Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 18 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1341

Beschreibung

Grabplatte des Günther (Guintherus) Rappenherr des Älteren. Ehemals in der sog. Margarethen-Kapelle im Boden1, nach 1945 am Chor außen, auf der Nordseite; im Dezember 2001 Aufstellung im Vorchor an der Südwand. Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien, beginnend links oben mit einem Invokationskreuz. Im Feld gelehntes Vollwappen in Ritzzeichnung. Durch zahlreiche Brüche in mindestens sieben Fragmente zerteilt, Oberfläche rechts oben und im unteren Viertel zerstört.

Maße: H. 240, B. 96, T. 16, Bu. 8 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. + ANNO · D(OMI)NI · M° · / CCC° · XLI° · OBIIT · 〈. . . . . .〉 GVINTHER/[V]Ṣ · D(I)C̣(TV)[S · R]ẠP̣/P̣ẸṆḤẸ[. . . ·] VIGILIA · S(AN)C(T)I · GEORIJ · [M(ARTI)R]ISa) ·

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1341 starb 〈. . . . .〉 Günther genannt Rappenherr am Tag vor dem Fest des hl. Märtyrers Georg (22. April).

Wappen:
Rappenherr2.

Kommentar

Der Verstorbene entstammt der in Pforzheim mehrfach nachweisbaren Amtsträger-Familie Rappenherr3, deren Wappen gleichermaßen von den Rot (oder Reut) genannt Veyhinger und von den Trutwin geführt wurde. Noch an dem – nach 1470 geschaffenen – Lettner der Pforzheimer Stiftskirche befindet sich dieses Wappen als Stifterwappen an der Konsole der Figur des hl. Petrus. Allerdings ist das Wappen normalerweise gespalten, wie die ebenfalls erhaltene Grabplatte von Günthers Witwe Guta Rappenherr († 1372)4 zeigt. Die Darstellung des Wappens ist bemerkenswert wegen der frühen Form des Kübelhelms noch ohne Helmdecken.

Die Eheleute Günther und Guta hatten zwei Söhne: Konrad (Kunz), der später zum Schultheißen von Pforzheim berufen wurde, und Günther. Da letzterer im Jahr 1365 ausdrücklich als „der Junge“ bezeichnet wurde, liegt es nahe, in dem in der vorliegenden Grabplatte genannten Günther Rappenherr dessen Vater zu vermuten5. Daher wird dieser hier zur Unterscheidung Günther d. Ä. genannt6. Der Sohn Günther d. J. (nachweisbar noch 1365 und 1381) verkaufte zusammen mit den Brüdern Sigfried und Werner Weis, mit denen er über seine Schwester verschwägert war, am 3. Juli 1345 seinen Anteil an Gräfenhausen (Gde. Birkenfeld, Enzkreis) an die Grafen von Württemberg7.

Der Steinmetz hat vor dem Vornamen Guintherus eine längere Lücke freigelassen, deren Funktion unklar ist, weil bei den meisten Pforzheimer Grabinschriften des 13. und 14. Jahrhunderts mit Anno-Domini-Formular sonst der Vorname unmittelbar auf OBIIT folgt8. Vermutlich ragte der gelehnte Schild ursprünglich in die Schriftleiste hinein und war vielleicht in Flachrelief ausgeführt. Möglicherweise wurde dieses Wappen später abgearbeitet und durch die Ritzzeichnung ersetzt, denn die Umrißlinie des Schildes erscheint jetzt wie überarbeitet9.

Die Schrift ist eine voll entwickelte Gotische Majuskel mit keilförmig verbreiterten Schaftenden und ausgeprägten Bogenschwellungen. Charakteristisch sind die Sporen an den Schaft- und Balkenenden. Das I ist durch Zierpunkte in der Schaftmitte bereichert.

Textkritischer Apparat

  1. Befund unklar; vor -IS zwei zerstörte Buchstaben.

Anmerkungen

  1. In KdmBadenIX/6 nicht als dort befindlich aufgeführt; vermutlich erst nach dem Krieg dort aufgefunden und geborgen.
  2. Hier zwei einander zugewendete gekrümmte Fische; als Helmzier sind die Fische gestürzt. Sonst ist das Wappen gespalten.
  3. Zu dieser Familie vgl. Pflüger 1862, 84f.; Trost, Schloßkirche 1962, 17f.; Becht, Pforzheim im Mittelalter 1983, 47, 53; Fouquet, St. Michael in Pforzheim 1983, 167.
  4. Vgl. nr. 22.
  5. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 81f., nrr. 156, 157. – Am 15. November 1381 ist Günther Rappenherr d. J. unter den vierundzwanzig Bürgern des Gerichts und Rats der Stadt Pforzheim genannt, die den Markgrafen Bernhard I. und Rudolf VII. in einer Huldigung den Treueid schwuren; ebd. 92 nr. 183.
  6. Trost hat nicht unterschieden zwischen Günther Rappenherr d. Ä. und seinem gleichnamigen Sohn, weil er das Todesjahr 1341 für den Vater nicht aus der vorliegenden Grabplatte als Quelle erschlossen hat; vgl. Trost, Schloßkirche 1962, 17.
  7. Pflüger 1862, 84; WürttRegesten nr. 11210; Peter Johannes Schuler, Regesten zur Herrschaft der Grafen von Württemberg 1325–1378 (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte NF H. 8). Paderborn, München, Wien, Zürich 1998, 94f., Reg. 286; Carl, Regesten Pforzheim 1998, 63 nr. 110a, 81 nr. 156, 92 nr. 183.
  8. Vgl. nrr. 3, 8, 11 u. ö.
  9. Harald Drös bezeichnet die Schild- und Helmform als jüngere Zutaten.

Nachweise

  1. Trost, Schloßkirche 1962, 67, 75 nr. 3.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 18 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0001801.