Die Inschriften des Altkreises Osterode

4. Die Inschriftenproduktion – zeitliche und räumliche Schwerpunkte

Die Inschriftenproduktion setzt im Untersuchungsgebiet im 13. Jahrhundert ein. Immerhin sieben der acht inschriftentragenden Objekte aus diesem Jahrhundert sind erhalten, nur eine Inschrift ist kopial überliefert. Nur die kopial überlieferte Inschrift ist datiert, alle übrigen wurden nach schriftgeschichtlichen und sonstigen historischen Kriterien zeitlich eingeordnet. Die früheste Inschrift des [Druckseite 21] Bestandes findet sich auf einer Glocke in Tettenborn, die in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden sein dürfte. Fünf der Inschriften stammen aus dem Kloster Walkenried; vier der dort erhaltenen Inschriftenträger sind Grabplatten oder Fragmente davon. Zu den bedeutenden frühen Inschriften zählen die Reste des Chorgestühls aus Pöhlde (Nr. 4).

Von den ebenfalls acht Inschriften aus dem 14. Jahrhundert ist nur die Hälfte erhalten; dazu zählt auch die älteste datierte Inschrift aus dem Jahr 1336 auf einer Glocke in Gittelde (Nr. 10). Die Inschriften finden oder fanden sich auf fünf Glocken, zwei Grabplatten und einem Kelch. Die in vier Katalognummern (Nr. 18, 19, 20, 21) zusammengefassten Inschriften, die zur Grablege der Familie von Werthern in Walkenried gehörten, werden in das halbe Jahrhundert zwischen 1376 und 1425 gesetzt; mit Ausnahme kleiner Reste (Nr. 19) sind sie nur kopial überliefert. Ganz in das 15. Jahrhundert fallen 13 Inschriften, von denen sieben datiert sind (zuerst Nr. 23). Drei der Inschriften wurden auf Glocken angebracht (Nr. 23, 27, 29), vier auf Kelchen (Nr. 24, 30, 32, 33).

Im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts sind zwölf Inschriften entstanden, von denen elf erhalten sind. Sieben sind datiert und fallen in die Jahre 1502 bis 1519. Ein Retabel lässt sich durch äußere Quellen auf die Jahre nach 1513 bestimmen (Nr. 39), drei weitere sind durch kunsthistorische und schriftgeschichtliche Kriterien in das erste Viertel des 16. Jahrhunderts zu datieren (Nr. 43, 44, 45). Neben jeweils zwei datierte Glocken (Nr. 37, 38) und Kelche (Nr. 40, 41) treten drei Kelche, die in zeitlicher Nähe zu diesen entstanden sein dürften (Nr. 42, 47, 48). Insgesamt vier Inschriften überbrücken die Jahrhundertgrenze vom 15. zum 16. Jahrhundert.

Nach den nur näherungsweise auf die Jahre bis 1525/33 datierten Inschriften tritt eine Lücke ein, die – ähnlich wie in anderen südniedersächsischen Beständen57) – bis in die Mitte der 1540er Jahre reicht. Die Unsicherheiten der Reformationszeit dürften dazu geführt haben, dass inschriftlich dokumentierte Bauten und Stiftungen in diesem Zeitraum ausblieben.

Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts nimmt die Inschriftenproduktion zu, was vermutlich durch eine zunehmende Stabilisierung der religiösen Verhältnisse befördert wurde: Fünf Inschriften entstanden in der zweiten Hälfte der 1540er Jahre, sechs in den 1550er Jahren und zwölf in dem darauffolgenden Jahrzehnt; 14 von diesen 23 sind nur kopial überliefert. Nach einem wohl Zufällen geschuldeten Einbruch in den 1570er Jahren mit nur vier Inschriften folgen 22 in den 1580ern; der Höhepunkt wird im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts mit 30 Inschriften erreicht. Die Verteilung der insgesamt 83 Nummern der zweiten Jahrhunderthälfte auf einzelne Jahre ist eher zufällig. So stehen in den letzten beiden Jahrzehnten sieben Inschriftenträgern im Jahr 1595 (und jeweils vier in den Jahren 1580 und 1588) Jahre mit nur einer Inschrift (1599) und solche ohne erhaltene oder überlieferte Inschriften gegenüber: 1581, 1587 und 1592.

Der Höhepunkt der Inschriftenproduktion fällt eindeutig in die beiden Jahrzehnte vor und nach 1600. Von den insgesamt 89 Inschriftenträgern der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammen 20 aus dem ersten und 15 aus dem zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts. 1607 und 1608 sind besonders produktive Jahre mit jeweils fünf bzw. sechs Inschriften. Direkt daneben gibt es allerdings Jahre, die leer bleiben (1605 und 1606, auch 1614 und 1615). 1620 weist vier, 1624 noch drei Nummern auf. Insgesamt sind aus dem dritten Jahrzehnt nur sieben Katalognummern zu verzeichnen; zwei werden in das erste Viertel des 17. Jahrhunderts gesetzt.

Nach einer Lücke in den Jahren 1626 bis 1629 setzt die Inschriftenproduktion ab 1630 wieder ein. Der Abfall dürfte den ab 1623/25 in der Region wirksam werdenden Kriegswirren (vgl. Kap. 2.3) geschuldet sein. Nach einer – verlorenen – Inschrift aus dem Jahr 1630 in Tettenborn (Nr. 176), die auf die Folgen des Krieges Bezug nahm, steigert sich ab 1633 die Inschriftenproduktion. In den 1630er Jahren sind es insgesamt 13, in den 1640er Jahren sogar 23 Katalognummern. Das fünfte Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts gehört damit zusammen mit dem letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts zu den inschriftenreichsten des Bestandes. Insgesamt kommt der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts etwa die gleiche Zahl an Inschriften zu (82) wie der zweiten Hälfte des 16. (83, gerechnet [Druckseite 22] ab 1545); hinzu kommen fünf Nummern, die wahrscheinlich aus den beiden mittleren Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts stammen sowie zwei, die sich nur einem noch weiteren Zeitraum zuordnen lassen. Nimmt man die Inschriftenträger in den Blick, belegen die Jahre ab 1633/35 eine Zunahme der Renovierungen von Kirchen (St. Aegidien in Osterode wird sogar erweitert), der Neustiftung von Kirchenausstattungen und Vasa sacra sowie von Hausbauten, dokumentiert nicht zuletzt durch Wetterfahnen (Nr. 183, 186, 193, 194, 210).

Die zeitlichen Schwerpunkte der Inschriftenproduktion in dem Zeitraum von 1545 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts entsprechen weitgehend der im Nachbarlandkreis Northeim beobachteten Verteilung.58)

Der mit Abstand bedeutendste Inschriftenstandort im Altkreis Osterode ist das Kloster Walkenried mit 63 von 221 Nummern. Im 13. Jahrhundert sind es sechs von acht Inschriften, im 14. und 15. Jahrhundert immerhin noch acht von 25. Vor allem Grabdenkmale – die der Grafen von Honstein sowie diejenigen für evangelische Konventualen und ihre Angehörigen –, aber auch die Ausstattung der 1557 eingerichteten Schule und der 1570 verlegten Kirche sorgen zwischen 1549 und 1612 für eine dichte Abfolge von 39 Inschriften in Walkenried.

Die Zahl der Inschriften aus der Stadt Osterode ist mit 68 insgesamt noch etwas höher. Sie verteilt sich aber vor allem auf vier Kirchen: St. Aegidien (26), St. Jacobi (9) und St. Marien (5). Aus der abgebrochenen Kirche St. Johannis liegen nur ein Objekt im Nachfolgebau vor sowie fünf kopial überlieferte; zwei Objekte (Nr. 95, 157) sind nach St. Aegidien versetzt worden. Von besonderer Bedeutung in St. Aegidien sind sieben Grabplatten und ein Epitaph (Nr. 72) für die letzten Herzöge von Grubenhagen aus den Jahren 1567 bis 1596. Hinzu kommt das Epitaph eines bürgerlichen Gelehrten und Rates (Nr. 171), das stilistisch neben das Epitaph eines Eisenfaktors (Nr. 156) zu setzen ist. Das bedeutendste Stück aus St. Jacobi, die Außenseiten der Flügel des Retabels aus dem frühen 15. Jahrhundert, finden sich heute im Landesmuseum in Braunschweig (Nr. 22). In St. Jacobi kommen ansonsten vor allem Funde von Sargbruchstücken aus einer Grabung in den 1950er Jahren hinzu. In St. Marien sind neben dem Kastrop-Retabel (Nr. 39) drei schriftgeschichtlich interessante Grabplatten (Nr. 168, 179, 187) hervorzuheben. Im Osteroder Museum finden sich sechs inschriftentragende Objekte aus der Stadt.

Aus weiteren 19 Ortschaften des früheren Kreisgebietes liegen Inschriften vor. Die höchsten Zahlen weisen im Nordwesten Gittelde und Bad Grund mit jeweils acht Nummern auf, danach folgen Tettenborn mit sieben sowie Bad Sachsa, Pöhlde und Uehrde mit jeweils fünf. Am häufigsten sind auf den Dörfern Glocken und Kelche zu finden, aber auch Grabdenkmale und immerhin vier spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Retabel.

In Museen sind (außer in Osterode) gegenwärtig vier bedeutende, teilweise bereits erwähnte Objekte zu finden: Im Landesmuseum in Hannover Teile des Chorgestühls (Nr. 4) und Reste einer Deesisgruppe (Nr. 49) aus Pöhlde, im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig zwei Gemälde von der Außenseite des Altarretabels aus St. Jacobi in Osterode (Nr. 22) sowie ein in Osterode angefertigter Huldigungspokal (Nr. 209); ein Objekt aus Walkenried (Nr. 46) ist dort seit längerem nicht mehr auffindbar.

Die überwiegende Zahl aller Inschriftenträger (etwa 88 Prozent) gehörten zur Ausstattung von Kirchen, Kapellen und Klöstern; dazu zählt auch die große Zahl der Grabdenkmale. Diese Objekte sind in der Regel noch am Ort, nur selten aber am ursprünglichen Aufstellungs- bzw. Anbringungsort zu finden. Der nur etwa zwölf Prozent umfassende Rest des Gesamtbestandes verteilt sich auf Hausinschriften (15), eine Bauinschrift am Osteroder Rathaus (Nr. 54) sowie auf Einzelobjekte (vgl. Kap. 6). Die herzoglichen Schlösser in Herzberg (Nr. 159; vgl. auch Nr. 114) und Osterode (Nr. 60), spielen als Inschriftenstandorte im Zeitraum bis 1650 nur eine unbedeutende Rolle.

Zitationshinweis:

DI 105, Altkreis Osterode, Einleitung, 4. Die Inschriftenproduktion – zeitliche und räumliche Schwerpunkte (Jörg H. Lampe), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021e003.

  1. Vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen): die zeitliche Lücke zwischen Nr. 141 (1529?) und Nr. 143 (1540). DI 83 (Lkr. Holzminden), S. 15; DI 96 (Lkr. Northeim), S. 26»
  2. Vgl. DI 96 (Lkr. Northeim), S. 26»