Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 20† Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1371 (1341?)

Beschreibung

Sterbe-Inschrift der Luitgard Göldlin (Gölndener), Ehefrau des Heinrich Schultheiß. Ehemals im nördlichen Nebenchor in drei Zeilen auf die Wand aufgemalt; wohl mehrfach erneuert, Zeitpunkt der Zerstörung unklar. Ursprünglich befand sich in unmittelbarer Nähe von dieser Inschrift eine zweite Inschrift, die in leoninischen Hexametern abgefaßt war und ebenfalls aufgemalt gewesen sein soll. Da entgegen der bisherigen Forschungsmeinung nun geklärt ist, daß beide Inschriften nicht zusammengehörig waren, wird die gereimte Inschrift in einer eigenen Katalog-Nummer vorgestellt1.

Wortlaut nach KdmBadenIX/6; das Datum berichtigt nach Pflüger 1862.

Schriftart(en): Vermutlich Gotische Minuskel.

  1. Anno domini 1371a) feria sexta post d(omi)nicam laetareb) obiit / luitgardis dicta Gölndenerin uxor heinrici Stultetic), amen . / Pfortzheim Requiescat in pace.

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1371 am Freitag nach dem Sonntag Laetare (21. März) starb Luitgard genannt Göldenerin, Ehefrau des Heinrich Schultheiß, amen. (In) Pforzheim. Sie ruhe in Frieden.

Kommentar

Die Jahreszahl wurde von Gehres in arabischen Ziffern wiedergegeben; dadurch ist offenbar, daß dieser die Inschrift vermutlich nicht im originalen Zustand überliefert hat. Denn im Jahr 1371 sind arabische Ziffern anstelle der römischen Schreibung einer Jahreszahl in unserer Region noch nicht denkbar2. Auffallend ist auch die Wiedergabe der Inschrift in Minuskel-Buchstaben in der Kopialüberlieferung. Weiter besteht Unklarheit über den ehemaligen Standort, über Träger und Funktion der Inschrift und über ihre Anbringung. Bürcklin überlieferte 1735 als Standort für das Epitaph die Wand „in einer Capelle, lincker Hand deß Altars, oben an der Wand“; die Vers-Inschrift „gerade oben darüber“; diese Angaben sprechen für den nördlichen Nebenchor als Standort. Nach Weygold befand sich die gereimte Inschrift „unterhalb“ der Epitaph-Inschrift von 1371. Weygold war es auch, der als einziger das Vorhandensein eines Wappenschildes mit einem schwarz auf Goldgrund gemalten Zeichen im Schild durch eine Zeichnung überlieferte, das sich „dorbey unten“ befunden haben soll3. Die von den älteren Autoren behauptete Verbindung der vorliegenden Epitaph-Inschrift mit der lateinischen Versinschrift ist widerlegt durch dieses Wappen unter der Versinschrift; denn es ist das Wappen des Vikars Jacobus Schüm genannt Abenturer († 1519), dessen Grabplatte erhalten ist und die zusammen mit der Versinschrift hier behandelt wird4. Damit ist unzweifelhaft geklärt, daß es sich hier um zwei unterschiedliche Inschriften aus unterschiedlichen Epochen handelt.

Luitgard (Liucke) war die Tochter des Werner I. Göldlin und seiner Gemahlin Judel5. Sie heiratete den Heinrich (Heinz) Schultheiß, wobei offen ist, ob Scultetus hier in der Inschrift das Schultheißenamt oder einen Familiennamen bezeichnet. Luitgard und Heinz ließen die Stiftung I zum Seelenheil von Luitgards Eltern, die zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben waren, am 16. Oktober 1350 neu ausfertigen6. Damit ist erwiesen, daß Luitgard 1350 am Leben war, und daß die vorliegende Inschrift ihr Todesjahr mit 1371 – und nicht mit 13417 – vermutlich korrekt angibt. Heinrich Schultheiß ist zwischen 1342 und 1371 urkundlich nachweisbar; zwischen 1359 und 1361 nahm Heinrich als Erbe den Familiennamen Göldlin von seiner Frau bzw. von seinem Schwiegervater Werner I. Göldlin an, weil vermutlich kein männlicher Erbe von Werner I. vorhanden war8. Heinz Göldlin bzw. Schultheiß besaß ein Haus in Pforzheim am Markt9. Er wurde am 17. Oktober 1371 als Pfleger des Franziskanerklosters zuletzt erwähnt, überlebte also seine Frau10.

Auch Heinrichs Sohn Werner II. Göldlin und seine Frau Elisabeth11 sind durch Meßstiftungen hervorgetreten. Die Göldlinstiftung II einer ewigen Messe und Pfründe, wiederum am St. Thomas- und Andreas-Altar der Pforzheimer Kirche St. Michael, erfolgte 1381 und hängt vielleicht mit dem Tod von Luitgard und Heinrich zusammen12. Jedenfalls ist zu vermuten, daß Luitgard vor dem St. Thomas- und Andreas-Altar bestattet wurde und dort für sie das vorliegende Epitaph angebracht wurde, womit auch der Standort dieses Altars fixiert ist.

Werner II. Göldlin (gestorben vor dem 23. Dezember 1384) und sein Sohn Heinrich, beide Pfleger des Pforzheimer Franziskanerklosters, stifteten 1384 die Göldlin-Stiftung III. Diese Stiftung stand wohl in Zusammenhang mit Werners II. Tod; es war eine tägliche Messe auf den St. Franziskus-Altar der Klosterkirche13. Die Nachkommen verließen Pforzheim und wurden zunächst in Speyer, dann in Heilbronn und schließlich in Zürich ansässig. Sie führten den Namen und das Wappen der Göldlin weiter und nahmen schließlich seit 1578 in Luzern den Adelstitel der Göldlin von Tiefenau an14.

Textkritischer Apparat

  1. 1341 KdmBadenIX/6.
  2. letare Gehres; Pflüger.
  3. So für Sculteti.

Anmerkungen

  1. Vgl. nr. 110.
  2. Zum Aufkommen und zur Form der arabischen Ziffern vgl. zuletzt: Deutsche Inschriften – Terminologie der Schriftbeschreibung 1999, 84–93.
  3. Lacroix gab auf S. 155 den „nördlichen Diagonalchor“, auf S. 67 aber den „südlichen Diagonalchor“ an. Becht übernahm die Standortangabe „nördlicher“ Diagonalchor und sprach von einem „Grabstein“; vgl. Becht, in: Pforzheim im Mittelalter 1983, 49.
  4. Vgl. nrr. 102, 110.
  5. Seine Grabplatte ist erhalten; vgl nr. 19.
  6. Vgl. das bei nr. 19 Gesagte. Literaturangaben wie nr. 19 Anm. 1.
  7. Diese Angabe in KdmBadenIX/6, 67 und 155 ist falsch.
  8. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 60 nr. 103, 61 nr. 106, 68 nr. 123, 71 nr. 130, 76 nr. 141 (Schultheiß); 77 nr. 144, (Schultheiß gen. Göldlin); 83 nr. 160 (Heinz Goldelin).
  9. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 92 nr. 182.
  10. Ebd. 86 nr. 167.
  11. Sie soll eine Tochter des kurpfälzischen Hofmeisters Johann II. Kämmerer von Worms gen. von Dalberg († 1415) gewesen sein; so Arnold, Die Göldlinschen Pfründestiftungen 1935, 247. Zu den Grabmälern dieses Johann von Dalberg und seiner Familie in Oppenheim vgl. DI 23 (Oppenheim) nr. 54 u. ö. – Bei Carl wird Elisabeth als eine geborene Billung bezeichnet; vgl. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 97 nr. 194 Anm. 1.
  12. Ebd., 91f. nrr. 181, 182; Arnold, Die Göldlinschen Pfründenstiftungen 1935, 246, 250.
  13. Carl, Regesten Pforzheim 1998, 97 nr. 194; Arnold (wie Anm. 12) 246f.
  14. Grabdenkmäler weiterer Glieder dieser Familie haben sich erhalten. Im Konstanzer Münster befindet sich ein Epitaph des Roland Göldlin, Stiftsherr in Zürich und Konstanz und Propst in Lindau († 1528); in der Lichtenfels-Kapelle des Freiburger Münsters ließ sich der Basler Domkustos Renward Göldlin († 8. Januar 1600) ein großes Epitaph errichten; Arnold (wie Anm. 12) 1935, 248, 250; Photos im Photoarchiv der Heidelberger Inschriftenkommission.

Nachweise

  1. Karlsruhe, GLA 171/1514, Bürcklin, Diözesanbeschreibung 1737, p. 16.
  2. Karlsruhe, GLA 47/39, Weygold, Epitaphia 1747, fol. 10a, 10b.
  3. Gehres, Pforzheim 1811, 30.
  4. Karlsruhe, GLA HFK 510, Herr, Collectanea Pforzheim 1830, fol. 48v, nr. 33.
  5. Pflüger 1862, 103 Anm. 4.
  6. Arnold, Die Göldlinschen Pfründestiftungen 1935, 244–261; hier 245.
  7. KdmBadenIX/6, 67, 155.
  8. Becht, Pforzheim im Mittelalter 1983, 48–53; bes. 49.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 20† (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0002001.