Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 65 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1473

Beschreibung

Grabplatte des Balthasar Wels, vermutlich Zweitverwendung einer älteren Platte für einen Unbekannten. Im Langhaus, im südlichen Seitenschiff, im zweiten Joch an der Südwand; vor 1945 in der zerstörten Kapelle von 1487. Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien; im Feld oben ein Wappen in Ritzzeichnung, unten ein Wappen in flachem Relief in eingetieftem Grund. Das obere Viertel des Steins ist durch Kriegseinwirkung zerstört und in modernem Material ergänzt. Die Umschrift beginnt links unten und endet in der Mitte der rechten Längsleiste.

Ergänzung nach KdmBadenIX/6.

Maße: H. (urspr.) 239, (Rest) 211, B. 98, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Stadtarchiv Pforzheim [1/1]

  1. Anno · d(omi)ni · M CCCC lxxiija) · Obijt · balthassar · wels [· schvltet(vs) · in · / pfortzheim · cvi(vs) · / ani(m)a · reqviescat · in ·] pace ·

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1473 starb Balthasar Wels, Schultheiß in Pforzheim, dessen Seele in Frieden ruhe.

Wappen:
unbekannt1, Wels.

Kommentar

Balthasar Wels war 1470 und noch in seinem Todesjahr 1473 Schultheiß in Pforzheim2. 1471 war er Besitzer eines Hauses in unmittelbarer Nähe des spätgotischen Kaufhauses am Markt, das Markgraf Karl I. von Baden 1471 der Stadt übergeben hatte3. Dieses Haus des Balthasar lag andererseits neben dem Haus des fürstlich badischen Werkmeisters Hans Spryß von Zaberfeld4. Möglicherweise war Balthasar Wels als Stifter am Bau der zweigeschossigen Sakristei der Stiftskirche, errichtet um 1470 durch Hans Spryß, beteiligt. Denn ein Wappenschlußstein am Gewölbe des Untergeschosses zeigte vor der Zerstörung des Bauwerks 1945 das Wappen der Wels5.

Die Grabplatte war ursprünglich offenbar einer anderen Person mit dem Turm-Wappen gewidmet gewesen; sie ist dann für Balthasar Wels umgearbeitet und neu beschriftet worden. Die halbe rechte Längsleiste und die Fußleiste wurden nicht beschriftet. Die Ritzzeichnung des oberen Wappens entspricht der Wappenform der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Das untere Wappen, das Wappen der Wels, ist im Umriß völlig anders gestaltet. Die Minuskelschrift verwendet kunstvolle, mehrfach gebrochene Versalien beim Anfangs-A und bei den C der Jahreszahl wie vorher schon auf den Grabplatten für die Stiftsherren Suser und Goeslin6. Die Worttrenner waren paragraphzeichenförmig und sind heute abgerieben.

Textkritischer Apparat

  1. Die schon bei Pflüger falsche Lesung 1476 wurde von KdmBadenIX/6 und von Trost übernommen und wird hiermit korrigiert.

Anmerkungen

  1. Drei Türme, 2:1 gestellt.
  2. Pflüger 1862, 87, 188.
  3. An Stelle des Kaufhauses wurde 1557 ein neues Rathaus erbaut; vgl. KdmBadenIX/6, 367.
  4. Dies geht aus einer Urkunde hervor, in der Hans Spryß durch Markgraf Christoph I. und seinen Bruder 1475 nach dem Tod des Markgrafen Karl I. als Werkmeister weiter in Dienst genommen wurde; vgl. KdmBadenIX/6, 81. Zu Hans Spryß vgl. Einl. XLVIII.
  5. KdmBadenIX/6, 130.
  6. Vgl. nrr. 63, 64.

Nachweise

  1. Pflüger 1862, 87, 188.
  2. KdmBadenIX/6, 146 nr. 11.
  3. Trost, Schloßkirche 1962, 20, 69 nr. 34.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 65 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0006500.