Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 4 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 2. H. 13. Jh.

Beschreibung

Inschrift auf dem Tympanon des Langhausportals an der Südseite außen. Das Portal in frühgotischen Formen besitzt ein Gewände mit doppelter Abtreppung und zwei eingestellten Diensten, die durch die Archivolten des Bogens fortgesetzt werden. Das Tympanon ist ohne Sturz aus einem einzigen Werkstück aus rotem Sandstein gebildet. Die Fläche des Tympanons wird durch Blendmaßwerk gegliedert. Auf dem Bogen beginnt die Inschrift unten links und endet unvollendet noch unterhalb des Bogenscheitels.

Maße: H. ca. 95, B. 190, Bu. ca. 5–7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Stadtarchiv Pforzheim [1/2]

  1. + PETITE · ET ACCIPIETIS ·1)

Übersetzung:

Bittet und ihr werdet empfangen.

Kommentar

Das Wort Jesu aus dem letzten Teil seiner Abschiedsreden eignet sich gut als Inschrift über einem Kirchenportal. Am Ende desselben Verses heißt es: „ut gaudium vestrum sit plenum“ (daß eure Freude vollkommen sei). Es ist unverständlich, warum der Vers hier unvollständig blieb, zumal auf dem Bogen noch genug Platz zur Verfügung stand. Damit wendet sich die Inschrift unmittelbar an den Ankömmling, der sich der Tür nähert, und verheißt ihm die Öffnung der Tür, nämlich das ewige Heil2. Eng verbunden mit der Tür bzw. mit dem Kirchenportal und gewissermaßen wörtlich zu verstehen war die Vorstellung von Christus als „Tür des Himmels“ (porta coeli), die sich auf das Christuswort im Johannes-Evangelium stützt: „Ich bin die Tür“ (Ego sum ostium)3. Vergleichbar ist die Inschrift auf dem Türzieher der ehemaligen Johanniterkirche in Würzburg aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts4. Somit gehört die hier vorgestellte Inschrift in eine umfangreiche Gruppe von Inschriften spätromanischer Kirchenportale, von denen hier stellvertretend nur das Hauptportal der Benediktiner-Klosterkirche in Alpirsbach (Lkr. Freudenstadt) genannt sei5.

In den spitzbogigen vertieften Flächen zwischen dem aufgelegten Blendmaßwerk befanden sich ehemals Reste von Wandmalerei, die 1939 noch schwach zu erkennen waren, heute jedoch ganz verblaßt sind. Es handelte sich um Christus mit Maria und Johannes, vermutlich Johannes Ev., rechts eine geflügelte Gestalt, vermutlich der hl. Michael, links zwei stehende Heilige.

Für die Baugeschichte des Langhauses fehlen feste Daten. Das Portal im östlichsten Joch des südlichen Seitenschiffs dürfte – nach den altertümlich wirkenden frühgotischen Zierformen und dem Baufortgang von Westen nach Osten – innerhalb der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts vollendet worden sein, bevor die deutlich fortschrittlichere Ostpartie der Kirche entstand. Diese Datierung steht mit den Formen der Inschrift in Einklang. Die Inschrift beginnt mit einem Invokationskreuz und ist dünnstrichig in der Ausführung. Die Worttrenner sind groß und kreisförmig. Besonders auffallend ist die Bildung des A von ACCIPIETIS: der s-förmig geschwungene linke Schaft berührt weder den Deckbalken noch den rechten Schaft, sondern er ist durch den geraden Mittelbalken mit diesem verbunden. Der rechte Schaft besitzt einen kräftigen Deckbalken mit Sporen.

Anmerkungen

  1. Nach Io 16,24.
  2. Lacroix verweist auf Mt 7,7: Petite et dabitur vobis; vgl. KdmBadenIX/6. Dort setzt sich der Text fort: pulsate et aperietur vobis (klopfet an, so wird euch aufgetan). Hier wäre das Bild einer Tür, die sich beim Anklopfen öffnet, noch deutlicher.
  3. Io 10,7–9.
  4. Wegen der Reimform wurde der Wortlaut der Vulgata verändert: + Intra qui pvlsas pete n(on) paciere repvlsas; vgl. DI 27 (Würzburg) nr. 17 .
  5. Zum epigraphischen Thema der Tür vgl. Favreau, Robert, Le thème épigraphique de la porte. In: Cahiers de Civilisation médiévale 34 (1991) 267–279; ders., Études d’épigraphie médiévale. Limoges 1995, 547–563; dort 563. Zu Alpirsbach vgl. Seeliger-Zeiss, Alpirsbach, Inschriften 2001, 518f. (Abb.) und 533–535, nr. 1.

Nachweise

  1. Pflüger 1862, 106.
  2. KdmBadenIX/6, 110, Abb. 84.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 4 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0000407.