Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 26: Stadt Osnabrück (1988)

Nr. 2 Diözesanmuseum um 1000

Beschreibung

Liturgischer Kamm. Elfenbein. Der Kamm hat nach zwei Seiten hin Zinken, oben feine, unten grobe. Dazwischen in einem halbkreisförmigen Bogen auf der Vorderseite ein Relief. Der thronende Petrus, als solcher durch eine Inschrift (A) in der Bogenumrahmung zu beiden Seiten des Kopfes ausgewiesen, begleitet von zwei zu ihm gewandten Gestalten in bischöflicher Kleidung, die aus seinen Händen je ein Buch sowie einen darüber hinausragenden Gegenstand empfangen. Dieser wurde bisher als Stockkrücke1) oder als Schlüsselbart2) gedeutet. Es handelt sich dabei um kurze über den Büchern erscheinende Stäbe mit je einem Buchstaben (B), darüber links ein Kreuz, rechts ein Balken. Alle drei Figuren tragen Nimben. Auf der Rückseite in Ritztechnik ein entsprechender Bogen mit Blüten- und Blattmotiven in drei Kreisen.

Maße: H.: 21 cm; B.: 13,5 cm; Bu.: 0,4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Sabine Wehking [1/2]

  1. A

    + S(AN)C(TV)Sa) · PETRVS +

  2. B

    S R

Kommentar

Die Überlieferung schreibt den Kamm Karl dem Großen zu. Er weist aber keinerlei Merkmale karolingischer Kunst auf und wurde durch Goldschmidt3) einer Gruppe von Elfenbeinschnitzereien der Köln-Lütticher Schule um 1000 zugeordnet. Zur Auflösung der beiden Einzelbuchstaben sind sehr unterschiedliche Erklärungen angeboten worden. Schriever4), der in der linken Figur einen Abt als Repräsentant des Ordensstandes, in der rechten einen Bischof als Repräsentant des weltlichen Priestertums sehen will, ergänzt S(acerdotium) und R(eligio). Witte hatte dagegen zurecht darauf hingewiesen, daß beide Figuren eindeutig bischöfliche Kleidung tragen5). Er selbst bietet zwei Möglichkeiten an: einerseits S(acerdotium) und R(egnum) als die beiden bischöflichen Aufgabenbereiche6), andererseits hält er es für den einfachsten Weg, die Buchstaben als Namenssiglen für Petrus zu deuten. Er will diese These durch einen Hinweis darauf stützen, daß in vergleichbaren Petrusdarstellungen immer wieder die Einzelbuchstaben P, R und S vorkommen7). Während diese zweite Möglichkeit mehr als fragwürdig bleibt, zumal der Name Petrus in der Inschrift bereits gegeben ist, kann die erste wohl kaum widerlegt werden. Ebenso plausibel ist jedoch der Vorschlag Berlages8), daß hier durch S(olve) und R(etine) auf die Löse- und Bindegewalt Petri verwiesen werden soll, die durch ihn an die Bischöfe weitergegeben wird. Der Einwand Wittes9), diese Gewalten würden nicht nur auf Bischöfe, sondern auch auf Priester übertragen, kann als Gegenargument nicht überzeugen. Folgt man Goldschmidt10) darin, daß Petrus den beiden Bischöfen mit den Büchern zugleich Schlüssel überreicht, dann gewinnt die Erklärung Berlages an Wahrscheinlichkeit. Eine Entscheidung für die ‚richtige‘ Lösung ist indessen wohl nicht zu treffen.

Textkritischer Apparat

  1. Der Kürzungsstrich verläuft mitten durch das C.

Anmerkungen

  1. Witte, Domschatz, S. 12.
  2. Adolph Goldschmidt, Die Elfenbeinskulpturen aus der Zeit der karolingischen und sächsischen Kaiser, VIII.–XI. Jahrhundert, Berlin 1918, S. 26, Nr. 43.
  3. Ebd.
  4. Schriever, S. 37.
  5. Er macht dies in erster Linie an den Schuhen fest, da ein Abt keine pontifikale Beschuhung trug (Witte, Domschatz, S. 12).
  6. Ebd.
  7. Ebd.
  8. Berlage, Kirchliche Alterthümer, S. 312.
  9. Witte, Domschatz, S. 12.
  10. Goldschmidt (wie Anm. 2).

Nachweise

  1. Berlage, Kirchliche Alterthümer, S. 312.
  2. Lübke, S. 40.
  3. Schriever, S. 36f.
  4. Mithoff, S. 114f.
  5. Goldschmidt (wie Anm. 2), Abb. Taf. 14.
  6. Siebern/Fink, S. 50.
  7. Witte, Domschatz, S. 12, Abb. Taf. 1.
  8. Borchers, Domschatz, S. 31, Abb. 2 u. 3.

Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 2 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0000200.