Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 26: Stadt Osnabrück (1988)

Nr. 273 St. Marienkirche 1626/1636

Beschreibung

Epitaph des Ehepaars Johann Grotgese und Anna Grave. Sandstein. Das Epitaph hängt an einem Pfeiler im südlichen Teil des Chorumgangs. Die mittlere Zone ist dreigliedrig: Das Zentrum bildet eine rundbogige Nische mit einem Relief, das Christus vor Pilatus darstellt, in den Zwickeln des Rundbogens Engelsfiguren. Unterhalb der Nische auf dem Sockel ein ovales Schild mit der Inschrift (A). Gerahmt wird das Mittelfeld von zwei auf reich verzierten Sockeln stehenden Säulen. Daran schließen schmalere Seitenstücke mit je einer Nische an, darin links eine Marienfigur mit Kind, rechts Anna Selbdritt. Die Figuren sind durch Inschriften (B, C) auf plastisch hervortretenden kleinen Kartuschen unterhalb der Nischen bezeichnet. In der Sockelzone darunter auf zwei Schilden die Inschriften (D) und (E). Den seitlichen Abschluß bildet je eine Engelsfigur über einer Volute. Der Sockel in der Mittelzone ist nach unten durch ein Gesims mit durchlaufenden ornamentalen Bändern von der weit ausladenden Kartusche getrennt, darauf die Inschrift (F). Links und rechts von den in die Kartusche hineinragenden Sockeln der Säulenstellung zwei Medaillons mit Brustbildern der Evangelisten Lukas und Markus. Die obere Zone ruht auf einem hohen Gesims mit ornamentaler Verzierung, links und rechts auf Schilden die Brustbilder der Evangelisten Matthäus und Johannes. In der Mitte die Bekrönung mit dem Allianzwappen des Ehepaars, auf zwei Spruchbändern darunter die Namen (G). Alle Inschriften sind eingehauen und mit dunkler Farbe ausgemalt.

Maße: H.: 335 cm; B.: 190 cm; Bu.: 2,3 cm (A), 2,5 cm (B, C), 1,7 cm (D, E), 2 cm (F, Minuskeln), 2,3–2,5 cm (F, Majuskeln).

Schriftart(en): Humanistische Minuskel, Kapitalis.

Sabine Wehking [1/1]

  1. A

    ASPICE QVI TRANSIS / QVIA TV MIHI / CAVSA DOLORIS

  2. B

    SANCTA MARIA

  3. C

    SANCTA ANNA

  4. D

    〈Nob(ilis) ac / Cl(arus) Ioha=/nnes Grotges I(uris) U(triusque) / D(octor) (et) C(omes) Pal(atinus) Caes(aris) / nat(us) Monast(erio) / a(nn)o 1596 / d(ie) Iul(ii) / 23〉

  5. E

    〈Denat(us) / Osenb(ruga) A(NN)O / 1636 M(ense) Marti 18 / Mortale corp(us) ossib(us) / dilectae costae / iunxit / M: D: S: B:1)

  6. F

    Hic sita sum / ANNA GRAVIA / coniunx / IOANNIS GROTGESII I(VRIS) V(TRIVSQVE) D(OCTORIS) / cui in costulam data olympiade aetatis / meae quinta filioluma) enixa sum unicum / Anno matrimony 2dob) sed eheu: vix emensis / puerpery fatalibus in fata pie placide con=/cessi creatori animam (et) pulueri / puluereumc) quod fuit red=/didi XXI Octob(ris) / A(nn)o M. DC. XXVI

  7. G

    GROTGESGRAVE

Übersetzung:

Schau, der du vorübergehst, denn du bist die Ursache meines Schmerzes. (A)

Der edle und berühmte Johann Grotgese, Doktor beider Rechte und kaiserlicher Pfalzgraf, wurde in Münster am 23. Juli 1596 geboren. (D)

Er starb am 18. März 1636 in Osnabrück. Den sterblichen Leib hat er mit den Gebeinen der geliebten Frau vereint. (E)

Hier liege ich, Anna Grave, Gattin des Johann Grotgese, des Doktors beider Rechte, dem ich im Alter von 20 Jahren zur Frau gegeben wurde. Ich habe im 2. Jahr der Ehe ein einziges Söhnchen geboren, aber weh, als ich gerade die Fährnisse des Kindbetts überstanden hatte, habe ich fromm und sanft den Schöpfer die Seele im Tod übergeben und dem Staub zurückgegeben, was Staub war, am 21. Oktober 1626. (F)

Versmaß: Ein Hexameter (A).

Wappen:
Grotgese(Schere)
Grave(Vogel über zwei Rosen)

Kommentar

Bei dem Epitaph handelt es sich um eine Wiederholung des Grabdenkmals für den Domherrn Bernhard von Westerholt im Dom zu Münster. Dieses stammt wie das Osnabrücker Epitaph aus der Werkstatt des Münsteraner Bildhauers Gerhard Gröninger2). Im Gegensatz zu dem Westerholt-Epitaph ist das Grotgese/Grave-Epitaph nicht polychromiert.

Der aus Münster stammende Johann Grotgese immatrikulierte sich am 29. Oktober 1616 an der Universität Köln3). Dort erwarb er vermutlich den Titel eines Doktors beider Rechte. 1624 heiratete er Anna Grave, die Tochter des Osnabrücker Bürgermeisters Konrad Grave4). Über die Tätigkeit des Johann Grotgese ist nichts bekannt. Lodtmann5) bezeichnet ihn als Syndikus der Münsterschen Ritterschaft, dies dürfte aber auf eine Verwechselung mit Gotthard Grotgese (vgl. Nr. 263) zurückgehen, der vermutlich der Bruder Johanns war.

Textkritischer Apparat

  1. filiolum] filiosum Koch.
  2. 2do] 2āo mit Kürzungsstrich über dem a bei Koch.
  3. Sic!

Anmerkungen

  1. Die Auflösung bleibt unsicher. Zu denken ist an M(aritae) D(e) S(e) B(enemerentis).
  2. Koch, S. 71.
  3. Matrikel Köln, Bd. 4, S. 270.
  4. F. G. W. Lodtmann, Gen. Tab. 17.
  5. Ebd.

Nachweise

  1. Koch, S. 71 (nur F).

Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 273 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0027309.