Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 26: Stadt Osnabrück (1988)

Nr. 22† St. Marienkirche 14. Jh. (?)

Beschreibung

Sog. Burglocke. Sie schmolz beim Brand 1613 und wurde noch im selben Jahr durch eine neue Glocke ersetzt, die eine ähnliche Inschrift trug (vgl. Nr. 218).

Inschrift nach Siebern/Fink.

  1. Wann ick sla an einen bord,is dar upror, brand oder mord.Wann ick sla an beide banden,sind dar nye heren vorhanden.

Kommentar

Die Inschrift der Glocke wird an zahlreichen Stellen in so unterschiedlicher Orthographie wiedergegeben, daß eine Anführung sämtlicher Varianten zu großen Raum einnehmen würde, zumal weder Abweichungen im Wortmaterial noch grammatischer Art vorkommen. Die uneinheitliche Überlieferung scheint darauf hinzuweisen, daß es ursprünglich keine Aufzeichnung dieser Inschrift gab – eine solche läßt sich in den Stadtchroniken und in anderen Quellen nicht nachweisen –, sondern daß sie zunächst nur mündlich tradiert wurde.

Die Behauptung Rotherts1), die Glocke sei schon 1217 vorhanden gewesen, ist sicher falsch. Es ist unwahrscheinlich, daß eine Glocke Anfang des 13. Jahrhunderts eine gereimte niederdeutsche Inschrift getragen hat2). Auch die von Rothert angeführte Tatsache, daß ein Osnabrücker Bürger den Namen Burclocke trug3), kann nicht als Beweis angesehen werden. Die erste urkundliche Erwähnung stammt nicht, wie Rothert4) angibt, aus der Zeit um 1370, sondern aus dem Jahr 14335), es spricht jedoch nichts gegen die Annahme, daß die Glocke schon im 14. Jahrhundert gegossen wurde. Die Burglocke diente rein weltlichen Zwecken, die die Inschrift aufzählt, und betonte damit den Charakter der Marienkirche als Stadtkirche. Ihr Name leitet sich von der Burscap, d. h. von der Stadtgemeinde her, die durch die Glocke zusammengerufen wurde. Der letzte Teil der Inschrift bezieht sich darauf, daß sie Anfang und Ende einer Ratswahl verkündete6).

Anmerkungen

  1. Rothert, Geschichte, Bd. 1, S. 91, Anm. 74.
  2. Vgl. dazu Walter. Deutsche Glockeninschriften setzen erst Ende der 90er Jahre des 13. Jahrhunderts ein. Eine Ausnahme bildet eine bei Walter zitierte Glockeninschrift von 1212, die jedoch nur aus einer einfachen Formel besteht. Sie stammt aus Wilthen, Sachsen. Walter, S. 168.
  3. Rothert (wie Anm. 1).
  4. Ebd.
  5. OUB 2, Nr. 77, S. 57.
  6. Eine detaillierte Schilderung dieses Vorgangs gibt J. C. B. Stüve, David Heinrich Stüve, Jena 1827, S. 22f.

Nachweise

  1. Siebern/Fink, S. 119.
  2. Stüve (wie Anm. 6), S. 22.
  3. Hoffmeyer, St. Marien, S. 17.
  4. Ders., Chronik, S. 60.
  5. Rothert, Geschichte, Bd. 1, S. 91, Anm. 74.

Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 22† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0002202.