Die Inschriften des Altkreises Osterode

2. Der Altkreis Osterode – territoriale Gestalt und historische Voraussetzungen der Inschriftenproduktion

2.1. Die Entwicklung des Kreisgebietes

Der frühere Landkreis Osterode wurde am 1. November 2016 mit dem Landkreis Göttingen zusammengelegt, zu dem es bereits seit 2006 eine Edition der Inschriften gibt (DI 66). Der jetzige Altkreis, der sich von Gittelde im Nordwesten bis Walkenried im Südosten entlang des Harzes erstreckt, besteht in seinem gegenwärtigen Umfang seit 1977. Bei der von 1972 bis 1977 durchgeführten Kreisreform hatte der seit 1885 bestehende Kreis Osterode im Nordwesten die Orte um Gittelde vom früher braunschweigischen Landkreis Gandersheim sowie die Bergstadt Bad Grund vom Landkreis Zellerfeld übernommen. Im Südosten kamen mit Walkenried, Wieda und Zorge die südlichen Teile des früher braunschweigischen Restkreises Blankenburg zu Osterode. Im Westen verlor der Kreis 1974 in etwa die alten Gebiete des bis 1859 existierenden Amtes Westerhof (heute Gemeinde Kalefeld) an den Landkreis Northeim sowie die Ortschaft Wollershausen an den Landkreis Göttingen. Dafür kamen östlich von Osterode einige in Harztälern liegende Orte zum Kreisgebiet, darunter Sieber.2) Bereits 1945 waren dem Kreis die Ortschaften Bad Sachsa und Tettenborn, die zum Landkreis Grafschaft Hohnstein in der preußischen Provinz Sachsen gehört hatten, angeschlossen worden, weil sie aus verkehrstechnischen Gründen westlich der Demarkationslinie der sowjetischen Besatzungszone blieben.

Das Kerngebiet des Altkreises, bestehend aus den früheren Ämtern Osterode, Herzberg und Scharzfeld, bildete zusammen mit den angrenzenden Gebieten um Katlenburg (Lkr. Northeim) den östlichen Besitzschwerpunkt des welfischen Teilfürstentums Grubenhagen, das seit dem Ende des 13. Jahrhunderts entstanden war. Eine weiter westlich gelegene Besitzkonzentration bestand um die Stadt Einbeck sowie die Burgen Grubenhagen und Salzderhelden.3)

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Die Territorial- und Regentengeschichte des kleinen Teilfürstentums4) – das erst zum Ende seiner Existenz (1567/78) als „Grubenhagen“ bezeichnet wurde5) – muss hier nicht verfolgt werden. Wichtig ist, dass die Herzöge bis 1566/67 allein den alten Titel „Herzog zu Braunschweig“ mit dem einfachen Wappen (zwei Löwen) verwendeten; erst mit der Aufnahme in die Gesamtbelehnung des Welfenhauses 1566 bzw. 1570 begannen sie, ab 1568 den Titel „zu Braunschweig und Lüneburg“ und das erweiterte Wappen der anderen Linien zu führen.6) Von den Haupt- und Nebenresidenzen des Fürstentums Grubenhagen liegen Herzberg und Osterode (ab 1561) im Gebiet des Altkreises, in dem Osterode die einzige Stadt mit alter, auf das Hochmittelalter zurückgehender Tradition war.7) Die Osteroder Stadtkirche St. Aegidien wurde seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Grablege der letzten drei Herzöge, ihrer Frauen und ihres Vaters.

Einen eigenen, sich in der Inschriftenproduktion allerdings nicht niederschlagenden Herrschaftsbezirk bildete zeitweise die Grafschaft (Scharzfeld-)Lauterberg, die 1593 mit dem Aussterben der Grafen von Honstein als erledigtes Lehen an die Grubenhagener Herzöge zurückfiel.8)

Das Kloster Walkenried, im 16. Jahrhundert mit anerkannter Reichsstandschaft, geriet mit seinem sich in die nördlich angrenzenden Harztäler erstreckenden Territorium im Zuge der Reformation immer enger in den Einflussbereich der Honsteiner Grafen, die dort als Inhaber der Untervogtei bereits seit dem 14. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielten. 1578 ließen sie sich von dem geschrumpften Restkonvent zu Administratoren ernennen.9) Das Kloster war Grablege der Grafen. Ihre Nachfolge traten die regierenden Fürsten aus der Wolfenbütteler Linie der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg an, wodurch das Stift Bestandteil der welfischen Territorialgeschichte wurde. Herzog Heinrich Julius von Wolfenbüttel legte 1593 auch Hand auf den Rest der Grafschaft Honstein mit den Herrschaften Lohra und Klettenberg; zu letzterer gehörten (Bad) Sachsa und Tettenborn. Während die Herzöge die Auseinandersetzung mit den Grafen von Stolberg und Schwarzburg, die aufgrund einer Erbverbrüderung aus dem 15. Jahrhundert ebenfalls Ansprüche auf das Honsteiner Erbe anmeldeten, erfolgreich bestehen konnten, ging die Grafschaft im Zuge des Dreißigjährigen Krieges seit 1632 in wechselnde Hände über, um schließlich 1699 preußisch zu werden.10)

Als nur drei Jahre nach den Honsteiner Grafen 1596 die Linie der Herzöge von Grubenhagen ausstarb, griff Herzog Heinrich Julius zu und sicherte sich den Besitz ihres Territoriums, der ihm allerdings durch die Celler Linie des Welfenhauses streitig gemacht wurde. Nach langwierigen Auseinandersetzungen und mehreren Entscheidungen des Reichshofrates in Prag musste die Wolfenbütteler Linie schließlich nachgeben und Grubenhagen 1617 dem Celler Herzog Christian überlassen (vgl. Nr. 167).11) Auf Christian (reg. 1617–1633) folgten seine Brüder August (reg. 1633–1636) und Friedrich (reg. 1636–1648),12) die die Nutzung des Schlosses und Amtes Herzberg ihrem jüngeren Bruder Georg (1582–1641) überließen,13) der absprachegemäß als einziger von sieben Brüdern heiratete. Nach seiner Hochzeit 1617 residierte er zusammen mit seiner Frau Anna Eleonore von Hessen-Darmstadt [Druckseite 13] zeitweise in Herzberg (vgl. Nr. 159), wo auch ihre zwei jung verstorbenen Kinder (vgl. Nr. 160, 161, 177) beigesetzt wurden. Das Grubenhagener Territorium fiel 1649 an Georgs ältesten Sohn Christian Ludwig (1622–1665), der im Zuge der Nachfolgeregelung für die 1634 ausgestorbene Wolfenbütteler Linie bereits Administrator von Walkenried geworden war.14) Während Grubenhagen beim nächsten Herrscherwechsel 1665 mit Calenberg verbunden wurde15) und damit später Teil des Königreichs Hannover bzw. der gleichnamigen preußischen Provinz wurde, wechselte Walkenried wieder nach Wolfenbüttel und blieb demzufolge bis 1946 Teil des Herzogtums Braunschweig und bis heute, wie Gittelde, Teil der braunschweigischen Landeskirche. Die grubenhagenschen Harzgebiete mit Clausthal und (seit 1593) Andreasberg waren nach 1635 gemeinsamer Besitz aller welfischen Linien (sog. Communion-Harz) und bildeten seit dessen Aufteilung im Königreich Hannover eine eigene Verwaltungseinheit, von der nur wenige Ortschaften wie z. B. Sieber zum Kreis Osterode kamen. Der Rest gehört seit 1972/77 zum Kreis Goslar.

2.2. Die Reformation

Die Reformation hielt im Fürstentum Grubenhagen und in den angrenzenden Gebieten des Altkreises schrittweise Einzug. Was mit Predigten in einem Dorf bei Einbeck bereits 1522 begonnen hatte, löste Konflikte in dieser Stadt aus, bei denen die beiden Stifte St. Alexandri und St. Marien den Widerstand gegen den der Reformation zugeneigten Teil der Einwohnerschaft anführten. Herzog Philipp d. Ä., der sich seit 1526 auf Reichsebene politisch zu der sich entwickelnden evangelischen Seite hielt, bemühte sich nur darum, entstehende Konflikte, wie in Einbeck, zu moderieren. Gleichzeitig suchte er Auseinandersetzungen mit seinen welfischen Vettern in Wolfenbüttel (wo der entschieden katholische Herzog Heinrich d. J. regierte) und Calenberg (mit dem kaisertreuen Herzog Erich d. Ä.) sowie mit seinem Bruder Erich (gest. 1532) zu vermeiden, der Bischof von Paderborn und Osnabrück war.16) 1529 wurde Einbeck reformiert, ab 1537/38 folgten die beiden Stifte in der Stadt; dass der Herzog als Patron 1530 im Stift St. Alexandri, der bedeutendsten geistlichen Institution im Fürstentum, seinen Sohn Ernst als Propst einsetzte (und 1549 dessen Bruder Wolfgang),17) hatte versorgungstechnische und machtpolitische Gründe. 1538/43 erließ Philipp d. Ä., der sich 1531 dem Schmalkaldischen Bund angeschlossen hatte, gemeinsam mit den Ständen eine Kirchenordnung.18) In Osterode, der zweiten Stadt des Fürstentums, wurden die in Einbeck gefundenen Lösungen nachvollzogen. Hier wirkte 1537 ein evangelischer Prediger an der Stadtkirche St. Aegidien; gleichzeitig sicherte sich der Rat das Patronat über die Stadtkirchen St. Aegidien und St. Johannis.19) Die Entwicklung in den Dörfern der Ämter Osterode und Herzberg folgte dem.20) Die Reformation der Klöster und ihre Übernahme in herzoglichen Besitz geschah im Verlauf mehrerer Jahre ab 1532. Während es in Katlenburg (Lkr. Northeim) in einer bis 1535 andauernden Übergangsphase zu Auseinandersetzungen zwischen einem lutherischen Pastor und einem katholischen Propst kam,21) wurde in Pöhlde die Neuwahl des (hier Propst genannten) Klostervorstehers, die Herzog Philipp d. Ä. 1530 untersagte, zum Anstoß der Veränderung. Die Mönche gaben das Kloster (1533?) auf und wichen in [Druckseite 14] dessen Stadthof nach Duderstadt aus, wo sie im März 1534 einen neuen Propst wählten.22) Vergleichsweise ruhig verlief, den spärlichen Nachrichten zufolge, die Entwicklung ab 1532 im Kloster St. Jacobi in Osterode, das ebenfalls in die Hände des Herzogs geriet.23)

In der Grafschaft Honstein wurde die Reformation nach dem Tod von Graf Ernst V. (vgl. Nr. 55) 1552 durch dessen Söhne eingeführt. In der Folge zogen sie das bereits 1546 reformierte Kloster Walkenried immer enger in ihre Territorialherrschaft hinein. 1556 fand im Kloster eine Predigerversammlung statt, in der die Formen des Gottesdienstes in der Grafschaft festgelegt wurden und beschlossen wurde, in dem Kloster eine Schule einzurichten, die von 1557 bis 1669 Bestand hatte.24)

2.3. Der Dreißigjährige Krieg

Von einschneidender Bedeutung auch für Südniedersachsen und seine Bevölkerung war die Verwicklung der welfischen Territorien in den Dreißigjährigen Krieg seit 1621. Hineingezogen in die Kriegsereignisse wurde der nordwestdeutsche Raum durch den jüngeren Bruder von Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (reg. 1614–1634), den zum Administrator des Bistums Halberstadt gewählten Herzog Christian (1599–1626), der seit 1621 als Heerführer in Diensten des Kurfürsten von der Pfalz und kurzzeitigen „Winterkönigs“ von Böhmen stand. Der nach dessen Niederlagen drohende Erfolg der kaiserlichen Seite ließ 1625 den dänischen König Christian IV. in den Konflikt eingreifen. Die folgende Phase, der dänisch-niedersächsische Krieg von 1625 bis 1629, zog Südniedersachsen besonders stark in Mitleidenschaft. Der Sieg Tillys am 27. August 1626 in Lutter am Barenberge festigte die kaiserliche Position in Nordwestdeutschland, was im Frieden von Lübeck im Jahr 1629 seinen Niederschlag fand.25)

Diese Lage rief wiederum den schwedischen König Gustav Adolf auf den Plan, der Schwedens Machtstellung an der Ostsee und den Protestantismus im Reich bedroht sah. Schwedens Eingreifen, der Sieg von Breitenfeld (1631) und die Schlacht von Lützen (November 1632), in der Gustav Adolf sein Leben verlor, führten zu einem Umschwung, der für den niedersächsischen Kreis durch den Sieg Herzog Georgs in der Schlacht von Hessisch-Oldendorf am 28. Juni 1633 wirksam wurde. Bis auf wenige feste Plätze wurden die besetzten Städte zurückerobert. Für einige Jahre gelang es Herzog Georg, der seit 1635/36 im Fürstentum Calenberg regierte und zugleich die gemeinsame welfische Armee befehligte, eine gewisse Stabilität in den Raum zu bringen. Sein Tod am 2. April 1641 und die anschließende Auflösung dieser Armee öffneten die Gebiete östlich der Weser trotz des 1642 mit dem Kaiser geschlossenen Friedens erneut Durchzügen.26)

Der südwestliche Harzrand mit dem östlichen Teil des Fürstentums Grubenhagen im Zentrum war von den Kriegsereignissen in wechselndem Ausmaß betroffen. Im Januar 1622 plünderte Herzog Christian Paderborn – womit er ein negatives Beispiel setzte –, ging später bei Höxter über die Weser und zog mit seiner Armee durch die Gegend um Katlenburg und das Eichsfeld in die Pfalz. Im Frühjahr 1623 standen sich der Herzog und Tilly im südlichen Niedersachsen gegenüber. Umherstreifende Einheiten plünderten Hattorf; dabei wurden die Kirche und die Schule im Ort abgebrannt. An einem Stadttor Osterodes kam es zu einem an sich belanglosen Vorfall mit Beleidigung eines Korporals, dessen fürstlicher Kommandeur daraufhin vom Rat mit einem goldenen Pokal, in dem sich 100 Gulden als „Einlage“ befanden, und einer größeren Weinlieferung beschwichtigt werden [Druckseite 15] musste. Nach dem Abzug Christians und seiner Verfolgung durch Tilly wurde 1624 zu einem relativ ruhigen Jahr für das südliche Niedersachsen.27)

Mit der Wahl König Christians IV. von Dänemark zum Kreisobersten Ende März 1625 wurde der niedersächsische Reichskreis tiefer in die Kriegsereignisse verwickelt. Aus Hessen kommend zog Tilly dem König nach Norden entgegen. Ende September 1625 rückte Wallenstein mit 30 000 Mann von Südosten bis Einbeck vor. Die grubenhagenschen Stände hatten im April 1623 eine Kriegssteuer bewilligt. Herzog Christian (d. Ä.) von Celle und Grubenhagen bemühte sich dennoch, neutral zu bleiben und seine Länder aus dem Krieg herauszuhalten. Der grubenhagensche Landdrost Bodo von Hodenberg (vgl. Nr. 210, 212) ersuchte Wallenstein um den Schutz des Fürstentums; die westlichen Ämter, heute im Landkreis Northeim, waren trotzdem schwer betroffen. An Tilly mussten Lebensmittel geliefert werden.28) Aus dem Kloster Walkenried flohen die Schüler mit dem Konrektor in den Stadthof nach Göttingen.29) Anfang 1626 wechselten Herzog Christian (d. Ä.) und sein Bruder Georg auf die kaiserliche Seite. Gleichzeitig wurde (Bad) Grund, das zum Herrschaftsgebiet des Wolfenbütteler Herzogs Friedrich Ulrich gehörte, der im Bündnis mit dem dänischen König stand, von einer spanischen Einheit vom 10. bis 12. Februar 1626 zerstört, später im Jahr auch Gittelde. Im März zog Tilly über Osterode nach Clausthal. Zwischen Juni 1626 und Juli 1627 eroberte er Münden, Göttingen und Northeim. Belagerungen blieben den grubenhagenschen Städten erspart. Zerstörungen von Dörfern und Flecken im Kleinkrieg zwischen umherstreifenden Soldatenhaufen und Einwohnern, aus deren Mitte sich die oftmals selber plündernden „Harzschützen“ bildeten, gab es aber dennoch. Bauern flohen in die Städte. In den übervölkerten Ortschaften brach die Pest aus. In Osterode wütete sie vom September 1625 bis Ende 1626; allein im September 1626 verzeichnete das Kirchenbuch von St. Aegidien über 250 Gestorbene. Ab Mitte 1627 herrschte im Süden Niedersachsens dann eine relative Ruhe. Ein in Einbeck stationiertes kaiserliches Regiment musste von Osterode aus verpflegt werden.30) Das bereits im März 1629 erlassene Restitutionsedikt wirkte sich im Altkreis Osterode vor allem für das Kloster Walkenried aus, das von katholischen Mönchen bis 1631 in Besitz genommen wurde. Nach deren Flucht raubten Harzschützen auch noch letzte Habseligkeiten.31)

Mit dem Eingreifen des schwedischen Königs Gustav Adolf im Juni 1630 begann eine langandauernde Phase, in der Osterode und die umgebenden Gebiete von Durchzügen, vor allem aber von der Erpressung von Kontributionen (Geldzahlungen) und Naturallieferungen betroffen waren. Im Juni und September 1631 zogen kaiserliche Einheiten durch, im Winter folgten Raubzüge von in Hessen einquartierten Soldaten. Nach dem schwedischen Sieg bei Breitenfeld im September 1631 wechselten Herzog Christian und sein Bruder Georg auf die schwedische Seite. In Einbeck und in Osterode hielt sich gegen Ende des Jahres der Oberst im schwedischen Dienst Georg Ernst von Wurmb auf, der 1644/45 grubenhagenscher Landdrost werden sollte.32) Da die Osteroder Bürgerschaft nicht gewillt war, die Stadt zu verteidigen, zog er sich im Dezember 1631 vor anrückenden kaiserlichen Einheiten nach Scharzfeld zurück. Die Stadt kaufte sich mit 10.000 Reichstalern von einer Besetzung frei. 1632 zogen kaiserliche Einheiten und Herzog Georg durch, der Duderstadt eroberte. Im Oktober erschien der kaiserliche Oberst Merode vor der Stadt und forderte unter Androhung einer Beschießung und Plünderung der Stadt 40.000 Taler. Der Rat und die Geistlichen wurden in der vor der Stadt gelegenen Kirche St. Johannis interniert. Nur ein Teil der Summe konnte von der Bürgerschaft gezahlt werden. Anschließend kam es zu Plünderungen; die Vorstädte wurden zerstört, zudem mussten Proviant, Pferde und Wagen geliefert werden. 1632 leistete Osterode insgesamt 22.000 Taler, blieb aber von wechselnden Eroberungen und Einquartierungen verschont, wie sie die Städte Northeim oder [Druckseite 16] Einbeck trafen, die an den Durchmarschrouten nach Norden gelegen waren. Infolge des schwedischen Siegs bei Lützen (6. November 1632) verlagerte sich 1633/34 das Kampfgeschehen in den mittleren Raum Niedersachsens. Nach der schwedischen Niederlage bei Nördlingen im September 1634 konnte der Kaiser im Reich den Frieden von Prag (20. Mai 1635) durchsetzen, dem auch die norddeutschen evangelischen Fürsten überwiegend beitraten.33)

Trotzdem gingen die Durchzüge und Anforderungen weiter. Anfang 1636 bot der Landdrost von Hodenberg 6.000 Taler für die Befreiung Osterodes von Besatzung, wenig später forderten schwedische Kommandeure 34.000 Taler. Diese Summe wurde nur teilweise bezahlt, weil die Schweden abziehen mussten. Im Februar 1637 wurde erneut Hattorf verwüstet. Im April 1637 musste Brot an kaiserliche Einheiten in Einbeck geliefert werden, im Herbst des Jahres gab es erneut schwedische Forderungen. Am 12. September erschienen schwedische Regimenter vor der Stadt. Einer der Kommandeure war Jobst Rudolf von Berckefeldt (Nr. 187), der selbst in und um Osterode Güter besaß. Er und sein Mitkommandeur forderten je 1.000 Taler vom Rat, für die 18 Rittmeister je 100. Die Stadt gab 2.200 Reichstaler, drei Fässer Wein, drei Wagen und zwölf Pferde. Der inzwischen amtierende Landdrost von Dannenberg, der Regierungsrat Johann Hund (Nr. 182 u. ö.) und der Ratsherr Jordan Friedrich (Nr. 189) wurden zur Sicherstellung weiterer Zahlungen als Geiseln mitgenommen und nach drei Tagen in Markoldendorf (bei Einbeck) freigelassen. Nachdem Herzog Georg erneut ein Bündnis mit den Schweden eingegangen war, beruhigte sich die Lage in Niedersachsen und auch in den südlichen Gebieten für die nächsten Jahre.34) Zwar mussten auch 1640 wieder Kontributionen geleistet werden und Dörfer Einquartierungen ertragen, aber die Ernten von 1639 und 1640 waren gut und ohne Kriegseinwirkungen eingebracht worden, so dass diese Lasten zu tragen waren. Außerdem wurden die Armeen in der Spätphase des Krieges tendenziell kleiner. Anfang 1641 floh die Bürgerschaft Osterodes vor Angriffen des bayrischen Obersten Georg Druckmüller (Truckmüller) zu großen Teilen in den Harz. Plünderungen begannen, da der Syndikus Heinrich Wendt (Nr. 189) erst leicht verspätet mit einem Schutzbrief der kaiserlichen Seite zurückkam. Die darauf eingerichtete Schutzgarde stand unter dem Kommando des aus Osterode stammenden Leutnants Jakob Klapprodt, der 1648 Oberförster in Osterode und Clausthal wurde (Nr. 189, 204). Im September 1641 wurde Lauterberg in Brand gesteckt. Im November 1641 und Februar 1642 kamen von kaiserlicher Seite Forderungen an Osterode, die nur teilweise erfüllt werden konnten; an schwedische Einheiten wurde Brot, Bier und Hafer geliefert. Dasselbe geschah im Oktober und Dezember 1642. Der von den welfischen Herzögen mit dem Kaiser Anfang 1642 geschlossene Friede führte erst nach der Räumung Wolfenbüttels und Einbecks im September 1643 zu einer Verminderung der Durchzüge. Aber noch 1644 wurde der Ort Pöhlde eingeäschert. Ein Bericht aus dem Jahr 1648 stellte den schlechten Zustand des ganzen Fürstentums Grubenhagen, insbesondere aber der Flecken Herzberg und Lauterberg dar.35)

Zitationshinweis:

DI 105, Altkreis Osterode, Einleitung, 2. Der Altkreis Osterode – territoriale Gestalt und historische Voraussetzungen der Inschriftenproduktion (Jörg H. Lampe), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021e003.

  1. Vgl. Karl Sandfuchs, Gebietsänderungen in den Nachbarkreisen, in: Northeimer Heimatblätter, N.F. 3, 1972, S. 109–112. »
  2. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 1, Anhang I, S. 485–492. Kirstin Casemir, Uwe Ohainski (Bearb.), Das Territorium der Wolfenbüttler Herzöge um 1616. Verzeichnis der Orte und geistlichen Einrichtungen der Fürstentümer Wolfenbüttel, Calenberg, Grubenhagen sowie der Grafschaften Hoya, Honstein, Regenstein-Blankenburg nach ihrer Verwaltungszugehörigkeit, Braunschweig 1996 (Beihefte zum Braunschweigischen Jahrbuch, Bd. 13), S. 71f. »
  3. Vgl. insg. immer noch Max, Grubenhagen, Bd. 1 u. 2. Zimmermann, Haus Braunschweig-Grubenhagen, passim. Pischke, Fürstentum Grubenhagen, passim. »
  4. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 9. Pischke, Fürstentum Grubenhagen, S. 161. »
  5. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 7–11 u. 209–211. Pischke, Fürstentum Grubenhagen, S. 162f. Pfannkuche, Patrimonium, S. 444–447. Rüggeberg, Die welfischen Wappen zwischen 1582 und 1640, S. 213. »
  6. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 54–71 (Stadt Osterode) u. 80–84 (Herzberg). Pischke, Osterode im Mittelalter, bes. S. 36ff. »
  7. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 86–109; zum Lehnsanfall 1593 ebd., S. 110–116. Das Dorf Scharzfeld (nicht die Burg, die später – und heute noch – zumeist „Scharzfels“ heißt) kam bereits 1541 an Herzog Philipp d. Ä. von Grubenhagen und war seitdem Teil des Amtes Herzberg; ebd., S. 107 mit S. 112; vgl. Casemir/Ohainski, Territorium (wie Anm. 3), S. 71. Pischke, Fürstentum Grubenhagen, S. 154. »
  8. Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 3, S. 1472–1476 (J. Dolle). Germania Benedictina, Bd. XII, S. 690–695 (C. Alphei). »
  9. Vgl. Lesser, Historie, bes. S. 20–27, 85–95. »
  10. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 395–411. Ein inschriftlicher Niederschlag des Besitzwechsels findet sich auch in Salzderhelden: DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 146»
  11. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 478–483. »
  12. Ebd., S. 84f. u. 413. »
  13. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 483. »
  14. Ebd., S. 483f. »
  15. Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 173–177. Vgl. auch Boehme, Reformation und Stadt, S. 165–168. Auch Bischof Erich ließ allerdings in seinen Herrschaftsgebieten die Entwicklungen weitgehend geschehen, sofern sie nicht die staatliche Ordnung gefährdeten; vgl. Wilhelm Kohl, Das Bistum Münster 7,3: Die Diözese, Berlin 2003 (Germania Sacra, N.F. 37,3), S. 546–552, hier S. 550f. »
  16. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 115; mit Urkunde Nr. 122 im Anhang. »
  17. Vgl. ebd., S. 180–187 u. 191f. Vgl. auch Boehme, Reformation und Stadt, S. 168f. »
  18. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 192–199. Vgl. auch Boehme, Reformation und Stadt, S. 169 u. 174f. Zur weiteren Kirchengeschichte Grubenhagens bis 1596 vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 216–225 u. 256–270, zu Osterode S. 237–245. »
  19. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 212–215. »
  20. Vgl. ebd., S. 149f., 188f. mit S. 436f. UB Katlenburg, S. 19f. u. 50. »
  21. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 167–169 u. 189f. Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 3, S. 1256 (W. Könighaus). »
  22. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 161–163 u. 190, mit Urkunden Nr. 123 u. 124 im Anhang. Müller, Kirchen und Klöster, S. 29f. u. 39–45. Germania Benedictina, Bd. XII, S. 558 (D. Poestges). UB Kloster Osterode, S. 15f. mit Nr. 291, 293 u. 294. »
  23. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 230–233. Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 3, S. 1473f. u. 1477 (J. Dolle). Germania Benedictina, Bd. XII, S. 692–695 (C. Alphei). Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, passim. »
  24. Geschichte Niedersachsens, Bd. 3,1, S. 121–125 (G. van den Heuvel). »
  25. Ebd., S. 126–130. »
  26. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 421–429. »
  27. Ebd., S. 430–434. »
  28. Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 31. »
  29. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 435–447. Vgl. die zeitgenössische Darstellung bei Wendt, Geschichte, S. 401–411. Zur Pest in Pöhlde im Jahr 1626 vgl. [Nolte], Kloster Pöhlde, S. 283. Zu (Bad) Grund vgl. auch Honemann, Alterthümer des Harzes, Thl. 3, 21828, §§ 129–132, S. 105–107. »
  30. Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 3, S. 1474 (J. Dolle). Germania Benedictina, Bd. XII, S. 696f. (C. Alphei). Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 31f. Reinboth, Die letzten Zisterzienser, passim. »
  31. Zu ihm vgl. DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 308»
  32. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 447–455. Vgl. Wendt, Geschichte, S. 412–421. »
  33. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 456–461. Wendt, Geschichte, S. 422–424 u. 341–343; Wendt berichtet von einer Äußerung des kaiserlichen Feldmarschalls Johann von Götzen (1599–1645), dass er gewisse Städte nicht übermäßig belasten wolle, um die Versorgung seiner Armee nicht zu gefährden; ebd., S. 342. »
  34. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 463–478. Zu Pöhlde vgl. [Nolte], Kloster Pöhlde, S. 284 (auch zu den Durchzügen 1632, 1634, 1637–1639 u. 1641). »