Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 267 Michelstadt, Evangelische Stadtkirche 1620

Beschreibung

Epitaph des Grafen Friedrich Magnus von Erbach und seiner Ehefrauen Christina von Hessen-Darmstadt und Johanna von Oettingen. Das Denkmal steht innen an der Nordwand des Chors. Der Sockel ist aus rotem Sandstein, während der architektonische Aufbau des Tischgrabes, die Skulpturen und die Ornamente aus Alabaster gefertigt sind. Auf einer vor der Wand stehenden und von drei Löwen getragenen Tumba liegt die Figur des Verstorbenen mit gefalteten Händen in einer sorgfältig und detailliert gearbeiteten Prunkrüstung. Die Figur ist von fünf wappenhaltenden Engeln umgeben, von denen die vorderen drei jeweils zwei und die beiden hinteren jeweils nur einen Wappenschild halten. Den Hintergrund bildet eine Staffage aus mathematischen Instrumenten, Musikinstrumenten und geflügelten Puttenköpfen, die eine Kartusche mit drei ovalen Schiefertafeln rahmen. Auf diesen stehen die drei Grabinschriften, deren Buchstaben golden ausgemalt sind. Darüber befinden sich drei ovale Medaillons mit Vollwappen. Auf der Vorderseite der Tumba sind mehrere Graffiti des 18. und 19. Jahrhunderts angebracht, von denen zwei sehr sorgfältig in Kapitalis und mit Worttrennern ausgeführt sind.1)

Maße: H. ca. 330, B. 255, Bu. 3–4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/9]

  1. A

    DER HOCHWOLGE=/BORNE HERR HERR FRIDERICH / MAGNVS GRAVE ZV ERPACH VND / HERR ZV BREVBERG · WARDT / GEBORN DEN 18 APRILIS AN(N)O CHRISTI / 1575 STARB NACH LANGWIRIGER / SCHWACHHEIT IN CHRISTO SELIG/LICH DEN 26 AVGVSTI ANNO / 1618

  2. B

    CHRISTINA / GEBORNE LANDGRÄ=/VIN ZV HESSEN · OB / WOLERMELTS GR(AVEN) FRIDE/RICI MAGNI ERSTE GEMAH=/LIN HIELTE BEILAGER DEN 5 MAII A(NN)Oa) 1595 / VERSCHIEDE IN GOTT / SELIGLICH DEN 26 / MART(II) A(NN)Oa) 1596

  3. C

    IOHANNA / GEBORNE GRAEVIN / ZV ÖTINGEN. GR(AVEN) FRIDE=/RICI MAGNI ANDERE GE=/MAHLIN. WARDT MITT / IHREM HERN VERMÄHLT / DEN 18 (SEPTEM)BRISb) A(NN)Oa) 1597 / IST IM HERREN ENT=/SCHLAFEN DEN 18 / MART(II) A(NN)Oa) 1619 ·

Wappen:
ErbachHessenOettingen
ErbachSolms2)
Wild- und Rheingrafen zu DhaunWied3)
Wertheim Mecklenburg
NeufchâtelNassau.

Kommentar

Die Kapitalis der Inschrift (A) ist qualitativ besser ausgeführt als jene der Inschriften (B) und (C). Inschrift (A) zeigt gleichmäßige Buchstaben mit Bogenverstärkungen sowie mit Linksschrägenverstärkungen bei A, M, N und V. Das O weist Ansätze von Schattenachsen auf. In (B) und (C) sind die Bogenverstärkungen und die Linksschrägenverstärkungen nicht regelmäßig durchgeführt worden. Aufgrund der stärkeren Drängung der Buchstaben wirkt das Schriftbild zudem unruhiger.

Das Grabdenkmal für Friedrich Magnus4) wurde von seinen Brüdern, den Grafen Ludwig (Nr. 298), Johann Casimir (Nr. 279) und Georg Albrecht (Nr. 300) von Erbach, am 25. Oktober 1619 bei dem Bildhauer Michael Kern aus Forchtenberg in Auftrag gegeben.5) Die Brüder hatten zusammen mit ihrem Baumeister und Keller zu Michelstadt, Bernhard Kantzler, genaue Vorgaben für die Gestaltung des Denkmals festgelegt, nach denen sich der Bildhauer richten sollte.6) Bei dem Entwurf könnte das Epitaph Georgs III. (Nr. 250), des Vaters der vier Brüder, als Vorbild gedient haben, bei dem die Figur des Verstorbenen ebenfalls in einer Prunkrüstung auf einer Tumba vor dem eigentlichen Denkmal liegt. Die Vorgaben für Michael Kern beschränkten sich nicht nur auf das Material und die Maße, sondern gaben auch die Löwen, die Liegefigur, die wappenhaltenden Putten, die mathematischen Instrumente und die Musikinstrumente, die Inschriften sowie die bekrönenden Wappen detailliert vor. Die Arbeit sollte 450 Gulden kosten und nach Möglichkeit in 30 Wochen abgeschlossen werden.7) Im Februar 1620 arbeitete Michael Kern an dem Epitaph für Friedrich Magnus,8) und noch im gleichen Jahr wurde das Werk laut der Endabrechnung fertiggestellt.9)

Textkritischer Apparat

  1. o klein auf die Grundlinie gestellt.
  2. Schriftbefund 7BRIS.

Anmerkungen

  1. Sie lauten: IOHAN · MICHAEL / 1722 BENDER; IOHAN · CHRISTIAN · CASIMIR · SCHMIT · ANNO · 1722.
  2. Quadriert: 1/4. Solms, 2/3. Münzenberg.
  3. Quadriert: 1/4. Wied, 2. Runkel, 3. Isenburg.
  4. Auch seine Grabplatte ist erhalten, vgl. Nr. 261; zur Person vgl. ebendort.
  5. Michael Kern wurde 1580 in Forchtenberg am Kocher geboren und starb 1649. Er lernte bei Jakob Müller in Heilbronn und begann ab 1603 eigenständig Werke herzustellen. Im Jahr 1606 ist er in Würzburg nachweisbar, doch kehrte er bereits 1607 nach Forchtenberg zurück, wo er eine eigene Werkstatt gründete. 1610 wurde er hohenlohischer Hofbildhauer, arbeitete aber unter anderem auch für den Würzburger Bischof Julius Echter von Mespelbrunn, die Grafen von Löwenstein, die Grafen von Oettingen und die Grafen von Erbach, vgl. ausführlich Schneider, Michael Kern 11 – 32 und 41 – 44.
  6. Der Gedingzettel ist gedruckt bei Klassert, Geschichte der Grabdenkmäler 256 – 259; Krebs/Nikitsch, Bildhauer 86 – 89; Schneider, Michael Kern 288 f.
  7. Klassert, Geschichte der Grabdenkmäler 257 f.; Krebs/Nikitsch, Bildhauer 87 f.; Schneider, Michael Kern 289.
  8. Klassert, Geschichte der Grabdenkmäler 259; Krebs/Nikitsch, Bildhauer 89; Schneider, Michael Kern 289.
  9. Schneider, Michael Kern 291.

Nachweise

  1. Schneider, Historie Urk. Nr. CXCVII. 2, 442 und Abb. Taf. D.
  2. Luck, Historische Genealogie 36 f., Nr. 146.
  3. Schaefer, Kdm. 182 mit Abb. 95.
  4. Buxbaum, Stadtkirche 47, Nr. 39.
  5. Grabdenkmäler 353 i.
  6. Nikitsch, Michelstadt 141, Abb. Taf. 14.
  7. Schneider, Michael Kern 252, Anm. 508.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 267 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0026706.