Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 211 Hauptfriedhof 1599

Beschreibung

Epitaph des Ehepaares Jacob Obrecht (Abrecht) und Anna geborene Weinziger. Ursprünglich auf dem Oberen Altstädter Friedhof, ab 1922 im Archivbau (früher Reuchlin-Museum), seit 1998 in das Stadtmuseum (Inv. nr. 1999/57) verlegt; seit 2002 endgültig im Wandelgang des Hauptfriedhofs. Aedikula aus gelbem Sandstein. Fast quadratisches Mittelfeld, umgeben von profiliertem Rahmen mit eingelegtem Perlstab; die giebelförmige Bekrönung ist verstümmelt, der obere Abschluß fehlt. Doch ist noch erkennbar, daß das Giebelfeld in der Mitte durch zwei Wappen geteilt ist, die links und rechts von Reliefdarstellungen begleitet werden. Die Rahmung des Giebelfeldes war aus zwei Voluten gebildet, deren Stirnseiten beschriftet waren; davon ist aber nur Anfang und Ende erhalten (A). Die seitliche Rahmung besteht aus je einer männlichen und einer weiblichen Herme, die mit Löwenköpfen, Bändern und Todesemblemen geschmückt sind. Im Feld oben die Grabinschriften B und C nebeneinander, darunter querlaufend in voller Breite des Feldes D. Auf dem Schrägsims des Rahmens kniet das Ehepaar in flachem Relief, einander zugewandt und über dem Kopf mit je einem Sterbekreuz bezeichnet. Links außen kniet eine zweite männliche Figur, umgeben von der Beischrift E. In der Sockelzone Bibelvers F, gestützt durch eine Konsole mit Engelskopf. Die Köpfe der Personen sind beschädigt, die Profile des Rahmens besonders an der Konsole bestoßen.

Maße: H. 133,5, B. 114, T. 8, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    Wie Moses in der [– – –] werden sondern / Das ewig Leben [haben – – –]1)

  2. B

    Anno Domini · 1599a) · Den · 5a) · / Februarij Starb der Erbar vnd / Gottselig Jacob Obrecht gewesener / Burger vnd schiffer in Pfortzheim / Seines Alters · 73a) · Jar

  3. C

    Anno Domini · 1599a) · Den · 3a) · / Februarij Starb die Christliche / vnd Tugentsam Fraw Anna / Weinzigerin sein Eheliche / Hausfraw Jhres Alters · 73 · Jar

  4. D

    Deren Beider Leiber Allhie Von Jhrer Mühe / vnd Arbeit Ruhen vnd der seeligen vfferstentnis vnd / Eingang mit leib vnd selen Jns Ewig leben / Erwartten ·

  5. E

    Bechtolt Obrecht

  6. F

    Christus ist Mein leben sterben ist vnser / gewin Darumb haben mir lust . ab zuscheiden / vnd bei Christo Zu sein Welches Am / Nutzten ist · Phil(ipper) am · 1a) Cap(itel)2)

Wappen:
Obrecht3 , Weinziger4.

Kommentar

Die gleichaltrigen Eheleute sind im Abstand von zwei Tagen verstorben. Obrecht entstammte einer seit dem 16. Jahrhundert in Pforzheim nachweisbaren Flößer- und Schiffer-Familie. Vermutlich war die männliche Figur links außen mit Namen Bechtold der Sohn und Stifter des Denkmals. Das Giebelfeld läßt bemerkenswerte Reliefs zu beiden Seiten der Allianzwappen erkennen. Links sieht man einen Flößer mit einer langen Stange bei der Arbeit; das Floß ist aus Baumstämmen zusammengebunden. Rechts ist eine Stadt mit zwei Türmen dargestellt, vermutlich eine frühe Ansicht Pforzheims. Das Bibelwort nach Jh 3,14–15, das diese Reliefs einrahmte, weist so eindeutig auf die Kreuzigung Jesu, daß ein Kruzifix oberhalb der Wappen als Bekrönung der Darstellung anzunehmen ist. Auf diese Kreuzesdarstellung bezogen sind die knienden Beter im Mittelfeld. Das Kreuz erhob sich in der Giebelmitte auf einer hügelartigen Erhebung, die erst durch die Interpretation als Golgatha-Hügel verständlich wird.

Die Ausführung von Schrift und Dekoration ist von bemerkenswerter Feinheit. Die Fraktur-Versalien sind mit Schleifen und Zierlinien reich ausgeschmückt, so daß man von einer ausgesprochen kalligraphischen Zierschrift sprechen kann, wie sie sonst in Pforzheim nur noch im Epitaph der Frauen des Ulrich Greiß von 1593 vorkommt.

Textkritischer Apparat

  1. Über der Zahl ein Strich mit Ausbuchtung nach oben.

Anmerkungen

  1. Jh 3,14–15. Die Inschrift würde ergänzt lauten: Wie Moses in der [Wüste eine Schlange erhöht hat, also muß des Menschen Sohn erhöht werden, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren] werden, sondern / Das ewig Leben [haben …].
  2. Phl 1,21.
  3. Hausmarke bzw. Flößerzeichen nr. 8.
  4. Schräggelegte Weinleiter.
  5. Vgl. nr. 206.

Nachweise

  1. Pflüger 1862, 300 (kurz erwähnt).
  2. KdmBadenIX/6, 244f. mit Abb. 190.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 211 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0021102.