Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 9 Güttersbach (Mossautal), Evangelische Kirche 3. D. 13. Jh.

Beschreibung

Kryptogramm auf einer Glocke im Glockenturm. Die Inschrift läuft zwischen Doppelstegen auf der Schulter um.

Maße: H. 65, Dm. 82, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Rittereiser) [1/4]

  1. + C L Ga) N Ha) O Db) S A E L F N T X A Db) Ra) V N + O H K D I S L K Da) O W P N L

Kommentar

Die gotische Majuskel wird von Buchstaben der Kapitalis geprägt, und nur D, E und H sind stets als Unzialbuchstaben ausgeführt. Schaftverbreiterungen und Bogenschwellungen sind noch nicht sehr ausgeprägt und außer bei C und E, die durch einen Abschlußstrich geschlossen sind, ist kaum eine Tendenz zur Abschließung der Buchstaben vorhanden.1) Dies zeigt sich besonders deutlich beim L, dessen Balkensporn nur wenig ausgezogen ist. Die Buchstabenformen sprechen für eine Herstellung der Glocke im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts.

Obwohl die gesamte Inschrift 34 Buchstaben umfaßt, fehlen die Buchstaben B M Q Y und Z. Der Gießer arbeitete also nicht mit der anerkannten symbolischen Kraft des ganzen Alphabets,2) sondern ließ einzelne Buchstaben weg. Dafür wiederholte er verschiedene Buchstaben mehrfach. D, L und N kommen jeweils viermal vor, O erscheint dreimal, und A, F und S sind jeweils zweimal vorhanden. Der Verzicht auf das vollständige Alphabet sowie die mehrfache Wiederholung einzelner Buchstaben läßt sich auch beim Jenaer Kryptogrammisten feststellen,3) der allerdings auf andere Buchstaben verzichtete und offenbar eine gewisse Zahlensymbolik benutzte.4) Die Verwendung einer Zahlensymbolik läßt sich hier nicht feststellen, doch dürfte die vorliegende Buchstabenfolge wie beim Jenaer Kryptogrammisten das Ergebnis eines besonderen Umgangs mit der Unheil abwendenden Kraft des Alphabets sein.5)

Textkritischer Apparat

  1. Der Buchstabe steht auf dem Kopf
  2. Der Buchstabe ist retrograd gebildet.

Anmerkungen

  1. Bei F ist der Befund unklar, da es sich hier weniger um einen Abschlußstrich als um einen Gußfehler zu handeln scheint.
  2. Vgl. dazu Köster, Alphabet-Inschriften auf Glocken 373 – 377; zu Alphabetglocken vgl. jetzt Poettgen, Sinnlose Glockeninschriften passim.
  3. Vgl. zu ihm DI 39 (Lkr. Jena) XLf. und Nrr. 1115, wo die Glocken aus paläographischen Gründen in die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts eingeordnet werden; dagegen sieht Poettgen, Kryptogramme 85 – 87 und 93 mit guten Argumenten den in Jena zwischen 1430 und 1446 belegten Meister Herman Herlin als Gießer der fraglichen Kryptogrammglocken an.
  4. Zur Zahlensymbolik vgl. Poettgen, Kryptogramme 96 f.
  5. Zu den verschiedenen Deutungsversuchen der Inschrift vgl. 700 Jahre Güttersbach 129 f.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 9 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0000909.