DE · TVIWINGENb) · ET · P(OST) · IN · TERCIO · ANNO · FE/LICIS · ET · ADAVCTI · O(BIIT) DOMI(N)A // LVICGARD(IS)b)c) / PALE(N)TI(N)A // DE · ASPERK · SOROR · NOSTRA +

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1374 am Vortag des Festes des hl. Gregor (11. März) starb Schwester Luitgard Pfalzgräfin von Tübingen, und im dritten Jahr danach (am Tag der hll.) Felix und Adauctus (30. August) starb Frau Luitgard Pfalzgräfin von Asperg, unsere Schwester.

Wappen:
Pfalzgrafen von Tübingen oder von Tübingen-Asperg1.

Kommentar

Zwischen 1265 und 1277 ist das älteste Pforzheimer Kloster erstmals bezeugt als zum Orden der Reuerinnen der hl. Maria Magdalena gehörig; zwischen 1277 und 1287 soll das Kloster in ein Dominikanerinnenkloster umgewandelt worden sein2. Im Bereich dieses Bettelordens ist die figürliche Darstellung einer Konventualin um diese Zeit ungewöhnlich, auch wenn es sich hier um eine Angehörige einer Familie des hohen Adels handeln mag. Im allgemeinen kann man davon ausgehen, daß bei zwei Sterbeeinträgen auf demselben Denkmal die Erstgenannte mit der dargestellten Person identisch ist und daß der Eintrag der Zweitgenannten später hinzugefügt wurde. Das Wappen gibt hierzu keine Antwort, denn die Wappen der beiden miteinander verwandten pfalzgräflichen Familien sind ohne Tinkturen nicht zu unterscheiden.

Luitgard Pfalzgräfin von Asperg war schon 1340 Klosterfrau in Pforzheim; sie ist als Priorin des Klosters 1350, 1351 und vor allem 1365, 1366 und 1367 in Zusammenhang mit einem bedeutenden Gütererwerb von den Herren von Enzberg für das Kloster urkundlich nachweisbar3. Ihre Eltern waren Ulrich III. Pfalzgraf von Asperg und Anna geborene Gräfin von Löwenstein4. Luitgard Pfalzgräfin von Tübingen wird hier in der Grabinschrift nur als soror bezeichnet, während Luitgard Pfalzgräfin von Asperg domina und soror nostra genannt wird, da sie als Priorin die ranghöhere Stellung im Kloster einnahm. Mit Sicherheit ist die Darstellung der Klosterfrau mit ihrer Person zu verbinden.

Die Schrift ist – besonders in den inneren Zeilen – unregelmäßig. Trotzdem ist die Ausführung einheitlich, so daß eine Entstehung der Grabplatte nach dem Tod der Priorin 1377 wahrscheinlich ist. Jedenfalls gehört die Darstellung der Nonne zu den frühesten figürlichen Darstellungen von verstorbenen Personen im Bearbeitungsgebiet5.

Textkritischer Apparat

  1. Kleines hochgestelltes o über den Zahlangaben in der Mitte.
  2. Kleines I in V eingestellt.
  3. Der Name lautete LVITGARD; das runde T wurde mit C verwechselt und durch die Übermalung verfälscht.

Anmerkungen

  1. Die Wappen der beiden Familien unterscheiden sich nur durch die Tinkturen, die hier nicht ablesbar sind; vgl. Alberti 865f.
  2. Zur Geschichte des Pforzheimer Dominikanerinnenklosters vgl. Pflüger 1862, 74f., 111f.; KdmBadenIX/6, 222–238; Schneid-Horn, Vom Leben in Kloster und Spital 1991, 9–12.
  3. Vgl. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 68 nr. 122, 69 nr. 126, 81 nr. 156, 82 nr. 158, 83 nr. 159. Vgl. auch Pflüger 1862, 112f.
  4. Vgl. Europäische Stammtafeln NF XII, Taf. 48.
  5. Älter ist nur die Darstellung des Priesters Trutwin auf seiner Grabplatte von 1324, jedoch ist jener nicht in Relief, sondern in Ritzzeichnung wiedergegeben; vgl. nr. 15.

Nachweise

  1. Petrus, Franciscus, Suevia Ecclesiastica. Augsburg 1699, 667.
  2. Pflüger 1862, 112 Anm. 4.
  3. Naeher, Pforzheim 1884, Blatt 1 (Zeichnung).
  4. KdmBadenIX/6, 244 nr. 2, Abb. 176.
  5. Pforzheim, Stadt-Archiv, Slg. Arthur Steinle, Bl. mit Signatur PF/1/9.
  6. Schneid-Horn, Vom Leben im Kloster und Spital 1991, Abb. S. 10.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 24 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0002409.