Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 43 Michelstadt, Evangelische Stadtkirche 1468

Beschreibung

Grabplatte Ottos Schenk von Erbach. Die Platte aus rotem Sandstein steht heute innen am östlichen Wandpfeiler der nördlichen Arkadenreihe. Im eingetieften Mittelfeld ist der Verstorbene in zeittypischer Rüstung mit Schaller auf einem Löwen stehend dargestellt. Die rechte Hand liegt am Schwert, die Linke hält den Schild. In den oberen Ecken des Feldes sind zwei Wappenschilde angebracht. Die Inschrift läuft auf dem Rand um. Die beiden Worttrenner sind als Punkte gestaltet.

Maße: H. 213, B. 86, Bu. 6,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. Anno d(omi)ni M · cccc / lxviii uff montag noch · mitfasten starb der / edel vnd wolgebor(n) / schenck Ott herr von erpach de(m) got gnod

Datum: 28. März 1468.

Wappen:
ErbachBickenbach1).

Kommentar

Die Inschrift ist in einer regelmäßigen und qualitätvollen Minuskel ausgeführt. Das versale A ist vom pseudounzialen A der gotischen Majuskel abgeleitet, doch wird der mit einer tropfenförmigen Verdickung versehene linke Schaft von einem parallel verlaufenden Zierstrich begleitet, und der geschwungene Deckbalken steht zu beiden Seiten über. Für M(illesimo) steht ein symmetrisches unziales M der gotischen Majuskel, das durch einen Abschlußstrich geschlossen ist. Das O in Ott gehört dagegen zu den typischen Versalien der gotischen Minuskel. Charakteristisch für die sorgfältig gearbeitete Minuskel sind die ausgeprägten Ober- und Unterlängen. Nur beim d ist der Linksschrägschaft relativ flach und ragt kaum in den Oberlängenbereich hinein. Das h kommt in zwei verschiedenen Ausführungen vor. Auffällig ist die Form des h in noch, da hier der gebrochene Bogen in voller Strichstärke unter die Grundlinie geführt wird.

Meisinger bringt die Grabdenkmäler für Otto, Lukardis (Nr. 47), Philipp I. und Georg I. (Nr. 53), Johann IV. (Nr. 55), Magdalena (Nr. 61) und Cordula von Erbach (Nr. 84) sowie für Jutta von Erlenbach (Nr. 65) und für das Ehepaar Cyrologus (Nr. 54) mit dem Meister von St. Jakob zu Adelsheim in Verbindung,2) der mit Hans von Amorbach identifiziert wird.3) Ihm schreibt Dehio die Grabplatten für Otto, Johann IV. und dessen Frau Magdalena zu.4) Schaum-Benedum weist die Grabplatten für Otto, Johann IV. und Magdalena ebenfalls einer Werkstatt zu, die sie jedoch von jener des Meisters von Adelsheim abgrenzt.5)

Die Herkunft der Grabplatten Ottos und Johanns aus einer Werkstatt läßt sich nicht nur an der gleichartigen Ausführung der Figuren ablesen, sondern auch an der Verwendung exakt gleicher Buchstabenformen sowohl bei den Versalien als auch bei den Minuskeln. Die Platte für Magdalena und das Epitaph für Philipp I. und Georg zeigen ein nur leicht abgewandeltes versales A, und auch die Minuskelformen stimmen in ihren wesentlichen Merkmalen mit den Buchstaben der beiden vorgenannten Platten überein. Derselben Werkstatt lassen sich noch die Grabplatten für Jutta von Erlenbach und Hans Rauschensteig aus der Michelstädter Kirche sowie das Epitaph für Hans III. von Rodenstein aus Fränkisch-Crumbach zuweisen.6) Ob diese Werkstatt allerdings mit Hans von Amorbach in Verbindung gebracht werden kann, muß offen bleiben.

Otto war ein Sohn Eberhards X. Schenk von Erbach und der Maria von Bickenbach. Auf Vermittlung seines Bruders, Erzbischof Dietrichs von Mainz, heiratete er 1440 die Witwe Wielands von Freiberg, Gräfin Amalie von Wertheim, deren Bruder Wilhelm die Herrschaft Breuberg innehatte.7) Bereits 1437 läßt sich Otto als Rat Erzbischof Dietrichs nachweisen, und 1439 wurde er von ihm zum Burggrafen von Miltenberg ernannt.8) Im Jahr 1444 kam es jedoch zu einem Streit zwischen den Brüdern, der in den folgenden Jahren nicht beigelegt werden konnte.9) Im Jahr 1445 ließ Otto in Michelstadt die Burg (Kellerei) umbauen.10)

Anmerkungen

  1. Zwei Reihen aneinanderstoßender Rauten schrägbalkenweise.
  2. Meisinger 38 und 40 f.
  3. Albert, Eseler von Alzey 162 – 168; Hotz, Konrad von Mosbach 73; vgl. auch Meisinger 10 f. und 75 – 79 mit weiterer Literatur; die Identifizierung wird abgelehnt von Schnellbach, Spätgotische Plastik 126 f.; vgl. auch Schaum-Benedum 115 f.; eine Bauinschrift von 1473 aus Mittelschefflenz, die von derselben Hand gehauen wurde wie die Inschrift der Grabplatte Ottos Schenk von Erbach, weist das Steinmetzzeichen des Konrad von Mosbach auf, ohne daß daraus weitergehende Schlüsse gezogen werden können, vgl. DI 8 (Lkr. Mosbach, Buchen, Miltenberg) Nr. 20 und dazu Einleitung Kap. 5. 3.
  4. Dehio, Hessen 624.
  5. Schaum-Benedum 105, Anm. 1; auch für das Epitaph des Ehepaars Cyrologus (Nr. 54) erwägt sie vorsichtig eine Entstehung in derselben Werkstatt.
  6. Vgl. Nrr. 65, 69, 71.
  7. Möller, Stammtafeln NF I, Taf. XV; Europ. Stammtafeln NF V, Taf. 1; Europ. Stammtafeln NF XVI, Taf. 153; Simon, Geschichte 364.
  8. Simon, Geschichte 364; Voss, Erzbischof Dietrich 263 f.
  9. Voss, Erzbischof Dietrich 264 f.
  10. Vgl. dazu Nr. 31.

Nachweise

  1. Schneider, Historie Taf. IIII,71.
  2. Schaefer, Kdm. 170.
  3. Meisinger, Meister Abb. Taf. VIII 2.
  4. Schnellbach, Spätgotische Plastik 157.
  5. Buxbaum, Stadtkirche 35, Nr. 18.
  6. Schaum-Benedum, Figürliche Grabsteine 194.
  7. Grabdenkmäler 341 f.
  8. Nikitsch, Michelstadt 112, Nr. 31 mit 139 Abb. Taf. 12.
  9. Steiger, Schenken 86 f., Nr. 38.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 43 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0004300.