Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 123 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1532

Beschreibung

Epitaph für Johannes Hochberg. In der sog. Margarethen-Kapelle an der Ostwand, vor 1945 ebd. an der Westwand. Hochrechteckige Tafel aus hellgrauem Sandstein mit grauer Farbfassung. Als Aedikula mit Pilaster-Rahmung gebildet; eine Bekrönung fehlt. Die Gesimse sind verkröpft. Im Hauptfeld Inschrift, in der Sockelzone ein größer gebildetes Wappen, umgeben von vier kleineren Ahnenwappen in Relief. Geringfügig beschädigt am Kranzgesims.

Maße: H. 90, B. 73, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. AN(N)O D(OMI)NI · M · D · XXXII · DIE / VI AVGVS(TI) · CLARISS(IMVS) · D(OMINVS) · IOA=/NN(ES) · HOCHBERG · I(VRIS) · V(TRIVSQVE) · DOC/TOR ECCL(ES)IAE · COLLEG(IATAE) · I(N) PF=/ORTZH(EIM) · PRAEPOSI(TVS) ET · MAR=/CH(IONIS) BADENS(IS) · A CONSILIIS R/ATISPONE T(EM)P(OR)E CO(M)ITIOR(VM) · / OBIIT · VBI · ET · CORP(VS) EIV(VS)a) AP(V)D / FR(ATRES) · AVGVSTIN(IANOS) · RECO(N)DITV(M) / AD ME(M)ORIA(M) ERGO POST/ERIS · OBSERVA(N)DA(M) AGNATI / HANC · POSVERE · TABVLAM / DEO · COM(M)ENDA(N)TES A(N)I(M)A(M)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1532 am 6. Tag des August starb der hochberühmte Herr Johannes Hochberg, Doktor beider Rechte, Propst der Stiftskirche in Pforzheim und Rat des Markgrafen von Baden zur Zeit des Reichstags in Regensburg, wo auch sein Körper bei den Augustinerbrüdern bestattet worden ist. Um jedoch sein Andenken für die Nachwelt zu bewahren, setzten ihm die Verwandten diese Tafel, wobei sie die Seele Gott empfahlen.

Wappen:
Hochberg;
Hochbergunbekannt1
Göldlin oder GoeslinWels.

Kommentar

Wie die Wappen ausweisen, entstammt Johannes Hochberg dem Pforzheimer Patriziat2. Der Name Hochberg deutet auf eine nicht standesgemäße Verbindung mit dem Markgrafenhaus. Johannes Hochberg ist jedoch nicht identisch mit dem unehelichen Sohn des Markgrafen Jakob I., dem Kanzler, Protonotar und Landschreiber der Markgrafen, welcher 1479 bis 1488 als Kantor der Stiftskirche Baden-Baden nachweisbar ist3. Vielmehr wurde der hier Angesprochene gleichen Namens nach dem Studium in Freiburg 14954 und Basel sowie in Bologna 1496ff.5 im Jahr 1499 in Siena zum Doktor beider Rechte promoviert. Als Jurist war er im Dienst des Markgrafen Christoph I. als Statthalter in Luxemburg tätig6. Am 16. Januar 1506 wurde er auf die Vikarspfründe am Jakobsaltar der Pforzheimer Stiftskirche präsentiert und ab Oktober 1506 erhielt er das Amt des ersten Propstes des Stifts. Diese exklusive Prälatur, die in der geistlichen Hierarchie über dem Stiftsdekan stand, war 1506 – also lange nach der Begründung des Stifts 1460 – nach langjährigen Vorbereitungen eigens für ihn durch den Markgrafen Christoph I. geschaffen worden. Da für die Besetzung der Propstei allein die Zuordnung des Inhabers zum markgräflichen Hof7 zählte, dürfte eine enge persönliche Beziehung zum Markgrafen bestanden haben. Johannes war als fürstlicher Rat Teilnehmer am Regensburger Reichstag von 1532. Dort starb er während der Verhandlungen und wurde im Regensburger Augustiner-Eremiten-Kloster bestattet8.

In der Pforzheimer Stiftskirche wurde ihm das Epitaph gesetzt. Dessen Auftraggeber waren nach Aussage der Grabinschrift die AGNATI, also dem strengen Wortsinn nach die Verwandten väterlicherseits, demnach ein Verwandter namens Sebastian Hochberg, der sich als Letzter seines Namens und seiner Verwandtschaft bezeichnete und der nach Wielandt9 ein Sohn des Baden-Badener Landschreibers und dessen Nachfolger in diesem Amt gewesen ist. Er starb erst 1543, ließ aber zu Lebzeiten bereits für sich selbst eine getreue Replik des Epitaphs für Johannes Hochberg anfertigen, die in der Wappendarstellung vom Vorbild abweicht10. Da zwischen beiden Hälften eine Fuge klafft, werden beide Teile hier in getrennten Katalognummern behandelt; denn eine gleichzeitige Entstehung beider Epitaphien ist nicht beweisbar.

Die Schrift verwendet eine Sonderform für A, bei der die rechte Haste senkrecht steht und deshalb mit der linken Haste einen extrem spitzem Winkel bildet; der Deckbalken ist einseitig links weit ausgezogen. Die übrigen Buchstaben entsprechen dem klassischen Alphabet der Kapitalis mit Linksschrägenverstärkung. Die Ansetzung bald nach 1532 wird gestützt durch die Verwandtschaft der Schrift mit der klassischen Kapitalis auf dem Herzgrabmal des Wormser Bischofs Reinhard von Rüppurr († 1533) in der Pfarrkirche Karlsruhe-Rüppurr11. Diese Form der Kapitalis war um 1530 im humanistischen Milieu Pforzheims längst bekannt, denn sie war bereits für das Epitaph der Elissa Reuchlin verwendet worden12.

Textkritischer Apparat

  1. So statt EI(VS).

Anmerkungen

  1. Schrägbalken, belegt mit drei ungedeuteten Gegenständen, vielleicht drei Ambosse.
  2. Abgesehen von den hier durch ihre Wappen vertretenen Großeltern Göldlin oder eher Goeslin sowie Wels ist auf die Eheverbindung Liesch-Hochberg hinzuweisen; vgl. die Grabplatte des Bürgermeisters Heinrich Liesch, nr. 118.
  3. Diese Verwechslung bei Wielandt; Markgraf Christoph I. von Baden, 1933, 561f.; ebenso Arnold, Die Göldlinschen Pfründestiftungen 1935, 244; Richtigstellung durch Fouquet, St. Michael in Pforzheim 1983, 144.
  4. Vgl. Kremer, Lateinschule 1997, 145.
  5. Ebd.
  6. Vgl. Wielandt (wie Anm. 3) 561; Kattermann, Markgraf Philipp I. 1935, 37.
  7. Zur Errichtung der Propstei an der Pforzheimer Stiftskirche und zum besonderen Charakter dieser Prälatur sowie zu den Bedingungen einer Kandidatur für dieses Amt vgl. Fouquet, St. Michael in Pforzheim 1983, 122f., 138f.
  8. Ebd. 144. – Fouquet hat den Wortlaut der Epitaph-Inschrift nicht gekannt; sonst wäre ihm nicht entgangen, daß Johannes Hochberg nur in Regensburg und nicht in Pforzheim bestattet liegen kann, weil es hier kein Augustiner-Eremiten-Kloster gab.
  9. Vgl. Wielandt (wie Anm. 3) 561, 610.
  10. Vgl. nr. 135.
  11. Vgl. DI 20 (Karlsruhe) nr. 167 mit Abb.
  12. Vgl. nr. 101.

Nachweise

  1. Karlsruhe, GLA 171/1514, Bürcklin, Diözesanbeschreibung 1737, fol. 13f.
  2. Weygold, Epitaphia 1747, fol. 9, 10.
  3. Gehres, Pforzheim 1811, 28.
  4. Karlsruhe, GLA HFK 510, Herr, Collectanea Pforzheim 1830, fol. 48v, nr. 31.
  5. Pflüger 1862, 183f. (nur erw.).
  6. KdmBadenIX/6, 141 nr. 2 (mit Lesefehlern) u. Abb. 119.
  7. Trost, Schloßkirche 1962, 34, 70 nr. 55.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 123 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0012307.