Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 73 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1488?

Beschreibung

Fragmente der Grabplatte für einen Kanoniker namens Anshelm, vermutlich für den Stiftsherrn Anshelm von Lauterburg. Ursprünglicher Standort unbekannt. 1994 aus dem Schutt der in der Nachkriegszeit vorgenommenen Aufschüttung auf der Südseite der Kirche geborgen; 2002 Aufstellung im nördlichen Seitenschiff an der Nordwand. Ehemals hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien, die an der linken Längsseite etwa in der Mitte begann und endete. 1994 waren zwei Bruchstücke erhalten, das Mittelstück, das beide Teile verband, ist verloren; zwischen 1994 und 2002 ging infolge mehrfachen Standortwechsels das untere Bruchstück verloren. Das noch vorhandene Fragment bildet das obere Drittel der Platte. Im Feld parallel zur oberen Schmalseite zwei tief eingeschlagene Löcher von einer Zweitverwendung. Die gute Erhaltung der Inschriftleisten ohne Abtretungs- oder Verwitterungsspuren ist wohl darauf zurückzuführen, daß die Platte vor 1945 verdeckt im Boden lag.

Maße: H. 65,5 (Oberteil), 90 (Unterteil), B. 82 (beide Teile), T. 13–14, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. [– – –]8 feria · 2 · post · / do(min)ic(am) · Occ(v)li · Obijt / d(omi)n(v)s · Anshelm(vs) · dẹa) [– – – ·b) Ecclesie · Collegiatec) / · Cvivs · Animạd) – – –]

Übersetzung:

(…)8 (?) am Montag nach dem Sonntag Oculi (10. März?) starb Herr Anshelm von (…, dieser) Stiftskirche, dessen Seele (…).

Kommentar

Die beiden Bruchstücke lassen sich verbinden zum einen durch äußerliche Kriterien, so die gleiche Gesamtbreite und Tiefe, die gleiche Breite der Inschriftleisten, das gleiche Material und die gleichartige Ausführung der Schrift, zum andern durch die sinngemäße Weiterführung des Textes. Ungewöhnlich ist die Anordnung der Inschrift, denn sie beginnt nicht – wie sonst üblich – links oben auf der Kopfleiste, sondern in der Mitte der linken Längsleiste, wobei entweder der Beginn oder die abschließende Fürbittformel stark gekürzt gewesen sein müssen. Jedoch ist diese Anordnung der Inschrift auch auf weiteren Pforzheimer Grabplatten festzustellen1.

Name und Standesbezeichnung des Verstorbenen lassen sich erschließen, denn der einzige in Pforzheim nachweisbare Stiftsherr mit dem Vornamen Anshelm war der Kanoniker Anshelmus de Lauterburg2. Er war zunächst Vikar und wurde von Markgraf Karl I. am 27. Juli 1472 an das geistliche Gericht in Speyer entsandt, war also offensichtlich Jurist. Bei seinem Tod, der von Fouquet für das Jahr 1480 angegeben wird3, war er Inhaber der mit der Plebanie verbundenen Stiftsherrenstelle, die traditionell vom Kloster Lichtenthal besetzt wurde4. In der hier vorliegenden Grabinschrift des Anshelm endete die Angabe des Todesjahres mit der Ziffer 8, so daß 1478 oder eher 1488 als Todesjahr des Anshelm angesehen werden muß. Vermutlich war Anshelm ein Verwandter des Speyerer Domherrn und Professors der Theologie Rucker von Lauterburg (ca. 1440–1466). Obgleich Rucker nicht adlig war, stieg er zum Generalvikar des Bischofs von Speyer auf und wirkte als päpstlicher Exekutor bei der Errichtung der Stiftskirchen in Ettlingen und Pforzheim5.

Die Schrift ist eine schlank proportionierte Minuskel ohne Unterlängen. Die Versalien verwenden Formen der Frühhumanistischen Kapitalis, so das spitze A mit weit überstehendem Deckbalken und nach unten geknicktem Mittelbalken und das spitzovale O; das C ist schmal mit geringer Bogenkrümmung.

Textkritischer Apparat

  1. Hier endet das obere, erhaltene Fragment.
  2. Beginn des unteren, mittlerweile verlorenen Fragments.
  3. Befund zuletzt: Eccl[es]ie · Colleg[iate].
  4. Ende des unteren, mittlerweile verlorenen Fragments.

Anmerkungen

  1. Vgl. nrr. 63, 69.
  2. Fouquet, St. Michael in Pforzheim 1983, 155 nr. 32.
  3. Ebd.
  4. Das Patronat des Klosters Lichtenthal über die Pforzheimer Pfarrkirche und ihre (damalige) Filialkirche St. Michael geht auf eine Schenkung des Markgrafen Rudolf IV. vom 21. Februar 1344 zurück; vgl. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 61f. nr. 107; RMB I nr. 1004.
  5. Fouquet (wie Anm. 2) 113, 117; ders., Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter (ca. 1350–1540). Teile I, II. Mainz 1987; hier II 630 nr. 230.

Nachweise

  1. Trost, Schloßkirche 1962, 78 (falsch identifiziert).
  2. Pforzheim, Staatl. Hochbauamt, Dokumentation der Firma Kraus, Tübingen (1994).

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 73 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0007302.