Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 237 Ev. Altstädter Pfarrkirche (St. Martin) 1625

Beschreibung

Epitaph der Familie des Otto Beck. Ursprünglich in einer hölzernen, mit Gemälden geschmückten Portalvorhalle der Kirche, dann nach Abgang dieser Vorhalle im Chor an der Nordwand; nach der Restaurierung nach den Kriegszerstörungen 1945 in die Turmvorhalle an die Südwand versetzt, wobei die Bekrönung der Giebelzone verlorenging. Großes Grabdenkmal aus graugelbem Sandstein. Als Bekrönung über einem kräftigen Kranzgesims ehemals eine ovale Kartusche mit Relief der Dreifaltigkeit, von Meerweibchen gerahmt und flankiert von Putten, die je ein Wappen hielten. Freistehend auf der Kartusche eine weibliche Gestalt, vermutlich eine der Kardinaltugenden. Erhalten sind die zwei zur Giebelzone gehörenden Reliefs – links die Vertreibung aus dem Paradies, rechts die Auferstehung Christi – gerahmt durch drei Pfeiler, die mit Masken und Gehängen aus Ohrmuschelwerk belegt sind. Das Hauptfeld wird von einem Segmentbogen eingefaßt und durch den Kreuzstamm eines Kruzifixes unterteilt, dessen Corpus verstümmelt ist (Kopf und Beine fehlen)1. Zu beiden Seiten die Familie vor einem gerafften Vorhang, über dem sich der Blick auf eine Landschaft mit einer ummauerten Stadt auftut. Links kniet der Familienvater mit vier Söhnen auf Kissen, rechts knien die beiden Ehefrauen und eine Tochter. Die Konsolzone wird von einem großen geflügelten Engelskopf getragen. Hier halten drei Putti zwei nebeneinander angeordnete Kartuschen mit den Inschriften A und B (links) bzw. C und D (rechts) mit Rahmen aus Ohrmuschelwerk, das sich unten in Masken verwandelt. Abgesehen von den gewaltsamen Zerstörungen gut erhalten.

Maße: H. ca. 300, B. 174, Bu. 2,1–2,5 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© Stadtarchiv Pforzheim [1/3]

  1. A

    Anno 1625 den . 1 . / Januarij starb der Ehrnvöst / Herr Otto Beckh Seines allt/ters 51 Jahr

  2. B

    Wie wür all in Adam Ster=/ben Also werden wür in / Chr(ist)o wider Lebendig ge/macht2)

  3. C

    Anno 1613 den 13 Febr(uarii) / ist in Gott verschiden Barbara / Magabüchin ihres alters 37 Jar

  4. D

    Anno 16〈. .〉 den 〈. . . . . .〉 starb / Catharina Hewschläffin Herrn / Otto Becken Se(ligen) andere Hauszfrav / gewesen ihres alters 〈. .〉 iar denen / Gott gnad Amen

Wappen:
[Beck], [Magenbuch?].

Kommentar

Der Bürger und Handelsmann Otto Beck war so wohlhabend, daß er vor seinem Tode eine Stiftung in Höhe von 1200 fl. für wohltätige Zwecke vergeben konnte3. Sein Wohlstand erlaubte ihm die Errichtung eines ungewöhnlich großen und künstlerisch bedeutenden Grabdenkmals in Verbindung mit einer Familiengrablege in der eigens dafür erbauten Vorhalle, „Paradies“ genannt, vor dem Hauptportal der alten Altstädter Pfarrkirche4. Nach Abbruch des alten Langhauses 1823 ist dieser Begräbnisplatz beseitigt worden, das Grabdenkmal aber gelangte beim Neubau des Westturms 1874 in die Turmvorhalle, später in den Chor5. Die erste Gemahlin Becks war Barbara Magenbuch, vermutlich verwandt mit dem kaiserlichen Leibarzt zu Nürnberg, Dr. Johann Magenbuch aus Blaubeuren6. Die zweite Gemahlin Catharina Heuschlof entstammte einer in Pforzheim ansässigen Familie7. Ihre Todesdaten sind nicht eingetragen worden. Zu den Nachkommen des Otto Beck in Pforzheim zählt Maria Barbara Beck, gestorben 1663 als erste Gemahlin des Johann Jacob Ferber8.

Offensichtlich entstand das Grabdenkmal nach dem Tod des Otto Beck 1625. Denn es setzt im Aufriß das Grabdenkmal für die Familie des Jacob Korn und der Anna Breitschwerdt in Leonberg voraus, das als Spätwerk des Bildhauers Jeremias Schwartz um 1618 entstanden ist9. Das Motiv mit der Familiengruppe vor einem Vorhang mit Ausblick in die Landschaft war zuvor schon bei älteren Denkmälern des Jeremias Schwartz, z. B. am Denkmal des Jakob Dreher in Leonberg10, verwendet worden. Vermutlich hat auch hier die Darstellung einer Stadt im Hintergrund einen direkten Bezug zur Familie der Verstorbenen und ist als eine frühe Wiedergabe Pforzheims aufzufassen. Durch die Verdoppelung von Giebel- und Sockelgeschoß ist ein Denkmal von höchster Prachtentfaltung geschaffen worden. Dies ist nicht als Versuch zu werten, adlige Repräsentation zu imitieren, denn die Bestimmung für Angehörige des bürgerlichen Standes wird durch die puppenhaft kleine Figurengruppe eindeutig. In den biblischen „Historien“ in der Gebälkzone kündigt sich eine frühbarocke, dramatisch bewegte Stilrichtung an, die über die der Reliefs des Jeremias Schwartz hinausgeht. Ebenso verrät das Ornament, greifbar in dem voll entwickelten Ohrmuschelwerk und in den fein ziselierten Masken-Spangen an den Pfeilern, die Bildhauer-Generation der Werkstatt „Leonberg II“, die nach dem Tod des Jeremias 1620 vermutlich von dessen Söhnen bis über die Jahrhundertmitte hinaus weitergeführt wurde. Geradezu als Erkennungszeichen dieser Werkstatt kann der geflügelte Engelskopf dienen, der auf zahlreichen Grabmälern der Umgebung Pforzheims als Schmuckmotiv verwendet wurde, so daß auch von einem „Meister mit den Engelsköpfen“ gesprochen werden konnte11.

Daß hier diese Werkstatt greifbar ist, verraten die Inschriften, ausgeführt in der typischen schlichten Fraktur ohne besondere Zierformen, die Schwartz bereits in seiner Heidelberger Schaffenszeit vor 1590 verwendet hat und die von seinen Söhnen und Schülern bis nach 1650 weiterbenutzt wurde.

Anmerkungen

  1. Der Querbalken des Kreuzes mit dem zerschlagenen Corpus Christi ist jetzt zu weit unten befestigt; er müßte bis an den oberen Bildrand hinaufgerückt werden. Die Beschreibung des Epitaphs ergänzt nach KdmBadenIX/6, 62.
  2. Bibelparaphrase nach 1 Ko 15,22.
  3. Das „Beckische Haus innerhalb des sog. Altstädter Tores“ wurde 1810 um 9500 fl. verkauft und ist abgegangen; vgl. Gehres 1811, 58, 83; Pflüger 1862, 362.
  4. Nach Gehres war dieser Begräbnisplatz ein „hölzernes Gebäude, welches inwendig mit allerhand Gemälden, die eigentlich das Paradies vorstellen sollten, geziert war“; Gehres 1811, 58.
  5. Ebd.
  6. Das Grabmal einer Helena Magenbuch († 1597), verheiratet in erster Ehe mit dem Theologen Andreas Osiander, in zweiter Ehe mit dem Denkendorfer Propst Johann Rücker, hat sich in Hohenacker (Stadt Waiblingen) erhalten; vgl. DI 37 (Rems-Murr-Kreis) nr. 224.
  7. Ein Hans Heuschlof war unter den Vertretern der Bürgerschaft bei Verhandlungen mit dem Markgrafen am 3. Februar 1582; vgl. Pflüger 1862, 461.
  8. Das Familien-Grabmal der Ferber von 1664 befindet sich auf dem Hauptfriedhof; vgl. KdmBadenIX/6, 239 nr. 7.
  9. Vgl. DI 47 (Böblingen) nr. 356 mit Abb.
  10. Ebd. nr. 320.
  11. Vgl. DI 25 (Ludwigsburg) Einl. XXXIX.

Nachweise

  1. Gehres, Pforzheim 1811, 58f.
  2. Pflüger 1862, 362.
  3. Gerwig, Robert, in: Kirchliches Gemeindeblatt für Pforzheim 1912, nr. 7 mit Abbildung des noch vollständig erhaltenen Denkmals.
  4. KdmBadenIX/6, 62f.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 237 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0023706.