Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 23† Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 3. V. 14. Jh., 1433

Beschreibung

Fragment der Grabplatte für einen Unbekannten, Zweitverwendung für den Priester Johannes Weiler (Wiler, Wyler); möglicherweise ein drittes Mal verwendet für einen Unbekannten. In der Kapelle von 1487 im Boden; nach der Kriegszerstörung der Kapelle 1945 aufgefunden, aber nicht als erhaltenswert angesehen. Von der Rechteckplatte aus Sandstein war 1939 die linke Hälfte offenbar unter Gestühl verdeckt. Für Lacroix war von der Umschrift nur die rechte Hälfte der Kopfzeile und ein Teil der rechten Längszeile (A) lesbar; daran schloß die später in Zweitverwendung eingemeißelte Grabschrift B an, die Trost nach 1945 ergänzen konnte. Ob der Beginn der Fußzeile noch zu B gehörte oder ob hier eine dritte Inschrift C angefügt war, wie die Angaben bei Lacroix vermuten lassen, ist nicht mehr zu entscheiden.

Wortlaut von A und C nach KdmBadenIX/6; Wortlaut von B nach Trost.

Maße: H. 245, B. 92 cm1.

Schriftart(en): Gotische Majuskel (A), Gotische Minuskel (B), Gotische Minuskel mit Versal (C).

  1. A

    [ANNO] . D(OMI)NI . M° . CCC . L . [. /– – –]

  2. B

    ann[o . . . m] ccccxxxllla) [. . .] om(n)i[um sanc]torumb) . obiit d(omi)n(u)s ioh(ann)es wiler requ(iesc)at in pacec)

  3. C

    Ann(o) . d(omi)n[i . . . . .]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 135(.) (…). (A) – Im Jahr (des Herrn) 1433 (…) Allerheiligen starb Herr Johannes Weiler. Er möge in Frieden ruhen. (B) – Im Jahr des Herrn (…). (C)

Kommentar

Die Weiler gehörten seit dem 14. Jahrhundert zur führenden Oberschicht der Stadt Pforzheim. Sie nannten sich vermutlich nach dem Dorf Weiler (Gde. Keltern, Enzkreis). Die von Ehmann behauptete enge Verbindung mit der Niederadelsfamilie der Herren von Weiler bei Weinsberg (Gde. Obersulm, Lkr. Heilbronn) ist unwahrscheinlich wegen der Verschiedenheit der Wappen beider Familien2. Die enge Verbindung der Weiler mit der Stiftskirche St. Michael ist durch mehrere Geistliche als Pfründeninhaber deutlich. Die Weiler waren bis zur Aufhebung des Stifts Kollatoren der Vikariatspfründe am Kreuzaltar3. Da vermutet werden kann, daß bei Zweitverwendungen von Grabplatten – und damit auch von Grabplätzen innerhalb der Kirche – häufig ältere Grabplatten derselben Familie neu beschriftet wurden, könnte auch Inschrift A einem Glied der Weiler gewidmet gewesen sein. Jedenfalls ist bereits am 9. Dezember 1348 ein Hans Wiler anläßlich des Treueids der Bürgerschaft gegenüber dem Markgrafen namentlich genannt4. Ein „Pfaff Hans von Wyler selig“ wurde in Zusammenhang mit einer Seelgerätstiftung vom 13. Nov. 1377 erwähnt; da diese jedoch dem Pforzheimer Franziskaner-Konvent zufloß, bleibt die Verbindung zu der vorliegenden Bestattung in St. Michael fraglich5. Die Schriftart in A war nach Trost eine Gotische Majuskel; auch Lacroix führt die Transkription in Großbuchstaben aus. Bei B und C fährt er in Minuskelschrift fort und kommentiert dies ausdrücklich6.

Der in Inschrift B genannte Johannes Wiler dürfte ein Geistlicher gewesen sein, weil die Anrede dominus auf diesen Stand hindeutet. Wenn Trost das Sterbedatum mit 1433 richtig gelesen hat, ist dieser nicht identisch mit dem Vikar Johannes Weiler, der 1460 – also bei Erhebung der Pfarr- und Schloßkirche St. Michael zur Stiftskirche – im Besitz der Präbende am Kreuzaltar war7. Die Grabplatte lag in der 1487 errichteten Seitenkapelle wohl nicht in situ.

Wahrscheinlich erhielt die Grabplatte mit C einen weiteren Sterbeeintrag eines Weiler.

Textkritischer Apparat

  1. So geschrieben bei Trost und von diesem als 1433 interpretiert.
  2. [. . .] omi’ [. . .]storum. Trost 1962.
  3. [. .] d(omi)n(us) . ioh(ann)es . Wiler . aia . ipa / Ann(o) . d(omi)n[i – – –]. Lacroix, in: KdmBadenIX/6.

Anmerkungen

  1. Die Maßangaben betrugen bei Lacroix: H. 240, B. 42 (Teilmaß) cm.
  2. Ehmann, Das Geschlecht von Wyler/Weiler 1976–78, 63f. Zu den Wappen vgl. Alberti 1014 und 1017. In Pforzheim ist das Wappen der Pforzheimer Weiler mehrfach nachweisbar; vgl. nrr. 99, 134.
  3. Fouquet, St. Michael in Pforzheim 1983, 119, 133, 140, 160, 168.
  4. Zu dieser eidlichen Verpflichtung gegen Abwanderung aus der Stadt vgl. Becht, Pforzheim im Mittelalter 1983, 45f. Die Nennung des Hans Wiler unter den 98 unterzeichneten Bürgern erwähnt bei Ehmann (wie Anm. 2), 64.
  5. Vgl. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 90 nr. 177.
  6. Bei Lacroix die Angabe: „Jetzt folgt anderer Schriftcharakter“; bei Trost: „Minuskel“.
  7. Fouquet (wie Anm. 3) 168. – Dieser ist wohl identisch mit einem „Johannes Veylin (Weiler) de Phorczhan“, imm. Wien zwischen Okt. 1430 und April 1431; vgl. Kremer, Lateinschule 1997, 127. – Ein Hans Wyl (Wyler) war im Jahr 1430 Pfarrer in Ispringen; vgl. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 128 nrr. 274, 275.

Nachweise

  1. KdmBadenIX/6, 153 nr. 9.
  2. Trost, Schloßkirche 1962, 76.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 23† (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0002302.