Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 252 Michelstadt, Evangelische Stadtkirche 1613

Beschreibung

Epitaph für die Familien des Michael Scherffer von Scherffenstein und des Heinrich Liveherr. Das Holzepitaph in Form einer zweiachsigen, zweigeschossigen Ädikula hing früher an der Westwand des südlichen Seitenschiffs und wurde 1905 an der Südwand des Chores aufgehängt. Sein ursprünglicher Anbringungsort ist unbekannt. Das unter anderem durch die Umsetzung beschädigte Denkmal wurde bereits damals restauriert.1) Im Jahr 1994 erfolgte dann eine Sicherung und Wiederherstellung unter möglichst großer Annäherung an den originalen Bestand.2) Das mit reicher Schnitzarbeit verzierte Denkmal weist in den beiden von Säulen flankierten Nischen seines Hauptgeschosses bemalte Tafeln mit dem Gekreuzigten auf. Auf der linken Darstellung kniet zu Füßen des Kreuzes, an dem der Titulus (A) zu sehen ist, die Familie des Michael Scherffer von Scherffenstein. Links sind die Männer, rechts die Frauen ihrem Alter nach angeordnet. Zwei totgeborene Jungen und ein totgeborenes Mädchen mit den Beischriften (I), (J) und (R) sind vor den jeweiligen Gruppen plaziert. Über den Köpfen der Dargestellten befinden sich weiße Schriftbänder, auf die in schwarzer Schrift Namen und Geburtsdaten der Familienmitglieder geschrieben sind (D – R). Bei den durch ein kleines rotes Kreuz als verstorben markierten Personen ist auch das Todesdatum genannt. Im Sockelfeld ist in goldener Farbe die siebenzeilige Grabinschrift (B) aufgemalt. Auf dem rechten Bild sind zu Füßen des Kreuzes mit dem Titulus (S) nur vier Personen zu sehen. Links kniet Heinrich Liveherr, vor dessen Füßen ein Kissen mit dem am Tag der Geburt verstorbenen Sohn liegt. Auf dem Kissen ist die Inschrift (V) angebracht. Rechts knien Liveherrs Tochter, über deren Kopf die Inschrift (W) zu erkennen ist, und seine Frau. Im Sockelfeld ist die sechszeilige Grabinschrift (T) wiederum mit goldener Farbe aufgemalt. Das von einem gesprengten Giebel bekrönte Obergeschoß enthält eine bemalte Tafel mit der Auferstehung Christi. Im Unterhang sind die Bibelzitate (C) und (U) angebracht. Als Satzzeichen dienen Schrägstriche.

Maße: B. 290, Bu. 2,2 (A–C, S–U), 0,3 (D–R, V, W) cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, S), Fraktur (B, C, U), Fraktur und Kapitalis (T), Humanistische Minuskel (D–R, W), humanistische Minuskel und Kapitalis (V).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/16]

  1. A

    I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDEORVM)3)

  2. B

    Der Ehrnvest vnd vorgeachte Michael Scherffer Von Scherffenstein / der Zeit Gräv(lich) Erp(achischer) Rath Vnd Amptman Alhie, ist geborn in der Statt / Auszig an der Elbe in Behm gelegen Vff Michae(lis) A(nno) 1564 Hatt mit seiner / Hausfrawen Doratheaa) Weiland des Ehrn(vesten) Vnd Vorge(achten) H(errn) Stephan / Strauben gewesenen Ampttmans zu Wildenstein nachgelassene Dochter gzeigtb) / 13 Kinder 6 Söhn Vnd 7 Döchter ist abgeschiden 〈– – – 〉 An(n)o 〈....〉 / Seines Allters im 〈..〉 Iar, Dem Gott genedig Seÿ Amen.

  3. C

    Ich bin die Auffersteungc) vnd das leben, wer an / mich glaubet, der wurd leben, ob er gleich Sturbe / vnd wer da lebet, vnd glaubet an mich, der wurd / nimmer mehr Sterben. / Iohan(nes) C(apitel) 11.4)

  4. D

    Michael Schörffer Vo(n)d) Sherffen/steina). nat(us) A(nn)o 1564. 〈– – –〉

  5. E

    Georgius Natus. 7 Ianua(rii) A(nn)o / 1593 Mortuus. 〈– – –〉

  6. F

    Michael natus 22 (Septem)brise) A(nn)o / 1594. Mortu(u)s eodem die.

  7. G

    Philips Ludwig Natus. 3 Aug(usti) / A(nn)o 1599. mortu(u)s. 〈– – –〉

  8. H

    Georgius Albertus Nat(us) / 7 Iulÿ A(nn)o 1611 mortu(us). 〈– – –〉

  9. I

    Hans Frantz Natus 7 (Septem)/brise) A(nn)o 1595 Mortu(us) / 7 April(is) A(nn)o 1596

  10. J

    Friderich Magnus Natus / 17 feb(ruarii) A(nn)o 1606 Mortu(u)s / 14 Martÿ A(nn)o 1606

  11. K

    Catarina Nata 14 (Septem)brise) / A(nn)o 1604. mortua 〈– – –〉

  12. L

    Maria Nata 18 Feb(ruarii) A(nn)o / 1602 mortua 27 Martÿ / A(nn)o 1610

  13. M

    Margareta Nata 10 Martÿ / A(nn)o 1597 Mortua. 〈– – –〉

  14. N

    Doratheaa) Elisabet Nata 14 / Iulÿ A(nn)o 1591 Mortua / 9 Ianuar(ii) A(nn)o 1613.

  15. O

    Doratheaa) Straubin Nata / A(nn)oa) 27 Iulÿ A(nn)o 1570 Mortua 〈– – –〉

  16. P

    Rosina Nata 2 Aug(usti) / A(nn)o 1602 Mortua. / 〈– – –〉

  17. Q

    Iohanna Nata 15 / Iulÿ [A(nn)o] 1607 Mo/rtua. 〈– – –〉

  18. R

    Doot zur Weltt / Geboren A(nn)o 1590

  19. S

    I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDEORVM)3)

  20. T

    Der Ehrnhafft Vnd Vorgeacht Heinrich Liveherr, der Zeitt Gräve(licher) / Erp(achischer) Hammer FACTOR bei Firstenav ist geborn zu Colberg in / Pommern Den 15 Jullii A(nn)o 1585 Hatt mitt seiner Ehlichen Haus=/frawen Doratheaa) Elisabet Scherfferin (welche den 9 Februarii / An(n)o 1613 Im Herrn Entschlaffen)f) Ehlich erzeiget 1 Sohn Vndt / 1 dochter ist Selig Verschiden den 〈– – –〉 Dem Gott gnedig / seie

  21. U

    Vnser Keiner lebet ihm selber, vnd Keiner Stirbet / ihm selber leben wir, so leben wir dem Herren / Sterben wir So Sterben wir dem Herrn da/rumb Wir leben oder Sterben so sind wier / des Herrn. Röm(er) C(apitel) 145)

  22. V

    FIDERICVS MAGNVS NATVS / 4 Ianuarÿ A(nn)o 1613 mortuus eodem die

  23. W

    Anna Maria nata / 24 Iunÿ A(nn)o 1611 / Mortua. 〈– – –〉

Wappen:
Scherffer von Scherffenstein6)Straub7).

Kommentar

Das genaue Herstellungsdatum des Epitaphs ist unbekannt, doch da in beiden Grabinschriften die Todesdaten der Männer fehlen, muß es zu ihren Lebzeiten ausgeführt worden sein. Der 1564 in Aussig an der Elbe (Ústí n. L., Tschechische Republik) geborene Michael Scherffer von Scherffenstein ist 1601 als Kammerschreiber der Grafen von Erbach nachweisbar.8) Er wurde dann gräflich erbachischer Rat und Amtmann zu Michelstadt, und 1614 wurde er zum Amtmann auf Schönberg ernannt. In diesem Amt starb er am 18. Oktober 1625 im Alter von 61 Jahren.9) Michael Scherffers Schwiegersohn, der aus Kolberg in Pommern stammende Heinrich Liveherr, verließ 1613 sein Amt als Faktor des Fürstenauer Hütten- und Hammerwerks und trat die Nachfolge des erbachischen Kellers zu Seeheim, Lucas Wielius, an, der zum Peterstag (29. August) 1613 nach Erbach wechselte. In Seeheim heiratete Liveherr im April 1614 Anna Katharina, die Tochter des hessischen Kellers zu Dornheim, Daniel Voltz. Am 19. Juli 1625 wurde Heinrich Liveherr in Seeheim begraben.10) Da er in der Grabinschrift (T) des Epitaphs ausdrücklich als der Zeitt Grävelicher Erpachischer Hammer FACTOR bei Firstenav bezeichnet wird, muß das Denkmal 1613 in Auftrag gegeben worden sein. Der Anlaß zur Errichtung des Epitaphs dürfte demnach der Tod von Liveherrs Frau Anna Dorothea Scherffer am 9. Februar 1613 gewesen sein.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Das offenbar zunächst vergessene Wort ist in kleineren Buchstaben am Ende der Zeile nachgetragen worden.
  3. Über alle u der Inschrift ist ein Punkt als diakritisches Zeichen gesetzt.
  4. V mit übergeschriebenem o.
  5. Schriftbefund 7bris.
  6. Die beiden Klammern sind auch in der Inschrift als runde Klammern ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Quartalblätter NF 3, Nr. 19/20 (1905) 626; Bernbeck, Mitteilungen 36.
  2. Reinhold, Wiederherstellung 34 f.
  3. Nach Joh 19,19.
  4. Joh 11,25 f.
  5. Röm 14,8.
  6. Schwarz-rot gespalten, darin auf einem grünen Berg ein goldener Greif, der zwischen rot-gold und rot-schwarz geteilten Büffelhörnern in der Helmzier wiederholt wird.
  7. Geteilt: oben in Weiß ein roter Schaft mit Mittelschragensprosse, unten in Rot ein weißer Schaft mit Mittelkreuzsprosse.
  8. Walther, Reichenbacher Chronik 3.
  9. Walther, Reichenbacher Chronik 71 und 109; vgl. auch Luck, Reformationsgeschichte 68 und Müller, Ortsnamenbuch 641.
  10. Kunz, Amt Tannenberg-Seeheim 46.

Nachweise

  1. Buxbaum, Stadtkirche 53, Nr. 45 (B, T).

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 252 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0025203.