Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 19 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1349, 1542

Beschreibung

Grabplatte für Werner I. Göldlin (Goldelin) sowie – in Zweitverwendung – für ein unbekanntes Glied der Familie Schenk von Winterstetten. Im südlichen Nebenchor an der südöstlichen Wand, früher hier im Boden. Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift A zwischen Linien. Die Inschrift setzt sich im Feld links und rechts in je einer parallel zu den Längsseiten verlaufenden Zeile fort. Diese zweite Zeile beginnt links erst oberhalb der Mitte; im unteren Drittel der Platte ist ein (nachträglich angebrachtes?) Wappen eingeritzt, das aus der Achse des Feldes nach links gerückt ist. In der Mitte des Feldes befindet sich ein zweites Wappen in Relief mit Jahreszahl B. Vermutlich wurde dafür ein in Relief ausgeführtes, ursprünglich zu A gehöriges Wappen mit Helm und Helmzier abgearbeitet, wofür die aufgerauhte Oberfläche und die Störung in den Längsleisten spricht. Schlecht erhalten, die Ecken rechts oben und unten zerstört.

Maße: H. 248, B. 95, T. 23,5, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel (A).

© Stadtarchiv Pforzheim [1/1]

  1. A

    + · ANNO · [D(OMI)NI · M · / CC]C · XL[V]IIII° · FERIA · QVARTA · AN[T]Ẹ [· F]ES/TV(M) · MICHA/HELISa) · OBIJT · //b) WERNHER · GOLD//ELIN · Q̣(V )O(N)DA(M) / [SC]VLṬẸṬ(VS) · // · I(N) · PHOṚ[. . .] · A(MEN)

  2. B

    1542

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1349 am Mittwoch vor dem Festtag des hl. Michael (23. Sept.) starb Werner Göldlin, einst Schultheiß in Pforzheim. Amen.

Wappen:
[Göldlin]; Göldlin; Schenk von Winterstetten.

Kommentar

Die Göldlin gehörten im 14. Jahrhundert zu den führenden und wohlhabendsten Geschlechtern Pforzheims. Werner I. wurde als erster Träger des Namens Goldelin in Pforzheim genannt und war Schultheiß in den Jahren 1328, 1342 und 1343; er starb 1349, wie die vorliegende Grabplatte anzeigt1. Der Vorname seiner Frau Judel oder Judula ist urkundlich erwähnt. Judel soll eine geborene von Guttenberg gewesen sein2. Beider Tochter war Luitgard Göldlin, Ehefrau des Heinrich Schultheiß, gestorben am 21. April 13813. Die Pfründenstiftungen der Göldlin stehen in Zusammenhang mit ihren Grabmalstiftungen, da es sich um Vorkehrungen zur Erlangung des Seelenheils der Familienglieder handelte. Die älteste Pfründenstiftung der Göldlin (hier Stiftung I genannt) geht auf das Jahr 1322 bzw. 1350 und auf Werner I. Göldlin zurück. Auch der Enkel von Werner und Judel, Werner II. Göldlin, ist durch eine Meßstiftung (hier Stiftung II genannt) 1371 hervorgetreten4. Es handelte sich bei beiden Schenkungen um Stiftungen für den St. Thomas- und Andreas-Altar in der Pfarrkirche St. Michael. Die Pfründe I war eine Frühmesse und bereits 1322 und 1350 ausgestattet und installiert worden, aber am 16. Oktober 1350 – nach dem Tod von Werner I. und offenbar auch nach dem Tod der Judel – wurde die Stiftung von den Nachkommen in der Besorgnis um das Seelenheil der Eltern erneuert5. Die Urkunde sagt nichts über deren Todesdatum aus. Das Todesjahr für Werner wird auf der Grabplatte exakt angegeben, was in der Literatur bisher nicht berücksichtigt worden ist6. Für Judel bleibt die Frage nach dem Todestag offen; jedenfalls starb auch sie vor dem 16. Oktober 1350, dem Tag der Beurkundung der Stiftung I durch die Äbtissin des Klosters Lichtenthal, dem die Pforzheimer Pfarrkirche inkorporiert war.

Die Grabplatte gibt wegen des abgearbeiteten Wappens Rätsel auf. Es ist zu vermuten, daß die Grabplatte ursprünglich ein in Relief gearbeitetes Wappen trug, das seitlich in den Bereich der Schriftleisten hineinragte, aber bei der Zweitverwendung 1542 abgearbeitet worden ist. Offenbar wollte man aber das Wappen der Göldlin nicht tilgen. Deshalb hat man es unten neu eingeritzt. Jedenfalls gehört die Grabplatte zu einer Gruppe von Platten des 14. Jahrhunderts, die im 16. Jahrhundert eine Zweitverwendung erfuhren7. Ein Zweig der Schenken von Winterstetten war in Pforzheim ansässig8.

Inschrift A wird mehrfach von Fehlstellen im Text unterbrochen. Die Schrift ist eine locker angeordnete Gotische Majuskel mit breiten Proportionen der Buchstaben, die durch kreisrunde Worttrenner abgetrennt sind. Das pseudounziale A und unziale Formen herrschen vor, so für H und M, ferner werden rundes N und T verwendet. Schaftverzierungen durch Knoten fehlen. Die Bogenschwellungen sind wenig ausgeprägt, was eine Datierung noch in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts stützt. Die weitgehend zerstörte Jahreszahl in A läßt sich zweifelsfrei ergänzen. Dagegen wird die Lesung der zwei parallel zur Umschrift eingehauenen Zeilen erschwert durch die wenig sorgsame, hier nur dünnstrichig eingehauene Steinmetzenarbeit.

Textkritischer Apparat

  1. Vor HELIS schadhafte Stelle im Steinmaterial, deshalb hier Lücke in der Inschrift.
  2. Unterbrechung der Inschrift durch eine – später abgearbeitete ? – Wappendarstellung.

Anmerkungen

  1. Zu den Göldlin grundlegend: Arnold, Die Göldlinschen Pfründestiftungen 1935, 244–261; hier 245 Anm. 5, ferner mit Beilagen der Stiftungsurkunden von 1356, 1381 und 1384 im Wortlaut; Kirchgäßner, Heinrich Göldlin 1975, 97–109; ders., Commercium et connubium. In: Pforzheim im Mittelalter 1983, 63–76; vgl. auch Becht, Pforzheim im Mittelalter 1983, 48f. mit Stammtafel auf S. 50; Fouquet, St. Michael in Pforzheim 1983, 114. Vgl. auch Carl, Regesten Pforzheim 1998, 53 nr. 86, 61 nr. 106, 68 nr. 123.
  2. Diese Angabe bei Arnold (wie Anm. 1) 246.
  3. Zu ihrer Grabinschrift vgl. die folgende nr. 20.
  4. Zu dieser 1381 formulierten Stiftung vgl. die folgende nr. 20.
  5. Vgl. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 68 nr. 123. – Danach handelte es sich um eine Stiftung des Heinz genannt Schultheiß und seiner Frau Liucke zum Seelenheil Werner Goldelins und seiner Frau Judel.
  6. Dort das Todesjahr 1350; vgl. Becht 1983 (wie Anm. 1); ebenso Carl, Regesten Pforzheim 1998, 53 Anm. 3.
  7. Vgl. nrr. 16, 21 u.ö.
  8. Vgl. nr. 166. Vgl. auch Pflüger 1862, 463; Trost, Adelssitze 1961, 140.

Nachweise

  1. Trost, Schloßkirche 1962, 16, 68 nr. 25, 78.
  2. Köhler/Timm 1996, 27.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 19 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0001905.