Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 26: Stadt Osnabrück (1988)
Nr. 117† St. Marienkirche 1566
Beschreibung
Grabplatte Christian Sleibings. Sie lag auf der Nordseite des Chorumgangs vor dem Chorgestühl1).
Inschrift nach Chronik 3.
Osnaburga suis, Hervordia, Hannovera sponteBremaque Rectorem me statuere scholisFormantema) studio studium iuvenile fideli,Emerita donec iam rude dignus eram.Jussit et Osnaburga suisque Hannovera templisSalvifici purum dogma sonare dei.Sic ego Christianus Slebingius exantlatumHicb) posui summam corpus ad usque tubam.At mens, quaec) didicit, docuitd) et credidit anteA facie ade) faciem cernit ubique deum.
Obyt Anno 1566, die 27. Octobris.
Nihil peritoCitius gratia De Welt de wil bedragen syn.
Übersetzung:
Osnabrück, Herford, Hannover und Bremen haben mich aus eigenem Antrieb zum Rektor für ihre Schulen bestellt, der ich mit treuem Eifer den jugendlichen Fleiß anleitete, bis ich den Ruhestand verdient hatte. Osnabrück und Hannover ließen mich in ihren Kirchen die reine Lehre des heilbringenden Gottes verkünden. So habe ich, Christian Sleibing, den erschöpften Körper hier bis zum Jüngsten Gericht niedergelegt. Aber die Seele, die vorher gelernt, gelehrt und geglaubt hat, erkennt nun Gott überall von Angesicht zu Angesicht.
Er starb im Jahr 1566, am 27. Oktober.
Dem Verständigen wird nichts schneller zuteil als Gnade.
Versmaß: Fünf Distichen.
Textkritischer Apparat
- Formantem] Firmantem ADB.
- Hic] gehört nach der Chronik 3 zur vorhergehenden Zeile, dies ist aus metrischen Gründen jedoch nicht zulässig.
- quae] quem Chronik 3.
- docuit] docuitque Chronik 3.
- ad] fehlt in ADB.
Anmerkungen
- Chronik 4, S. 160.
- Lebensdaten Sleibings: ADB 34, S. 452f.; Hoffmeyer, Chronik, S. 81, 87f.
- Matrikel Wittenberg, Bd. 1, S. 210a (März 1544).
- Vgl. dazu Hoffmeyer, Chronik, S. 89f.
Nachweise
- Chronik 3, S. 33.
- Chronik 4, S. 160 (nur die drei ersten Zeilen).
- ADB 34, S. 453 (nur die Distichen).
Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 117† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0011706.
Kommentar
Christian Sleibing gehört zu den ersten namentlich hervortretenden Anhängern Luthers in Osnabrück. Sein unbeirrtes Festhalten an der lutherischen Lehre hat sein Leben entscheidend geprägt2). 1535 bis 1537 war er Rektor an der Johannisschule, anschließend an der Domschule (vgl. Nr. 138). Im Wintersemester 1543/44 immatrikulierte er sich an der Universität Wittenberg, wo er den Magistertitel erwarb3), 1544 nahm er die Stelle eines Rektors in Hannover an und predigte gleichzeitig an der dortigen Aegidienkirche. Er wurde jedoch vom Osnabrücker Rat zurückgerufen, um die im Barfüßerkloster neu eingerichtete Schule zu leiten. 1548 mußte er dies Amt infolge des Augsburger Interims niederlegen und ging darauf nach Herford, wurde aber bereits vier Jahre später in Ermangelung guter katholischer Lehrkräfte vom Domkapitel aufgefordert, die Domschule erneut zu übernehmen. Sleibing leistete dem Ruf Folge, ging jedoch von sich aus 1555 nach Bremen, als der streng katholische Gisbert Budde (vgl. Nr. 138) das Amt des Scholasters übernahm. Bereits 1557 war er wieder Rektor der Osnabrücker Domschule. 1560 zog er sich in den Ruhestand zurück, ließ sich indessen bewegen, das Amt des Predigers an St. Katharinen zu übernehmen, das er aufgrund zu großer Belastung bald an Wilhelm Voß abgeben mußte. Sleibing scheint Voß dessen Beliebtheit bei den Osnabrücker Bürgern übelgenommen zu haben. Über seinen Schüler und Schwiegersohn Rudolph Hammacher (vgl. Nr. 166) erreichte er schließlich, daß Voß – des Calvinismus bezichtigt – die Stadt verlassen mußte4). Vorübergehend übernahm Sleibing schließlich auch noch das Amt des Superintendenten, gab es aus Ärger über den Rat der Stadt, der seine Ansichten über die Kirchenordnung nicht teilte, aber bald wieder auf.
Der bewegte Lebenslauf Sleibings stellt ihn als einen übervorsichtigen und leicht zu kränkenden Mann dar, der sich jedoch, was seine religiöse Überzeugung anlangte, zu keinerlei Kompromissen bereitfand. Der resignative niederdeutsche Spruch am Ende seiner Grabschrift scheint mit Bedacht gewählt.